Da wir einen Mordsrespekt vor der Höhenluft hatten, und nach dem Paso del Agua Negra noch abgelegenere Gebiete erfahren wollten, beschlossen wir sehr ruhig angehen zu lassen. Oberhalb von 3200m wollten wir pro Tag nicht mehr als 300hm als am Tag zuvor schlafen. Ab 4200hm würden wir dann in einmal über den Pass. So geschehen, machten wir uns in sehr ruhigem Tempo auf, um die Berge zu erobern. Mittags hielten wir eine Siesta, wo es schatten gab. In dieser Höhe ist die Sonne unglaublich stark. In einer Schafshütte, wo wir Schatten suchten, vielen uns die interessant geformten insekte auf, die hier herumkrochen:
Nach dem Nickerchen, hatten sie ihre Form geändert:
Jawoll, es waren Blutsaugende Wanzen. Etwas erschrocken aber vor allem fasziniert sahen wir den vollgesogenen Tierchen zu, wie sie es nicht mehr schafften um Wände hoch zu klettern, weil sie sich zu sehr volllaufen hatten lassen. Krank ist keiner von uns dreien geworden.
Für den Pass hatten wir schon viel nützliche Informationen aus dem Rad-Forum bekommen, das hat uns einen Haufen geholfen. Nochmal dank an die betreffenden Personen , vor allem Christian.
Bis zu einer Höhe von 4000m leben hier Menschen, Ziegenhirten mit relativ kleinen Herden. Im Winter ziehen sie ins Tal, dann will man wohl nicht hier oben sein. Die freundlichen Männer verkauften uns ein grosses Stück Käse, und erzählten uns dass ihre Ziegenherde in der letzten Woche von 70 auf 65 Tiere geschrumpft war. Die Ziegen waren von einem Puma erbeutet worden. Interessant, wenn man kurz danach sein Zelt in der Wildnis aufbaut...
Alain, auf dem Weg zum Gipfel
Camp auf 3900hm
Wasser holen für das letzte Camp, auf 4200m. So kann man fast 20l Wasser mitnehemen.
Der Tag an dem wir den Pass selbst beklommen, war wohl einer der härtesten der Tour. Gerben und ich hatte beide ziemliche Mühe mit der Höhe. Alain, der hobbymässig viel in den Alpen herumturnt, hatte es viel einfacher. Die unglaublichen Aussichten machten uns das Leben um einiges leichter. Wir fuhren an den Penitentes-gletschern vorbei. Knapp neben der Strasse stehen diese eindrucksvollen Eisgebilde, die es nur hier und im Himmalaya geben soll.
Aus der Ferne:
Die Grösse der Berge konnten wir nicht auf dem Foto festlegen, hier ein Versuch: der kleine Punkt dort, das bin ich!
Als wir endlich den Pass erklommen hatten, wollten wir nur noch herunter.
Entlang von mehreren Penitentes-gletsjern sausten wir über Bodenwellen gen Tal.
Ein Gletscher, gleich neben der Strasse!
Etwas unterhalb des Passes wird auf der Argentinischen Seite an der Strasse gearbeitet. Ein Tunnel auf 4000 meter soll die Chilenische Hafenstadt La Serena und das Argentinische und Brasilianische Tiefland ganzjährlich verbinden.
Wir werden im Arbeiterlager gastfrei mit Trunk und Speis empfangen. Am nächsten Tag lassen wir uns das letzte Stück herunterrollen, und schauen stolz und zufrieden zurück auf die erklommenen Berge.
Nun geht es weiter auf der Ruta40, bekannt wegen seiner langweiligen Leere. Hier oben aber stimmt das nicht, wir geniessen von der angenehmen, ruhigen Atmosphäre, den freundlichen Menschen und manchmal doch sehr schönen Landschaften. Auch erleben wir seit langem etwas Regen, was die Vegetation zu üppigem Blühen hinreist.
Kaktusblüten mit 25cm Durchmesser!
Hatte Alain vor allem beim grobschottrigem Downhill etwas schwierigkeiten mit seinem Liegerad (es ist halt kein Mountainbike), in der Fläche spielte sein Gefährt seine Trümpfe aus. Tief in seinen Windschatten geduckt, konnten wir ihm gerade so folgen, während er es eher gemütlich angehen liess.
