Hallo Bikefreaks
Wie einige von euch vielleicht noch wissen, plante ich vor rund einem halben Jahr eine Reise quer durch die USA. Am 1. Mai 2010 gings dann tatsächlich los und in den nächsten zwei Monaten habe ich sowohl mein Ziel in Seattle erreicht, wie auch 5595 unvergessliche Momente, Begegnungen und Highlights erlebt! Anbei ein Auszug aus meiner Homepage und meinem Tagebuch: Viel Spass beim Lesen
(
Homepage,
Fotos (Picasa Webalbum))
1. Mai 2010 - Der "24 h"-TagMeine Familie brachte mich am ersten Tag nach Zürich an den Flughafen. Nach kleinen Komplikationen am Check-In (Übergewicht und so...) und einem emotionalen Verabschieden bestieg ich meinen Flug nach Newark. Nach dem 8-stündigen Flug wurde ich am Flughafen in Newark von Jackie (meinem Couchsurfing.org-Host) abgeholt. Jackie kam mit ihrem Ford Mustang Cabriolet und erwartete wohl nicht so zwei grosse Boxen! Nichts desto trotz haben wir alles im Auto verstaut und sind abenteuerlich zurück nach Morristown gefahren. Jackie war ein super Host, Sie zeigte mir die Stadt, nahm mich an eine Demo (gegen das neue Arizona-Law) mit und stellte mich all ihren Freunden vor. Nach dem Nachtessen lief in ihrem Haus schon eine grosse Party ihres Bruders, und zum einen oder anderen Bier konnte selbst ich nicht nein sagen. Und irgendwann im Leben muss man ja das erste Mal Beer-Pong spielen. (So richtig US-Highschool-Movie mässig). Es war also nicht verwunderlich das mein Tag erst nach ca. 25 Stunden auf den Beinen und langen und guten Gesprächen zu Ende ging.
2. Mai 2010 - Der "Ich kauf mir heute noch ein Auto"-TagNach der Party in der letzten Nacht war es nicht weiter verwunderlich, dass ich am Morgen nicht so früh aufstand. Das ist ja ein super Start! Aber auch das Verabschieden von Jackie und ihren Freunden war nicht einfach, Jackie war echt super! Kurz vor 12 Uhr schwang ich mich aber doch aufs Fahrrad und machte unter bewundernden Blicken die ersten Meter in den Vereinigten Staaten. Mein Weg raus aus Morristown führte (obwohl ich es nicht wahr haben wollte) über einen 6-spurigen Highway. Ich wurde zwar gnadenlos ausgehuupt, aber dies war mir egal. Nachdem ich nach ca. 10 km den Highway verliess, änderte sich die Gegend schlagartig und New Jersey zeigte sich von einer total unerwarteten Seite: ewiges auf & ab... Nach kurzer Zeit war ich mit meiner Kraft und meinen Nerven am Ende und wollte lieber ein Auto kaufen als den nächsten Hügel zu bezwingen. Irgendwie schaffte ich es aber am Ende des Tages doch Brancheville, NJ zu erreichen, wo ich kurz vor der Dunkelheit den Zeltplatz erreichte.
3. Mai 2010 - Der "How to loose 6 kilos in one day"-TagWer hätte dies gedacht, die erste Nacht im Zelt und es regnete ununterbrochen. Also schwang ich mich am nächsten Morgen in Regenmontur aufs Fahrrad und machte mich auf den Weg. Nach einer malerischen Fahrt durch eine Emmental-Landschaft begannen wieder diese steilen Aufstiege... Am Ende eines besonders steilen und langen Aufstiegs lachte mir ein Schild 'Top of New Jersey' ins Gesicht! Ja, danke für das, GPS! Es folgte noch ein langes Auf und Ab bis ich schliesslich Pennsylvania erreichte. Kurz vor Mittag traf ich in Milford ein, wo ich im Post Office eine Box mit ca. 6 Kilo unnützen Übergepäck nach Hause schickte. Noch im Post Office traf ich eine Gruppe älterer Herren welche mir bei der Planung meiner weiteren Route weiter halfen und mir freundlicherweise noch eine Landkarte schenkten. Zurück auf der Strasse und etliche Kilo leichter begann sogleich wieder das alte Lied, Auf & Ab, Auf & Ab... Mir kam es jedenfalls so vor als wäre es mehr Auf als Ab... Nach einem kräftezehrendem und langem Nachmittag kam ich schliesslich am Lake Wallenpaupak an wo ich am Ufer mein Lager aufschlug.
4. Mai 2010 - Der "Saint Thomas"-TagAm Morgen machte ich mich frisch motiviert los auf den Weg. Zwar hingen bedrohlich dunkle Gewitterwolken in der Luft aber die konnten mich nicht aufhalten. Nach einer kurzen ebenen Strecke begann abermals das Auf & Ab, neu noch mit Gegenwind. Sprich, bergauf stossen und bergab treten... Als ich gegen Mittag erneut vor einer endlosen Steigung stand, mein Magen knurrte und mich ein übler Platzregen einholte streichte ich die Segel und mogelte mich auf einem Pick-Up 8 Kilometer ins nächste Dorf. Von da noch über einen weitern Huegel
(was nota bene eine Stunde dauerte) kam ich ausgelaugt in Lenox an wo ich im erstbesten Trucker Stop ein 'Zmittag/Znacht' bestellte. Ich lernte im Imbiss eine Menge netter Leute kennen welche mir mit ihren Worten neuen Mut zusprachen. Unter Anderem Tom der mich in seine Gebete aufnehmen möchte und April und Bryce welcher total begeistert war. So konnte mich auf den letzten 20 Kilometern weder Regen noch endlose Steigungen aufhalten, und ich erreichte wiederum müde und fertig das Dorf New Milford, PA. An diesem Tag gönnte ich mir ein Hotelzimmer, da ich die nassen Sachen trocknen lassen wollte.
5. Mai 2010 - Der "erste 100 km"-TagBei stahlblauem Himmel und ebener Strasse machte ich mich am Morgen auf den Weg in Richtung Ithaca, NY. Da mir der Highway 11 am letzten Tag Glück brachte und mich flach nach New Milford brachte, nahm ich Kilometer-technisch einen Umweg in Kauf, konnte mir aber viele ermüdende Höhenmeter ersparen. Als ich jedoch in Endwell, NY den Highway verliess, fiel die Landschaft in alte Gewohnheiten zurück. Auf und Ab und Gegenwind. Immer in der Hoffnung das es endlich flacher wird, liess ich mich aber nicht zum Mogeln verleiten.
(Dann schiebt der Dickschaedel doch lieber!) Manchmal wurden meine Wünsche erfuellt und es ging tatsächlich abwärts, aber meistens entdeckte ich nach der einen Steigung gleich die nächste...
(was wirklich frustrierend ist!) Nach Newark Valley flachte die Strasse jedoch ab und ich konnte ohne weitere Probleme nach Ithaca, NY fahren. Diese Nacht übernachtete ich bei Harald
(aus dem Bikefreaks-Forum) und seiner Freundin Nicole. Die Beiden kümmerten sich echt gut um mich. Ich durfte den Laptop benutzten, sie wuschen mir meine Wäsche und bekochten mich mit einem super Chilli... Wirklich besten Dank an euch Beide!
6. Mai 2010 - Der "Heute wachsen schräge Bäume und Hirsche werden weiss"-TagNach dem langen Newsletter und Blog schreiben von letzter Nacht, kam ich verständlicherweise spät aus den Federn und auf die Strasse. Harald, Nicole und ich gingen noch in eine Bakery in Ithaca ein gutes Frühstück essen bevor Harald und ich nordwärts aufbrachen um die Taughannock Fall zu besuchen. Nach einem steilen Aufstieg erwartete mich ein sehr schöner Wasserfall der die Mühen des Aufstiegs sicherlich wert war! Die Fahrt zum State Park und weiter nach Trumansburg war malerisch schön, aber leider von starkem Gegenwind begleitet. In Trumansburg verabschiedete ich mich von Harald und fuhr alleine weiter. Ich kämpfte mich über die Hochebenen zwischen dem Cayuga Lake und dem Seneca Lake durch heftigen Gegenwind. Bei meinem Mittagshalt in Ovid erlebte ich "Amerika pur". Man setzte sich an eine Strassenkreuzung in den Staaten und erlebe die seltsamsten Dinge. Innerhalb von 5 Minuten furh vor mir sowohl eine riesen Bentley Strech-Limmo wie auch eine Amish-Kutsche vorbei. Vis-a-vis besuchte ein Amish einen Haushaltsladen während hinter mir Jugendliche Hip-Hop hörten! Amerika ist und bleibt eben Klischee behaftet. Auf meiner Weiterfahr in Richtung Geneva, NY habe ich in einem abgesperrten Militärgelände, die von Nicole prophezeiten, weissen Rehe gesehen! Auf einer Strecke von ca. 20 Kilometer grassten die beiden Albino-Hirsche exakt an dem Zeitpunkt als ich durchfuhr am Strassenrand. Wirklich ein seltsames aber aufbauendes Erlebniss. In Geneva angekommen beziehe ich ein Zimmer in einem Motel, da der Wind mich bis auf die Knochen ausgekühlt hat.
7. Mai 2010 - Der "Ich fühl mich noch frisch"-TagAus Geneva raus führt mich der Weg anfänglich noch eine Zeit lang durch Industriegebiete bis ich mich schliesslich in hügeligem Farmland wiederfinde. Bei weitem weniger steil erlebe ich diese Gegend viel weniger anstrengend als noch in New Jersey oder Pennsylvania. Die Landschaft ist wenig abwechslungsreich und nach einer eher unspektakulären Fahrt erreiche ich gegen Abend das Städtchen Churchville, NY. Ich entschliesse mich jedoch zur Weiterfahrt ins ca. 20 km entfernte Brockport, NY. Unterwegs werde ich jedoch von einem Regenguss überrascht und erreiche mein Motel tropfnass und ausgekühlt. Leider hatte das Motel nur noch ein Raucherzimmer frei, aber so nass und kalt wies draussen war, nahm ich sogar damit Vorlieb.
8. Mai 2010 - Der "Heute ist alles Schei***"-TagEs sollte nicht mein Tag werden, dies habe ich schon in der Nacht und spätestens am Morgen bemerkt. Gegen Mitternacht entbrannte im Nebenzimmer ein übler Streit bei dem sowohl das "fu**" wie auch das "bit**"-Wort öfter fielen. Am Morgen stellte ich dann fest, dass aus dem angenehmen Seiten-, Rückenwind ein brutaler Gegenwind wurde. Mutig kämpfte ich mich bis an den Lake Erie Canalway Fahrradweg und steuerte meine Fahrt in Richtung Westen an. Über den Kanal blies mir der Wind jedoch mit voller Wucht entgegen und ich beschloss den Fahrradweg zu verlassen und eventuell in bewohnterem Gebiet bessere Karten zu haben. Leider stellte sich jedoch auch diese Hoffnung als falsch raus. Der beissende Gegenwind hatte sich in der Zwischenzeit zu einem ausgeprägten Sturmwind von 70-100 km/h entwickelt und je nach Aufprallwinkel drückte es mir sämtliche Luft aus den Lungen und fegte mich mühelos von der Strasse. Mit lahmen 7-8 Kilometer pro Stunde kämpfe ich mich gegen dieses Unwetter vor in welches sich mittlerweile auch noch Regen gemischt hat. Überall auf der Strasse liegen abgebrochene Äste und Blätter rum, die Feuerwehr rast in beide Richtungen und mittendrin ein frustrierter und ausgekühlter Fahrradfahrer. Nach ca. 40km in diesem Unwetter entschloss ich mich mein Tagesziel sausen zu lassen und mich nach Alternativen umzusehen. Leider führte mich mein GPS zu einem längst verlassenen Hotel. Also klopfte ich bei einem Haus in der Nähe an und bat um Rat. Nach einem kurzen Tipp und als ich schon wieder losfahren wollte, bot der Herr
(hab leider den Namen vergessen) mir an mich kurz in seimem Haus aufzuwärmen und für mich beim Einen oder Anderen Hotel anzurufen. Leider musste ich nach meinem Aufwärmen ca. 15 km zurückfahren um im Dörfchen Medina, NY doch noch zu einer warem Unterkunft zu kommen. Die Unterkunft war zwar "sau-teuer" aber in dem Moment hätte ich wohl alles bezahlt für ein warmes Bett und ein Dach über dem Kopf.
9. Mai 2010 Der "Relaxing"-TagSo warm war die Unterkunft aber dann doch nicht, und ich musste die Nacht in meinem Schlafsack verbringen. Als ich mich am Morgen, noch im Schlafsack, ans Fenster schlich erwartete mich eine schreckliche Aussicht: es schneite! Schnee, begleitet vom selben Gegenwind wie tags zuvor raubten mir jegliche Motivation fürs Fahrradfahren. Also beschloss ich auf die motorisierte Reisevariante zurückzugreiffen und erkundigte mich in der Lobby nach einem Bus oder einem Taxi ins 60km entfernte Niagara Falls. Ein Bus gibt es zwar nicht, aber ein Minivan-Taxi brachte mich
(im Gegensatz zur Unterkunft) vergleichsweise billig nach Niagara Falls. Mit dem Fahrrad überquere ich die Rainbow-Bridge nach Kanada.
(Kleiner Tipp am Rande: Der Zollbeamtin auf ihre Frage "Where do you live?" mit "On the road" zu antworten ist eine dumme Idee... Wirklich! Da muss mann einiges erklären!) Als ich dann doch nach Kanada eingelassen werde mache ich mich auf an einen, der mit Touristen überfüllten, Aussichtspunkte und geniesse die Aussicht auf die berühmten Niagara Fälle. Nach den Pflichtfotos mache ich mich auf die Suche nach einer Unterkunft für die Nacht. Niagara Falls ist so ca. das Las Vegas Kanadas, überall blinkt und leuchtet es, der Burger King ist ein Frankenstein-Haus und an jeder Ecke hat es Wachsfigurenkabinette und Spielbuden. Etwas von diesem wirren Treiben entfernten Zentrum gönne ich mir eine Nacht in einer Travelerslodge mit Whirlpool! Da ich nun für einmal den ganzen Nachmittag frei habe und das Wetter nicht zu grossen Taten einlädt, entscheide ich mich spontan dafür ins Kino zu gehen. Am Abend ging ich fein Essen und lege mich noch ein paar Minuten ins Whirlpool.
