Der manchmal doch etwas beleidigende Ton der Antworten, die ich gekriegt habe, reizt mich zur Entgegnung. Unterschiedliche Meinungen und Missverständnisse sind eins, aber es ist doch nicht nötig, so miteinander umzugehen.

Detlef schrieb: "So einen Quatsch habe ich schon lange nicht mehr gehört! Kannst du dir vorstellen, dass man auch stürzen kann, ohne von einem Auto umgefahren zu werden?"

Erst in den letzten zwei Jahrzehnten ist die Meinung entstanden, dass ganz normales Radfahren auf der Strasse gefährlich sei. Der Grund für diese Ansicht liegt darin, dass Motorisierte auf den immer breiteren, geraderen und allgemein autobahnähnlicheren Strassen immer schneller und aggressiver fahren. Wenn wir Motorverkehr hätten wie anno 1920, würde niemand auf den Gedanken kommen, ein Alltagsradler sollte sicherheitshalber einen Helm tragen. Während du also durchaus so sehr Angst vor Stürzen haben magst, die keine Autos involvieren, dass du sogar beim Vordichhinfahren auf einer vollkommen verkehrsfreien Landstrasse einen Helm trägst, kann ich dir versichern, dass du, in etwas weniger ängstlichen Zeiten aufgewachsen, diese Vorstellung einfach lächerlich gefunden hättest. Oder jedenfalls hätten sie alle anderen lächerlich gefunden.

Keine Frage, der motorisierte Verkehr ist der ursächliche Grund, weshalb viele heutige Touren- und Alltagsradler Helme tragen. Nun läge es in der Macht der Gesellschaft, diese - ja durchaus erkannte - Gefahr zu bannen. Dafür wären ja Legislative, Judikative und Exekutive u.a. eigentlich da: Den Schutz seiner Bürger und ausländischen Besucher sicherzustellen. Die heutige Gesellschaft würde das im Bereich des Strassenverkehrs aber niemals dulden, da sie ihre Motorfahrzeuge liebt wie sonst gar nichts - und sie sogar mit einer falsch verstandenen Freiheit assoziiert.

Anstatt also dass dieser vermeintlichen Freiheit ein Riegel geschoben wird, tönt es von offizieller Seite: Hey, Radfahrer, Ihr seid gefährdet. Und wir sind nicht bereit, die Motorisierten zu zügeln. Eigentlich bräuchtet Ihr Gesetze und Strassennetze, dank denen ihr ungefährdet radfahren könntet, aber das könnt Ihr vergessen. Halb so schlimm, tragt einfach einen Helm, dann geht's euch gut.

Wenn jemand, der, wie ich, der Überzeugung ist, dass Touren- und Alltagsradler vor allem durch den motorisierten Verkehr gefährdet sind, und wenn er dennoch dem Wunsch nachkommt, dass er einen Helm tragen soll, dann hat er damit auch gleich die hinter diesem Wunsch stehende Ideologie akzeptiert - also wird er aus Überzeugung keinen Helm tragen.

Helmträgern ist diese Problematik so fremd, dass sie sie nicht einmal begreifen, wenn sie ihnen von anderen dargelegt wird - deshalb dein fassungsloses "Quatsch".

Es mag sein, Detlef, dass du diesmal wieder nicht begreifst, was ich meine, aber hinter dem, was ich hier sage, steckt wesentlich mehr Logik als hinter deinen Entgegnungen. Abgesehen davon hast du unbeabsichtigt klargemacht, dass die Gründe, weshalb du einen Helm trägst, nicht auf logisch nachvollziehbaren Motiven gründen. Deine vermeintlichen Argumente sind anekdotisch und nichtssagend; eine Entgegnung ist nicht möglich, eine Erwiderung überflüssig.

Zombie 025 und ATK regen sich darüber auf, dass in letzter Zeit mehrere Threads zu diesem Thema gebracht worden sind und meiner deshalb überflüssig sei ("Jeden Tag ein neuer Helmthread"). Ich habe nachgeschaut und gesehen, dass die Helm-Threads der letzten paar Monate sich beschränken auf einen Thread, wo sich das erste Posting vor allem über ältere nichthelmtragende Radler lustig macht, auf einen, wo einer fragt, was für einen Helm er tragen soll, auf einen, wo gefragt wird, was man gegen stinkende Helmpolster tun kann ... aber auch wenn man weiter zurückgeht, findet man keinen Thread, wo der Poster nach den Gründen fragt, weshalb Helmträger Helme tragen, und die Frage wurde (auch in diesem Thread) nicht direkt beantwortet.