In Belén machten wir eine Ruhepause, und verabschiedeten uns von Alain. Einen Monat hatten wir zusammen gereist, ohne Probleme! Jetzt trennten uns unsere Wege, wir wollten wieder in die Berge, und zwar länger als beim Paso del Agua Negra. Alain fürchtete, dass seine Reifen zu dünn waren, und wollte doch etwas mehr Kilometer machen.
Wir blieben noch etwas hängen, Bier und Barbeque waren unsere Sirenen von Nordargentinien.
Nach vier Tagen Festschmaus und einem Radioauftritt, wurde es höchste Zeit uns wieder aufs Rad zu schwingen. Ohne die Informationen die wir aus dem Rad-Forum bekamen, hätten wir die folgende Strecke nie fahren können. So tankten wir unser Benzinvorräte voll, und machten uns auf zum extremsten Stück unserer Reise.
Die Strecke nach Antofagasta de la Sierra war schön, und schon ziemlich Einsam. Ganze Stücke waren asphaltiert und gut versorgt, während andere noch warteten auf Ausbau. Die Landschaft verwandelte sich langsam aber sicher wieder in Hochgebirgswüste.
Kaum angekommen im ‚Parque Nationale de los Vicunas‘, ging das gezetere der eleganten Tiere schon los. Sie warnten Artgenossen vor gefährlichen Gringos...
Auch hier war die Landschaft beeindruckend. Weitläufige Leere, begrenzt durch Vulkane in der Ferne. So langsam wird das Leben immer weniger und die Umgebung feindlicher. In Belén, 2500hm tiefer hatte man uns schon gewarnt: ‚Mucha Puna!‘. Wir nennen die Hochwüste ‚Puna de Atacama‘, aber die Einheimischen gebrauchen das Wort anders. Puna ist das Gefühl was man in dieser Höhe (rund 4000) bekommt: Kurzatmigkeit, Kopfschmerzen, die enorm stechende Sonne, und die Trockenheit.
Die Läden hier oben sind schon etwas schwieriger als solche zu erkennen:
In Antofagasta de la Sierra werden wir gastfreundlich von einer Familie empfangen. Wir dürfen im Garten Zelten, und am Osterfreitag bekommen wir sogar selbstgefangene Forelle gekocht! Einmal im Jahr darf im Fluss gefischt werden: Ostern.
Wir versuchen uns zu erkunden, ob wir über den Paso Socompa fahren können, ein sehr abgelegener Pass. Ein lokaler Guide sagte uns, der Pass wäre geschlossen. Später stellte sich heraus, dass dem nicht so war, aber wir beschlossen, um uns in Pocitos, dem nächstem Dorf (220km) nochmal zu erkundigen. Alle Informationen über die folgende Strecke bekommen wir aus dem Rad-Forum.Die Leute in Antofagasta sind kaum eine Hilfe, die Meisten fahren nie auf die Strasse weiter in die Puna. So erzählt uns die Polizei, dass es unmöglich ist um nach Pocitos zu kommen. Wenn wir aber dann in Pocitos wären, gäbe es dort auch eine Polizeistation, und eine Tankstelle. Später sollte sich herausstellen, dass nichts was sie sagten stimmte. Wir schlugen Wasservorräte ein. Der nächste Wasservorrat würde in 120km sein. 3 Tage, auf schlechten Wegen, in der Hochwüste: 21liter Wasser pro Person.
So schwer beladen ging es weiter. Die Strasse wurde schlechter, oft hatte man die Wahl zwischen losem Sand oder Bodenwellen.
Etwa ein/zweimal pro Tag begegneten wir einem Auto. Die Leute wahren dann immer etwas fassungslos. Diese Leute hier waren Touristen, der Vater hörte sich unsere Geschichte an, und bot mir gleich die Hand seiner Tochter...
Auch hier oben, im lebensfeindlichem Umfeld, gibt es noch Leben. Ziegenhirten wohnen hier in ihren Lehmhäusern
Und um uns herum laufen viel Vicunas herum. Hier sehen wir einen enormen Haufen Vicunakot, ein territoriales Zeichen eines Männchens.
Viel Foto’s haben wir nicht gemacht, wir waren ziemlich an unseren Grenzen unterwegs. Die enormen Wassermassen, die wir mitschleppten, die schlechten Strassen, die extreme Umstände (4500m, nachts -20, mittags+20Grad, die stechende Sonne) machen uns zu schaffen. Manchmal schaffen wir pro Tag maximal 30km. Trotzdem ist dieser Teil der Reise wohl einer meiner kostbarsten Erinnerungen.