(welches ich ganz für mich alleine habe)10. Mai 2010 - Der "Broken Gear"-TagNach dem Relax-Tag am Vortag heisst es wieder Strampeln ohne motorisierte Unterstützung. Das Wetter ist ausnahmsweise recht freundlich mit blauem Himmel und Sonnenschein aber leider immernoch sehr kalt.
(Sogar die Einheimischen beschweren sich über den kalten Mai). Mit dem neuen Faserpelz aus einem Bikeshop in Niagara Falls überstehe ich jedoch die kühlen Temperaturen
(ca. 5-8 C°) Die Fahrt raus aus Niagara Falls führt mich entlang an etwa tausend Motels, Hotels und anderen suspekten Unterkünften. Erst einmal raus aus dem Pulk dieser Stadt führt mich mein Weg wieder über Felder und Farmland. Kurz nach Fonthill, ON bemerke ich zu meinem Schrecken, dass meine gesamte hintere Schaltung wackelt und die untersten drei Gänge nicht mehr funktionieren. Die Schaltung schaltet wannimmer sie will und macht auch sonst nicht mehr wirklich mit. Also frage ich im nächsten Dorf nach einem Bike-Shop und erfahre, dass der nächste im 70 Kilometer entfernten Simcoe ist. Simcoe, ON ist aber sowieso mein geplantes Tagesziel, also passt dies gut für mich. Ich kann zwar die untersten Gänge nicht fahren und schalte das Eine oder Andere Mal leer, komme aber doch gut voran. Gegen Abend erreiche ich dann das Städtchen Simcoe wo ich wiederum in ein Motel einchecke.
(Konnte sogar den Preis noch etwas drücken wenn ich bar bezahle...) Nur noch ein kurzes Erkundigung über den Bike-Shop und ein feines Nachtessen trennen mich von meinem wohlverdienten Schlaf.
11. Mai 2010 - Der "I'm cycling in the rain"-TagIch wollte früh am Morgen aus den Federn da der Bike-Shop um 9 Uhr öffnet. Ich kam zwar erste gegen Zehn da an aber ich bin jedenfalls früher als auch schon auf der Strasse. Die beiden Mechaniker
(die Namen habe ich natürlich und leider wieder vergessen) helfen mir sofort
(und umsonst) und flicken meine lädierte Schaltung! Wir fallen in eine Diskussion übers Fahrradfahren, über die Schweiz und natürlich über Eishockey. Ich werde mit hilfreichen Infos über meine Routenwahl, mit den aktuellsten Wetterdaten und mit aufgefüllten Wasserflaschen versorgt, bevor ich mir im Shop noch lange Bike-Handschuhe und eine neue Sonnenbrille kaufe und ich mich wieder zurück auf die Strasse mache. Mit einer guten Portion Rückenwind und einem ansehnlichen Geschwindigkeitsdurchschnitt erreiche ich ein kleines Dörfchen ausserhalb von Dehli, ON wo ich mir in einer Bakery eine Stärkung und ein trockenes Plätzchen gönne. Ich verfalle wieder in ein Gespräch über meine Tour und erzähle gerne davon. Schon zurück beim Fahrrad und wieder bereit den Regen und die Strasse zu zähmen, verlassen auch der Herr und die Austauschschülerin aus Australien
(ja, ja ich weiss, hab die Namen wieder vergessen) die Bäckerei und bieten mir ganz spontan eine Mitfahrt nach St. Thomas an, da Sie so oder so dahin fahren. Ich nehme im mittlerweile strömenden Regen gerne an und wir verladen das Fahrrad im Minivan.
(Zu meiner Verteidigung, dies war bis jetzt das einzige Mal motorisierter Unterstützung ohne dass ich es wirklich "nötig" hatte.) In St. Thomas suche ich die Public Library auf da ich hoffe da einen Gratis-Internetzugang zu erhalten. Ich kann tatsächlich ca. eine Stunde im Internet surfen und mir die weitere Route aussuchen. Eigentlich wollte ich London links liegenlassen und direkt Sombra ansteuern. Leider fand ich, nicht auf sicher, eine Unterkunft westlich von St. Thomas und entschied mich so gegen London aufzubrechen. Bei strömendem Regen und beissendem Seitenwind mache ich mich zurück auf die Strasse und bin innerhalb von 5 Minuten tropfnass... Für diese letzten 20 km habe ich etwa 2 Stunden benötigt und habe wiedermal völlig ausgekühlt in ein Motel am Stadtrand eingecheckt. Das Wetter war so schlecht, dass ich mir wie ein echter Ami das Essen hab liefern lassen!
12. Mai 2010 - Der "1000 km"-TagGemäss dem Wetter-Kanal im Fernsehn sollte der Regen aufhören und ein lockerer Ost-Wind wehen. Dies waren super
(wenn man Wolken und 9 C° Kälte als super bezeichnen kann) Bedingungen und verleiteten mich extra früh aufzustehen. Da ich am Vorabend all mein Gepäck ausgelegt und zum Trocknen aufgehängt habe (
die Brooks Taschen sind doch nicht so wasserdicht wie gedacht) nahm das Packen etwas mehr Zeit in Anspruch. Gegen halb Zehn bin ich jedoch schon auf der Strasse und habe nach einer Stunde schon die ersten 20 km zurückgelegt. Der Ostwind ist eine perfekte Unterstützung für meine Fahrt, da zwischen London und Sarnia eine 70 km lange schnurgerade Strecke liegt. Mit einem super Schnitt von über 22 km/h fahre ich auf dieser Gerade quer durch kanadisches Farmland ohne viel Abwechslung. Die geflickte Schaltung hält super und ich komme ohne grosse Anstrengung nach bloss 4,5 Stunden im 110 km entfernten Sarnia an. Das GPS lenkt mich bis zu Troy´s Haus, aber nicht bevor ich noch einen kurzen Schlenker an den Lake Huron gemacht habe. Ein See der grösser als die Schweiz ist und vom Ufer aus wie ein Meer aussieht! Nach einem erneuten obligaten Foto mache ich mich auf die letzten Metern zu Troy´s Haus. Troy ist eine weitere Couchsurfing.org Erfahrung die ich machte und abermals kann ich couchsurfing allen empfehlen! Ich wurde hier herzlich empfangen, habe mein eigenes Zimmer, ein Laptop zum benützen
(sogar ein Mac, mit Photoshop) und eine Wäschemaschine die ich brauchen darf. Ich wurde abermals sehr fein bekocht und genoss ein gutes Steak vom Grill mit einem kanadischen Bier!
13. Mai 2010 - Der "Back in the United States"-TagNach dem langen Abend bei Troy und Dayna kam ich wiedermal spät aus dem Bett. Da Troy mich eigentlich mit dem Fahrrad eine Strecke begleiten wollte, es aber leider wieder regnete, bot mir Troy an mich mit dem Auto über die Grenze zu bringen, da man mit dem Fahrrad die Interstate-Brücke nicht überqueren darf. So luden wir das Fahrrad auf den Dachträger und fuhern zurück in die Vereinigten Staaten. Logischerweise musste ich an der Grenze wieder unzählige Fragen beantworten, nur sagte ich diesmal nicht dass ich "on the road" lebe... Auf dem Weg nach Flint, Michigan wurden wir von einem sinnflutartigen Regen überrollt, aber wir sassen ja glücklicherweise im Auto. Nach dem Mittagessen in Flint fuhren wir etwas aus der Stadt raus um auf einer Landstrasse ein kleines Fotoshooting zu machen.
(Da Troy Berufsfotograf ist). Danach verabschiedeten wir uns und ich schwang mich wieder aufs Rad. Ich fuhr duch die Dörfchen, Städtchen und Landstrassen von Michigan. Landschaftlich hat sich im Gegensatz zu Ontario nicht viel geändert, ausser dass jetzt wieder USA Fahnen an jedem Haus hängen. Der Sinnflutregen, der uns am Vormittag einholte, hat halb Michigan unterwasser gesetzt. In Vorgärten, auf Feldern und Strassenteilen stand knöcheltiefes Wasser. Da ich nach meiner Fahrt nach Owosso noch nicht genug hatte entschied ich mich nach St. Johns weiterzufahren. Ich erreichte das Städtchen kurz vor einem weiteren Regenguss und checkte ins ausgefallenste Motel ein in dem ich bisher war. Das ganze Zimmer war überfüllt mit kleinen Accessoires, mein Bett hatte eine Rüschchendecke und die Kissen waren bestickt. Und als Zückerchen hat mir die nette Lady im Office sogar die Nacht offeriert! Sie fand, dass ich es sicher nötig hätte etwas Geld zu sparen auf meiner Tour. Am Abend nahm ich noch den 1000km Kettenwechsel vor und lies mir eine Pizza aufs Zimmer kommen.
14. Mai 2010 - Der "Gegenwind und Lagerfeuer"-TagAbermals nicht wirklich früh machte ich mich auf den Weg. Bevor ich aber startete checkte ich in einer Public Library noch meine E-Mail, da ich für das Couchsurfen am Abend noch keine Adresse hatte. Die Strasse aus St. Johns raus führte exakt nach Westen und mich mitten in einen schrecklichen Gegenwind von ca. 50-60 km/h rein. Nach den ersten 10 Kilometer war ich schon so erschöpft, dass ich wiedermal übers Autostoppen nachdachte. Da aber kein Auto anhielt musste ich wohl oder übel auch die nächsten 100km noch mit dem Gegenwind kämpfen. Kurz vor Iona bog ich nach Norden ab und hatte zur Abwechslung den Wind für 20km in der Seite. Leider musste ich für die letzten 50km wieder gegen den Wind fahren. Nach 7,5h Fahrt erreichte ich Kati`s Haus. Nach dem Duschen fuhren wir mit Katis Bruder und dessen Freundin ins Zentrum von Rockford wo wir ein feines Nachtessen genossen. Anschliessend fuhren wir nach Downtown Grand Rapids um ein Bier in Amerikas Nachtleben zu geniessen. Nach einem Stopp in einer weiteren Bar landeten wir in Nick’s Garten wo wir mit einigen von Katis Freunden um ein Lagerfeuer sassen und bis spät in die Nacht diskutierten. Eigentlich wollte ich ja um Mitternacht nach Hause da ich am nächsten Tag noch ca. 60km zur Fähre fahren musste, aber nachdem wir uns geeinigt haben, dass Kati und ihr Bruder mich mit dem Auto bringen werden, haben wir bis um halb 5 morgens über Amerika, den Irakkrieg und über Kommunissmus diskutiert und dabei noch das Eine oder Andere Bier geleert...
15. Mai 2010 - Der "auf dem riesen See"-TagLogischerweise verkatert und mit Kopfschmerzen stand ich am nächsten Morgen auf und war froh nicht fahren zu müssen. Beim Frühstückshalt auf dem Weg nach Muskegon bemerkten wir, dass es die 12.30 Uhr Fähre von Muskegon aus gar nicht gibt, da Sie zu dieser Zeit in Milwaukee startet. Also mussten wir 4 Stunden totkriegen. Da man in Muskegon nicht wirklich viel unternehmen kann fuhren wir nach Grand Haven wo wir kurz am Strand waren und uns danach einen erholsamen Nachmittag im Kino
(Robin Hood) gönnten. Gegen 16 Uhr konnte ich dann die Highspeed-Fähre in Richtung Milwaukee besteigen welche mich in ca. 3h über den riesigen See brachte. Am Hafen wartete ich auf Chelsea, bei welcher ich abermals couchsurfen ging. Wir hatten beide einen strengen letzten Abend und entschlossen uns für einen ruhigen Abend und gingen verhältnissmässig früh zu Bett.
16. Mai 2010 - Der "Chillout"-TagMein erster richtiger Ruhetag begann mit einem genüsslichen Ausschlafen und einem selbstgekochten Frühstück bei einer Freundin von Chelsea. Gegen Mittag musste Chelsea an ein Meeting und ich entschloss mich mit den beiden Frühstücks-Freunden Milwaukees Kunstmuseum zu besuchen. Ich kam sowohl in den Genuss von Andy Warhol, Roy Lichtstein, Joan Miro wie auch „La donna velata“ von Raphael. Zurück in Chelseas Wohnung beschäftigte ich mich mit Ausruhen, Faulenzen und natürlich dem aktualisieren meiner Homepage und des Newsletters.
17.5.2010 - Der "Optikersuche & Gewaltsnachmittag"-TagNach dem Ausgang am Abend zuvor, begann mein Tag leise da ich Chelsea nicht wecken wollte. Leider begann mein Morgen aber auch mit einem Malheur, ich liess meine letzten Linsen in den Abfluss fallen. Also musste ich mich nach dem Verabschieden auf die Suche nach neuen Linsen machen, was gar nicht so leicht ist mit dem Fahrrad in so einer Riesenstadt. Ich fuhr also von Optiker zu Optiker, aber niemand wollte mir mit meinem Brillenpass
(von 2006) neue Linsen verkaufen. Also musste ich wohl oder übel einen Optiker, mit Augenarzt, finden welche auch Walk-In Kunden betreuen. Glücklicherweise fand ich kurz vor Mittag endlich nach was ich suchte, musste aber durch den ganzen Prozess von Sehtests, usw. Aber wenigstens hatte ich danach neue Linsen und ein amerikanisches Rezept für Linsen!
(Kleiner Tipp am Rande: Gehe nie ohne gültiges Linsenrezept oder ohne genügend Ersatzlinsen nach Amerika!) Gegen 12 Uhr machte ich mich endlich auf den Weg in Richtung Madison, WI, hatte aber noch gut 130 km vor mir... In Waukesha wechselte ich vom Highway auf den "Drumlin Glacier Trail" einer von vielen Rails-to-Trails Strecken.
(Ehemalige Bahnlinien welche zu Radwegen umfunktioniert wurden.) Der Trail führte mich mitten durch die Wildniss, fern ab von Highways und Strassenverkehr. Und da es eine Eisenbahnlinie war geht es nirgens steil nach oben und meistens geradeaus. Ich genoss die Fahr durch die Natur in vollen Zügen. Leider wechselte in Dousman, WI, der Belag von Beton auf Kies. Nach weiteren 15km durch die Moorlandschaft, verliess ich in Helenville, WI, den Trail und wechselte zurück auf die Strasse. Nicht zuletzt da ich auf Beton fast die doppelte Geschwindikeit fahren kann... So erreichte ich Abends um 20 Uhr nach 7,5 h auf Wisconsins Radwegen, County Strassen, Baustellenumleitungen und Highways die Stadt Madison.
