[…]Ich bin, was das Eintauchen in fremde Kulturen an geht, immer etwas misstrauisch. Auf der einen Seite habe ich heraus gefunden, dass Eintauchen nicht gleich Eintauchen ist. Dazu habe ich weiter oben geschrieben. Dein Eintauchen auf einer Reise ist ein ganz anderes als das von jemandem, der lange in der Entwicklungshilfe arbeitet, oder der dauerhaft unter den Leuten lebt, vielleicht sogar mit Familienanschluss.[…]
Das sehe ich ähnlich. Ziemlich sicher bin ich mir, dass man auf einer mehrmonatigen Radreise viel kennenlernt. Und klar, mehr als bei zwei Wochen. Aber wie tief das dann in eine "eintauchen" mündet, das hängt stark von der Persönlichkeit ab, von der Offenheit für neue Eindrücke, für neue Kulturen etc. Krasses Beispiel jener vom "Welt"reisenden zum Regisseur mutierten, dessen filmisches Ergebnis seiner "Welt"reise ein nicht allzu tiefes eintauchen vermuten ließ...
Aber der war ein Extrembeispiel auf der einen Seite. Ich bin sicher, dass viele mit offenen Augen und Ohren reisen. Nur bin ich dann auch immer skeptisch, wenn aus dem "Eintauchen" ein "Kennen" wird. Also, wenn man behauptet, dass man ein Land etc. "kennt" aufgrund einer Reise. Man kennt immer nur einen Teil. Das ist ja schon in der Heimat so. In Frankfurt am Main gibt es Milieus, die sind mir unendlich fremd. Da kenne ich nix. Dieses Buch hat zwar nichts mit Radreisen zu tun, zeigt aber eindrücklich, wie unterschiedlich es in einem Land zugeht. Der Autor wuchs in einem extrem bildungsfernen und armen Milieu im Norden Frankreich auf und "entkam" diesem dann, studierte etc. Er ist also inzwischen Bildungsbürger und kennt doch dieses andere Milieu aus eigener Erfahrung - das gibt es selten. Und es ist eine derart weit entfernte Welt.