Ich verfolge die Diskussion schon seit längerer Zeit und sehe dieses Thema sehr entspannt, da es ja schlussendlich um das Reiserlebnis geht. Und da setzt nun mal jeder andere Prioritäten, denn es geht ja darum, das der/die Reisende sich wohl fühlt, aufgrund der Erfahrung, Streckenführung, Reisedauer, usw.

Ich habe vor 10 Jahren meine ersten mehrtägigen Radreisen mit klassisches Reisrad mit 3x10 und hinten zwei Packtaschen begonnen. Vor 8 Jahren auf Rohloff umgerüstet und 2018 eine mehrwöchige Bolivienreise unternommen. Hier allerdings dann zusätzlich mit Rack-Pack, Vorderradtaschen + Lenkertasche. Aufgrund der Tatsache, dass wir sowohl im Tiefland als auch bis auf 5000 m waren, bei bis zu -20°C in der Nacht, haben wir dann doch relativ viel warme Kleidung, den dementsprechenden Schlafsack, Zelt, Kochausrüstung usw. mitgenommen. Aber auch gewisse Ersatzteile waren notwendig (haben auch Einges davon gebraucht) und dementsprechende Reiseapotheke. Oft für mehrere Tage die Verpflegung und vor allem Wasser. Da kommt schon einiges an Gewicht zusammen und hier sehe ich persönlich das Reiserad besser aufgestellt.
Habe auch schon länge Bikepacking Touren am Rennrad gemacht und das hat auch seinen Reiz. Hier war der sportliche Gedanke natürlich mehr im Vordergrund und es ist dann schon sehr beeindruckend wieviel Höhenmeter und Strecken man so in 10 Tagen schafft. Haben dabei in Hotels geschlafen und uns jeden Abend im Lokal kulinarisch verwöhnen lassen.
Gravelbike besitze ich keine, aber zwei Crooser, da ich seit vielen Jahren in Österreich den CX Cup fahren, aber auch immer wieder im Ausland am Start stehe. Ich kenne daher gut die Qualitäten dieser Räder, aber für mich sind dies halt Wettkampfgeräte und weniger Reiseräder. Das hat aber sicher eher etwas mit meiner inneren Einstellung zu tun und ich finde es auch gut, dass es für viele (vor allem junge Leute) ein ideales Reisegerät ist. Ob dies nun nur eine vorübergehender Hype ist mir egal, denn ich finde es schön wenn die Leute nicht den Flieger oder das Auto benützen. Ein paar werden nur Eintagsfliegen sein, aber das ist ja bei klassischen Radreisenden, Campern, Fitnesscenter Abo Besitzern, usw. der Fall.

Bezüglich neuer Technologie hat halt jeder einen anderen Zugang. Ich selber fahre am Reiserad eine Rohloff, weil ich die Zuverlässigkeit mag und ich bei mehrwöchigen Reisen keine Gedanken über das Aufladen des Akku machen möchte oder bei heftigen Schlägen dann das elektronische Schaltwerk nicht geht und man wieder ein Reset machen muss. Außerdem ist das System vor Schmutz perfekt geschützt. Einmal im Jahr Ölwechsel und das wars im großen und ganzen.
Am Rennrad finde ich es genial elektronisch zu Schalten, bei den Crossern fahre ich noch mechanisch, aber die nächsten werden sicher auch elektronisch geschaltet. Ist für mich ein extremer Komfortgewinn und auch der zeitliche Aufwand bei Schlammschlachten bezügliche Probleme mit den Bowdenzüge, usw. ist wesentlich geringer. Ich verstehe es aber gut wenn man ab einem gewissen Alter, nicht jeden Trend mitmachen will, vor allem wenn man mit den bisherigen Equipment zufrieden war. Außerdem ist der finanzielle Aufwand auch nicht zu unterschätzen.

Ich denke, dass hier auch viele im Forum sind, die aus vielen Gründen nicht für Bikepacking entschieden, weil es einerseits eine dementsprechend Investition benötigt oder diese mit der bisherigen Ausstattung zufrieden sind. Finde es aber immer spannend zu lesen, wenn Leute etwas neues ausprobieren oder von ihren langjährigen Erfahrung berichten. Ich finde das sehr bereichernd und vieles inspiriert mich und manches halt nicht.
Warum liebe ich nun das Reiserad. Ich sitze im Jahr rund 10.000 km am Rennrad bzw. Crosser und dadurch ist er für mich ein entschleunigtes Radfahren. Ich kann mit minimalen Gepäck reisen, aber auch für ganz große Touren packen. Mit dem neuen Idworx Rohler BLT kann man auch sehr gut grobes Terrain fahren bzw. auch sehr gut auf sandigen Strecken dank der MTB Geometrie. Ist ein bisschen wie ein alter Puch (Mercedes) G. Nicht das schnellste Gerät, aber sehr universell.
Bikepacking hat sich bei mir als Bahnersatz herauskristallisiert. Typischerweise für 1-2 tägige An-/Abreisen mit bis zu 400 km. Unkompliziert und schnell.

Freue mich schon auf meine heurige Sommerreise von Saragossa nach Wien und danke allen fleißigen Schreiber*innen im Forum, die mich die letzten Jahre immer wieder mit neuen Input bereichert haben.