18.5.2010 - Der "Selfmade"-TagWiedermal kam ich spät aus dem Bett und auf die Strasse. Aber gegen halb Elf fuhr ich los in Richtung Richland Center. Eigentlich wollte ich ja ab Madison nach Norden fahren, da aber der Weather-Channel einen Nord-Ost Wind gemeldet hat, fuhr ich weiter gegen Westen, windtechnische Unterstützung kann man immer gebrauchen. Raus aus den Vororten von Madison fahre ich über County Roads durch das malerische Farmland in Wisconsins Hügellandschaft.
(Nichts im Vergleich zu Pennsylvania!) Den Rest des Tages folgte ich dem Highway 14 nach Nord-Westen. Der Highway führt mich bei schönem, angenehmen Wetter durch Wälder, über Felder und über den Wisconsin-River nach Richland Center. Beim kurzen Check meiner Mails in der Public Library schaue ich auch gleich nach ob es den Campground, der mir mein GPS etwa 5km ausserhalb der Stadt meldet, noch gibt. Da es ihn noch gibt, es im Umkreis von 5 km aber kein Restaurant gibt und es noch früh am Abend ist, entschliesse ich mich dafür selbst zu kochen. Also rüste ich mich im lokalen Supermarkt mit einem Steak, etwas Barbecue Sauce und Papptellern aus. Mit Chips und einem Apfel als Dessert rundete ich mein Mahl ab. Auf dem Campingplatz angekommen, stelle ich mein Zelt, kaufe mir ein Bund Feuerholz und mache mich ans "Kochen"! Das Steak war köstlich, aber auch hier ein kleiner Tipp am Rande: Immer zuerst einfeuern und dann das Zelt stellen... Nur so wegen der Windrichtung und so...
19.5.2010 - Der "wunderschöne Landschaft & scheiss GPS"-TagVon einem Campingplatz aus zu starten kostet immer etwas mehr Zeit als von einem Motel. Taschen packen, Zelt abbauen, usw... Dafür gewinnt man seine Zeit zurück indem man früher aufsteht, denn ab Sonnenaufgang ist es im Zelt taghell und es ist nicht mehr an schlafen zu denken. Bei der Routenplanung habe ich auf der Strassenkarte eine relativ direkte Strecke nach La Cross gefunden, aber mein GPS hielt sich für oberschlau und wollte mich in einem 150 km Bogen ans Ziel bringen. Also fütterte ich das liebe Gerät Stadt um Stadt... Da ich bereits ausserhalb von Richland Center war, drängte es sich auf den Highway 56 zu nehmen, welcher mich Anfangs durchs Ende der Welt und Kuh-Käffer hügelig und stetig bergauf führte. Ich wollte den Highway schon verfluchen und mir den 14er vom Vortag zurückwünschen, als mich die Natur eines Besseren belehrte. Nach einem kurzen Stück auf einem Hochplateau führte mich eine wunderschöne, lange Abfahrt durch Täler, Wälder, Steinmassive und über Wiesen nach Viola, WI. Falls nach mir irgendjemand sonst die Idee haben sollte, ebenfalls mit dem Fahrrad (oder sonstigen Fortbewegungsmitteln) durch diese Gegend zu fahren kann ich euch den Hwy 56 wärmstens empfehlen, er ist die Aufstiegsmühen allemal wert! Gegen Mittag erreichte ich ein Städtchen namens Viroqua, WI, wo ich abermals die Public Library aufsuchte um ein kurzes Lebenszeichen in die Schweiz zu senden
(da ich in den abgelegenen Tälern Wisconsins nicht ein Bisschen Natelempfang hatte...) Nach der Mittagsstärkung mit einem Bio-Sandwich und einem Bio-Eistee aus einem Bio-Laden brach ich in Richtung Coon Valley auf. Im Laden wurde ich kurz von einer Frau angesprochen welche mich zuvor mit dem Auto überholt hatte, und fragte mich nach Ziel und Herkunft. Es sind viele solche kleine Begegnungen die meine Tage aufheitern. Egal ob in einem Laden, an einer Tankstelle oder sogar Leute die auf ihren Rasenmähern (!) neben mir stoppen und sich kurz mit mir unterhalten. Auf dem Weg aus Coon Valley raus führt nun wirklich nur ein Weg nach La Cross, aber mein super GPS gibt mir noch immer den Befehl "Bitte wenden", also fahre ich einfach nach Strassenkarte und Orientierungssinn an mein Tagesziel. Der erste Campingplatz war zwar ein Reinfall, aber 2 km später und nach der Überquerung des Mississippi Rivers finde ich auf einer Insel inmitten des Flusses ein Campingplatz. Ich schlage mein Zelt an den Ufern des Mississippis auf und geniesse die letzten Strahlen der Sonne.
20.5.2010 - Der "Root River Valley Trail & Deja-Vu"-TagNach dem routinemässigen Abbau des Zelts und dem Verladen auf dem Fahrrad mache ich die letzten 500 Meter in Wisconsin und wechsle über die Brücke nach Minnesota. Beim Frühstück in einem Tankstellenshop
(klingt jetzt übler als es ist, denn in solchen Shops gibts immer Gebäcke, Orangensaft und meistens auch Früchte), werde ich abermals auf meine Tour angesprochen und man schlägt mir den Root River Valley Trail vor.
(welchen ich gemäss meiner Planung auch zu nehmen gedacht hatte). Also breche ich guten Mutes in Richtung Houston, MN auf wo ich ab dem Highway, der übrigens in total desolatem Zustand war (mit Schlaglöchern und Kratern sieht der Beton aus wie der Grand Canyon in miniatur Ausgabe), auf den Fahrradweg der mich die gesamte Strecke nach Fountain, MN bringen sollte. Die Fahr auf dem Trail ist wunderschön und führt mich durch grüne, meist unberührte Natur an den Ufern des Root Rivers. Ich folge dem Weg über viele kleine Brücken, durch Wälder welche über den Weg wachsen und vereinzelten kleien Städtchen. Ich begegne auf dem Weg vielen Radfahrern, allerdings keine "Gepäck-Radler". Kurz vor Lanesboro, MN macht sich an meiner hinteren Schaltung ein allzugut bekanntes Geräusch bemerkbar... Die Schaltung hat abermals den Geist aufgegeben... Cirka 1000 km nach der Reparatur in Kanada wackelt und rattert es wieder... Also fahre ich vorsichtig und mit einer Schaltung die macht was sie will die letzten Kilometer nach Lanesboro wo ich in einem kleinen aber feinen Fahrradshop versorgt werde. Die Schaltung ist endgültig hin und ich werde mit einem neuen Satz Zahnräder ausgerüstet. Hierbei besten Dank an Gene, der mir mit seinem Fachwissen sehr geholfen hat... Mit einer neuen Schaltung und frisch ausgeruht breche ich auf die letzten Kilometer des Trails auf. Der Trail führt in einem leichten grad ständig aufwärts, aber da es eine Eisenbahnstrecke war, niemals steil... Wunderbar zum radeln also! Nachdem ich beim Tagesstand von 100 km das Ende des Trails erreicht habe, steure ich nun direkt mein Tagesziel Spring Valley, MN an welches ich ca. 30 km später auch erreiche...
21.5.2010 - Der "Windmühlen und neuer Rekord"-TagMeine Fahrt begann mit einem schwachen Nieselregen und einer weiteren dummen Idee meines GPS. Die neuste Idiotie sind unbefestigte Feldwege... Also hiess es abermals nach Himmelsrichtung und Strassenkarte zu fahren. Das Wetter war verhangen und düster. In der Region von Grand Meadow fuhr ich durch einen wahren Park von Windmühlen, rund um mich herum waren bis zum Horizont unzählige Windturbinen zu sehen. Bei 150 habe ich mit zählen aufgehört und mich wieder auf die Strasse konzentriert... Ansonsten war die Fahrt durch das Farmland eher unspektakulär und eintönig, aber ich wusste ja schon zu Beginn der Reise, dass ich diese Strecke hinter mich bringen muss. Und dank des schwachen Rückenwinds kam ich auch gut voran. Nach dem Mittagshalt in Austin, MN fuhr ich die letzten Kilometer zu meinem Tagesziel Albert Lea, MN. Da ich jedoch schon vor halb Vier da eintraf entschied ich mich nach langem Hin und Her zur Weiterfahrt ins 50 km entfernte Blue Earth.
(Da ich da wenigstens sicher war, dass dort ein Motel exisitiert, was bei den anderen Optionen nicht der Fall war...). Sich nach 100 Kilometer ans Tagesziel noch für zusätzliche 50 km zu entscheiden braucht schon eine gewisse Portion Selbstvertrauen, aber ich fühlte mich an dem Tag super auf der Strasse und auch das Wetter spielte mit. Also brach ich auf die Extra-Strecke auf und erreichte nach 7 Stunden und rund 153 km Fahrt das Städtchen Blue Earth, MN.
22.5.2010 - Der "Seitenwind"-TagSchon der erste Blick aus dem Fenster verriet mir, dass der Tag nicht einfach werden sollte. Die Bäume krümmten sich alle nach Norden, was für mich bedeutete, dass ich mit einem heftigen Seitenwind zu kämpfen habe! Trotzdem brachte mich das Gemisch aus Seiten- und Rückenwind die erste Hälfte des Tages über 80 Kilometer gut voran. Nach dem Mittagshalt war es aber nur noch mühsam und ein Kampf auf jedem weiteren Kilometer. Und da die Landschaft immernoch stinklangweilig war, verging mir langsam die Lust. Das spannenste war noch von einer Motorrad-Gang überholt zu werden... Ansonsten gab es nur Felder und Windmühlen, und über 50 km kein einziges Dorf oder bloss eine Möglichkeit die Wasserflaschen aufzufüllen. Nachdem der Wind nochmals ein paar Knoten zulegte und mich im wahrsten Sinne des Wortes, von der Strasse fegte, so dass ich mich im Kiesbett neben der Strasse wieder fand, mit Schürfungen an Armen und Beinen hatte ich den totalen Anschiss und absolut keine Lust auf die letzten 30 Kilometer... Im Schneckentempo schleppte ich mich weiter und erreichte dann doch noch Worthington wo ich mich aus Trotz in ein Days Inn Motel mit Swimming Pool eincheckte und noch den überfälligen 2000er-Kettenwechsel vornahm.
23.5.2010 - Der "lockere Farmland"-TagDa ich mir im Voraus ein lockeres Tagesziel gesetzt hatte, war ich erst gegen halb 11 auf der Strasse. Wie schon am Vortag, führte mich mein Weg durch eintöniges Farmland, aber wenigsten war der Wind weniger mörderisch... Die einzige, wohltuende Abwechslung war es bei meinen kurzen Stopps von Einheimischen angesprochen zu werden. Wie beispielsweise das Football Team von Adrian, MN an der Tankstelle oder ein Polizist an einer roten Ampel. Auf der Strasse kam ich gut voran und erreichte bald einmal die Staatengrenze zu South Dakota, musste jedoch mit Enttäuschung feststellen, dass es kein "Welcome to South Dakota" Schild gab, welches ich fotografieren konnte. Auf meinem Weg nach Sioux Falls, SD wurde ich abermals angesprochen, jetzt sogar schon von einem Fahrradfaher der zu mir aufgeschlossen hatte. Nach einem Telefonat in die Schweiz fuhr ich frisch motiviert in Richtung Sioux Falls, kaufte
(mit meinem US-Linsenrezept) Ersatzlinsen im Wallmart und fuhr durch Downtown Sioux Falls zu meiner Bleibe für die Nacht. Schonwieder ein Motel, da für den Abend Thunderstorms gemeldet wurden.
24.5.2010 - Der "Seitenwind reloaded"-TagDie vom Weather-Channel angekündigten "Heavy Thunderstorms" während der Nacht trafen nicht ein und es war klar und trocken als ich aufwachte. Ich wollte die Gunst der Stunde nutzen und noch vor dem Sturm soweit wie möglich kommen. Anfänglich mit Salem, SD als Ziel, stellte ich bald einmal fest, dass der Thunderstorm nicht kommen würde. Denn abgesehen von vereinzelnten schwarzen Wolken, deutete Nichts auf Sturm hin. Tatsächlich war das Wetter schön und vorallem heiss. Wäre da nicht der enorme Seitenwind gewesen wäre ich wohl geschmolzen... Mit heftiger Schräglage gegen den Seitenwind arbeitete ich mich kilometerweise durch die Region, aber im Gegensatz zu Minnesota wurde ich nicht von der Strasse gefegt. Auch die Gegend hat sich gegenüber Minnesota geändert. Anstelle von endlosem Farmland, fahre ich jetzt durch ein aufgelockertes Gemisch von Vieh-Wiesen und Grasflächen. Nach der Mittagsstärkung in Salem
(wo bei Sally's gerade Swiss Week war, was soviel heisst wie Steak mit Tomaten und Zwiebeln... Ach ja, sehr schweizerisch...) fuhr ich weiter nach Mitchell, SD. Es hatte sowenig Autos auf der Strasse, dass mich jeder entgegenkommende Fahrer mit einem Wink grüsste. Nach etwas mehr als 5 Stunden Seitenwindkampf
(ich vergleiche dies gerne mit Innerorts den Kopf aus dem Fenster halten) erreichte ich doch noch mein Tagesziel. Aufgrund einer Tornado-Warnung für die Region, entschied ich mich abermals für ein Motel.
