Hallo Stephan

Dein Posting schreit nach einer Antwort, und wer bin ich, der sich hier immerhin "Schreiber/ling" nennt, dass ich dieser Aufforderung zu einer "öffentlichen Stellungnahme" nicht nachkommen würde?

Der Reihe nach:

"Ich bitte ihn in geeigneter Form zu belegen, dass er die von ihm genannten Extremtouren tatsächlich unternommen hat."

Wenn ich über Frankreichtouren geschrieben hätte, glaube ich nicht, dass du - und andere in diesem Thread - den Wahrheitsgehalt der wiedergegebenen Geschehnisse anzweifeln würdest. In anderen Worten, das Beschriebene erscheint dir zu extrem und deshalb unglaubwürdig. Gehe ich bis hierhin richtig? Ich werde jedenfalls aufgrund dieser Annahme weiterfahren.

Ich habe eine Foto von mir und meinem Fahrrad in einem Sandsturm im Hochland der Schotts (zwischen Atlas und Antiatlas). Ich könnte die Foto auf meine Site hochladen, aber das könnte ja eine Foto sein, die ich von sonstwo herhabe, ist also kein Beweis (ausserdem gehört das Copyright nicht mir, sondern meinem damaligen Tourenpartner). Auch Tagebücher können getürkt sein (kann ich sowieso nicht bieten: nur auf zwei Touren geführt, beide seither weggeworfen, interessieren mich nicht). Ich habe meine Reisen nicht notariell beglaubigen lassen.

Das einzige, was mir in den Sinn kommt, das halbwegs überzeugend wäre, da es unabhängig überprüft werden könnte: Ich war im Sommer 1992 allein mit dem Fahrrad in Venezuela unterwegs. In einer Stadt namens El Tigre hielt ein Auto neben mir an und zwei Journalisten sprangen heraus. Dass es in El Tigre war, weiss ich noch, weil wir uns direkt neben einer Bushaltestelle befanden, wo ein paar Leute warteten, und ein etwa 16jähriges Mädchen formte ihre Hand zu einer Kralle, fauchte mich an und sagte: "El Tigre".

Jedenfalls wurde ich von den beiden Journalisten kurz interviewt und auch fotografiert. Ich beschrieb meine weitere Route (Hochland von Guayana / Nord-Süd-Durchquerung des Amazonasbeckens - das war der Knackpunkt der Reise - / weiter nach Süden bis zum Kap Hoorn). Ich weiss auch noch den Namen der Publikation: "El Mundo Oriental". Leider finde ich im Internet keine venezolanische Zeitung, die so heisst. Vielleicht ist sie seither eingegangen oder hat sich umbenennt. Vielleicht war das aber auch nur der Name der Rubrik, unter der das Interview erscheinen sollte. Ausserdem befand der verantwortliche Redakteur möglicherweise, dass der Bericht nicht publikationswürdig sei.

Falls doch: Zeitungen drucken ihre News ja meistens ziemlich schnell. Es muss um den 1. August 1992 (plus/minus höchstens 3-4 Tage) geschehen sein - das weiss ich, weil ich in diesem Gebiet am Abend einmal in meiner Hängematte lag und daran dachte, wie sie in der Schweiz jetzt ihren Nationalfeiertag haben. Das kam mir so weit weg vor (nicht nur geografisch).

Vielleicht kann ein User auf diesem Board organisieren, dass jemand in Venezuela eine Bibliothek oder ein sonstiges Archiv nach einem solchen Zeitungsbericht absucht. Wie gesagt: "El Mundo Oriental", 27.07. bis 03.08.1992, Bericht über einen 20jährigen soloradfahrenden Gringo, der Südamerika von Nord nach Süd via Amazonasbecken durchqueren will. Foto desselben, von vorne aufgenommen, extrem gutaussehend (Humor!), mit beiden Händen den Lenker greifend. Das wäre ich. Aber eine erfolgreiche Suche würde immer noch nicht beweisen, dass ich tatsächlich durchs Amazonasbecken geradelt bin; ich könnte ja auch damals gelogen haben. Und wie gesagt: Ich weiss nicht, ob der Artikel tatsächlich gedruckt wurde.

"1. Der Benutzer mit dem Nick "Schreiber" hat die Zeit, die er angeblich in Drittwelt-Ländern mit Fahrradreisen verbracht hat, in Wirklichkeit in entwickelten Ländern verbracht und sich dort theoretisch und praktisch mit dem Rad fahren beschäftigt."

