Hallo Leute,

mit großem Interesse verfolgen wir die Diskussion „Rohloff-Nabe nicht fernreisetauglich?“ Eigentlich gehört es zu unseren Grundsätzen uns als parteilich geltender Produkthersteller hier nicht einzumischen. In diesem Fall haben wir uns jedoch zu einer Ausnahme entschieden um ein wenig Licht in das Meer der Unwissenheit und Mutmaßungen zu geben. Im Laufe der Plauderei über die vermuteten Mängel des Produkts aus Fuldatal ergaben sich im wesentlichen drei offene Fragen:
1.Ist das 17er-Ritzel zu schwach ausgelegt - Warum kam es in einzelnen Fällen zum Zahnausbruch?
2.Sind die Madenschrauben der Schaltzugklemmung in der Seilrolle zu kurz?
3.Welche Faktoren bestimmen die Belastung der Ritzelzähne?

Wir beginnen mit Antwort auf Frage 1: Ist das 17er Ritzel zu schwach ausgelegt?

a) Zunächst die Werkstofffrage:
Alle Rohloffritzel werden aus hochfestem Vergütungsstahl 42CroMo4-V gefertigt. Das Material besitzt eine Zugfestigkeit von 1000+/-100 N/mm². Die Zahnflanken sind aus Verschleißschutzgründen induktionsgehärtet mit einer Randhärtetiefe von 1mm und einer Oberflächenhärte von 650+/-50 HV.

b) Die maximalen Betriebsbelastungen:
In umfangreichen Messungen zeigte sich, dass die höchsten Betriebsbelastungen im kräftigen Wiegetritt auftauchen. Die Messungen erfolgten im 10. und 11. Gang, da hier der Pedalwiderstand lang genug anhaltend ist um maximale Drehmomente zu erzeugen. Es ergibt sich folgendes Bild:
Solorad 230Nm, Kettenzug bei 42er Kettenblatt = 2740N
Tandem mit gut eingespieltem Team 400Nm, Kettenzug bei 42er Kettenblatt = 4700N
Diese Drehmomentspitzen können nur sehr kurz über zwei bis drei Kurbelumdrehungen von außergewöhnlich trainierten Leuten erzeugt werden.

c) Die Konstruktionsdaten:
Die Zahngeometrie aller unserer Ritzel ist so ausgelegt, dass die Bruchgrenze der Zähne erst bei Kettenzügen > 7500N erreicht wird. Die minimale Steghöhe zwischen den Leichterungslöchern und den Zahnflanken beträgt beim 17er Ritzel 2,8mm, beim 16er Ritzel 2,7mm und beim 15er Ritzel 2,4mm. Es ergibt sich ein Sicherheitsfaktor von über 1,5 zu den maximal möglichen Drehmomentspitzen im Tandembetrieb.

Wie kann dann sein, was nicht sein darf?

Von unserer Seite aus sind nur zwei Faktoren bekannt, die Ursache für den Zahnausbruch bilden:

-Wird mit verschlissener Kette und federndem Kettenspanner oder mit verschlissener, zu locker gespannter Kette mit kräftigem Pedaldruck gefahren, kommt es zum Überspringen der Kette über die Ritzelzähne. Die Aufprallenergie der Kettenrollen auf die Zahnflanken wirkt dann wie ein Hammerschlag auf die Zahnflanken. Erfolgt das Überspringen wiederholt, kann es zum Zahnbruch kommen.

-Qualitätsmängel am Ritzel. Durch unsere Qualitätskontrolle wurden in der Vergangenheit vereinzelt folgende Mängel festgestellt:
Zu hohe Einhärtetiefe, oder zu hohe Randhärte durch zu schroffe Abkühlung, die durch falsche Parametereinstellungen beim Einrichten der Induktionshärtemaschine hervorgerufen wurden. Betroffen waren nur Einrichtteile, die entgegen der Vorschrift unter die Serienteile gelangt sind.
Es wurde versucht diese Teile vollständig auszusortieren. Offensichtlich sind uns einige Ritzel durch die Lappen gegangen.

Während gegen den ersten Fall kein Kraut gewachsen ist, ist der zweite Fall unmittelbar von Rohloff zu verantworten. Wenn wir von einem solchen Problem erfahren, kommt das Ersatzteil in der Regel umgehend auf schnellstem Weg. Es ist aber möglich, ohne das weitere Probleme entstehen, mit ein oder zwei fehlenden Zähnen mit Bedacht noch eine Weile weiter zu fahren, bis Ersatz geliefert ist. Wir bemühen uns, auch in die entfernteste Ecke dieser Welt Ersatzteile zu liefern, so dass im Havariefall („Houston wir haben ein Problem“) niemand seine Reise abbrechen muss.