(Was ich bei Hagel und Regen am Abend für keine Sekunde bereute...)25.5.2010 - Der "Go West"-TagZur üblichen Zeit, so gegen 10 Uhr machte ich mich mit bedrohlichen Gewitterwolken im Rücken auf den Weg. Ich hatte unglaubliches Glück und war für einmal zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Am Vortag zogen weiter westlich von mir heftige Thunderstorms durch und als ich am Morgen startete zogen sie östlich von mir durch... Mit dem Gewitter im Rücken und dem Wind von vorne musste ich mir also auch keine Sorgen machen vom schlechten Wetter eingeholt zu werden. Leider hatte ich einfach den ganzen Tag Gegenwind... Mit nur einer Richtung auf meinem GPS Kompass fuhr ich Kilometer um Kilometer durch Viehwiesen nach Westen. Die Dörfchen, welche ich im Abstand von ca. 20 km passierte, sind kleine Farmerdörfchen und bieten keine grosse Verpflegungsmöglichkeiten. Mit Garagen-Shops und Dorfläden komme ich aber über die Runden. Die schnurgerade Strasse ist so spärlich befahren, dass ich sogar "Selbstauslöser-Fotosessions" machen kann... Nur zum verdeutlichen: stündlich ein Auto ist Verkehr, stündlich mehr als drei Autos ist stockender Verkehr. Bei mehr als zwei Autos in einer Minute muss es eine Verfolgungsjagd sein, und bei mehr als drei Autos pro Minute gibts sicher Irgendwo etwas gratis... Nach gut 120 km auf den einsamen Strassen erreiche ich Chamberlain, SD welches am malerischen Missouri-River liegt.
(Kleine Info am Rande: An diesem Tag habe ich die geografische Hälfte der Tour überquert.)26.5.2010 - Der "Interstate-Express"-TagDa die Highway Brücke über den Missouri leider gesperrt war, musste ich auf die Interstate ausweichen. (Was seit South Dakota für Fahrradfahrer erlaubt ist) Da der Highway für fast 20 Kilometer gänzlich fehlte blieb ich auf der Interstate. Mit einem immer heftiger werdenden Rückenwind flog ich förmlich über den Pannenstreifen und erreichte noch im Aufstieg auf der West-Ufer-Seite des Missouri eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 25 km/h... Im hügeligen Gelände schaffte ich danach je nach Auf- oder Abstieg zwischen 25 und fast 45 km/h. Der Missouri River teilt South Dakota in zwei total verschiedene Landschaften. Farmland und Viehwirtschaft im Osten und Hügel, Grasland und Prärie im Westen. Soweit das Auge reicht absolutes Nichts, nur Grasland! Dies kann man nichtmal überzeugend als Foto festhalten, es ist unglaublich eindrücklich... Die "Znüni-Pause" gönnte ich mir bei der guten Fahrt heute unterwegs, da ich beim Frühstück im Motel zwei Dougnuts hab mitlaufen lassen... Mal eine andere Begegnung hatte ich auf einer Raststätte entlang der Interstate. Al
(ist ca. 75 und sein Job ist es Leute zu bitten sich ins Besucher Register einzutragen) fragt mich über meine Reise und meine Herkunft aus. Nicht dass dies besonders wäre, aber als nächstes ist die Bequemlichkeit meiner Hosen, die Bräune meiner Beine und mein Privatleben Gesprächspunkt... Die Begegnung war wohl für uns Beide eine wohltuende Abwechslung... Zurück auf der Interstate kam ich so gut voran, dass ich mein Mittagshalt an meinem Tagesziel einlegen konnte... So schnell unterwegs konnte ich mir sogar die Zeit nehmen das "Murdo Pioneer Auto Museum" zu besuchen. Unteranderm gibt es da den Original "General Lee" und ein Motorrad von Elvis zu sehen. Nebenbei aber auch rund 200 Autos, Traktoren, Motorräder, Fahrräder, ein altes Gefängnis, eine Schule, eine Bahnstation, usw... Einfach alles was älter als 50 Jahre ist... Nach nochmals ca. 30 Kilometer, dem Zurückgewinnen einer Stunde
(neu Mountain Time, -8h zur Schweiz) und der Fahrt durch eine Geisterstadt, erreiche ich etwa 10 km östlich von Belvidere, SD einen Campground wo ich seit langem wiedermal Zelte...
27.5.2010 - Der "hart erkämpfte Nationalpark"-TagSeit ich in der "Mountain Time" Zeitzone bin geht die Sonne noch eine Stunde früher auf! Um 7.00 Uhr Morgens wars schon so hell und warm, dass ich freiwillig aufstand und mein Morgen-Pack-Ritual begann. Zurück auf der Strasse focht ich abermals einen heftigen Kampf mit dem Seitenwind und schon in der ersten Stunde lag mein Schnitt bei der Hälfte des Vortages. Soviel kann der Unterschied zwischen Rücken- und Seitenwind ausmachen. Auf dem Highway, der parallel zur Interstate verläuft, bin ich wiedermal kilometerweit der einzige Mobilist und fahre gemächlich und mit einer bedrohlichen Seitenlage ein Hügel nach dem Anderen hoch... Bald einmal zeigen sich am Strassenrand erste "Badlands-artige"-Steinformationen und am Horizont in der Ferne konnte man schon die Gebilde des Nationalparks ausmachen. Bis dahin musste ich aber sowohl mit dem Wind wie auch mit anderen Naturphänomenen kämpfen. Ich hatte auf meiner Tour schon viele brenzlige Situationen, wurde von agressiv bellenden Hunden verfolgt, musste Mitten auf dem Highway eine Vollbremsung hinlegen, usw., aber so kalt wie an diesem Tag lief es mir noch nie über die Schultern... Plötzlich fand ich mich selbst in Mitten eines Schwarms aus mehreren Hundert Bienen welche mir um meinen Kopf, Arme und Beine schwirrten. Ich hoffte inständig, dass sich keine davon in mein Helm oder mein Shirt verfliegt und pedalte langsam und sanft weiter... Glücklicherweise kam ich ungestochen davon...
Nach einem Kurzbesuch im Minuteman Missile Center
(die Amerikaner haben in den Plains von South Dakota etwa 50 Nuklearwaffen-Silos aus dem Kalten Krieg) fuhr ich die letzten Kilometer in Richtung Badlands Nationalpark. Ich brauchte zwar bei der vollen Packung Gegenwind etwa eine halbe Stunde für 5 Kilometer, wurde aber für die Mühen mit einem wundervollen Anblick von Mutter Natur belohnt. Die wunderschöne, zerklüftete Welt des Badlands Nationalparks... Nach weiteren 7 km durch die Felsformationen
(leider bei bewölktem Himmel) erreiche ich den Nationalpark Campground
(recht spartanisch und ohne Dusche) wo ich mein Zelt stelle und mich auf den nächsten Tag vorbereite.
28.5.2010 - Der "Frühaufsteher"-TagSchon in meinen Fahrradkleidern, erwache ich dank einem nervtötendem Vogel, rund 10 Minuten vor meinem Wecker und neben fix und fertig gepackten Fahrradtaschen. Die Uhr meines Natels zeigt 03.50 Uhr und draussen ist es noch dunkel. Genau wie ichs mir vorgestellt habe. Nachdem ich den Vogel zum Schweigen gebracht habe
(nein, keine Angst, er ist nicht tot) packe ich mein Zelt und fahre in die Dunkelheit hinein. Doch wieso das? Für das einzigartige Erlebniss eines Sonnenaufgangs im Badlands Nationalparks! Mit dem Sonnenaufgang im Rücken und dem untergehenden Vollmond vor mir fahre ich in aller Frühe mutterseelen alleine durch den ausgestorbenen Park! Reh-Herden grasen neben der Strasse und ich geniesse die kühle Morgenluft und die einsamen Strassen. Auf dem Norbek Pass bewundere ich den Sonnenaufgang und kann mich an dem Spektakel kaum satt sehen... Mit unzähligen Foto-Stopps fahre ich noch für über drei Stunden alleine durch den Park, ohne Bauarbeiter auf den Strassen, ohne drängelnde Camper, ohne Touristen-Cars an jedem Aussichtspunkt, nur ich, mein Fahrrad und die pure Natur welche ich in vollen Zügen geniesse... Nach 50 Kilometer durch die einzigartigen Felsformationen und einigen steilen Aufstiegen verlasse ich den Park in Richtung Wall, SD. Den Rest des Tages ist schnell erzählt, nach dem Spektakel am Morgen folgen noch 100 km auf dem Pannenstreifen der Interstate bei fast 35°C in Richtung Rapid City. Nach über 7 Stunden Fahrt erreiche ich mein Tagesziel und besuche das Postoffice für ein paar Marken. Hinter mir steht Eric Eidem an, der mich wie üblich nach Ziel und Herkunft anspricht. Nach einem kurzen Gespräch lädt er mich jedoch für die Nacht zu sich und seiner Familie nach Hause ein wo ich im Gästezimmer übernachten darf. Nach einem Nachtessen in Downtown Rapid City und einem überaus eindrücklichen Tag schleppe ich mich ins Bett und schlafe wie ein Stein...
29.5.2010 - Der "Mount Rushmore & Crazy Horse"-TagNach einem ausgezeichneten Frühstück von DeAnn und einem langen Gespräch über die Schweiz, mich und meine Familie mache ich mich auf den Weg die Berge zu bezwingen. Nach über 1000 km Flachland erheben sich die Black Hills vor mir und schon in Rapid City selbst begannen die ersten Aufstiege. Seit dem konditionellen Desaster in New Jersey habe ich aber wohl genug trainiert um die Anstiege problemlos zu meistern. In Rockerville lade ich mir sogar noch 5 Zusatzkilo auf
(1 Gallone Wasser und 1 Liter Süssgetränk). Mit einem Dougnut gestärkt bezwinge ich anschliessend gemächlich und stets in meinem eigenen Tempo die Berge der Black Hills. Wunderschöne Steinformationen geben zusammen mit den Nadelwäldern ein einzigartiges Bild ab. Leider spielt einfach das Wetter nicht mit und malt dunkle, tiefhängende Regenwolken an den Himmel. Nach über 25 Kilometer Aufstieg und der Touristenhochburg Keystone erreiche ich das Mount Rushmore National Memorial und erblicke das erste Mal die berühmten US-Präsidenten im Bergmassiv in echt. Jefferson, Lincoln, Washington und Roosevelt haben für mich sogar gutes Wetter bestellt und ich kann einige Erinnerungsfotos bei blauem Himmel schiessen. Dies war aber der einzige Moment an dem Tag an dem ich blauen Himmel sah, denn auf meiner Weiterfahrt in Richtung Crazy Horse dominierten wieder die Farben Grau und Schwarz den Himmel... Langsam und gemächlich führt mich die Strasse und auch der George S. Mickelson Trail, den ich später nahm, stetig nach oben bis ich anschliessend das Crazy Horse Monument erreichte. Eine riesige Baustelle wo seit über 50 Jahren ein weiteres Gebilde in den Berg geschlagen wird... Über 50 Jahre Arbeit, und erst dass Gesicht ist fertig... Nach weiteren drei Kilometer Fahrt und einem Platzregen erreiche ich mein Tagesziel, Custer, SD.
(Heutige Tagesleistung: 1500 Höhenmeter)30.5.2010 - Der "Downhill"-TagDer Tag begann, genau wie der letzte geendet hat. Mit einem ständigen Auf- und Ab. Die Gegend hier in den Black Hills zeigt sich an diesem Tag bei schönem Wetter und ist wunderschön... Die Felsen, die Nadelwälder und der blaue Himmel sind einfach bezaubernd... Durch die einzigartige Natur führt mich der Highway 16 in Schlangenlinien die Felsen rauf & runter, durch Wälder und durch ein riesiges abgebranntes Waldbrand-Gebiet. Nach den letzten Aufstiegen rase ich kilometerweit abwärts in Richtung Wyoming wo ich an der Staatengrenze eine längere Fotopause einlege, da ich ja auch das South Dakota Foto noch nachholen muss
Mit einem Guten Rückenwind brause ich durch die Ebenen von Wyoming. Als ich im Osten von South Dakota noch dachte ich sei im Nichts und in der Prärie, war ich verglichen mit Wyoming in gut besiedeltem Grasland... Hier ist die pure Prärie, Grasbüschel, Steinformationen und Nadelbäume... Man erwartet eigentlich jeden Augenblick, dass Winnetou über die Weiten angeritten kommt... Nach der Mittagsstärkung in Newcastle fahre ich nach Upton weiter, wo ich das einzige Motel im Umkreis von 40 Kilometern geschlossen vorfinde... Nach einer Auskunft im Restaurant und einem Anruf beim Management, erhalte ich aber auch am Memorial-Day-Sonntag noch ein Zimmer... Nach dem Nachtessen nehme ich den überfälligen 3000er-Kettenwechsel vor, reinige das Fahrrad, öle bewegliche Teile und ziehe lose Schrauben nach...
31.5.2010 - Der "Erste Platten"-TagDer Tag war, grob erzählt, unspektakulär... Der Morgen begann mit lauter geschlossener Läden da ja immernoch Memorial Day ist... Mit etwas Glück komme ich aber doch noch zu meinem Frühstück und breche danach auf, auf eine eintönige Fahrt in Richtung Moorcroft. Endloslange Geraden ziehen sich wie mit einem Lineal gezogen durch die Prärie von Wyoming. Beim Mittagshalt in einem Subway erhellte sich mein Tag jedoch schlagartig, als ich vor dem Laden ein vollbepacktes Touren-Rad sah... Der erste Tourenradler meiner Tour...
(eigentlich nicht ganz der Erste, in Ontario kam mir einer entgegen und ich wechselte die Strassenseite um ihn anzusprechen. Er wollte aber wohl eher nicht und wechselte ebenfalls die Strassenseite...) Nur leider fand ich im Subways dann keinen Radler der zum Rad davor gehörte... Der einzige der einigermassen ins Bild eines Tourenfahrers gepasst hätte, hing die ganze Zeit am Telefon und war in seinen Laptob verkrochen... Also schoss ich bloss ein Vergleichsfoto und fuhr weiter in Richtung Gillette, WY. Abermals war die Landschaft langweilig und unendlich weit... Um dem Klischee-Bild des Westens gerecht zu werden, mischen sich jetzt auch noch alte, rostige Öl-Bohrtürme in die Gegend. Ansonsten ist bis auf ein Kohlebergwerk und kilometerlange Transportzüge nichts spannendes zu sehen. Nach bloss knapp 4 h Fahrt und 80 km erreiche ich Gillette und bemerke kurz vor der Interstate-Ausfahrt ein schwammiges Fahrverhalten... Ich hab einen platten Hinterreifen! Bloss kurz aufgepumpt erreiche ich nach 500 Metern das erste Motel wo ich einchecke und mich an die Reparatur mache. (Bloss einen Draht eingefahren). Anschliessend mache ich das erste Mal die Erfahrung in einer Public Laundry, zwischen Motorrad-Tatto-Gang-Typen und mexikanischen Bauarbeitern, meine Wäsche zu waschen...