Nein. Ich war in diesen Gebieten, ich habe das getan, was ich im Buch behaupte, getan zu haben, und ich habe die Situationen, die ich beschreibe, tatsächlich erlebt: furchtbare Kälte, in der mir nach fünf Tagen ununterbrochener Gefühllosigkeit in den Füssen plötzlich in den Sinn kam, dass ja eigentlich ein paar Zehen abgefroren sein könnten; die Achillessehnenentzündung wegen der Wüstenstiefel; das Indianergebiet; der Tropenarzt, der mir im Vorfeld sagte, ich würde garantiert an Malaria sterben ... das ist alles so passiert - und noch viel mehr, das ich nicht erzählt habe, denn "Die harte Tour" ist ein Handbuch und kein Erfahrungsbericht; die Anekdoten, die es enthält, dienen zur Illustration und zur Auflockerung.

Ach ja: Es wurde hier mehrfach angezweifelt, ob es überhaupt physiologisch möglich sei, 21 Liter Wasser an einem einzigen Vormittag zu trinken. Antwort: Es ist möglich, ich hab's getan. Und noch etwas, das einigen hier noch Öl ins Feuer giessen wird: Ich hätte noch wesentlich mehr trinken können, habe mich aber zurückgehalten, um mich aufs Vorwärtskommen zu konzentrieren. Schon am Abend zuvor war ich mit grossem Durst und ohne einen einzigen Tropfen Wasser in den Trinkflaschen eingeschlafen (Mein Punkt: Ich wachte schon mit einem deutlichen Manko auf). Sonnenaufgang um ca. sechs Uhr (die Tropen eben). Ich fuhr los. Zuerst liess ich es bleiben, aus den Bächen zu trinken (wie am Abend zuvor auch) - Krankheitsgefahr. Irgendwann wurde der Durst zu gross, es gab auch keine Einkaufsmöglichkeit. Ich überlegte mir: Nationalpark - weiter bergaufwärts wohnen keine Menschen und es gibt auch keine Fabrik oder so. Riskieren wir's. Hatte einen Wasserfilter dabei, verwendete ihn aber nicht. Dachte mir schon bei Aufbruch, dass dieser Tag rekordverdächtig werden würde, was den Wasserverbrauch anging. Trank deshalb nicht direkt aus den Bächen, sondern sammelte das Wasser jeweils zuerst in meinen Trinkflaschen und soff dann aus denen. Einfach aus Interesse. Um zu sehen, was werden würde. Ziemlich genau um zwölf Uhr, also sechs Stunden später, kam ich raus aus dem Urwald (wie im Buch beschrieben, war es nur der Guatopo-Nationalpark südlich von Caracas, nicht etwa der Dschungel des Amazonas; ich war lediglich am Abend vorher während etwa anderthalb oder zwei Stunden drin und eben am diesem Vormittag; nachher normalisierte sich mein Wasserverbrauch). Schwitzte übrigens nicht nur extrem, hatte auch einen enormen Harndrang wie noch nie im Leben. Fuhr von Bach zu Pinkelpause zu Bach zu Pinkelpause usw. Ich war, falls es jemanden aus sportphysiologischen Gründen interessiert, ca. 78 Kilo schwer, 20 Jahre alt, männlich, gesund und - ich kann das, glaub ich, ohne Übertreibung sagen - sehr fit (leidenschaftlicher Ruderer, davor Leichtathlet).

"2. Der Benutzer mit dem Nick "Schreiber" hat sein "Buch" nicht geschrieben, um seine Erfahrungen zum Extremradfahren mitzuteilen, sondern um all das mitzuteilen, was ihm schon immer auf dem Herzen lag - insbesondere wollte er seine Meinung zu den Themen "Radwege" und "Helme" mitteilen [2]. Um eine autoritative Position einnehmen zu können, hat er sich als "Extremradler" dekuvriert."

Ich habe "Die harte Tour" verfasst, weil ich gerne Bücher schreibe (es ist nicht mein erstes) und weil ich genau denjenigen Tourenratgeber verfassen wollte, den ich gebraucht hätte, als ich um die 16 bis 20 Jahre alt war - keine lauwarme Suppe, die mir nichts über meine bevorzugte Reiseart sagt, sondern ein eiskalter Kick in den Hintern. Die Themen "Radwege" und "Helme" gehörten dazu, ich wollte sie nicht auslassen, nur um grössere Akzeptanz (und Publikationschancen) zu erreichen.