Eines stimmt jedoch: Meine Argumente sind tatsächlich allesamt in letzter Zeit genannt worden. Freut mich zu sehen, dass andere auch meiner Meinung sind (und ausserdem sachlicher argumentieren als ihre Kontrahenten).

Ich habe jedoch den Eindruck, dass die entnervten Reaktionen von Zombie 025 und ATK auf mein Posting nicht unwesentlich durch ihre positive Einstellung zum Helm bedingt sind.

Holger schrieb: " Warum interessiert Dich denn die Meinung anderer Radler? Würdest Du Dich nach der Mehrheit richten? Tu das, was Du für richtig hältst!"

Ich habe nicht nach Meinungen gefragt, sondern nach Beweggründen. (Ich machte ja auch die Gründe bekannt, weshalb ich keinen Helm trage. Ob man die nun überzeugend findet oder nicht, steht auf einem anderen Blatt.)

Anonym schreibt "Darum Helme!" und postet einen Link zu einer Person, die sich beim Radfahren verletzte. Ein statistisch belangloser Einzelfall, der keinerlei Bedeutung hat. Ich sprang als 10jähriger eine Treppe hinunter und landete mit dem rechten Fuss auf einer altmodischen Ölkanne mit langem, spitzem Schnabel, der sich durch den Schuh und in meinen Fuss hineinbohrte. Ich konnte wochenlang nicht auf diesem Fuss aufsetzen. Deswegen trage ich doch keine Schuhe mit Stahlsohlen, und ich sage auch keinem 10jährigen, er soll keine Treppen runterspringen.

Claudia schreibt: "Ich werde jedenfalls weiterhin meinen Helm tragen." Okay, aber meine Frage war ja: Wieso? - Das sagt sie leider nicht, sondern sie kritisiert nur die Gründe, die ich angebe, weshalb ich keinen trage. Hauptsächlich zweifelt sie an meinen "Statistiken" und fragt mich um Quellen. Bitte: http://www.lesberries.co.uk/cycling/helmets/helmets.html - eine ganze Sammlung von Statistiken und Forschungsergebnissen, die die Gefährlichkeit von Fahrradhelmen belegen (leider englisch).

Ich glaube jedoch nicht, dass irgendjemand wegen Statistiken oder Untersuchungen seinen Helm ablegen wird. Ich habe nämlich den Verdacht, dass Helme nicht aus rationalen Gründen getragen werden, sondern aus reiner Angst und aus der Überzeugung heraus, dass Radfahren gefährlich sei (darum übrigens dieser Thread). Ich glaube übrigens auch, dass wir überhaupt in einer Zeit leben, wo die Menschen sehr ängstlich sind.

Claudia schreibt auch: "weil Autofahrer sich nicht durch einen Helm schütze, sollen Radfahrer, das auch nicht tun?" Genau - da das statistische Risiko einer Kopfverletzung in beiden Fällen vernachlässigbar klein ist. Und: "Mir ist es persönlich so ziemlich egal, was andere Verkehrsteilnehmer tun oder lassen, ich will mein Leben schützen und trage deshalb (meistens) einen Helm." Als Fussgängerin auch? (Kritiker werden einwenden, dass dieses Argument in anderen Threads schon gebracht wurde; stimmt, tut mir leid.)

Ausserdem schreibt sie: " "Und was nützt es mir, wenn auf meinem Grabstein steht "Sie hatte Vorfahrt"? " - Mein Punkt ist ja, dass du ohne Helm keiner statistisch gesehen relevant höheren Gefahr ausgesetzt bist als mit Helm. In anderen Worten: Es wird keinen Grabstein geben, weil du nicht tot sein wirst, bloss weil du beim Radfahren keinen Helm trägst.

Wolf - ich nehme an, ein Helmträger - begnügt sich damit, meine Motive, keinen Helm zu tragen, zu kritisieren - auf extrem unbedarfte Weise, wie Thomas zeigt.

Mit dem Beitrag von ma.dee driftet der Thread mehr oder weniger ins Lächerliche ab.

Alex: Ich finde deine Einstellung und deine Art cool.

Danke an alle, die mir ernsthaft und ohne Überheblichkeit antworteten (ob Helmträger oder nicht).

Ein schönes Wochenende wünscht euch

Schreiberling