Daß Shimano die elektrische Schaltung derzeit nur in den hochwertigsten Gruppen anbietet, ist z.T. auch eine Marketing-Entscheidung. Dort wird Geld gezahlt und dort kann man entsprechend auch den anfangs unvermeidlichen Aufwand treiben. Dort hat man es mit relativ kleinen Stückzahlen zu tun und kann entsprechend großzügig Kulanz gewähren, falls man sich doch mal irgendwo vergaloppiert haben sollte. Dort haftet der neuen Technik sofort und automatisch der Nimbus des Edlen und Kostbaren an, was folglich auch Begehrlichkeiten in der "Touristen- und Holzklasse" weckt. Sobald diese Kuh ausreichend gemolken ist, geht's nach unten zu den Angeboten für's gemeine Volk.
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Wenn man sich den
Jahresbericht 2013 des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) ansieht (.pdf ab S 32 / Broschürenseite 60), kann man sehr schnell feststellen, dass der Durchschnittspreis eine Fahrrades bei ca. 513 € (!!) lag -
incl. E-Bikes.
Die Absatzzahlen bewegen sich bei ca. 3,8 Mio Fahrrädern, davon dürfte der Anteil hoch- und höchstpreisiger RR und MTB bei max. 3 - 5 % liegen. Der Absatz an Di2-Schaltungen dürfte hier vermutlich dann mit 0,xx % zu Buche schlagen. Die Statistik weist für MTB und RR/Flat-Handlebar/Cross insges. 14 % Marktanteil aus.
Bei diesen Zahlen sind selbst Fahrräder mit "nach unten durchgereichter" Dura Ace- und XTR-Technik, die sich dann in den Gruppen Tiagra/105/Deore/SLX wiederfindet, keine allzu auffällige Größe, da Räder mit dieser Ausstattung (sortenrein - nicht nur Schaltwerk-Blender-Bikes) in der Regel um 1000 € liegen, also das Doppelte über dem durchschnittlichen Kaufpreis.
Ich habe ja hier in Bonn den Vorteil, mir den Markt in "echt" ansehen zu können. Auf der einen Seite der Stadt RADON-BikeDiscount, der im Wesentlichen das Hochpreis-/Top-Technik-Niveau abdeckt, auf der anderen Seite XXL Feld, der das gemeine Volk bedient. An einem normalen Samstag Nachmittag jetzt im Mai (also beste Fahrradkauf-Zeit) "drängeln" sich bei RADON in seiner neuen Halle ca. 30 Kunden, bei XXL ca. das 10-fache. Das Radon-Publikum ist durchweg als dem (Rad-)Sport zugeneigt zu erkennen. Dass die sich dann alle auf die RR mit Di2-Ausstattung stürzen, wäre aber weit übertrieben - der Preis schreckt dann doch ab. Das XXL-Publikum macht im Wesentlichen weder vor, noch im Laden den Eindruck, mit Bewegung im Allgemeinen, Sport oder gar Radfahren im Besonderen, irgendwie in Verbindung zu stehen. Dieses "gemeine Volk" wird schon auf Grund des Durchschnittpreises, den sie für ein Fahrrad auszugeben bereit sind, nie an elektrischen Schaltungen interessiert sein (höchstens in einem Fall: beim Auto). Der Rest wird sich irgendwo als Minderheit bei den 4 % Marktanteil RR und als marginale Randerscheinung bei den 11 % MTB verlieren. Die paar innovationsverliebten "Spinner" im RR- und MTB-Bereich, die auf jeder neue Technik sofort mit einem Haben-müssen-Reflex reagieren, fallen in den entsprechenden Fachforen sicherlich auf - statistisch ins Gewicht fallen sie aber nicht.
Die breite Massen (geschätzte 95 %) kaufen ein Fahrrad in der "Billigklasse", fahren es so, wie es der Händler ihnen unter den Hintern geschoben hat - und das nur so lange, bis der erste Defekt auftritt. Dann verschwinden die Teile in Keller/Garage und fertig. Ich habe selbst so 'nen Experten im Haus: Dem sein 2000-€-Rohlff-Trekkingrad steht seit April 2013 (!) im Keller, weil das HR platt ist. Das kann ich ihm vielleicht mal billig abschwatzen...
Matthias