Noch einmal und ein letztes Mal: Hier der Rest meiner Sommertour. Bildergalerie wieder am Ende. Wer alles gelesen hat - „Chapeau!“
Teil 7: Pyrenées II (mit Costa Brava)So, 13.7., Iraty (Lac) - C. Bagargui/C. de Iraty (1327m) - Larrau - Montory - Arette - St. Christau - Louvie-Juzon - Asson - Lourdes
C: Sarans 8,50 €
AE: Filetsteak, Rw, Schokocreme, Cafe 22,70 €
127 km, 15,3 km/h, 1.375 Hm
Nach dem Trauma der vergangenen Nacht gab es für mich nur noch eines: schnell weg von diesem Ort. Auch der Ire war schnell auf dem Weg. Es ist 2 oder 3 °C (auf dem Col d’Iraty gab es später und schon „wärmer“ eine Temperaturanzeige mit 4 °C). Die Wolken immer noch schwer, aber immerhin kein Regen. Es geht durch den Irati-Wald, ein großer Buchenwald sowohl auf französischer wie auch spanischer Seite. Überraschenderweise wenig später im Anstieg ein Camping mit Chalets. Ein weiterer See, auch mit dem Namen Lac d’Iraty. (Möglicherweise heißt der See, wo ich übernachtete, anders.) Auf der Passhöhe dann auch luxuriöse Chalets, Tennisplatz, Wintersporteinrichtungen etc. Der Col d’Iraty ist identisch mit dem Col Bagargui (beide Passnamen als Schild vorhanden, auf Michelin-Karte nur als Col Bagargui vermerkt).
Viele Schafe säumen Straße und Weiden, aber auch taucht die Straße in dschungelartigen Wald ein, eng, schmal, holprig und launig zu fahren, wenn es denn nur wärmer wäre. Vor Larrau, der letzten baskischen Ortschaft, ein Gegenanstieg. Dort einige Unterkünfte. Während ich noch überlege mich ins Cafe zu setzen, droht bereits die Wolke aus den Bergen mit weiterem Regen und Schneegriesel mich einzuholen. Ich suche mein Heil in der Flucht aus den Bergen. Es folgt eine Schlucht mit mäßigem Gefälle, nicht spektakulär, aber mir stiller Anglerromantik.
Mit der öffnenden Hügellandschaft bei Montory dringen auch erste Sonnenstrahlen aus dichten Wolkendecke. Jeder auch noch so kurze Strahl eine wärmende Wohltat. Der Blick in die Berge bleibt in verhangenen Wolken hängen. Alle geplanten Pässe einschließlich dem Col d’Aubisque (den ich schon 2004 in sattem Regenschleier überfahren bin) werden gestrichen. Mein Plan nun: Trotz der Erkältung am nächsten Tag den Tourmalet mit einem Blick auf die Tour de France versuchen, wenn das Wetter besser werden sollte. Prinzip Hoffnung. Evtl. noch Gavarnie. Falls das Wetter anhält, muss ich noch weiter ins Pyrenäenvorland ausweichen, den Tourmalet weiträumig umfahren.
In Arette treffe ich auf einen Reiseradler aus Arizona. Er ist einen Monat in Spanien/Frankreich unterwegs und möchte einen Freund in Hautacam besuchen – dabei die Tour de France erleben. Auch ohne Klickpedalen und mit nicht ganz professioneller Radkleidung fährt er fast mein Tempo. Bis St. Christau fahren wir zusammen, nach einer Pause fahre ich alleine weiter, der Amerikaner möchte doch etwas gemütlicher weiter und zudem nach Laruns.
Es folgt ein herrliches Stück Waldfahrt durch den Bois du Bager, eher flach oder abwärts mit unzähligen Kurven. Mal geordnete Baumreihen, mal wild verschlungenes Blattwerk. Kurz die Querung des Vallee d’Ossau, nach kurzem giftigem Anstieg weiter im Auf und Ab durch Hügelland mit Viehweiden und Bauernhöfen. Besonderes Kennzeichen der Region sind die Schafe mit Mohärwolle. Während die „Basken“mütze eine Erfindung des Bearn ist und durch deren Popularität im Baskenland über die Grenzen hinaus bekannt wurde und somit eine Verbindung besteht, ist die Architektur ganz verschieden. Das farbenreiche Fachwerk der Basken weicht einem grauen Mauerton im Verputz und gleichermaßen schiefergrauen Dächern, jetzt gar in trister Symbiose mit den wolkenverhangenen Himmel. Auch Schlösser und Klöster bleiben in diesem Muster.
Bei Lestelle-Bétharram üben Gruppen das Rafting auf der schäumenden Gave de Pau. Die mir nun bereits bekannte Strecke bis Lourdes bleibt bei Gegenwind mühsam zu fahren. Von Lourdes aus in Richtung Berge verdichten sich die Wolken, leichtes Nieseln bereits hier. Ich entscheide in Lourdes zu bleiben, auch weil bei meiner Bronchialreizung jedes Grad wärmer zählt. Bei solcher Wetterlage bliebe mir nur den Tourmalet zu streichen direkt nach Bagnéres Richtung Osten zu fahren. Sollte es dennoch schön werden, kann ich immer noch in die Berge fahren, auch wenn es dann besser wäre, noch jetzt am Abend ein Stück weiter nach Argelès vorzurücken. Der Camping in Lourdes (einer von mehreren) ist doch recht weit außerhalb und zu Fuß der Weg ins Stadtzentrum zum Essen schon fast zu weit.