Nun noch ein paar Worte zu unserem Unglücksraben peterrohloff alias peterxtr:
Die geposteten Bilder von peterrohloff zeigen zwei Ritzel mit den typischen oben beschriebenen Härterissen. Offensichtlich hat er besonderes Pech gehabt (Murpheys Law lässt grüßen). Wir bedauern diesen Umstand und wünschen ihm noch viele defektfreie erlebnisreiche Radelkilometer.



Nun zu Frage 2:
Für die Schaltzugklemmung in der Seilrolle werden die gleichen Madenschrauben wie in unseren Bajonettverschlüssen der internen Schaltansteuerung verwendet. Es handelt sich dabei um einen Gewindestift DIN 913 M4x4-A2 mit der Innensechskant-Schlüsselweite von 2mm. Werden diese Schrauben zu fest angezogen, dreht nicht das Gewinde durch wie mehrfach gemutmaßt, sondern der Innensechskant weitet sich auf und der Inbusschlüssel dreht durch. Die Gefahr des überdrehens ist besonders groß bei Benutzung von Werkzeug minderer Qualität. Es empfiehlt sich hier die Verwendung von gehärteten Bit-Einsätzen. Längere Schrauben nützen hier leider nichts, da die Schwachstelle auch hier der Innensechskant ist. Nicht ohne Grund benutzen wir hier Edelstahlschrauben, da bei schwarzen Schrauben die Gefahr besteht, dass nach längerer Benutzung die Schraube im Gewinde festrostet.



Letztlich zu Frage 3 (und dem Versuch einer einfachen Erklärung):

Was macht eigentlich das Ritzel den ganzen Tag?

Das Ritzel hat die Aufgabe, das Hinterrad anzutreiben. Entweder im Paket bei Kettenschaltungen, direkt bei Singlespeed, oder als Getriebeeingang bei Nabenschaltungen. Dabei wird das Ritzel vom Kettenzug angetrieben. Damit die Kette auch zieht, muss natürlich das Kettenblatt in entsprechende Drehbewegung gesetzt werden. Dafür ist der Radler verantwortlich, der je nach Fahrwiderstand mehr oder weniger kräftig in das Pedal tritt und die Kurbeln kreisen lässt. So weit, so gut.

Wir schauen nun näher auf den Ort des Geschehens:
Mit seiner Pedalkraft erzeugt der Radler also über den Kurbelarm ein Drehmoment welches vom Kettenblatt abgefangen wird. Das Kettenblatt wird von der Kette über die Hebellänge des Kettenblattradius gegengehalten (Actio=Reactio). Wir erinnern an das gute alte Hebelgesetz:
Kraft x Kraftarm = Last x Lastarm
bzw. hier
Pedalkraft x Kurbellänge = Kettenzugkraft x Kettenblattradius
Ist der Kettenblattradius zum Beispiel halb so groß wie die Kurbellänge so muss die Kettenzugkraft zwangsläufig doppelt so groß sein wie die Pedalkraft. Diese Baugrößenbeziehung bezeichnet man als Übersetzungsverhältnis Kurbellänge/Kettenblatt. Damit die Kurbel nicht durchdreht, muss sich die Kette irgendwo festhalten, damit der Radler nicht auf die Nase fällt.
Und wo hält sie sich fest? Richtig! Am Ritzel! Oder genauer, an den Ritzelzähnen.

Aus diesem Bezug ist zu erkennen, dass die Belastung der Ritzelzähne ausschließlich vom Kettenzug bestimmt wird. Der Kettenzug ist wiederum abhängig von der Länge des Kurbelarms, der Größe des Kettenblatts und natürlich der Pedalkraft.
Der Ritzeldurchmesser spielt dabei nur in sofern eine untergeordnete Rolle, dass Ritzel mit großem Durchmessern mehr Zähne zum Kettenzugkraftabbau zur Verfügung stellen. Die Drehzahl des Ritzels ist verantwortlich für die Lastwechselzahl auf den einzelnen Zähnen (rein in den Ketteneingriff, raus aus dem Ketteneingriff).

Bilanz:
Je kleiner das Kettenblatt, je länger der Kurbelarm und je höher die Pedalkraft, desto größer ist der Kettenzug und damit die Belastung der Ritzelzähne.

...kurbelst du mit großem Blatt, nutzt sich wenig das Ritzel ab! (PS: 50/21 = 40/17 !?!)


Wir wünschen allen Forumsteilnehmern ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Jahr 2009.

Bernhard Felix Rohloff