(P.S. Nach 30 Tagen auf Tour, über 3200 Kilometern und dem ersten Platten, gönnte ich mir mein erstes Bacardi in den Vereinigten Staaten)1.6.2010 - Der "Zweite Platten"-TagNach einer schrecklichen und schlaflosen Nacht war ich am morgen "mudrig" und müde... Zuerst hielten mich meine Zimmernachbarn mit lautem Gelächter und Gesprächen
(auf chinesisch-japanisch-koreanisch) wach, danach hatte die Intelligenzbestie über mir die Idee Nachts um 1 Uhr noch zu duschen und anschlissend stellte der Witzbold noch die Klimaanlage auf Hochbetrieb...
(besten Dank an Amerikas Papp-Wand-Bauweise...) Trotz aller Müdigkeit war ich gegen halb 10 Uhr auf der Strasse und fuhr auf der Interstate in Richtung Westen. Nach rund 25 Kilometern fühlte sich mein Fahrrad wie festgeklebt und abermals schwammig an. Nach dem Hinterrad Gestern habe ich mir an diesem Tag das Vorderrad platt gefahren... Also nahm ich auf dem Pannenstreifen die grosse Zerlegung des Fahrrads vor, flickte den Schlauch und setzte anschliessen die Fahrt durchs Niemandsland fort... Glücklicherweise erst nach meinem Reparaturhalt, setzte Regen ein und hielt fast den ganzen Tag... Bis zum Mittagshalt auf einer Raststätte am Powder River ging es fast ausschliesslich bergab, nur um mich nach der Verpflegung den Rest des Tages wieder bergan zu führen... Bei schönem Wetter wäre die Landschaft bestimmt sehr schön gewesen, denn auf der gesamten Strecke von 100km sah ich kaum Häuser oder menschlichen Einfluss... Persönlich stolz war ich auf mich, als ich bei strömendem Regen das Angebot einer Mitfahrgelegenheit ausschlug. Eine überaus nette Frau hielt extra auf dem Pannenstreifen um mich zu fragen ob ich mitfahren möchte...
(Es gibt sie eben doch noch die mitfühlsamen und hilfsbereiten Amerikaner! Nach Eric in Rapid City und nun dieser Frau muss ich dies ehrlich eingestehen...) Nach gut 115 km erreichte ich in Buffalo, Wyoming wieder die ersten Anzeichen von Zivilisation.
2.6.2010 - Der "2000-Höhenmeter"-TagFrisch verpflegt und mit Proviant bepackt
(da ich heute unterwegs keine Verpflegungsmöglichkeit habe) mache ich mich auf den Weg in die Big-Horn Mountains. Bei schönem, aber kühlem Wetter fahre ich in Buffalo los in Richtung Westen. Schon nach dem ersten Aufstieg in die wunderschöne Berglandschaft bin ich tropfnass vom Schwitzen und begann bald einmal zu frieren. Es ist nähmlich nicht alltäglich, dass man im Juni mit dem Fahrrad auf schneebedeckte Berggipfel fährt... In einem überaus gemächlichen Tempo von ca. 10 km/h schleppe ich die steilen Aufstiege hoch und werde vom kalten und beissenden Bergwind erfasst. So kam es, dass ich die Kurzen bald einmal gegen die langen Handschuhe eintauschte, die Ärmel der Windjacke wieder dran machte und sogar den Faserpeltz aus der Tasche hole... Mit fast leerem Magen und Schwindelgefühl lege ich nach 25 km eine Power-Riegel & Beef-Jerkey Pause ein und versorge mich mit Kraft für die nächsten 30 km Aufstieg. Schon auf ca. 500 Höhenmeter unter dem Gipfel liegen links und rechts der Schtrasse noch Schneewehen und verleiten mich natürlich zu einem Erinnerungsfoto im Schnee. Mit dem eiskalten Gegenwind kämpfend, erklimme ich aber auch die letzten Meter bis auf den Powder River Pass auf 2946 M.ü.M. Oben angekommen blässt ein so kalter Wind, dass es garantiert gefühlte Minusgrade waren... Nach der kurzen Mittagsverpflegung mit Handschuhen und Kappe mache ich mich auf eine halsbrecherische Abfahrt vorbei an reissenden Bergbächen, noch zugefrorenen Seen
(nur so um die Temperatur zu verdeutlichen...) und imposanten Felsformationen. Mit einer Hand am Lenker, in der Anderen die Kamera, mit einem Auge auf der Strasse und dem Anderen durch den Sucher rase ich mit über 50 km/h durch das Ten Sleep River Tal und geniesse die wunderschöne Natur und die steigende Temperatur... Abermals musste ich mir eingestehen, dass die Abfahrt die Mühen des Aufstiegs allemal wert waren! Auf der anderen Seite der Berge angekommen fahre ich im 300-Seelen Dorf Ten Sleep, auf der Suche nach einem Campingplatz, am Saloon vorbei und werde mit frenetischen Rufen zum "Hupen" aufgefordert. Freudig betätige ich mein "Lüti"
(die Klingel) am Velo und werde dafür lauthals beklatscht... In all den Zurufen habe ich "do you want a beer" herausgehört und natürlich sofort umgedreht! 2 Minuten später sass ich also mit Sarah, Sue, John und Mike vor dem Saloon und erzählte meine Geschichte bei einem kühlen Budweiser. Aus den Minuten wurden Stunden und aus dem einen Bier wurden mehrere, aber Zelt hatte ich immernoch keins gestellt! Nach einer kurzen Fahrt auf den Campingplatz, dem Stellen des Zelts und dem Wäschewaschen war ich sofort wieder zurück im Saloon wo wir anschliessend bis Nachts um 1 Uhr sassen und uns gegenseitig Geschichten aus unseren Leben erzählten. Mit einem Brummschädel und einem vorprogrammierten Kater schlich ich gegen halb Zwei, mit einer erneuten super Begegnung in Erinnerung, ins Zelt. Wer hätte gedacht das man mit der Klingel am Fahrrad neue Freunde machen kann?
3.6.2010 - Der "gemütliche Kater"-TagVerständlich und logischerweise wachte ich am Morgen mit einem Brummschädel und mit einem Hangover auf. Besserung zeigte sich erst nach einer weiteren Stunde Schlaf und einem Frühstücks Cookie... Überaus gemächlich machte ich mich ans Packen, immer mit dem Wissen, dass ich einen gemütlichen Tag bevorstehen habe. Auf dem Programm standen bloss ca. 80 km und kaum Höhenmeter. Auf der Nowood-Road verabschiedete ich mich von dem tollen Dörfchen Ten Sleep und fuhr in die Weiten Wyomings hinaus. Hier hatte ich plötzlich das Gefühl in Australiens Outback zu sein. Triste Vegetation und ockerrote Felsformationen zierten die Landschaft und boten perfektes ein Klischee-Bild Australiens. Ansonsten bot weder die Landschaft noch das Wetter sehenswertes und ich fuhr gemütlich und ohne grosse Anstrengung durch die Prärie. Nach einer unspektakulären Fahrt, vielen Baustellen und einem fettigen Mittagshalt erreichte ich nach 88 km Greybull, mein Tagesziel. Nach einer Steppvisite in der Public Library suchte ich mir eine Unterkunft und fand diese im "Green Oasis Campground", das sich selbst mit "The best kept secret in Wyoming" bewirbt.
(Zelten wird immer mehr zur bevorzugten Übernachtungsmöglichkeit, da ich seit dem 1. Juni in der Touristen-Saison bin und jedes Zimmer im Schnitt doppelt so teuer ist. Und zelten kostet normalerweise bloss 20 Dollar.) Nach dem Zeltstellen fahre ich in den Supermarket um mir ein Nachtessen und etwas Proviant zu kaufen. Ich entschliesse mich spontan dafür mir selbst einen Fruchtsalat zu basteln und decke mich auch gleich mit einer kleinen Camping-Frühstück-Ausrüstung ein.
(bestehend aus einer kleinen Schüssel, einem Plastiklöffel und einem Pack Cornflakes) Zurück auf dem Campingplatz bastle ich mir mit Äpfeln, Erdbeeren, Pfirsich und Limetten den "besten Fruchtsalat Amerikas" und runde mein Mahl mit einem Bacardi ab.
4.6.2010 - Der "Wyoming extreme"-TagWie üblich beim Zelten war ich früh wach und auf der Strasse. Da ich bis Cody kein Dorf und somit keine Verpflegung passieren würde, deckte ich mich im Supermarkt mit einem "on the road"-Lunch ein. Die ersten 10 km nach Greybull musste ich staubschluckend durch eine Baustelle fahren und verlor dann die Zivilisation mehr und mehr aus den Augen. Im "Nichts" folge ich kilometerlangen Geraden durch die nackte Prärie und komme bei einem leichten Rückenwind gut voran. In der Mitte des Nirgendwos lege ich nach etwas über 50 km meinen Mittagshalt auf dem Pannenstreifen des Highways ein. Nach dem Mittag hat leider Jemand den Schalter umgelegt und den Wind mit voller Wucht in meine Richtung gedreht... Bis Cody kämpfe ich wiedermal mit dem Gegenwind und wünsche mir das erste Mal in die Gegenrichtung zu fahren... Erschöpft und leise vor mich hinfluchend erreiche ich aber "The Hometown of Buffalo Bill" wo ich mich als erstes in die Public Library begebe um ein Lebenszeichen in die Schweiz zu schicken. Natelempfang ist in South Dakota und Wyoming Mangelware und somit bleibt das Internet die letzte Option mich zu Hause zu melden. Nach einem Kurzbesuch im Visitor Center entschliesse ich mich trotz Gegenwind zur Weiterfahrt nach Wapiti, da ansonsten die nächste Tagesetappe viel zu lang wäre. Im Wallmart in Cody finde ich auch endlich ein Vison Center
(für Brillen oder Kontaktlinsenträger, Wallmart ist eine gute Destination zum Ansteuern bei Problemen oder Nachschubbedarf) welches meine Linsen in einem 6er-Pack an Lager hat und mich bis Ende meines Trips versorgt. Die anschliessende Fahrt durchs Tal des Shoshone Rivers war zwar rein optisch wunderschön, aber fahrtechnisch die Hölle. Der Anfang des Tals ist so eng, dass mir der Wind so hart ins Gesicht blässt und ich die kleinsten Gänge fürs bergab fahren brauche! Entlang des Buffalo Bill Stausees
(Top Destination Wyomings für Windsurfer) brauche ich für 25 km etwas mehr als drei Stunden und erreiche nach der Wind-Tortur das Yellowstone Valley Inn wo ich ausnahmsweise zum Off-Season Preis ein kleines Cabin erhalte.
5.6.2010 - Der "Bären & Buffalo"-TagTrotz der Nachricht, dass der East-Entrance in den Yellowstone Park wegen einer Lawine gesperrt sei, breche ich nach dem Frühstück in Richtung Park auf. Da ich nicht weiss wie es punkto Verpflegung aussieht bis ich den Park erreiche, decke ich mich in einem kleinen Tankstellenshop in Wapiti nochmals mit Proviant und Lunch ein. Kurz nach Wapiti beginnt dann der Shoshone National Forest und wie schon am Vortag blässt der Bergwind mit voller Wucht durchs Tal. Kurz nach dem offiziellen "National Forest" Schild, warnt mich ein weiteres Schild vor dem Wildlife und den Bären! Und tatsächlich, beim Betrachten der Natur sehe ich am anderen Ufer des Shoshone Rivers zwei schwarze Kreaturen, die sich bewegen. Beim genaueren Hinsehen sehe ich, dass es zwei Grizzly Bären sind! Sofort greife ich zu meinem Tele-Zoom-Objektiv und schiesse ein paar Erinnerungs-Beweis-Fotos und gehe meines Weges. Die weiteren 50 km bis zum Parkeingang verbringe ich bei kühlem und bewölktem Wetter und immer wieder etwas Gegenwind. Die Landschaft ist abermals wunderschön und ist geprägt durch Nadelwälder und den reissenden Shoshone-River. Nach einer Mittagsstärkung in einer Lodge kurz vor dem Yellowstone fahre ich in den Park ein
(habe ein Fee-Free-Weekend erwischt) und beginne mit den 500 Metern Aufstieg zum Sylvan-Pass. Wie schon in den Big Horns liegt auch hier noch viel Schnee und es ist abermals sehr kalt. Nach der Passhöhe hat man einen wunderschönen Ausblick über den Yellowstone Lake und bei der kurzen Abfahrt zu ebenjenem See machen sich erste Yellowstone-Anzeichen bemerkbar. Es dampft aus Löchern, es stinkt nach Schwefel und es blubbert in den Seen und Flüssen. Der Yellowstone Lake selbst ist teils noch gefroren und bei der Fahrt entlang des Ufers kann ich Bisons beim grasen am Strassenrand beobachten. Nach dem Nachtessen in Fishing Bridge fahre ich zum Bridge Bay Campground ($7) wo ich Albert aus Adelaide, den ersten Touren-Radfahrer meiner Reise, treffe. Wir haben den selben Zeltplatz zugeteilt und kommen natürlich sofort ins Gespräch. Später gesellt sich auch noch Curtis aus Oklahoma zu uns und wir tauschen bis spät in die Nacht Fahrraderlebnisse, Tipps und Tricks aus.