Mo, 14.7., Lourdes - Argelès-Gazost - Soulom - Vallée de Cauterets - Soulom - Luz-St. Sauveur - Barèges
C: Barèges 7,60 €
AE: Salat Meeresfrüchte, Ente, Rw, Käse, Cafe 14,80 €
55 km, 13,8 km/h, 1.030 Hm
Nacht und Morgen sind trotz der niedrigen Meereshöhe sehr kalt. Aber es deutet sich sonnengeflutetes Kaiserwetter an. Das ist ein Versuch zum Tourmalet wert. Leider komme ich verspätet erst nach 9 Uhr zur Abreise, wegen der Kälte und doch sehr bedenklichen Hustenattacken. Man könnte meine, es dreht sich Richtung Lungenentzündung. Ich treffe noch eine nomadenreisenden Deutschen mit Mofa. Fährt gelegentlich auch Radtouren. Sein Arbeitsplatz ist nicht weit weg – Airbus Industries in Toulouse. Von dort zieht es ihn in kleinen Touren immer wieder in die Pyrenäen.
Etwas südlich finde ich den Radweg wieder, der mir noch als gerader Strich in der Landschaft in Erinnerung ist. Jetzt am klaren Morgen, mit dem herrlichen Blick in die Bergwelt, macht es sogar Spaß hier entlang zu fahren. Unzählige Radler sind unterwegs – Ferienzeit, Nationalfeiertag und – die Tour de France am Tourmalet mit Bergankunft in Hautacam. In Argelès-Gazost ist dann der volle Tour-Tourismus im Gange. Rennradler in allen Schattierungen, fliegende Händler, mit Fähnchen und französischem Nougat. Nachdem ich mein Frühstück samt der regional beliebten tarte myrtille zusammengekauft und verspeist habe, ist es schon reichlich spät. Schneller geht aber nicht, denn immer wieder überfällt mich der Bronchialhusten.
Seltsam wenig Betrieb ist auf der D 921, Straßensperre ist hier noch nicht. Es liegt daran, das die gesamten Zuschauer und anreisenden Radler die gegenüberliegende Straße benutzen – auf dieser verläuft die TdF-Etappe mit dem Anstieg Richtung Hautcam. Erst in Pierrefitte-Nestalas sieht man dann die Straßenabsperrung samt Polizei und Ordnern an dem Kreisel, wo beide Straße zusammenlaufen zur Weiterfahrt in die Gorge de Luz. Unglücklicher kann es kaum laufen: Seit 5 Minuten werden auch keine Radler mehr durchgelassen. Das Ende der Tour-Durchfahrt soll bei 16:30 Uhr liegen, die Aufhebung der Sperre erst um 18 Uhr erfolgen. Das ist nicht nur 1,5 Stunden später als der Zeitplan, den ich mir vor meiner Tour ausgedruckt hatte, sondern auch auch fatal für den weiteren Verlauf: Wenn ich jetzt nicht bis Luz-St. Saveur durchkomme, ist es aussichtslos, den Tourmalet heute noch zu überqueren. Fortwährend hat mich das Wetter Zeit, Nerven und Gesundheit gekostet, habe mich trotzdem durchgekämpft und jetzt stellt sich bei schönem Wetter auch noch die Tour de France in den Weg. Statt Belohnung Frust. Da ist schone eine Menge Pech im Spiel.
Da ich die Tour de France schon in bester Bergposition einmal erlebt habe, ist mir diesmal wenig danach 5-6 Stunden zu warten, um ein flüchtiges Fahrerfeld mit zweifelhaften Fähigkeiten abzupassen. Auf mein enttäuschtes Sinnieren über der Landkarte hin empfiehlt mir eine Franzose mit Familie im Auto, alternativ ins Tal Richtung Pont d’Espagne zu radeln. Das ist auch die einzige Alternative, es sei denn, ich würde wieder zurückfahren nach Lourdes und den Tourmalet umfahren, um weiter im Zeitplan zu bleiben. So fahre ich doch lieber Richtung Cauterets, herrliche Kurven und wilde Kaskaden, überreiches Grün kennzeichnen die Schlucht. Ich mache eine Reihe Fotos, fahre ohne große Ambition und suche mir lieber einen Sonnenliegeplatz. Vielleicht hilft die Sonnenbestrahlung direkt auf die Bronchien. Ein bescheidenes „Kranken“-Programm gegenüber meinen hochtrabenden Plänen, die Talkessel von Gavernie und Troumousse noch vor der Tourmalet-Überquerung zu erobern. Abgesehen von der TdF-Barriere spüre ich, dass ich meine Etappen kürzer halten muss und Höhenmeter nicht mehr beliebig zu fahren sind.
Noch vor Cauterets lege ich die Pause ein. Zurück talbwärts herrscht starker Gegenwind, trotz der guten Sonne fährt kein Rennradler ohne Windjacke. Unten sind die Profis um 16:30 Uhr dann immer noch nicht fertig. Ich bekomme die hinteren Fahrer noch mit. Die Tour 2008 soll auch deutlich langsamer gewesen sein als die Vorgänger-Touren. Weniger Doping? – Oder hat Lance Armstrong eine Leistungslücke hinterlassen? – Ob die Labore das jemals beantworten können – wer weiß das schon?
Nun, wider Erwarten löst sich dann doch um 17:15 Uhr die Sperre unmerklich auf und ich kann in die Schlucht einfahren. Obwohl ich Tempo mache, weiß ich um meine vergebliche Bemühung. Einziger Trost: Immerhin kann ich den Tourmalet bereits mit steilen Passagen nach Luz-St. Saveur angehen, denn immerhin findet sich in der letzten Ortschaft auf der Westseite – Barèges – ein Campingplatz. Während ich die mäßige Steigung in der Gorge de Luz problemlos auch mit angemessenem Tempo fahren kann, erweisen sich die steileren Abschnitte mit über 8 % fortan als Auslöser für Hustenanfälle. Die Atmung geht hier einfach zu tief in die Lunge. So muss ich öfters anhalten als mir lieb ist.
