Hallo,

ich komme auch aus der naturwissenschaftlichen Ecke und bin nahc meinem Studium ein halbes Jahr durch Skandinavien geradelt. Glücklicherweise hatte sich durch die vorhergehenden Touren und zahlreichen Träumereien/Ankündigungen mein Umfeld schon darauf eingestellt und nicht versucht es mir auszureden. Ein paar Zweifler das ich es schaff gab es schon (mich ja auch immer wieder schmunzel aber zu sehr konnten sie mich nicht beeinflussen. Viele (auch Komilitonen) fanden das Klasse und wollten auch gerne etwas ähnliches machen, haben es dann aber meist aus Geldmangel oder anderen Prioritäten nicht getan.

Wie seid ihr mit Problemen wie Einsamkeit und Isolation umgegangen ? :
Na glücklicherweise trifft man ja doch immer wieder jemanden und mit etwas Glück auch hin und wieder jemanden mit edm man auch etwas mehr Zeit verbringt (einen Abend, manchmal auch ein paar Tage). MAnchmal waren es aber auch nur die kleinen Begegnungen die mir Flügel verliehen, wie eine halbe Stunde Quatschen mit einem Radler der leider in die Gegenrichtung fuhr, mit dem ich mich aber prächtig verstand.
Erst als ich auf der Rückreise vom Nordkapp recht viel Zeit auf dem Rad verbrachte und der Blick in den Wäldern Finnlands mehr nach innen als nach aussen gerichtet war, fiel es mir immer häufiger schwer eine längere Konversation mitzugestalten. Viele Leute die ich traf fragten wie die Reise war, aber irgendwie war da ein Buffer overflow ( zu viele Eindrücke, für die ich mir zu selten die Zeit nahm sie zu verarbeiten) und meine redseligkeit wurde geringer. Dies war aber nur ein vorübergehender Zustand der daheim wieder verging. Ich denke jetzt wüsste ich woher das kommt und, sollte ich nochmal das Glück haben eine so lange Reise machen zu können, wüsste ich was ich dagegen tun kann.

Wie haben sich eure vorherigen guten Freundschaften währenddessen entwickelt ?
Viele meiner Komilitonen sind nach dem studium weg und ich danach auch. DEr Kontakt besteht noch zu einigen die mir sehr am Herzen liegen und wurde durch die Reise eigentlich keineswegs beeintrÄchtigt. Ich denke eher, das ich es, wäre ich daheim geblieben und hätte mit angesehen wie viele wegziehen, deutlich schlechter aufgenommen hätte. Die Freunde die in der Umgebung blieben konnten es zum Glück auch irgendwie verstehen und daher war das kein Problem.

Habt ihr euch danach in der alten Heimat entfremdet und unverstanden gefühlt ?
die Prioritäten haben sich etwas verändert und das Fernweh ist nicht unbedingt kleiner geworden, aber die Freude diese Reise gemacht zu haben hilft wiederum über so manches tief im Alltag hinweg. Das nicht jeder meine Meinung teilt ist mir klar, auch wenn ich das hin und wieder vergesse, aber glücklicherweise weiss ich auch noch was viele andere motiviert und kann mich anpassen.

Hattet ihr Probleme, euch in den geregelten Alltag wieder einzuleben und fühltet ihr euch weggerissen oder haltlos ?
Danach musste ich erstmal Arbeit suchen, was während der KRies ein ziemlich miesser Job war! Insofern war anfangs schon etwas das Gefühl, was mach ich hier. Daher denke ich, ist es ganz gut wenn du danach weisst wie du direkt mit dem Studium weitermachen kannst. Denn Energie hat man ja dann, man muss ihr nur die Richtung geben (was aber schon auch etwas Zeit in Anspruch nehmen kann). Ein bisschen Zeit am Anfang lassen um anzukommen, aber dann auch bald eine richtige Tätigkeit ist wohl eine gute Mischung.

Muss man ein absoluter Individualist sein, um sowas durchzuziehen ?
Es ist zwar eine rein egoistische Sache, so eine Tour, trotzdem heisst das nicht das man auf andere keine Rücksicht nehmen muss. Du legst es ja in eine Phase deines Lebens in der kaum jemand darunter "leidet". Mit Kindern sähe das schon anders aus, oder wenn du dafür eine Job kündigen würdest. Wir leben glücklicherweise in einer Zeit in der es möglich ist so etwas recht einfach zu machen, daher denke ich, sollte man diese Möglichkeit doch auch nutzen, vor allem wenn es niemandem ernsthaft schadet! Viele andere, deutlich unsinnigere und schadhaftere Möglichkeiten fahren doch auch jeden Tag auf unseren Strassen rum. Da soll sich doch bitte niemand darüber aufregen das da jemand ein Jahr potenzielle Arbeitszeit mit etwas verplempert das ihm Spass macht! Würdets du das Geld das du in dem Jahr verdient hättest später mal in ein dickes Auto stecken, würdest du deine Individualität, oder so, zwar von der Gesellschaft akzeptierter aber dennoch deutlich schädlicher zelebrieren.

Wird man nicht sozial inkompetent und unempathisch, wenn man so lange nicht auf andere Rücksicht nehmen muss ?
Ich hab so viele freundliche und oft auch hilfsbereite Menschen getroffen, das ich jetzt das Gefühl habe etwas zurück geben zu müssen und daher eher offener und freundlicher bin. Ich bin ja nicht losgefahren mit der Absicht ich muss es komplett allein schaffen, jeden Tropfen Wasser locke ich durch einen Regentanz an udn durch alle Schwierigkeiten schlage ich mich alleine durch. Wenn man sich etwas Zeit lässt und es richtig anpackt ist so eine Reise für die sozialen Fähigkeiten eher hilfreich.

Nun, über Sachen wie Lebenslauf etc. mache ich mir keine Sorgen. Ich bin mir sicher, dass es eine sehr bereichernde Erfahrung ist, in der man sich positiv weiter entwickelt. Mein Gegenspieler ist wie gesagt dieser vermeintliche Sicherheitsaspekt, der uns immer und überall eingebleut wird. Doch wenn es danach geht, habe ich mit 40 noch nichts spannends gemacht.
Kleiner Erfahrungsbericht: Wenn es zu einem Vorstellungsgespräch kam, wurde die Reise meist angesprochen und war, so hatte ich das Gefühl, immer beliebt um ein wenig das Eis zu brechen. Ich musste dabei aber ziemlich aufpassen, das meine Begeisterung nicht mit mir durchging. Daher am besten ein paar Sätze zurechtlegen um darauf eingehen zu können, ohne zum Ausdruck zu bringen das man eigentlich gleich wieder los möchte schmunzel

Also: Kümmer dich darum wie es danach weitergehen soll und nutze die Möglichgkeit! Sofern man nicht sein halbes Leben in die Reisen stecken möchte gibt es nicht allzuviele so einfache Möglichkeiten!