6.6.2010 - Der "Regen, Continental Devide & Geysir"-TagNach einer verregneten und kalten Nacht bei 0°C stand ich gegen 7.30 Uhe auf und machte mir mit Alberts Hilfe eine heisse Schokolade um mich auf Touren zu bringen. Im anhaltenden Regen verräumten wir unsere Zelte. Während Curtis nach Norden fuhr, machten Albert und ich uns auf den Weg in Richtung Grand Village im Süden. In langsamgem Tempo pedalten wir im strömenden Regen gemütlich über die Strasse und unterhielten uns über Europa, amerikanische Esskultur, Fahrradprobleme
(uns sogar über Whyalla - Insider). Nach ca. 15 km guter Gespräche und Schneckentempo
(Albert ist sicher schon 70 jährig) verabschiede ich mich und ziehe das Tempo etwas an. Albert fuhr sowieso nur bis Grand Village und ich hatte noch 80 km vor mir... Nach 30 km entlang des Sees ging es wieder bergan, das erste Mal über die Continental Devide! Für eine kurze Zeit floss mein Schweiss also schon in den Pazifik. Der Aufstieg war problemlos, da ich seit dem Sylvan-Pass gar nicht mehr viele Höhenmeter verloren habe. Nach einer kurzen Abfahrt und einem erneuten Aufstieg erreichte ich schon die zweite Continental Devide und war wieder auf der Atlantik Seite bevor ich über 400 Höhenmeter nach Old Faithful runter rasen konnte. Das Wetter war total miserabel und ich kam tropfend und mit durchnässten Schuhen und Socken in Old Faithful an wo ich gerade pünktlich zum Ausbruch des berühmten Geysirs ankam. Eigentlich wollte ich ja eine Nacht in Old Faithful verbringen und mir den Nachmittag frei nehmen, aber die wenigen Hotels und Lodges sind bis Ende September total ausgebucht! Also musste ich gezwungenermassen bis West Yellowstone weiterfahren. Beim Mittagshalt lerne ich ein Ehepaar aus Costa Rica kennen, welche die USA-Durchquerung in Gegenrichtung machen und ich führe wieder ein langes Gespräch mit Gleichgesinnten. Vor dem Restaurant treffen wir dann noch einen Schweden der ebenfalls tropfnass in Old Faithful angekommen ist. Nach einem kurzen Gespräch mache ich mich im Nieselregen zurück auf die Strasse und geniesse trotz dem Regen die wunderschöne Natur dieses einzigartigen Parks! Auf dem stetig bergab führenden Weg mache ich viele Foto-Stopps, begehe die Wege zu einigen Geysiren und brodelnden Hot-Spot, passiere stinkende Schwefellöcher und beobachte Bisonherden am Strassenrand. Manche Stopps musste ich auch gezwungenermassen einlegen, denn obwohl mein Fahrrad auch braun und schwer ist und auch zwei Hörner hat, wollte ich mich nicht mit den Bisons anlegen welche vor mir Mitten auf der Strasse gehen. In West Yellowstone
(ausserhalb des Parks) checke ich ins billigste Motel mit Laundry und Internet ein und erhalte sogar eine Suite zum Preis eines Einzelzimmers
(da es das letzte freie Zimmer ist). Im Zimmer
(also eigentlich 2 Zimmer, Bad und Küche) habe ich soviel Platz, dass ich das extra Zimmer mit einer Wäscheleine bespanne und bis auf den letzten Gegenstand alle meine Taschen leere und alles zum Trocknen aufhänge
(da so ziemlich alles feucht ist). Nach dem Duschen und dem Wäsche waschen fahre ich mit leerem Fahrrad zum McDonalds
(ja, manchmal hat man sogar Lust auf JunkFood). Unterwegs biegt vor mir plötzlich ein Auto in eine Parklücke ab, ohne des Rückspiegels auch nur eines Blickes zu würdigen. Insinktiv mache ich eine Vollbremsung, dass mein Hinterrad abhebt und ich stelle den Lenker quer, aber den Zusammenprall kann ich nicht verhindern. Mit dem Lenker und der Schulter knalle ich in die Seite des Autos und hinterlasse tiefe Beulen und Kratzer. Ich selbst überstehe den Unfall ziehmlich unbeschadet und ziehe mir bloss ein paar Schürfungen am Schinbein zu. Glücklicherweise zieht auch mein Fahrrad keinen Schaden davon. Die Frau entschuldigt sich tausendmal bei mir und fragt mich mindestens so oft nach meinem Wohlergehen, wohl überaus erleichtert nicht angeklagt zu werden. Ich versichere ihr jedoch, dass Alles in Ordnung ist und gehe mit zittrigen Knien meines Weges. Mit meinem JunkFood zurück im Motel, verbringe ich den Rest des Abends mit Schreiben und Planen in meiner Suite.
7.6.2010 - Der "Montana Express"-TagDer Morgen begann wie der letzte Tag geendet hat, mit Regen! Da ich am Vortag ja all meine Habseligkeiten ausgebreitet habe, dauterte das Packen etwas länger. Danach stellte ich noch kurz dem Ehepaar vom Vortag einen Kurzbesuch ab
(da sie im selben Motel waren) und fuhr anschliessend bei strömendem Regen durch Montanas Hochland und die Täler der Rocky Mountains. Die Wolken hingen teils so tief, dass ich fast durchfahren konnte. Mein Weg führte mich am Hebgen Lake vorbei zum Earthquake Lake, ein See der entstand als 1959 bei einem Erdbeeben ca. 80 Mio. Tonnen Gebirge zu Tal stürzten und den Madison River blockierten. Anschliessend fuhr ich aus dem engen (Gegenwind-)Tal heraus in die Ebene des Madison Rivers und fuhr mit einem guten Rückenwind schleichend aber stetig und mit einem Wahnsinnstempo bergab ohne mich gross anstrengen zu müssen. Schon bald hatte ich so die Halbzeitmarke überschritten und gönnte mir mangels Restaurants auf einer Raststätte eine kurze Mittagspause mit meinem Mitgeführten Lunch. Unterwegs entkam ich diversen Regenfronten und fuhr, von den Rockies flankiert und mit dem super Speed, nach Ennis, Montana, wo ich nach 116 km in nichtmal 5 Stunden eintraf. Wie üblich besuchte ich die Public Library und checkte dann in ein Motel ein.
8.6.2010 - Der "Zick-Zack"-TagDie Fahr begann am Morgen bei strahlender Sonne mit 15 km purem Aufstieg auf 2110 Höhenmeter. Der Auftieg war jedoch halb so wild im Vergleich mit den zuvor erklommenen Gipfeln, da sich die Steigung über die lange Strecke gut verteilt. Einzig der Gegenwind drückt meine Stimmung wiedermal... Mit einer wunderschönen Aussicht ging es dann all die Höhenmeterwieder runter nach Virgina City, einer nachgebauten Goldgräberstadt. Leider blässt der Wind heute jedoch aus der falschen Richtung und ich musste im Abstieg schon fast nachhelfen. Das gesamte Tal bis nach Sheridan, wo ich meinen Mittagshalt einlege, ist auf der Suche nach Gold total umgegraben worden und grosse Schotterhügel zieren die Landschaft. Nach dem Dörfchen Sheridan wechselt die Landschaft in Ackerbau über und ich fahre wiedermal kilometerweit durch Felder, Vieh- und Schafherden. Egal ob nach Norden, Süden oder Westen, irgendwie schaffte der Wind es immer frontal zu meiner Fahrtrichtung zu blasen. Meine Fahrt war, obschon ich Kilometer um Kilometer geradeaus fuhr, ein Zick-Zack durch die Täler und Ebenen Montanas, denn in Montana gibt es kaum Ost-West Verbindungen, also muss man sich seinen Weg mit einer ewigen Nord-Süd-Kombination über die Landkarte bahnen... Desshalb musste ich für das 70 Kilometer entfernte Dillon auch 115 km Umweg in Kauf nehmen, denn einen direkten Weg über die Bergketten gibt es nicht. Nach über 6 Studen Fahrt und einer Begegnung mit einem älteren Radfahrer (dessen Lunch-Einladung ich leider angesichts meines Tagesprogramms ausschlagen musste) treffe ich in Dillon ein, wo die Routine Einzug hält. Public Library, Motel einchecken, Nachtessen und zur Abwechslung mal wieder Newsletter schreiben...
9.6.2010 - Der "es kotzt mich an"-TagDer Morgen begann eigentlich recht gut, bei Sonnenschein und warmen Temperaturen. Von Dillon aus führte mich der Weg über 20 km bergan auf den Badger Pass. Bis dahin war meine Stimmung noch gut, und als ich kurz vor der Passhöhe Allan (New Zealand) und Kendrik (Maryland) traf und wir uns kurz unterhielten, hatte ich schon fast Hochstimmung. Leider währte dies nur kurz, denn schon im Abstieg vom Pass runter musste ich fast treten um vorwärts zu kommen und in der Talsole angekommen erwischte mich abermals die volle Packung Gegenwind. In der Ebene wurde ich total vom Winde verweht und meine Stimmung sank gegen den Nullpunkt zu. Auch Wetter und Landschaft waren entweder schlecht oder langweilig, und so schleppte ich mich nach dem Mittagshalt, den ich wiedermal am Strassenrand einlegte, langsam und genervt den nächsten Pass hoch. Auf einer Motivationsskala von 0 bis 10 hatte ich in Richtung Pass etwa eine -1... Aus meinem ruhigen und kurzen Tag war dank dem Wind eine Tortur geworden und nach 5h Fahrt traf ich ausgepowert in Jackson ein. Ich bezog in der Hot Springs Lodge ein winziges Cabin (es passte knapp ein Bett und mein Fahrrad rein) und bezahlte pro Einwohner einen Dollar.
(Jackson hat nähmlich ganze 32 Einwohner!). Nach dem abermals verspäteten 4000er Kettenwechsel nehme ich ein Bad im 40°C warmen Natur-Hot-Spring-Pool und lege mich anschliessend noch etwas in die, doch noch erschienene, Sonne. Nach dem Nachtessen treffe ich Donny (Texas), Josh (Georgia) und Dana (Washington D.C.) welche soeben in Jackson eingetroffen sind. Wir führen ein langes Fahrradfahrer-Gespräch, trinken etwas an der Bar und gegen 22 Uhr ziehe ich mich in mein Cabin zurück.
10.6.2010 - Der "Westside & 20 Sekunden Idaho"-TagDer Morgen sah bei blauem Himmel vielversprechend aus, und ich begann früh meine Sachen zu packen um keine Zeit zu verlieren. Da meine TransAmerica
(die Fahrrad-Route) Freunde erst am Packen und am Brote streichen waren, brach ich gegen 10 Uhr alleine auf, in der Erwartung eingeholt zu werden. Ich fahre eh lieber alleine, so kann ich tun und lassen was ich will und stoppen wann immer ich will... Vor der Lodge treffe ich noch eine 5er-Gruppe, die in Gegenrichtung unterwegs ist, doch nach einem kurzen Gespräch hält mich nichts mehr und ich fahre in den Wind hinein. Nach gut 30 km Gegenwind treffe ich in Wisdom ein wo ich mich im Post-Office und im Dorfladen kurz eindecke und mich anschliessend nach Westen in Richtung Chief Joseph Pass aufmache. Kurz nach Wisdom mache ich eine fatale Entdeckung, ich habe in Jackson nicht ausgecheckt und den Schlüssel zum Cabin noch immer in meiner Jackentasche... Anrufen ist natürlich Fehlanzeige, da die Region kein Natelempfang hat. Desshalb besuche ich ca. 15 km ausserhalb Wisdoms das Visitor Center des Big Hole Battle National Monuments und frage nach einem Telefon. Glücklicherweise erklärte sich aber eine Park Rangerin, welche in Jackson wohnt, den Schlüssel für mich zurückzubringen. Kurz nach dem National Monument und über 45 km Fahrt im Gegenwind, führt die Strasse in einen Wald hinein, der mich fast gänzlich vom Wind abdeckte und die Fahrt auf den Pass zu einer fast lockeren Angelegenheit machte. Die Strasse führte gemächlich ansteigend in Richtung Continental Divide und wurde erst auf den letzten 3 km steil und anstrengend. Auf gut 2214 Meter über Meer überquere ich ein letztes Mal die Continental Divide und befinde mich ab dem Zeitpunkt endgültig auf der Westseite Amerikas. Ein weiterer Meilenstein meiner Tour wäre somit erreicht! Zudem habe ich mit dem Chief Joseph und dem Lost Trail Pass die letzten beiden 2000er Pässe der Rocky Mountains überquert. Nach der eiskalten Mittagspause auf dem Lost Trail Pass, den ich nach ca. 20 Sekunden im Staat Idaho erreicht habe, fahre ich für fast 10 km ohne ein einziges Mal zu treten in einem Wahnsinnstempo über 1000 Höhenmeter gegen Sula, Montana zu. Auf meinem weiteren Weg in Richtung Darby werde ich fast von einem Truck überfahren, der mit bloss ca. 30 cm Seitenabstand an mir vorbei braust. Und die 30 cm konnte er wohl nur herausholen da das entgegenkommende Fahrzeug auswich. Ebendieses Fahrzeug hat dann auch prompt Kehrt gemacht um mir seine nette Meinung über Fahrradfahrer mitzuteilen.
(Die Worte waren nicht ganz jugendfrei und desshalb besser nicht im Forum zu erwähnen!) Zu allem Übel gesellte sich ca. 10 km vor Darby auch noch ein plattes Hinterrad. Ich wollte es aber nicht auf der Strasse flicken und so pumpte ich einfach alle 2 km neue Luft nach... Endlich in Darby angekommen besuchte ich die Library und suchte dann ein Motel. Im Budget Motel fand ich ein billiges Zimmer ($48) und bemerkte erst danach, dass ich sogar mein eigenes Whirlpool im Zimmer hatte! Also hies es nach dem Reifen-Flicken und dem Nachtessen im privaten HotTube entspannen und relaxen! Ein gelungener Abschluss für einen anstrengenden Tag!
