Interessanter Weise ging die Jungfernfahrt unseres Tandems auch so ziemlich über die von dir geplante Route, Theresienstadt haben wir dabei genauso besucht wie die schlesische Heimat meiner Großeltern.
Mal ein paar Gedanken von mir:
- In Theresienstadt lohnt es zwei Dinge anzuschauen: Das Konzentrationslager selbst und die Stadt. Diese war in der NS-Zeit ein großes Ghetto und ist recht bekannt für einen Propagandafilm, in dem das "humane Ghettoleben" weltweit ins gute Licht gerückt werden sollte. Theresienstadt war kein Vernichtungslager (wobei das 'kein' zu betonen, angesichtsmder Tatsache, dass ein Viertel der Bewohner die katastrophalen Ghettozustände nicht überlebt hat, schon einen euphemistischen Beigeschmack bekommt), wahrscheinlich sind sehr viele Gefangenenzüge von da z.B. nach Auschwitz gegangen. Auch das Gheto wurde, wenn ich mich recht erinnere, irgendwann ziemlich beräumt. Ich meine mich dunkel zu erinnern, das die meisten Juden ins Warschauer Ghetto gebracht wurden. Aber übers Internet und vor Ort findet man noch mehr Details raus.
Das Festungsstadtbild fand ich bei einem Abendspaziergng sehr eindrücklich, der örtliche Campingplatz ist hinsichtlich Hygienestandard am absoluten untern Ende der Skala anzusiedeln. Zwischen Leitmeritz und Theresienstadt kann ich mich an unangenehm viel Verkehr erinnern.
Wenn du dann schon mal in der Ecke bist, solltest du auch Breslau anschauen. Das lohnt sich genauso wie Krakau. Andere Orte dazwischen (z.B. Gleiwitz, von wo nach NS-Propaganda ja der 2. Weltkrieg ausging) glänzen wohl eher mit Industriecharm. Oberschlesien ist der Ruhrpott Polens: Kohlebergbau und Schwerindustrie (und neuerdings Arbeitslosigkeit) dominiert die Wirtschaft da.
Das Riesengebirge entlang der tschechisch-polnischen Grenze stellt einen schönen landschaftlichen Kontrast dar. Entlang von Oder und Weichsel ist es dann völlig flach.
Was die Stolpersteine betrifft, so lohnt es sich mal etwas differenzierter auf die Sache zu schauen. Ohne Zweifel ist dies das größte Flächenmahnmal Europas und hält einem sehr plastisch die Ausmaße der NS-Verbrechen vor Augen. Aber es gibt auch ein paar Punkte, die man kritisch sehen kann:
- Im Judentum haben Namen noch eine deutlich größere Bedeutung als für viele von uns denkbar, sind mehr als nur ein Bezeichner, sondern stehen für die Person direkt (vgl. 10 Gebote: " Du sollst den Namen deines Gottes..."). Damit die Stolpersteine (eigentlich eher Trittsteine) lesbar bleiben, muss man darauf rumtreten (ist vom Künstler auch so gewollt). Mit anderen Worten werden da im übertragenen Sinne die Opfer der NS-Zeit ein weiteres mal mit dem Füßen getreten.
- Aus den Inschriften geht nicht hervor, warum jemand umgekommen ist. Im Prinzip ist ja jedes Todesopfer eines zu viel, aber nicht nur in weiten Kreisen des Judentums stößt es etwas sauer auf, wenn die Opfer des Holocaust in den gleichen Topf wie z.B. politische Aktivisten oder Kleinkriminelle geworfen werden. Holocaustüberlebende bekommen übrigens keinen Stein.
- Prinzipbedingt ist die Inschriftfläche sehr begrenzt und die Informationen zu den Opfern seeeehr knapp. Nach meinem Eindruck bleiben die Opfer recht anonym. Klar, der Name wird genannt, aber ich kann mir daraus allein kein Bild machen, um welche Persönlichkeit und Leidensgeschichte es sich da konkret gehandelt hat. Obwohl diese Informationen in der Regel vorliegen (die Recherche ist Voraussetzung, bevor ein Stein verlegt wird).
- Die Idee ist patentiert und keineswegs gemeinnützig, sondern der Künstler Demning kann von der Verlegerei mittlerweile recht gut leben (inkl. wohl auch einiger Angestellter).
- Nach meiner eigenen Beobachtung fügen sich die verlegten Steine oft sehr gut in die Gehfläche, es gibt aber auch kapitale Ausnahmen, wo die Umsetzung (ästhetisch) sehr fragwürdig aussieht.
- Stolpersteine sind ja nicht die einzige Möglichkeit NS-Opfern zu gedenken. Besonders wenn Leute teils sehr aufwändig und langwierig Biografien aus dieser Zeit recherchiert haben, ist der öffentliche Druck (oft von Personen, die an der Recherche gar nicht beteiligt waren) einen Stolperstein verlegen zu lassen sehr groß. Die Bereitschaft eine Gedenkplatte/Tafel/etc. mit deutlich mehr Informationen, die den Opfern auch ein wirkliches 'Gesicht gibt', anzubringen, ist meist eher verhalten.
Aus all den Gründen gibt es einige gewichtige Stimmen, auch aus den Kreisen des deutschen Judentums (allen voran die ehemalige Zentralratsvorsitzende Charlotte Knobloch), die die Stolpersteine ablehnen und eine Auseinandersetzungskultur 'auf Augenhöhe' fordern. Verschiedene Kommunen handhaben dies daher unterschiedlich. In München werden z.B. auf kommunalem Grund keine Stolpersteine verlegt. In anderen Städten gibt es keine Stolpersteine für jüdische NS-Opfer (Dresden z.B., wenn ich mich richtig erinnere). Wieder andere verbinden Gedenktafel+Stolperstein (was ich etwas gedoppelmoppelt empfinde).
Die Motive des von dir angesprochenen Hauseigentümers kenne ich nicht und hab deine Links auch nicht gelesen (die typischen Pressetextbausteine kenne ich, ähnlich wie z.B. 'übersehen', 'Abbiegen', 'kein Helm', 'Radweg' bei Fahrradunfällen). Was mich nur stört ist, dass jegliche Kritik am 'Prinzip Stolpersteine' reflexartig von sehr vielen mit Antisemitismus, Holocaustleugnung/-verharmlosung, Gleichgültigkeit oder was auch immer in Verbindung gebracht wird. Es muss erlaubt sein diese Gedenkkultur zu kritisieren, ohne gleich mit dem braunen Rand in Verbindung gebracht zu werden.