Ich bin jemand, der bei Sachfragen versucht, Logik anzuwenden, und dem egal ist, ob ein Standpunkt von einer Autorität vertreten wird; mir geht es um die Stichhaltigkeit der Argumente. Es liegt mir fern, mich als Autorität hinzustellen und zu hoffen, dass man deswegen meinen Meinungen Glauben schenkt. Dort, wo ich meinen Standpunkt bzgl. heiklen Themen (v.a. Radlerhelme) vertrete, tue ich das aufgrund von logischen Argumenten, denn nur die halten einer Prüfung stand. Überhaupt: In Tat und Wahrheit kann man die Menschen viel besser beeinflussen, wenn man an ihre Emotionen appelliert (siehe Werbung), aber das ist nicht meine Art. Es ist nicht nur der Sieg, der zählt, sondern auch wie man den Kampf führt.

Noch etwas: Es wäre übertrieben gewesen, ein so umfangreiches Werk zu verfassen, nur um kurz etwas über Radlerhelme und Fahrradwege zu sagen. Insgesamt arbeitete ich über sechs Monate an dem Buch.

Ach ja, ein anderer Poster hat sinngemäss gesagt, ich hätte das Buch geschrieben, um allen zu zeigen, dass ich der Härteste von allen bin. Er irrt; mir ist egal, für wie hart (oder gescheit oder mutig oder was auch immer) man mich hält.

"1. "Schreiber" hat einen Text verfasst, der die Bereiche "Fahrradtechnik" und soziale Themen des Rad fahrens in entwickelten Ländern extrem kompetent beschreibt."

Danke fürs Kompliment.

"Bei Themen, die ausschließlich Entwicklungsländer betreffen, sind ihm groteske Fehler unterlaufen (z.B. die 50 Meter lange Schlange; die Sinnhaftigkeit des Waffenbesitzes)."

Natürlich habe ich keine 50 Meter lange Schlange gesehen, und "die Sinnhaftigkeit des Waffenbesitzes" ist Ansichtssache. Hast du schon mal ein Buch geschrieben? Ungereimtheiten und Fehler schleichen sich schneller ein, als du denkst. Es gibt gute Gründe, weshalb Manuskripte eingehend redigiert, lektoriert und korrigiert werden. Was bei meinem Buch vielmehr auffällt, ist wie wenige Fehler im Bereich "schwierige Gebiete" (und überhaupt) bisher entdeckt wurden, obwohl es an spitzfindigen Kritikern nicht gefehlt hat. Und noch etwas: Nur weil jemand meinem Buch widerspricht, heisst das noch lange nicht, dass er Recht hat. Ich halte mich zurück, aber die Fehlerquote derjenigen, die mein Buch bisher bezüglich spezifischer Aussagen kritisiert haben, ist ziemlich haarsträubend. Relativ aktuelles Beispiel: Tivo schreibt, mein Buch hätte einen Umfang von nur 87 oder was Seiten und nicht, wie von mir behauptet, 170. Dann teilt er mit, wie er es formatierte, und zeigt damit nur eins: dass er keine Ahnung hat, was bei Schriftstellern, Literaturagenten und Verlagen als Normseite gilt.

Zu meiner Anonymität und der Aussage: "Ich respektiere grundsätzlich Deinen Wunsch nach Privatheit, allerdings lasse ich mich höchst ungern verarschen." Was soll ich sagen, ich bin nun mal jemand, der nur sehr ungern seinen Namen im Internet preisgeben würde. Urteile mich nach meinen Aussagen. Ich will mit meinem Buch niemanden verarschen. Ausserdem würde die Bekanntgabe meines Namens nicht garantieren, dass ich die Wahrheit sage.

"3. Die Exkurse zu den Themen "Helm" und "Radweg" sind für einen Radfahrer abseits der Zivilisation schlichtweg irrelevant." Und so weiter.

Es geht im Buch nicht nur um das, was ich "Abenteuertouren" nenne, sondern auch um reine "Kilometerfressertouren", die durchaus in Deutschland oder Frankreich stattfinden können. Und es gibt viele Tourenfahrer, die noch in die kanadische Wildnis einen Helm mitnehmen würden nach dem Motto: irgendwann kommt man zwangsläufig wieder in die Zivilisation. Ausserdem ist für sie der Helm Bestandteil ihrer Grundausstattung beim Radfahren.

Tja.

Tschüss,

Schreiberling