So, Ansgar,
hab mir die Mühe gemacht und den Text aus der Süddeutschen bzw aus dem Scan, den Du Jenne gemailt hast, von Hand abzuschreiben.
Damit alle etwas davon haben
....
Ich habe viel Spaß
beim Lesen gehabt.
Schade
, das ich die dazugehörige Karikatur nicht mit hineinstellen kann....
Viel Spaß
beim Lesen wünscht
HeinzH. aus HH
Es folgt der Text aus der Süddeutschen Zeitung vom letzten Freitag:
LIEGEN SIE BEQUEM?
MIT DEM ERLERNEN DES AUFRECHTEN GANGS ERKLOMM DER MENSCH EIN NEUES ZIVILISATIONSPLATEAU. MIT DER ERFINDUNG DES LIEGERADS HAT ER ES WIEDER VERLASSEN.
Von Christian Gottwald
Illustration: Guido Sieber
Wie ich sie hasse. Abgrundtief hasse. Sie machen mich agressiv. Nicht, weil sie mir irgendetwas getan hätten, nein, es gelingt ihnen durch ihre bloße Präsenz. Ich will hier nicht im Detail schildern, was ich ihnen alles hinterherwerfen würde, nur so viel: Es wären nicht nur Worte. Daher flugs zur Ursachenforschung. Warum, bitte, können Sitzradfahrer so ausgezeichnet provozieren?
Besuchen wir doch in Gedanken eine Sitzradfahrer-Convention, stellen wir uns mitten hinein in den Feind, am besten leicht erhöht auf einen Stuhl – und rufen laut! – noch einmal die Frage: -Warum, bitte, könnt der Sitzradfahrer so ausgezeichnet provozieren!- die Antwort kommt einstimmig wie im Chor: -Liegeradfahrer! Wir sind keine Sitzradfahrer! Wir sind Liegeradfahrer!-
Und da haben wir sie auch schon, die Provokation. Nein es ist nicht der oberlehrerhafte Unterton, der in dieser Begriffsklauberei zwischen sitz&liege mitschwingt, es ist die Tätigkeit des Liegens an sich. Öffentliches Liegen, darauf hat sich unsere Zivilisation geeinigt, ist nur in streng definierten Situationen erlaubt. Im Freibad. Am Strand. In einigen ausgewählten Parks, bei Open-Air-Rockkonzerten, auf Liegestühlen und Sonnenliegen, in der ersten Klasse von Transatlantikflügen sowie in der Bettenabteilung von Kaufhäusern.
Haben Sie, verehrte Liegevelozipisten, in dieser Liste ein Fahrrad bemerkt? Nein? Und warum, glauben Sie dann, als einzige Verkehrsteilnehmer im öffentlichen Raum ungestraft liegen zu dürfen? Und noch dazu in dieser entwürdigenden Haltung, die der auf einem rollenden Gynäkologenstuhl ähnlich ist? Nebenbei: Hier liegt möglicherweise der Grund, weshalb Liegerad fahrende Frauen so gut wie gar nicht zu sehen sind. Also?
Falls Ihnen die Provokation entgeht, die sie mit Ihrem Liegerad auslösen, dann machen Sie doch mal folgendes Experiment: Packen Sie Ihr Ding weg und legen Sie sich auf den Münchener Marienplatz, vielleicht zur Zeit des Glockenspiels, dann ist es da so richtig schön voll mit Leuten, die allesamt stehen oder auf Stühlen sitzen. Nur Sie nicht, denn Sie liegen ja.
Und nun genießen Sie die Blicke der umstehenden Passanten. Es sind die gleichen Blicke, die Sie auf Ihrem Liegerad ernten, wenn Sie durch die Straßen fahren. Und auf einmal merken Sie: Nein, es sind keine Blicke der Bewunderung und die Ursache dieser Blicke ist auch nicht ihr Rad (das haben sie ja weggepackt) und Sie begreifen endlich. Es muß am Liegen liegen.
Aber, höre ich sie sagen, Liegeräder sind doch so bequem! Nun ja, bequem ist es auch, sich mit dem Zeigefinger ein Nasenloch zuzuhalten und lässig zur Seite zu rotzen, so wie es die Fußballer tun. Außerdem spart man Geld für die Papiertaschentücher. Sind das schon ausreichende Argument, es zu tun, zum Beispiel beim Warten an der Ampel?
Bleiben die physikalisch-technischen Vorteile: Der Luftwiderstand beim fahren verringert sich mit der Sitzhöhe. Und zwar nicht linear, auch nicht im Quadrat, sondern wir halten uns fest: in dritter Potenz! Halbe Sitzhöhe bedeutet sieben Achtel weniger Luftwiderstand. Mit dem Liegerad fährt man mit weniger Kraft, daher ausdauernder und am Ende schneller.
Nun hat auch die Weltradsportvereinigung UCI Ahnung von Physik, weshalb sie den ersten Liegeradfahrer, der bei einem ihrer offiziellen Radrennen teilnahm (und natürlich gewann) nachträglich disqualifizierte und die Liegeräder bis in alle Ewigkeit von öffentlichen Wettbewerben wie etwa der Tour de France ausschloss.
Verboten. Aus. Vorbei.
Wenn man genau in die Gesichter der Liegeradfahrer blickt, ist die Schmach dieser Ur-Kränkung aus dem Jahr 1934 noch heute zu sehen. Sie äußert sich in diesem leicht arroganten Blick, der sagen will: Ich gehöre zu jener elitären Minderheit, welche die kulturgeschichtliche Leistung zu verantworten hat, das Rad neu erfunden zu haben.
Jawoll
Dabei ist doch alles nur ein Missverständnis: Das Verbot des Liegerades diente nicht etwa der Blockade einer überfälligen technischen Weiterentwicklung, nein, es diente dem Schutz des gesamten Fahrradsports.
Denn hier steckt der grundlegende Denkfehler, der allen Liegeradfahrern unterläuft: Fahrradfahren hat nichts mit Bequemlichkeit zu tun. Es muß anstrengend sein. Ein Fahrradfahrer will Gegenwind spüren, er freut sich darüber, wenn er sich die Berge hocharbeiten darf, wenn ihm die Lunge aus dem Leib zu fahren droht.
Die Qual ist der einzige Zweck des Fahrrads. Wer nicht leiden will nimmt das Auto.
Fragen Sie Jan Ullrich.