Am Campingeingang in Barèges steht gerade ein weiterer Reiseradler. Es ist Xibi (kurz für Xavier), ein Radkurier aus Pamplona, überzeugter Baske, mit dem ich mich auf Englisch gut verständigen kann. Auch er sieht sich nicht imstande, den Tourmalet samt Abfahrt vor Einbruch der Dunkelheit zu bezwingen – verlorene Zeit eigentlich, denn ein Stunde oder etwas mehr wäre noch möglich. Laut seiner Nachfrage im Ort ist es der letzte Camping – am nächsten Morgen sehen wir aber einen weiteren noch weiter oben außerhalb von Barèges, auch mit angrenzendem Restaurant. Doch hier ist ebenso gut zu übernachten, direkt neben dem rauschenden Bergfluss. Ich gehe mit Xibi Abendessen – normalerweise kocht er selber, aber immer nur Pasta, da ist er doch gerne für eine Abwechslung zu haben. Zu meiner Verwunderung entpuppt sich Xibi als mittelstarker Raucher. Wir führen eine angeregte Unterhaltung über das Radreisen, Politisches wie Unpolitisches in Spanien usw. Überraschend kennt Xibi sogar einen Radhändler in Pamplona, der sich um einen Vertriebsvertrag für Velotraum-Räder bemüht – sei aber schwierig. Und er kennt das Radforum sogar! – Gegenüber dem Restaurant hat die Feuerwehr einen kleinen Festplatz eingerichtet, spät füllt sich der Platz zum Tanzen. Noch später bereits beim Einschlafen böllert zum Nationalfeiertag das obligatorische Feuerwerk. Müde Radler haben aber keine Lust zum Feiern.
Di, 15.7., Barèges - C. du Tourmalet (2115m) - St. Marie-de-Campan - Bagnères-de-Bigorre - Mauvezia - Anères - Montréjeau - St. Gaudens
C: Municipal "Le Belvedère" 6,60 €
AE: Entrecôte, Rw, Eis, Cafe ca. 25 €
102 km, 14,8 km/h, 1.520 Hm
Wenn auch der Vortag durchgehend sonnig war, am Tourmalet schwebte eine Wolke und ich weiß nicht, ob es eine wolkenfreie Fahrt der Tour de France obenrüber gegeben hat. Heute aber ist das Wetter – und bleibt – absolut traumhaft sonnig, ohne jede Wolke. Die Nacht war erstaunlich mild für die Berglage, das Zelt ist trotz dem nahen Bergfluss trocken und die Morgensonne früher als erwartet im Gesicht (Ost-West-Tal). Beim Frühstücksbäcker kann ich mir nicht verkneifen, eine fette Walnusstorte als Proviant zu sichern.
Mit Xibi zusammen nehme ich die offene Berglandschaft in Angriff, zunächst trete ich noch schneller, muss aber dann nach der ersten Hustenattacke Tempo rausnehmen. Die Luft ist auch ziemlich kühl und zudem windig. Ja der ganze Körper wirkt auf einmal geschwächt. So fahre ich trotz „guter“ Beine mit großen Mühe den Tourmalet hoch – und in gewisser Weise wiederholt sich die Geschichte, hatte ich doch vor vier Jahren – wenngleich von der anderen Seite des Berges – ebenfalls große Probleme. Xibi hat mittlerweile ein leicht höheres Tempo auf dem Pedal, doch dann steht er auf einmal am Straßenrand. Ein Plattfuß. Der Schlauch hat eine großen Riss, Ursache nicht erkennbar. Meine Vermutung ist, dass das zusätzliche Aufpumpen in Barèges doch zuviel war. Müdes Gummi verträgt manchmal weniger Druck als angegeben.
Auf der Straße ist erheblicher Verkehr. Zahllose Wohnmobile sind unterwegs, wahrscheinlich noch von der Nacht vorher, in den Bergen geschlafen nach dem TdF-Erlebnis. Dann fahren Rennradler hinauf, alle im Bemühen, es den Profis vom Vortag gleich zu tun. Einige sausen leichtbeschwingt hoch, andere quälen sich doch bedenklich schwerfällig. Xibi möchte dann, dass wir gemeinsam den Pass erreichen, obwohl ich durch meine häufigen Pausen nicht ganz folgen kann. Am trubeldichten und eiskaltwindigem Tourmalet müssen wir dann erstmal die Fotosession abbrechen, weil ich mit Hustenanfall nicht mehr die Kamera halten kann. Ein Tee soll helfen. Xibi sagt mir, mit dem Husten wäre er nie den Berg hochgefahren. Xibi selbst aber kann feiern: Für ihn ist es die Erfüllung eines Kindheitstraumes, den Tourmalet mit dem Rad zu bezwingen. Der höchste Berg für ihn bisher. Gratulation!
Die Abfahrt dann schnell, nur zwei Fotostops baue ich ein, während der Abfahrt lässt die Straße auch Fotografieren bei Tempo 55 zu. Es wird nun immer sommerheißer nach unten hin, die Rennradler nun im Anstieg haben schon schwer mit der Hitze zu kämpfen, nur wenige glückliche Gesichter dabei. Tja, der Mythos fordert eben seinen Schweiß… Nach kleiner Selbstversorger-Mahlzeit in Ste. Marie-de-Campan trenne ich mich von Xibi, seine Route führt weiter Richtung Val d’Aran und Spanien.
Meine Route geht durch breiteres Weideland, in gewisser Entfernung die Berghänge. Es ist erschlagend heiß. Die TdF-Begeisterung spiegelt sich in Radfahrerpuppen wider, die überall in Gärten stehen oder an Häusern hängen. Wurst- und Käsespezialitäten werden an der Straße angeboten. Bagnères-de-Bigorre präsentiert sich als lebendige, architektonisch gelungene Kurstadt. Im Park ein weitere Pause. Zwei kleinere Pässe opfere ich zugunsten einer nördlicheren, weniger bergigen Route. Es geht nun durch offenes Land bergauf. Trotz der Hitze ziehe ich wegen Wind und Husten die Windjacke über, während entgegenkommende Rennradler in luftigster Sommerkleidung das Wetter genießen.
