Fährt man in der Schweiz denn pro Einwohner weniger Auto als in Deutschland? Wie wird das erreicht?
Ich denke schon. Es ist zum Beispiel nicht zulässig, neue Kinos, Einkaufszentren etc. mit vielen Gratisparkplätzen auszustatten. Die Anzahl der Parkplätze muß deutlich kleiner sein, als z.B. die Anzahl der Plätze in dem Kino. Und es muß eine Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel sichergestellt werden. Ein Kino am Stadtrand von Schaffhausen finanziert deshalb eine Buslinie, die zu den passenden Zeiten Anschluß an das restliche Netz herstellt. Sie geben auch einen Rabatt auf den Eintritt, wenn man mit diesem Bus gekommen ist. In Zürich ist zwischen den politischen Parteien in einem Kompromißvorschlag vereinbart worden, daß die Anzahl der Parkplätze gleich bleibt. Als ein neues Parkhaus eingeweiht wurde, durften die Plätze darin erst in dem Maße freigegeben werden, wie dieselbe Anzahl Parkplätze am Straßenrand oder in anderen Parkhäusern beseitigt wurde. Und es gibt ein Bundesparkverbot. Parken ist nur dort erlaubt, wo es explizit gestattet wird oder wo regionale oder kantonale Regelungen generell das Parken erlauben. Wenn man ein Auto anmelden will, muß man dafür Garage, Parkplatz oder so etwas mieten oder eine Bewilligung für das nächtliche Parken auf öffentlichem Grund erwerben. Das Parken ist also wohl zur Zeit der limitierende Faktor.
Was den MIV als Hobby betrifft, ist in der Schweiz das Rasen auf Autobahnen verboten (Tempo max 120) und es gibt im Gegensatz zu Deutschland ernsthafte Strafen, wenn man die Geschwindigkeitsbeschränkung überschreitet. Außerorts sind generell nur 80 km/h zugelassen (und selten explizit mehr). Innerorts gilt genau wie in Deutschland implizit Tempo 50, aber über die Hälfte des Straßennetzes dürfte Tempo30-Zonen sein.
Sicher werden mehr Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt. Das ist bei unseren südlichen Nachbarn vielleicht etwas mehr Tradition. Für die Bahn kann man sagen, daß pro Jahr und Einwohner ca. 2-3 mal so viele km gefahren werden. Weiß die neuesten Zahlen gerade nicht. Für den ÖPNV kann ich Schaffhausen mit etwa gleich großen deutschen Städten vergleichen. Orte mit 30'000-40'000 Einwohnern haben nach meiner Erfahrung in Deutschland minimalen ÖPNV, also ein paar sporadisch verkehrende Linien. Aber 10min-Takt, teilweise mit Gelenkbussen und 30 % Anteil des ÖPNV am Modal-Split sind mir von Städten dieser Größe sonst nicht bekannt.
Der Anteil des Fahrradverkehrs ist ungefähr gleich hoch wie in Deutschland. Aber die Großstädte sind im Durchschnitt viel fahrradfreundlicher als deutsche Großstädte. Es gibt weniger Radwege und man kann viele Straßen einfach auf der Fahrbahn befahren, wo in Deutschland eher ein Verbot stünde.
Zusammenfassend gesagt: Es ist vieles sehr ähnlich wie in Deutschland, aber ein paar Dinge im Verkehrsbereich sind ein kleines bißchen besser und man muß sich nicht ganz so viel ärgern wie in Deutschland.