11.6.2010 - Der "Radfahrer-Hauptstadt"-TagNach dem Packen besuchte ich nochmals kurz die Library um mir für den Abend eine Couchsurfing Unterkunft in Missoula zu suchen. Ich verschickte ein paar Mails und machte mich danach auf den Weg. Die Landschaft wurde leider zunehmends unspektakulär und immer bewohnter. Unterwegs hatte ich dank Wireless Internet noch ein paarmal die Gelegenheit meine Mails zu checken und habe leider alles Absagen auf meine Anfragen erhalten, da scheinbar Alle übers Wochenende aus der Stadt fuhren. In Hamilton habe ich den vielbefahrenen Highway verlassen und bin auf eine County Road ausgewichen. Ich bin mir so viel Verkehr nicht mehr gewohnt und es machte mich wahnsinnig alle 20 Sekunden in den Rückspiegel zu schauen... Nach meinem Mittagshalt ausserhalb von Stevensville wurde ich von einem kurzen Regenguss überrascht, aber schon kurz danach konnte ich bei blendendem Sonnenschein auf das Sommer-Tenu umstellen. Glücklicherweise führt zwischen Stevensville und Lolo ein Fahrradweg paralell zum vielbefahrenen Highway, doch für die letzten 15 km nach Missoula musste ich leider abermals auf den Highway wechseln. In Missoula treffe ich kurz vor 17 Uhr ein, gerade noch rechtzeitig um das Hauptquartier der Adventure Cycling Association zu besuchen. Ich wurde freundlich empfangen, mit einem kühlen Getränk und einem Eis versorgt, an der Cyclist-Wall mit einem Foto festgehalten und noch fürs Cyclist Archiv fotografiert. Vor dem Gebäude treffe ich auch die Gruppe aus Jackson wieder und ich geselle mich auf ein Bier zu ihnen in eine Bar. Dana kennt in Missoula einen alten Schulfreund, und wir konnten alle bei ihm im Garten unsere Zelte aufstellen. Nach bloss ein paar Cornflakes, einem Sandwich und einem Salat zum Nachtessen zeigte der Besuch in der Bar schon seine gute Wirkung. Zwei Bier und drei doppelte Bacardi sind, nach 110 km Fahrrad fahren und auf fast leeren Magen, definitiv nicht empfehlenswert... Nach meinem Meckern über amerikanische Bacardis machte mir Dough
(Danas Schulfreund) bei sich zu Hause dann auch noch ein richtiges Bacardi und beim anschliessenden Bar-Besuch in Downtown Missoula entfaltete sich der Alkohol in meinem leeren Magen und ich nickte mit dem Kopf auf dem Tisch ein... Extrem mulmig und sturm im Kopf machten ich mich mit den Anderen auf den Heimweg und ich schlich mit entschuldigenden Worten in mein Zelt...
12.6.2010 - Der "Missoula-Pause"-TagAbermals verkatert und ausgelaugt schlief ich so lange aus bis mich die Sonne in meinem Zelt kochte und mich an die frische Luft trieb. Die Gruppe, welche ebenfalls einen Ruhetag einlegte, ist schon früher ausgeflogen, und so machte ich mir alleine ein Katerfrühstück in der Küche eines Fremden, in einem fremden Haus, in einer fremden Stadt...
(Manchmal kann eine Fahrradreise sehr speziell sein!) Erst einmal richtig wach und wieder etwas besser auf den Beinen, fuhr ich mit dem Rad in die Stadt um meine Wäsche zu erledigen und mir neue Reifen zu kaufen. Die Reifensuche blieb leider erfolglos, aber wenigstens die Wäsche konnte ich erledigen. Von der Laundry aus telefonierte ich kurz nach Hause um wiedermal ein Lebenszeichen aus Amerika zu senden bevor ich anschliessend zurück zu Doughs Haus fuhr wo ich mich mit Sortieren, Säubern und Packen beschäftigte. Trotz meines Ruhetages wollte ich heute noch mindestens bis an die Stadtgrenze kommen und mir den nächsten Tag verkürzen. Also verabschiedete ich mich gegen Mittag von der Gruppe und fuhr ca. 11 km aus dem Stadtzentrum raus, checkte in ein Motel ein und faulenzte den ganzen Nachmittag vor mich hin... Nach über 3000 km ohne Ruhetag tat es richtig gut mal einen ganzen Tag die Beine entspannen zu lassen und einfach Nichts zu machen...
13.6.2010 - Der "Scenic Montana"-TagGegen halb 11 endlich auf der Strasse begann mein Tag mit 3 km Fahrt in eine Sackgasse!
(Merci, GPS...) Endlich auf der richtigen Strasse angekommen musste ich ausserhalb Missoulas eine 150 Höhenmeter-Steigung erklimmen bevor ich staubschluckend durch 15 km Baustelle fuhr und nach 40 km die Abzweigung auf Montanas Highway 200 nahm. Von da an wurde die Landschaft entlang der Strasse wunderschön und versorgte mich mit einem neuen Motivationsschub. Durch die Bergtäler Montanas führte mein Weg entlang des Flathead Rivers durch spärlich bewohntes Gebiet, weite Wiesen und karge Felsen. Im total ausgestorbenen Dörfchen Dixon, wo ich meinen Mittagshalt einlegen wollte, fand ich bloss eine "Bar" mit einem äusserst ungesprächigen alten "Barkeeper". Also suchte ich mir nach einem kühlen Drink eine Parkbank wo ich wiedermal ein Beef Jerkey & Chips Mittagessen zu mir nahm. Die Weiterfahrt bis Plains verging wie im Flug und ich konnte mich an der wunderschönen Natur kaum satt sehen. Zusammen mit dem schönen Wetter und dem ruhigen Verkehr machte es den Tag absolut super! Entlang des Flusses, durch die Berge und die Landschaft war einfach genial! In Plains checkte ich ins Dew Duck Motel ein, unterhielt mich lange mit dem Gast von nebenan und suchte mir ein Restaurant fürs Nachtessen.
14.6.2010 - Der "Motivationsmangel"-TagNach dem routinemässigen, selbstgemachten Frühstück
(Cornflakes) fuhr ich gegen 10 Uhr los mit dem Ziel die Public Library in Plains zu besuchen. Da diese aber erst in einer Stunde öffnen würde sah ich mich gezwungen weiterzufahren. Anfangs war die Landschaft noch wunderschön, aber schon bald nahm der Verkehr und kilometerlange, abwechslungslose Geraden die Überhand. Hierzu kamen ein paar fiese Steigungen und ein harscher Gegenwind und meine Motivation kam wiedermal zum Erliegen. Das Wetter wurde zunehmends bewölkt, blieb aber glücklicherweise angenehm warm. In Thompson Falls machte ich meine Halbzeitpause und fuhr danach die letzten 35 km weiter nach Trout Creek. Die Fahrt ist schnell erzählt, Anfangs ein paar schöne Aussichten auf die Berge und den Fluss gefolgt von endlosen Geraden durch Wälder, Wälder und noch mehr Wälder... Leider nicht windbremsende Wälder, und desshalb noch immer ein Gegenwindkampf! Im winzigen Dörfchen Trout Creek angekommen, beziehe ich ohne jegliche Motivation zur Weiterfahrt nach bloss 75 Tageskilometern ein Zimmer in einem Motel wo ich den Rest des Nachmittags über Landkarten, Höhenprofilen, Kilometer-/Meilenangaben und Fährenfahrplänen brüte. Ich stelle mir 2 Optionen zusammen, eine über 4 Pässe
(die offizielle ACA-Route) auf der ich Seattle in 10 Tagen erreiche und eine über bloss 2 Pässe mit 9 Tagen bis Seattle. Momentan bin ich noch unsicher, ich weiss bloss dass ich in letzter Zeit nicht mehr so fahrmotiviert bin und keine Lust auf Höhenmeter habe... Nach dem Pläne-machen, Nachtessen, E-Mail-Schreiben und etwas TV gucken, gehe ich zu Bett und hoffe mich über Nacht neu zu motivieren...
15.6.2010 - Der "Black Bear"-TagNach dem neuen Morgenritual "Fussball WM schauen", begann der Tag genau so wie der Letzte geendet hat: mit viel Wald und viel Wind... Da sich das Wetter aber sonnig präsentiert bin ich wieder vollkommen motiviert unterwegs. Die ersten 20 km bis Noxon geschah Anfangs noch nicht viel Nennenswertes. Immer vorausschauend fahrend, mit vielen Blicken in den Rückspiegel und viel Ausweichen bahnte ich mir den Weg durch die Wälder Montanas. Ich dachte schon es würde wieder ein langweiliger Tag werden, doch plötzlich überquerte vor mir ein Tier die Strasse und erst beim zweiten Hinschauen erkenne ich dass es ein Schwarzbär ist! Noch in sicherer Distanz hielt ich sofort an. Doch auch der Bär sah mich und hielt Mitten auf der Strasse und starrte mich an. Kurzerhand schoss ich ein Foto, doch bevor ich das Tele aufgeschraubt hatte nahte ein Auto, dass mit seinem Lärm den Bär verscheuchte. Noch etwas unsicher fuhr ich mit meiner Klingel laut leutend weiter und trat noch etwas schneller als sonst in die Pedale... Nach einem kurzen Abschtecher nach Noxon, Montana fuhr ich weitere 20 km bis zu meinem nächsten Meilenstein auf meiner Tour: 1. Der zweitletzte Staat meiner Tour und 2. die letzte Zeitzone! Mit dem Grenzübertritt nach Idaho bin ich nun schon 9 Stunden hinter der Schweiz zurück, habe aber an diesem Tag eine Stunde zurückgewonnen... Auf dem Scenic Byway fahre ich anschliessend weiter nach Clark Fork wo ich in der Library einwenig Arbeit erledige bevor ich meine Mittagspause einlege. Die Fahrt am Nachmittag führte mich entlang des Lake Pond Oreille und war abermals sehr schön! Leider noch immer vom Gegenwind geplagt konnte ich den Sonnenschein nicht richtig geniessen und musste sogar die Windjacke anziehen. Der wunderschönen Natur tat dies jedoch keinen Abriss... Nach gut 110 km kam ich in Sandpoint an wo eine wahre Motel-Odyssee begann: das eine Motel war geschlossen, das Eine über 100$ pro Nacht, ein Weiteres nicht auffindbar und ein letztes hatte keine Fahrrad-Zimmer. Desshalb entschied ich mich gut 3 km zurück zu fahren und ausserhalb Sandpoints ein Motelzimmer in einem altbewährten Super8 zu beziehen.
16.6.2010 - Der "verregnete Meilenstein"-TagNachdem ich am Morgen per iPhone, Wireless Internet und LiveTicker das "Wunder von Durban"
(für nicht Fussballer, die Schweiz besiegte Europa- & Weltmeister Spanien mit 1:0) mitverfolgt habe,
(Fussballspiele beginnen hier um 7 Uhr morgens...), brach ich auf in einen verregneten und langweiligen Tag und die Siegeseuphorie verflog schon bald einmal. Durchnässt und ausgekühlt fuhr ich die ersten 60km auf der Shoulder eines stark befahrenen Highways.
(Sozusagen die A2 Idahos, die einzige Nord-Süd Vebindung durch Idaho und scheinbar seeehr beliebt beim Schwerverkehr) Die Shoulder war schmutzig und voller Schutt und Abfall und ich musste allzeit auf meine Reifen und auf vorbeibrausenden Verkehr aufpassen. Unterwegs verpflegte ich mich kurz an einer Tankstelle wo ich mich auch noch einwenig aufzuwärmen versuchte. Zu sehen gab es absolut Nichts, es war einfach nur langweiliges und monotones Fahren bei dem ich jeden Kilometer zählte... Um zurück auf die Motivationsskala zu kommen, ich wäre wiedermal bei -1 angekommen... Die einzige Abwechslung bot sich beim Mittagshalt bei McDonalds wo ich fern ab aller offiziellen Fahrrad-Routen Matt einen Tourenfahrer aus Idaho kennenlernte und mich kurz unterhielt. Zurück auf der Strasse bot weder die Landschaft noch das Wetter Berauschendes und ich verfiel in eine Fahr-Monotonie mit der Devise: "Nicht denken! Fahren...
Nach bloss einem Tag in Idaho erreichte ich nach ca. 80 km Fahrt die Staatengrenze zu Washington und habe somit den letzten Staat meiner Tour erreicht! Schon wieder ein Meilenstein geschafft!! Nach dem obligaten "Schild-Foto" standen mir noch 40 km bis zu meiner Unterkunft bevor und 30 davon führten durch Spokanes Vororte und Industriegebiet! Alles Gegenden durch die ich nach Sonnenuntergang nicht mehr fahren möchte! Der einzig sehenswerte Anblick des Tages bot sich mir in Spokane selbst, einerseits Downtown Spokane mit glänzender, glasiger und moderner Architektur und andererseits die Spokane-Falls
(eine Art Mini-Niagara Fälle). Zum Abschluss schenkte mir der "super Tag" noch ca. 3 km Aufstieg bis in mein Motel... Erschöpft nehme ich mir ein Zimmer und verbringe den Rest des Abends mit Newsletter schreiben und Homepage aktualisieren.
17.6.2010 - Der "Washington Marathon"-TagIm Nieselregen führte mich mein Weg anfänglich durch den hektischen Verkehr von Spokanes Vororten. Besser wurde es erst nachdem ich die Fairchild Airforce Base passiert hatte und die Strasse von vier auf zwei Spuren schrumpfte und der Verkehr stark nachliess... Marathon Tage
(für mich Tage mit über 120 km) sind reine Kopfsache, wen man mit dem Wissen losfährt, dass noch über 6h Fahrt und über 130 km vor einem liegen sinkt die Motivation gewaltig. Desshalb ist es ratsam die Kilometer einfach zu vergessen und nicht ständig auf den Kilometerzähler zu schauen. Ich fuhr heute meist mit den Gedanken weit weg von der langweiligen Landschaft und dem nervendem Gegenwind. Über die Gegend will ich mich ja auch gar nicht beklagen, schliesslich konnte ich ja auswählen welche Route ich fahren wollte. Aber nach zwei Wochen mit einem begrenzten Horizont bis zur nächsten Bergkette, tat es gut wiedermal endlose Felder und verschwindende Horizonte zu sehen. Dies war dann auch so cirka die Landschaft die ich den ganzen Tag sah, endlose Felder und viele Hügel. Nach 50 km erreichte ich Davenport und stärkte mich kurz an einer Tankstelle, denn entgegen meiner Gewohnheit habe ich mich Heute für eine 2-Stopp-Strategie entschieden. Das Wildlife Highlight des Tages war ein Weisskopf-Seeadler den ich am Strassenrand beobachtete. Der zweite Halt in Wilbur wurde ungewollt etwas länger, da mein Hinterrad abermals platt war... Aber nach fast 5000 km und 3 Platten war die Reparatur bloss eine Kleinigkeit... Nach über 100 km Fahrt stand mir bis zu meinem Tagesziel Grand Coulee noch 20 km Aufstieg und 10 km rasante Abfahrt bevor. In dem Städtchen suchte ich mir ein Motel wo ich ein Zimmer bezog und gespannt das 7te und letzte Spiel der NBA Finals verfolgte. Währenddessen unterzog ich mein Fahrrad einer Gesamtkur. Putzen, Kettenwechsel, ölen, Sattel einfetten und meine Reifen mit einer extra Schicht Duct-Tape auskleiden...