Ein weites Panorama über das Pyrenäenvorland und die dahinter aufstrebenden hohen Berge fasziniert den Ausblick. Unverhofft dann eine herrliche Waldfahrt, weiteres Auf und Ab. Richtung Mauvezin mit einer mittelalterlichen Burg (Besichtigung samt ritterlicher Vorführungen möglich) überholt mich ein wild schnaufender Rennradler. Wenig später schiebt er das Rad, auf meine Frage nach technischen Problemen, verneint er – alles okay. Der gute Mann – ich vermute eher einen Nichtfranzosen, der ein Rennrad ausgeliehen hat, weil er sofort akzentfrei auf Englisch geantwortet hat – führte hier vor, wie man nicht radfahren sollte: breit gestellte Beine, kraftraubend große Gänge und schon am Bergfuß alles an Energie verschwenden, was der Körper hergibt.
Die weitere Route eher abwärts und flach, dennoch zäh zu fahren. Bei Anères muss ich zwangsläufig den Col de Mente aus dem Programm nehmen, weil zu schwer für das ausstehende Zeitfenster. Übernachten möchte ich auch nur, wo es einigermaßen warm ist. Daher bleibe ich zunächst aus den Bergen raus und campiere in St. Gaudens, auf einem kleinen Hügel gelegen, tolle Panoramasicht auf die Pyrenäen vom Camping aus. Der Ort selbst wirkt ziemlich tot. Das zwar gute Restaurant serviert mir das Entrecôte nahezu roh, auch die Bohnen sind nur lauwarm. Das Fleisch zwar sehr gut, aber auch nach Maßgabe vieler „Nobelköche“ ist das unbedingt rohe Rind längst nicht mehr so angesagt – mein Geschmack ist es nicht.
Mi, 16.7., St. Gaudens - Encausse-les-Thermes - Col de Buret (599m) - C. d. Portet d'Aspet (1069m) - Augirein - St. Girons - Massat - C. de Four (?m) - C. des Caougnous (947m) - C. de Port (1250m) - Saurat
C: Le Montorgueill (?) 8,50 €
AE: Entrecôte, Rw, Birne Helene 15,40 €
121 km, 14,1 km/h, 1.750 Hm
Nach milder Nacht, weiter sonniger Aussicht, aber weiter anhaltend wüsten Hustenattacken, wieder ein Schrumpfprogramm: Nach dem schweren Col de Portet d’Aspet streiche ich die südlichere, längere und schwierigere 4-Pässe-Route via Col de la Core, Col de Latrappe, Col d’Agnes und Col de Lers zugunsten der nördlichen Route über den ziemlich einfach zu fahrenden Col de Port (der zwei Überrollpässe beinhaltet). Zunächst aber ein kleiner, aber sehr lohnenswerter Umweg über den Col de Buret via dem kleinen Kurort Encausse-les-Thermes. Nicht nur der idyllische Ort fasziniert, sondern auch der dichte, urwaldartige Wald danach. Teile der Strecke werden von Klappstuhl-Besuchern belagert – auch hier verläuft heute die Tour de France. Zum Glück aber ingesamt nördlicher als meine Route.
Von der alleenartigen Straße des Buret-Passes hinunter geht es alsbald in den Anstieg zum Col de Portet d’Aspet. Sehr dicht ist der Wald hier, der Flusslauf lange neben der Straße. Schon bald sorgen heftige Steigungsprozente für Schweißtropfen. Auch die überholenden Rennradler kämpfen. Dieser in absoluter Höhe eher unscheinbare Pass ist sicherlich einer der schwierigsten in den Pyrenäen. Aber auch ein sehr schöner. Dichter Wald mit Felsen, Moose, sehr enge Straße, launig. Oben auf der Höhe offen, Ausgangspunkt für Wanderungen, sogar ein Campingplatz hier. Eine kurze Abfahrt nach Osten, kleine hübsche Dörfer, moosidyllische Brücklein, später lange abgeflachte Passage, trotz Flusslauf anbei keine echten Flussrastplätze.
In Moulis, schon sehr flach und seltsame Bergpanoramen nach Süden, entdecke ich an der Straße ein Künstleratelier. Jean-Marie Mathon mit dem Atelier le Pyrénoust macht kunstvolle Keramikfiguren – kleine und größere. Der hat z.B. Figuren der traditionellen, auch ausgestorbenen Berufe (z.B. Eisträger) in den Pyrenäen modelliert, sehr schön auch verschiedene Pilze mit geheimsvollen oder lustigen Gesichtern. Ein Schachspiel besteht aus Pilzfiguren, wobei die Bösen (Giftpilze) gegen die Guten (Esspilze) antreten. Auch verarbeitet er kleine Spurenfunde von Gold aus der Region – Ariège (aurum = Gold) = Goldland. Eine weitere Besonderheit sind sein Karikaturen von Radfahrerlegenden wie Raymond Polidor, Eddy Merckx u.a. Die Modelle gibt’s im Internet auch zu kaufen (nicht direkt bei ihm) – sollen dort 100 Euro kosten, der gut deutschsprechende Künstler wollte mir eins für 50 Euro verkaufen – leider immer noch zu viel für mich. Esel und Pfifferling sind schließlich meine Reisemitbringsel von hier.
St. Girons beeindruckt durch hübsche Fassaden und als Stadt am Wasser. Noch ist es hier heiß, aber schon bald sorgen Wolken für Abkühlung. Die Gorges de Ribaouto ist zunächst unscheinbar, gewinnt aber zunehmend Schluchtcharakter. Kurz vor Massat prosten mir speisende Rennradler aus einer Bike Ranch zu (Unterkunft für Velofahrer, überall hingen die Radhosen zum Trocknen aus). Der Col de Port steigt dann ziemlich mäßig und lang an. Ich versuche Tempo zu machen, doch dämpfen fortwährende Hustenattacken meine Energien. Am Col de Port ist es dann wieder heftig windig und sehr kalt.
