Hallo Anja, der Reaktionen sind viele. Das Entfernungs-Vorstellungsvermögen hat sich durch das Auto als Standardverkehrsmittel von menschlichem Leistungsvermögen entkoppelt. Daher das Unverständnis, welchem Radler/in begegnet.
Am wenigsten ist mir das allerdings in Italien vorgekommen, dort ruft nur meistens das Fahren mit Gepäck Kopfschütteln hervor, die italienischen Idole reißen ja publikumswirksam schon größere Strecken runter und die Leute wissen das ungefähr.
Am stärksten sind mir die regelmäßig auftretenden Reaktionen in Erinnerungen, die mir in Griechenland entgegentraten. Es gibt im Wesentlichen zweierlei.
Die erste Art beginnt meist mit jaja, wenn man erzählt, wo man herkommt. In diesem Moment findet aber keine gedankliche Durchdringung des Gehörten statt. Manchmal bleibt es dabei. Dann wird aber der Gehalt realisiert und das große Staunen beginnt. Für einen typisches griechisches Gemüt ist Fahrradfahren als freiwillige Tätigkeit undenkbar, außer bei Kindern. Die Griechen scheinen auch selber am allermeisten unter ihren Sommertemperaturen zu leiden. Man hat also UFO-Status. Dennoch ist die Haltung meist herzlich.
Die zweite Art erlebe ich gelegentlich in einer totalen Nichtwahrnehmung. Das ist nicht Ignorieren, das bedeutet wirkliches Nichtwahrnehmen. So einmal, als der Hafen Piräus 2004 sicherheitsbedingt wegen der vielen Kreuzfahrtschiffe (Olympiade) zugangskontrolliert war. Ein Uniformierter äugte wie eine Herde Luchse in alle Richtungen und ein Fußgänger nach dem anderen wurde an dieser Einfahrt abgewiesen, Autos wurden mit unüberhörbarem Trillerpfeifensignal verscheucht. Ich auf meinem Rad, knallrot, Helm und Gepäck, fuhr direkt vor seinem Gesicht an ihm vorbei in das Hafengebiet. Solche Situationen gibt es gelegentlich auch im Verkehr allgemein, da muß man halt mitdenken.
Als ich letzten Sommer in Südkreta, ziemlich erschöpft einen Paß hochschob, an dem sie die Serpentinen vergessen hatten, kam mir in einem Mittelklasseauto ein junges Pärchen entgegen, er wirkt nicht gerade untergewichtig, Schmalzlocke, Mucke laut, Fenster auf, realisiert mich, weist seine Freundin auf mich hin und bricht in verächtliches Lachen aus.
Anderes Beispiel: fuhr mit meiner Freundin in der Schweiz innerhalb eines Städtchens einen Anstieg hoch. Oben gab es ein Straßencafe mit etwa 8-10 Gästen. Als meine Freundin dort vorbeikeucht, klatschen die alle einschließlich Bedienung und feuern sie an und sind erst wieder still, als ich auch vorbei bin. Das freut dann schon.
Nett sind meist auch die Begegnungen mit ortsansässigen Radlern. Fahre ich an einem unter 30jährigen vorbei, besonders natürlich bei Kindern, kann es sein, daß spontan Wettkampfstimmung auftaucht und der sich auf dem Heimweg befindliche Herr plötzlich mords was von ins Zeug legt, bloß um nicht überholt zu werden.
Fast immer finde ich allerdings das Verhalten der Umgebung eher nett, selten nervig.
Andreas