Du sitzt ein bißchen einem Wahrnehmungsirrtum auf. Denn von den inzwischen sehr vielen Scheibenbremsnutzern, bei denen alles bestens und befriedigend funktioniert, liest man natürlich nix.
Mit dem Armutszeugnis magst du teilweise dort Recht haben, wo du es vielleicht nicht vermutest. Über Jahre hinweg hat der namhafte schwäbische Hersteller Magura im Fahrradbereich nur mangelhafte Ware angeboten und das vorher mühsam aufgebaute Vertrauen nachhaltig ruiniert. Seither geben sie sich wieder mehr Mühe.
Der Vergleich mit dem motorisierten Fahrzeug ist auch deswegen unangebracht, weil die Scheibengröße im Verhältnis zur Radgröße in ganz anderen Dimensionen liegt. Daß 140er Scheiben bei 622er Rädern eher Spielzeug bleiben müssen, konnte man schon vorher wissen. Über die mehrfach andere Liga bei den Materialdimensionierungen wurde schon geschrieben.
Kühlrippen sind überhaupt nicht lächerlich, sowas findet sich in vielen anderen Bereichen auch, bis hin zum highend-Gerät. Du darfst in der Tat nicht vergessen, daß es einen Unterschied macht, ob man alles Zeuchs selber den Berg hochstemmt oder eben einem Motor anvertraut. Dieser Ausgangslage hat sich bislang eben nur Magura gestellt, die anderen werden gewußt haben, wieso.
Bist du eigentlich mal längere Zeit mit hydraulischen Scheibenbremsen unterwegs gewesen, und das auch nicht nur im Flachland? Wenn ja, kannst du sicher bestätigen, daß es in der Summe, nach langen Abfahrten oder ganzen Tagen im Gebirge einen enormen Unterschied ausmacht, wieviel Handkraft man ständig aufgebracht hat. Denn nicht nur ist die Verzögerung bei angemessener Scheibengröße schon sehr deutlich höher als diejenige von Felgenbremsen, auch wenn Heerscharen von Nutzern von solchen nicht müde werden, zu beteuern, daß auch sie das Rad zum Blockieren bringen. Dem will ich garnicht widersprechen.
Dazu kommt aber auch, daß für gleiche Verzögerung sehr spürbar weniger Handkraft investiert werden muß. Ich für mich kann nur sagen: darauf will ich nie mehr verzichten. Und ich war lange Jahre begeisterter Seilzugoptimierer.
Ebenso interessant für mich: der Druckpunkt. Außer bei Magura ist der dermaßen viel deutlicher spürbar als bei konventionellen Bremsen, vor allem hinten, daß man da eigentlich in einer anderen Bediendimension unterwegs ist. Sicher gibt es auch hydraulische Felgenbremsen, deren Leistung liegt aber nicht wirklich über der von Seilzuggesteuerten.
Es kommt allerdings sehr darauf an, welchem Verwendungszweck das Rad unterliegt. An Rennrädern sehe auch ich als Hydroscheibenanhänger nur wenig sinnvolles Potential für ebendiese. Für Fahrräder, die nur in der Ebene, nur im langsamen Stadtverkehrsalltag ohne große Beladung, Räder, die in ihrem Leben nur wenige Tausend Kilometer bewegt werden: dafür würde ich auch nicht zwanghaft eine Scheibenbremse fordern. Denn selbstverständlich sind die auch spürbar teurer als V-Bremsen. Und wenn das Rad nie mehr als 2000 km überhaupt fährt, ist das Argument von der Zerstörung tragender Bauteile obsolet.
Gerade aber an einem vollbeladenen Reiserad zB finde ich eine gute hydraulische Scheibenbremsanlage eines der besten features, die das Rad haben kann. Ich bin vor 16 Jahren in strömendem Dauerregen mit vollem Gepäck und den besten V-Bremsen 1850 Höhenmeter die Südseite des Splügenpaß runtergefahren. Ich habe nie nicht anhalten können. Aber ich habe alle zwanzig Minuten eine Schmerzpause für meine Hände einlegen müssen. Sie können das, die Vs, sicher. Aber zu welchem "Preis"!
Einziger echter Nachteil von nassen Scheiben: sie bremsen zwar gut, aber sie können ohrenbetäubend kreischen.