Noch vor Tarascon gibt es in Saurat einen Camping (unterhalb des Ortes). Es ist übrigens der einzige Camping in Frankreich auf meiner Tour, wo Toilettenpapier frei verfügbar ist. Das will ich doch mal lobend hervorheben. Wegen der bereits einbrechenden Dunkelheit beende ich hier die Etappe. Es gibt unmittelbar hier nichts zu Essen, aber wenige hundert Meter aufwärts bei der angrenzenden Ferienhausvermietung. Das Essen im Bistro ist allerdings sehr schlecht (fast verkohlte Pommes, die trotzdem weich sind).
Do, 17.7., Saurat - Tarascon-s-Ariège - Grotte de Niaux - Ax-les-Thermes - Port de Pailhères (2001m) - la Pla
C: La Pradaille 9,60 €
AE: SV
81 km, 11,5 km/h, 1.830 Hm
Der Vorabend deutete es an: Der Morgen bewölkt bis regnerisch, kühl, windig, garstig. Ich befinde mich in einer höhlenreichen Gegend. In Bedeilhac die erste prähistorische bedeutende Höhle, bin aber noch zu früh, deswegen weiter nach Tarascon. Auch hier der prähistorische Park 2 km außerhalb der Stadt noch geschlossen. Schöne Flusslage der Stadt – leider alles im leidlichen Grau des Himmels und bei giftigem Wind. Dies fordert weiter meine Husten heraus. Es hört sich nicht gut an, der Beginn einer Lungenentzündung könnte es auch sein. Nach Norden wieder tiefe Wolken. Es ist ein Risiko. Und es gibt wieder diesen Gedanken des Tourabbruchs bzw. raus aus den Bergen, mit dem Zug zum Meer – doch Aufgeben liegt mir wohl nicht so im Blut. Als notorischer Medikamentenverweigerer überwinde ich mich für den Kauf von Tabletten in der Apotheke. Auch wenn in der Folge der tiefgehende Bronchialhusten nicht verschwindet (und weitere 10 Tage noch nach der Rückkehr in Deutschland), wirken die Tabletten doch lindernd.
Nun habe ich mich für den Besuch der Niaux-Höhle entschlossen, bedeutet allerdings eine separate Anfahrt samt einer satten Steigung vom Ort Niaux aus zum Höhleneingang. Leichter Nebelregen. Das Risiko hier besteht in den Wartezeiten. Ich setze auf Glück. Aber eine Reise mit soviel „kleinem“ Pech gönnt mir dieses Glück nicht. Zwar macht mir ein Dame zunächst Hoffnung, dass ich in 20 Minuten mithinein kann, da evtl. jemand aus der Gruppe rausfällt. Dem ist dann aber doch nicht so. Ich müsste mindestens zwei weitere Stunden warten, danach noch die Besichtigungszeit – das würde dann meine Pläne noch mehr zurückschrauben. Zum gesundheitlichen Knick also noch ein psychischer, denn die Enttäuschung drückt schon auf meine ohnehin nicht gute Stimmung. Nach soviel Kampf bleiben auch noch die die kleinsten Belohnungen aus. So fahre ich nur mit einem Büchlein über die prähistorische Höhle wieder weg, besichtige stattdessen das Pyrenäen-Museum in Niaux (unten) mit vielen Gegenständen des Alltags aus der Region.
Unter trüben Himmel verläuft die Fahrt auf der N 20 ziemlich trist. Doch die Wolkenuntergrenze macht Hoffnung, dass ich den Col de Pailhères fahren kann – nicht wolkenfrei, aber vielleicht die Hälfte des Weges. Rechts und links der dicht befahrenen Straße Richtung Andorra und Spanien fallen überall die Höhlen in den Felsen auf. Schubweise treten mittlere Steigungen auf, bevor ich Ax-les-Thermes erreiche. Der Kurort inmitten der Bergwelt (Bergbahn vorhanden) mutet etwas grotesk an mit dem Casino, hat aber auch einen lieblichen Charme. Schöne Häuserfassaden, enge Gassen und unterschiedlichste Touristen prägen das Ortsbild. Zur Entspannung kann ich meine Füße im wohlig warmen Schwefelwasser baden.
Der Col de Pailhères beginnt gleich noch im Ort mit den Steigungen, zunächst als gemeinsamer Anstieg auch zum Col de Chioula. Dieser Pass fällt meiner „Krankenfahrt“ ebenso zum Opfer wie der Col de Marmale und der Col du Pradel. In meinem Zustand muss ich 30-40 km gegenüber meinen Plandaten zurückweichen, über 2000 Hm sind nicht mehr drin. Der Pass hält die erwarteteten Versprechen: abwechslungsreiche Flora, rauschende Flusskaskaden, auch ein stiller See, sehr schön. Bei ca. 1500 müM ist dann aber der sichtbare Teil zu Ende. Bei garstiger Kälte, verstärkt durch einen heftigen Wind und nasser Wolken ist nur noch Durchhalten gefragt, Genussradeln ist anders.
Auf der Passhöhe bohrt sich der Wind durch alle Textillagen so heftig, dass mir kaum ein Foto des Passchildes gelingt. Nur noch abwärts. Steile, enge Serpentinen, weniger Wolke als zuvor, die Vegetation auch weiter unten deutlich offener. Im ersten Ort endlich etwas milder, doch die Finger sind schon halb taub. Ich schreie mir die Kälte vom Leib, wechsle erstmal die Handschuhe. Ein paar Kinder mit Fahrrädern fühlen sich veranlasst, zu mir zu radeln und nach dem Rechten zu fragen. Sie dachten wohl, dass ich verletzt sei. Nun, diese Kälte hat auch etwas von Rüstungs-durchbohrenden Ritterspeeren.
Die Landschaft hier wieder ganz eigen, sehr dünn besiedelt. Ich folge der ersten Campingauszeichnung, sie führt jedoch nach oben, noch mehr in die Einsamkeit. Ein Hotel/Restaurant soll es ebendort auch geben, erfahre jedoch, dass dieses geschlossen ist. So muss ich an meine mageren Vorräte ran – quasi alles Essbare, ein Menü „Wildwuchs“. Zum Glück gibt es einen geräumigen und warmen Sanitärraum, wo ich meine Speisen ausbreite. Eine Franzose mit Sohn unterhält sich dann noch mit mir, der Sohn bekommt die erste Englisch-Lektion von Papa, damit er mich fragen kann, wieviel Kilometer ich gefahren bin.
Fr, 18.7., La Pla - Quérigut - C. d. Moulis (1099m) - C. d. Garavel (1256m) - C. d. Jau (1506m) - Prades - Finestret - Baillastavy
C: wild 0 €
AE: Fleischspieß, Rw, Käse, Obstsalat 18,50 €
89 km, 13,4 km/h, 1.555 Hm
Die Wetterwechsel sind krass. Der Morgen, noch kühl, die Sonne wegen der Berge auch spät, ist klar. Da die anstehende Region äußerst wenig Infrastruktur aufweist, muss ich mich unbedingt in Querigut versorgen. Außerdem muss ich etwas mehr frühstücken, weil ich am Abend zuvor ja ein bescheidenes Essen hatte. Querigut, auf einem Hügel mit Burgruine, liegt nun geradezu prachtvoll in dieser kaum berührten, offenen Landschaft unter blauem Himmel. Ein paar Auf und Abs fordern schon Tribut, bevor es auf engster Straße in die bewaldete Schlucht der Aude geht. Direkt dort wieder hinauf den Berg, meistens offene Berglandschaft. Nun mit den Panoramablicken auf die Berge am Pailhères, die ich vortags nicht sehen konnte.
Mittlerweile ist es ziemlich heiß in der Sonne, noch wirkt aber die kühle Luft nach. Nach den Wiesen und Weiden der ersten beiden Pässe (nicht sehr schwer) führt der Col de Jau unten erstmal durch sehr schattigen Wald. Enge, launige Kurven geben Fahrspaß, wenn auch bald merkbar ist, dass der Pass keine leichte Nummer ist. Irgendwo raste ich ein längeres Weilchen an dem Bergfluss, den Fischer zu Fuß ersteigen, um in den Gumpen und Strudeln die begehrten Grätentiere zu ergattern. Auch der weitere Verlauf sensationell: Moose, kuriose Baumkreaturen, wechselnde Arten von Urwäldern. Auf der Passhöhe klare Sicht weithin erstmals auf den Pic du Canigou, den mythisch umwandelten Berg der Ostpyrenäen.
Von den Weidewiesen oben tauche ich wieder in eine bewaldete Kurvenfahrt ein, zunehmend aber offene Wiesen. Doch langweilig wird es nicht. Bald taucht eine Burgruine der Katharer am Horizont auf, mehr und mehr ragen bizarre Felsen auf, eine begehbare Schlucht dicht unterhalb, ein schönes Kirchlein in Mosset. Weiter geht die Fahrt, der Canigou im Blick, Kurven nahe an abgründigen Felsen entlang, grandios auch diese Seite des Col de Jau – fünf Sterne, auch wenn kein Hochgebirgspass. Endlich sommerlich warm, das Abfahren macht hier Spaß.
In Prades ist es auf 350 müM auch am Abend noch richtig heiß. Gerade wird ein abendlicher Markt aufgebaut. Nette Restaurants sind hier, ich könnte die Etappe hier gemütlich beenden – bin aber doch weit im Rückstand. Daher versuche ich noch weiterzukommen – doch der nächste Pass ist nicht mehr zu schaffen. Fruchtbares Land hier im Tal, besonders Pfirsische und Wein. Überall typsiche Zeugen der Katharer – ein Volk, dass seinen Untergang erlebte, weil es sich nicht unterordnen wollte.
Weil ich kein Wasser mehr habe, fahre ich noch einen Umweg nach Joch zu einem Brunnen. Auch den letzten Camping schlage ich aus, hoffe in dieser Nacht wild campieren zu können. Doch die untere Anfahrt des Col Palomère verläuft durch eine Schlucht, nur an steilen Hängen teilbewirtschaftet. So erreiche ich schon im Dunkeln Baillastavy, kehre zunächst in einem lokalen Bistro ein, wo ein paar Stammgäste ein Runde Boule angehen. Es gibt eine bunt gemischte Hausmannskost. Der Wirt findet meine Idee gut, am Sportplatz zu campieren. Dort werde ich jedoch von einer Frau vertrieben, die auch laut spielende Kinder zur Ordnung ruft. Zudem brennt die ganze Nacht Flutlicht. Die Frau empfiehlt mir eine Wiese auf der anderen Seite des Flusses. Welche sie meinte, weiß ich nicht, letztlich bin ich auf einem wohl gerade unbewohnten Privatgelände gelandet, was ich im Dunkeln nicht gut erkennen konnte. Aufgrund der steilen Hänge gibt es aber wenig Alternativen. Zur Abwechslung mal eine milde Nacht.
Sa, 19.7., Baillastavy - C. Palomère (1036m) - C. d. l. Cescargue (1393m) - Arles-s-Tech - St. Laurent-de-Cerdans - Tapis - Darnius - Figueras
C: Pous (H Androl): 13 €
AE: Muscheln, Kaninchen, Rw, Cremebällchen, Cafe 24 €
103 km, 14,1 km/h, 1.455 Hm
Schon wieder ein Sonnentag. Da scheint der Sommer nochmal alle Register zu ziehen, welche Seltenheit dieses Jahr. Weiter geht die Fahrt durch enges Tal und Schlucht. Auch in Valmanya kaum Infrastruktur, nur Gites zum Übernachten (Ausgangspunkt für Wanderungen um/zum Canigou), finde aber keinen Laden. Die Vorräte mal wieder fast aufgebraucht. Der Pass dann weiter schattig, oben treffe ich noch einen Rennradler, der mich kurz zuvor überholt hat. Ich frage ihn nach dem Zustand der folgenden Piste Richtung Arles-s-Tech. „C’est bon“, meint er.
Nun gut, die Piste ist weitgehend passabel, richtig gut zum Rennradfahren aber nicht so geeignet. Hier sind bewaldete Teile selten, der größte Teil ist offen, schottrige Fels am Rand, Blumen und weite Panoramen – ohne Dunst vielleicht bis zum Mittelmeer. Nur drei Autos nehmen die Straße bei meiner Überfahrt in Anspruch. An einer nicht ausgeschilderten Verzweigung nehme man den engsten Winkel in Richtung Turm. Die Route führt hinauf bis zum Tour de Batère (höchster Punkt, kein Pass), der offen aus der Landschaft hervorsticht. Von diesem höchsten Punkt geht es leicht abwärts zum Col de la Descargue, wo herrliche Bergwiesen zum Wandern einladen. Wenig oberhalb exisiert eine Eisenmine, was wohl der Hauptgrund ist, dass dieser Pass asphaltiert ist. Sonst herrscht zunächst offene Einsamkeit, bald aber kurvenreiches Erlebnis durch schattigen Laubwald.
Im Tal mit Amélie-les-Bains herrscht lähmende Hitze. So heiß war es noch nie auf meiner Tour. Doch lange pausiere ich hier nicht, denn sonst schaffe ich mein Ziel-Kap am Mittelmeer nicht mehr. Durch den Verzug vom Vortag und der Offroad-Fahrt heute muss ich nun auch den Col d’Ares kippen, weil die Route durch den Vulkan-Naturpark La Garrotxa zu weit ist für die restliche Zeit. Theoretisch möglich, aber würde eine extreme Leistung ohne Pannen und besondere Vorkommnisse verlangen. Zwar kann ich besser fahren als die Tage zuvor, die Wärme hilft auch, aber der Hustenreiz bleibt bestehen. Die volle Leistungsfähigkeit erreiche auf dieser Tour nicht mehr.
So wähle ich die leichte Überfahrt nach Spanien über St. Laurent-de-Cerdans mit nur kurzen ernsthaft stärkeren Steigungen. Nach dem netten Städtchen St. Laurent-de-Cerdans auf einem Hügel folgt noch ein Walddurchfahrt, bis sich beim Grenzort Coustouges (Scheitelpunkt 813 müM) die Landschaft völlig ändert. Offene rote Felshänge und niedrige Kiefernwäldern beschreiben eine trocken-mediterrane Zone. Weite Kurven führen zunächst abwärts, gefolgt von zahlreichen Auf und Abs, allesamt ziemlich leicht, aber zermürbend bei großer Hitze. Die Landschaft bietet wenig Abwechslung, fürs Abfahren noch okay, für eine Auffahrt in die Pyrenäen würde ich diese Route nicht empfehlen. Mal eine Allee im Bereich einer Ortschaft, von denen es nur wenige gibt. Auch ein beliebter Stausee bleibt außerhalb der Sichtweite der Straße.
Mit Erreichen der N II ist man dann in einer unattraktiven Ebene, die als große Verkehrsader fungiert: Autobahn, Nationalstraße, Eisenbahn-Schnellbahntrasse. So ist das Herausschälen einer Stadt am flachen Horziont wie Figueras ein Erlebnis und ich frage mich, warum genau hier? – Nun, der Camping liegt bereits deutlich vor der Stadt, unter hohen Kiefern, direkt an der Einfallstraße und vorne mit Hotel und Restaurant anbei. Wirkliche Nachtruhe bekommt man hier nicht – der Verkehr ist deutlich zu hören und zudem ist Samstag – da wird gefeiert, irgendeine nahe gelegene Disco sorgt die ganze Nacht für „beating dreams“. Obwohl atmosphärisch nicht das schönste, kann man im Restaurant gut speisen.
So, 20.7., Figueres - (Roses) - Cadaques - Cap Creus - Cadaques - Selva de Mar - Portbou - Coll de Belitres (165m) - Cerbère |NZ 20:20-8:34| Strasbourg |TGV 9:45-11:03| Stuttgart
AE: Salat Catalane, Dorade, Rw, Crème Catalane 22,50 €
98 km, 15,7 km/h, 1.235 Hm
Der letzte Tag ist dann doch ein wichtiger: das Unterthema der Reise „Vom Cap Finisterre zum Cap Creus“ wartet noch auf Erfüllung. Zunächst aber lasse ich mich in Figueras ablenken von der Kunst Salvador Dalís. Das Museum öffnet immerhin in der Hochsaison um 9 Uhr, so kann ich nach einem Kaffee ohne zu langes Warten ein schnellen Gang durch die surreale Kunst unternehmen. Das Werk Dalís ist enorm umfangreich und von eben wortwörtlich surrealer Genialität. Das müssen auch die erkennen, die mit Dalí auf Kriegsfuß stehen. Manches ist überraschend, wenn man nur einige klassische Postermotive kennt. Außer dem Kunstmuseum gibt es auch eine Ausstellung mit ebenso kuriosen Schmuckdesigns von dem katalanischen Weltkünstler (mit dem selben Eintritt zu besichtigen).
Die Straße nach Roses ist flach und extrem verkehrsreich. Selbst hier am Meer scheint man nicht sicher zu sein vor den Wetterkapriolen: Von den Bergen her drohen schwere, dunkle Wolken mit Gewitter. Nur ein kleiner Küstenstreifen ist noch hell. Ein paar Tropfen fallen, Blitze in der Ferne. Ein Wettrennen mit dem Wetter – will es mir den letzten Tag auch noch vermiesen. Muss ich die Abkürzung nach Llanca nehmen, um den Zug nicht zu verpassen? – Nein, ich bleibe auf Kurs.
Doch dann das: die Hinterradbremse ist wachsweich, scheint kaum noch zu bremsen. – Was ist los? – Ich stelle fest, der Bremszug ist fast ganz gerissen, das Seil bereits in die Länge gezogen. Zwar bin ich in der Nähe von Roses, da gibt es sicherlich einen Laden, wie mir auch ein gerade anhaltender Radler sagt, aber es ist leider Sonntag. Einen Ersatz habe ich nicht, auch eine Radsportgruppe wenig weiter kann mir nicht helfen. Es würde auch nichts nützen, wie ich später zuhause feststellen werde, denn ohne eine geeignete Zange lässt sich der alte Draht gar nicht entfernen. Auch das Einfädeln ist ein heikles Prozedere und unter Zeitdruck nicht von sicherem Erfolg gekrönt. – Also wieder die Frage: Muss ich zurück nach Figueras oder die Abkürzung nach Llanca nehmen und gar ein ergänzenden Zug nehmen?
Nein, sage ich – ich fahre auf Risiko. Zwar schätze ich noch etliche Auf und Abs auf der Reststrecke, hoffe aber auf nicht zu starkes Gefälle, weite Kurven und breite Straßen. Die größte Unbekannte bleibt die Stichstraße zum Cap Creus. Eine scharfe Bremsaktion bergab ist nicht mehr möglich, d.h. sehr vorausschauend fahren. Zunächst aber eine mäßige Steigung hinauf durch gestufte Kulturlandschaft mit Olivenbäumen. Der Verkehr auch hier sehr stark. Beim Hochpunkt dann der Abzweig in die Bucht hinunter (sehr mäßiges Gefälle) nach Cadaqués – das sehr begehrte Fischerstädtchen, wo Dalí ein guten Teil seiner Zeit verbrachte. Der Ort dichtgedrängt mit Touristen, Strand direkt an der Promenade, schöne Häuserfassaden. Ich versuche mein Glück noch bei einem Leihradvermieter, die Hauptperson ist aber nicht vor Ort, werde auf später vertröstet, was ich dann ganz ausschlage.
Es ist brütend heiß, schwül, aber mittlerweile auch durchgehend sonnig, die Gewitterfront wohl irgendwo gestopt. Eigentlich Zeit, um in einer der traumhaften Buchten außerhalb von Cadaqués in Richtung Cap Creus eine Pause einzulegen. Wie schön wäre es, jetzt noch einen „echten“ Urlaubstag des Nichtstuns zu haben. Tja, und dann könnte ich noch Wochen weiterfahren. Das ist halt der Traum. Doch ich fürchte um mein Zeitfenster. Die Straße zum Kap sehr schlecht, stetes Auf und Ab mit sehr giftigen Steigungen. Nachdem ich die Topographie überblicke, überlege ich sogar den Abbruch dieser Exkursion. Doch ich kämpfe mich über die Hügel, lege alle Kräfte hinein. Das Cap Creus – bis zum Schluss heftig – dann endlich erreicht! Das „Ende der Welt“ im Westen mit dem „Ende der Welt“ im Osten verbunden. – Nur kurz eine Stärkung gewürgt und weiter rase ich zurück, schweißüberströmt den Berg von Cadaqués hinauf – dann weiß ich, die Zeit wird reichen, wenn es keine Pannen gibt.
Ein leichte, langgezogene Abfahrt nach La Selva de Mar, Bremsen brauche ich eigentlich nicht. Jetzt bleibt das Meer immer präsent. Das tiefe Blau – faszinierend. Die Auf und Abs sind weniger schwer als erwartet. Ich merke, die Zeit reicht gut, mit einer Bremse geht auch. Dann der nicht per Schild ausgewiesen letzte Pass: Vom Coll de Belitres sieht man hinunter auf Cerbère, die vielen Bahngleise, das auffällige Dreieckshaus. Jubel hinunter, nochmal auf halber Höhe ein Leuchtturm und das allerletzte Kap: Cap Cerbère. Am Parkplatz steht eine Art Kiosk mit Weinprobe – ideal für ein Tourende. Der Rotwein von Banyules ist arg teuer, der von Colliure recht streng, erscheint mir im Preis überhöht. Der Rosé von Colliure jedoch sehr körper- und charakterreich, ungewöhnlich für einen Rosé, ausgezeichnet – eine Flasche kommt in die Tasche.
Tatsächlich bin ich früh genug in Cerbére. Es ist noch Zeit, Abschied von Meer und Möwen zu nehmen, in der öffentlichen Dusche zum Stadtstrand gehörig mich zu erfrischen und ein Abschiedsessen meeresgerecht mit Dorade zu vespeisen. Im Nachtzug ist das Radabteil groß genug, um 5 oder 6 Räder zu verstauen. Zunächst bin ich der einzige, in Perpignan stößt noch ein deutsches Paar hinzu. Kurz nach Fahrtbeginn gibt es ein Problem: Der Liegewagen mit dem Radabteil ist offenbar auch als „only women“ gedacht. Ich soll erst meine Sachen fertig essen, dann das Abteil wechseln, sagt mir der Zugbegleiter. Als das Paar aus Perpignan zusteigt, ist die Verwirrung komplett: Nicht nur im selben Wagen, sondern auch noch im selben Abteil Mann und Frau – und das alles im einzigen Wagen mit Radabteil und dem wohl einzigen „Frauenwagen“. Kurz danach ist alles okay. – Es bleibt wie es ist.
Das deutsche Paar ist nicht sehr gesprächig. Schlafen kann ich aber gut, der Zug im Fahrverhalten ruhiger als erwartet, lediglich das Fahrgeräusch ist sehr laut (man kann allerdings beigelegte Ohrstöpsel benutzen, wogegen ich aber eine Aversion habe). Der Zug schließlich fast pünktlich in Strasbourg. Das Wetter kühl und wolkig, unsommerlich. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Nach einem Café au lait und Croissant im Straßburger Bahnhofbistro verläuft dann auch die Fahrt mit dem TGV problemlos. Gegen 12 Uhr bin ich dann wieder im Büroalltag angekommen – zumindest körperlich.
Bildergalerie Pyrénées II – wie immer Bild anklicken:
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