(Nebenbei bin ich Heute unterwegs auf eine "Weight Station" auf dem Highway gefahren und habe mein Fahrrad gewogen: 120 Pounds / 60 kg!)18.6.2010 – Der "5000er"-TagNachdem ich am Vorabend noch bis nach Mitternacht E-Mails geschrieben habe, hatte ich am Morgen etwas Verspätung bei der Abfahrt. Und zusammen mit dem Library Besuch addierte sich die Verspätung auf fast 12 Uhr Mittags... Endlich auf der Strasse führte mich mein Weg all die Höhenmeter, die ich Gestern runter rasen konnte, wieder nach oben... Nach über 5 km Aufstieg erwartete mich ein ständiges Auf und Ab auf durch die Wüste Washingtons. Die Landschaft sah aus wie ein bewachsenes Lavafeld. Nach gut 30 km durch die karge Landschaft führte mich mein Weg in ein Flussdelta runter und brachte mich über 20 km in leichtem bergab zum Chief Joseph Dam und nach Bridgeport wo ich meinen Mittagshalt einlegte. Die Gegend änderte sich von Wüste zu Frucht-Plantagen uns so fuhr ich lange Zeit durch Zitrus- und Kirschbaum Alleen. Nach dem Mittagshalt machte sich in der Aussenseite meines linken Knies einen starken Schmerz bemerkbar, was mir überhaupt nicht gefiel... Das muss ich pflegen und im Auge behalten! Nachdem ich auf den letzten 10 km den Wind im Rücken hate und ich das Dörfchen Pateros erreichte, begann abermals eine lange Suche nach einer Unterkunft! Das Motel, welches ich eingeplant hatte war ausgebucht und das Andere hatte bloss Zimmer ab 160$. Also erkundigte ich mich ob campieren im Stadtpark erlaubt sei, aber ein grosses Schild wies auf "no overnight camping" hin... Aus meiner Internetrecherche wusste ich aber, dass es noch ein State Park in der Nähe gibt der ca. 91 Campsites hat. Also deckte ich mich mit Chips, Milch und Cornflakes ein und fuhr in den gut 5 km entfernten Alta Lake State Park. Die letzten 3 km bis zum Park bestanden aus einer ununterbrochenen sehr steilen Steigung und ich erreichte den Zeltplatz überaus erschöpft und nassgeschwitzt. Bei der Registration grüsste mich ein Schild: "no campsites available"... Wie es sich herausstellte haben die "Annonymen Alkoholiker" den Platz das ganze Wochenende komplett ausgebucht... Etwas frustriert und noch immer ohne Unterkunft stand ich verloren vor dem Tor und wurde von vorbeigehenden Personen angesprochen. Als sie erfuhren, dass ich noch keine Unterkunft hatte und anscheinend nichts mehr vorhanden war, haben sie mich kurzerhand auf ihren Platz eingeladen! Ich bin sehr freundlich empfangen worden, wurde allen vorgestellt und sogar mit einem Nachtessen versorgt! Abermals ein wunderbares Beispiel amerikanischer Gastfreundschaft... Während die Gruppe zu einem Meeting geht bleibe ich zurüch und schreibe mein Tagebuch. Denn ich hab abermals ein Meilenstein zum Niederschreiben: Kilometer Nr. 5000 ist zurückgelegt!
19.5.2010 – Der "Restroom"-TagNach einer schlecht geschlafenen Nacht mit viel Lärm und Kojotengeheul wachte ich am Morgen zu Campingplatzzeiten früh auf. Zum Frühstück gabs Speck und Pancakes von meinen neuen Freunden. Nach dem Packen verabschiedete ich mich, nicht aber ohne vorher unsere Nummern auszutauschen. Da Alle aus Seattle sind, boten sie mir an mich in der Stadt herumzufühern sobald ich Seattle erreiche. Mit den Visitenkarten in der Tasche fuhr ich los in die brennende Sonne hinaus. Entlang des Methow Rivers führte mich die Strasse stehts bergan in Richtung Twisp, Mazama und Washington Pass. Nach fast 50 km treffe ich in Twisp wieder auf die offizielle ACA Route und lege eine kurze Taco-Mittagspause ein. Auf meiner Weiterfahrt passiere ich das total touristische Dörfchen Wintroph wo ich mir per Wireless eine Unterkunft für den Abend in Mazama suche. Leider gibt es in Mazama aber nur eine Guest Ranch, ein Inn und eine Lodge, und bei diesen Endungen muss mann mit schwindelerregenden Preisen rechnen... Total abseits jeglichen Massentourismuses kostet hier ein Zimmer noch immer über 100$. Ich entschliesse mich aber doch für die Weiterfahrt, da erst 15 Uhr war und für die Übernachtung plante ich mir ein National Forest Campground ein. Kurz nach Wintroph wurde meine zügige Fahrt abermals durch einen Platten unterbrochen. Meine Reifen lösen sich wirklich langsam im Nichts auf! Nach einem kurzen Flickstopp fahre ich aber weiter nach Mazama und decke mich mit etwas Verpflegung fürs Nachtessen, fürs Frühstück und für den nächsten Tag ein. Denn zwischen Mazama und der nächsten Verpflegungsmöglichkeit liegen ca. 100 km. Frisch versorgt mache ich mich auf in die Wälder am Fusse des Washington Pass und treffe unterwegs Julie und Jean Philippe die auf dem Weg von Seattle nach Quebec City sind. Nach einer kurzen Unterhaltung fahre ich die letzten 8 km und 300 Höhenmeter weiter auf den Klipchuck Campground, den ich ziehmlich erschöpft erreiche. Leider stelle ich auf dem Self-Pay-Campground fest, dass ich in Bear Country bin. Zudem kann ich mein Zelt fast nicht stellen da der Boden bloss aus festgedrücktem Kiesel besteht und ich keine Heringe einschlagen kann... In Verbindung mit den schwarzen Wolken am Himmel und den fehlenden Food-Storage-Boxen (bärensichere Aufbewahrungsboxen) führt mich dies zur skurilen aber kreativen Entscheidung das Toilettenhäuschen zu meiner Unterkunft zu erklären! Das mag jetzt sehr unappetitlich und ekelhaft klingen, ist es aber nicht... Die Toiletten in den Parks sind meist super geputzt, sehr sauber und stinken überhaupt nicht... Und Nein, das Geld geht mir nicht aus, heute lebe ich einfach in einer Toilette... Ich fahre also mein bepacktes Fahrrad ins Häuschen rein, entpacke die Taschen, stelle provisorisch das Innenzelt auf
(ganz auf dem Boden schlafen will ich dann doch nicht) welches gerade knapp ins Häuschen passt und mit Duct-Tape zusammengehalten wird. Das WC wird übrigens auch noch mit Duct Tape zugeklebt, ich will ja keine Gerüche riskieren... Für die Ruhe kreiere ich mein eigenes "Out of Order" Schild und klebe es an die Tür. So liege ich also in meinem 0*-Zimmer und schreibe Tagebuch. Aber immerhin habe ich eine trockene und bärensichere Unterkunft, was will man mehr?
20.6.2010 - Der "letzte Pass, Sinnflut & ungewollte Rekordbrecher"-TagAm Morgen erwachte ich in meiner kalten 2-Quadratmeter Zelle und ich weiss seit dieser Nacht wie sich Einzelhaft im Gefängniss anfühlen muss... Da ich Heute einen grossen Pass vor mir hatte und auf der anderen Seite noch weit fahren musste stand ich schon um 6 Uhr auf. Vorallem wollte ich aber in Ruhe Packen, da sicher nicht alle Freude daran hatten, dass den ganzen Abend und die ganze Nacht nur ein WC verfügbar war... Also packte ich auf dem engen Raum meine Sachen und war gegen 8.00 auf der Strasse in Richtung Gipfel. Stetig im Aufstieg fuhr ich die ersten 10-15 km bei Bewölkung aber trocken gegen den Washington Pass zu bevor ein Auto an meiner Seite anhielt und mir freundlicherweise mitteilte, dass es auf dem Pass regnet und schneit und ich aufpassen soll... Also stellte ich auf Regenmontur um und machte noch einen kurzen Mechanik-Stopp um nach über 5000 km das erste Mal die Bremsklötze für die Abfahrt zu wechseln. Die Steigung auf den Gipfel war nicht unbedingt steil, aber einfach über 20 km stetig und ununterbrochen... Zudem stetzte kurz danach auch der angekündigte schwere und kalte Regen ein und innert kurzer Zeit war ich total durchnässt... Durch die Nadelwälder, den Schnee und den Sinnflutregen erreichte ich aber doch den Washington Pass auf 1669 M.ü.M. Die anschliessende Abfahrt war bei weitem weniger lustig als man sich eine Abfahrt eigentlich vorstellt... Es war so kalt und ich war so schnell unterwegs, dass mir die Regentropfen mit etwa 50 km/h ins Gesicht schlugen und schmerzten wie Nadelstiche... Nach dem kurzen Aufstieg auf den Rainy Pass
(der seinem Namen alle Ehre macht) band ich mir ein Kopftuch in Cowboy-Style vors Gesicht und schützte jeden Centimeter meiner Haut... Erst als in den tieferen Regionen der Regen nachliess kam etwas Stimmung und Hoffnung auf. In der Abfahrt traf ich Laurel und Mike (Michigan), die gerade im Aufstieg waren. Nach einem kurzen Schwätzchen fuhr ich weiter in Richtung Ross Lake und Diablo Lake. Die Landschaft diesseits der Cascades ist grüner als Grün und es wird einem schnell klar wesshalb die Wälder hier als Regenwälder gelten... Am Diablo Lake lege ich meinen Mittagsstopp ein und fahre anschliessend weiter in Richtung Newhalem. Im extem engen Tal blasen die Winde mit so enormer Kraft, dass sogar Strassenschilder davor warnen und ich nur mühsam vorwerts komme! Auf dem North Cascades Highway
(der auch Teil der ACA Route ist) ist man so gut auf Radfahrer eingestellt, dass ich vor einem Tunnel einen Knopf für Radfahrer fand, das ein Warnschild aktivierte und die Autofahrer auf ein Fahrrad im Tunnel hinwies! Nach ca. 120 km erreichte ich mein Tagesziel Marblemount. In einer Tankstelle erkundigte ich mich nach einem Motel oder einer Unterkunft. Circa 4 km ausserhalb des Dörfchens sei ein Motel, und die nächsten seien dann im 12 km entfernten Concrete. Also deckte ich mich noch kurz mit etwas Proviant ein und fuhr los. Das erste Motel war abermals zu teuer und ich entschied mich zur Weiterfahrt nach Concrete, wo es gemäss GPS und ACA Karte zwei Motels hat. Leider fand ich aber nach meiner Fahrt nach Concrete nur geschlossene Türen vor! Von ein paar Einheimischen erfuhr ich, dass ich wohl oder übel ins 25 Meilen entfernte Sedoro Woolley fahren müsse, aber dies sei ja bloss eine halbe Stunde Fahrt entfernt... Ja, Madame, mit dem Auto!! Also machte ich mich, eigentlich noch mit frischen Beinen, nach 140 km auf eine extra Kilometerration von 39 km... Unterwegs rief ich im Motel in Sedoro Woolley an, um sicher zu gehen, dass ich wenigstens da ein Zimmer auf sicher habe! Bis zum Kilometer 160 fuhr ich noch motiviert und frisch, aber auf den letzten Kilometern verliess mich sowohl meine iPod Batterie wie auch Lust und Kraft zur Weiterfahrt und ich schleppte mich äusserst langsam bis an mein Ziel. Mit 179 km Tagesstrecke brach ich alle Rekorde meiner bisherigen Tour. Die längste Strecke, der längste Tag (9h27), usw... Das positive an dem langen Tag ist aber, dass ich mir nun meine Pläne bis Seattle total umstellen kann. Ich habe heute soviel erlebt, dass ich mir sicher bin die Hälfte vergessen zu haben, auf 179 km erlebt man einfach zuviel für einen Tag...
21.6.2010 – Der "Pazifik & Kanada"-TagDer Aufbruch verzögerte sich heute abermals, da ich 1. den schweizer Match im TV schauen musste, 2. Tagebuch schreiben und 3. alles wieder packen musste, da ich wiedermal eine Auslegeordnung zum trocknen machte. Mit bloss ca. 30 km nach Anacortes konnte ich es mir aber leisten erst gegen 11 Uhr aufzubrechen und bei der Public Library in Burlington vorbeizufahren. Endlich konnte ich meine Pläne, die nur in meinem Kopf Gestalt hatten im Internet abckecken... Mein Plan für den Tag war wie folgt: Nach Anacortes fahren, da die Fähre nach Sidney, Kanada nehmen, von da mit dem Rad nach Victoria, Kanada fahren und am nächsten Tag mit der Fähre nach Seattle! Beim Fahrplan checken stellte ich aber erschrocken fest, dass die Anacortes–Sidney Fähre um 2:20 abfährt. Und da ich nicht wusste wieviel vorher ich eintreffen muss
(da ich ja die Grenze überquere), fuhr ich sofort los. Die Fahrt in Richtung Anacortes war unspektakulär und führte mich entlang eines sehr stark Highways. Aber schon bald mischte sich zwischen all die Abgase eine leichte Brise Salz und Meerluft. Nach ca. 14 km auf denen ich die letzten Kräfte aus meinen Beinen holte, bog ich vom Highway ab auf einen Bike Trail, der mich quer über eine Bucht nach Anacortes brachte. In Windeseile habe ich die 30 km zwischen Burlington und Anacortes zurückgelegt und kam pünktlich zum Fähren-Check-In am Hafen an. Als ich unterwegs das erste mal das Wasser des Pazifik sah lief mir in einem emotionalen Moment eine Träne über die Wange!
Ich habe es tatschächlich mit dem Fahrrad quer durch die Vereinigten Staaten von Amerika geschafft!Das erste Mal realisierte ich, dass ich es wirklich geschafft habe! Im Hafen angekommen kaufte ich mich ein Ticket nach Sidney und erkundigte mich telefonisch nach der Fähre von Victoria nach Seattle und reservierte mir ein Ticket für den morgigen Tag. Als letzter konnte ich mit meinem Fahrrad auf die Fähre fahren, suchte mir ein Plätzchen und wir legten ab. Gemütlich kurvt die Fähre um die Inseln vor Washington, hält in Friday Harbor auf San Juan Island und fährt dann weiter in Richtung Sidney. Die Aussicht auf die Inseln ist super schön, verleitet mich zu vielen Fotos und sogar dies Sonne zeigte sich wiedermal... Unterwegs verkündete der Kapitän plötzlich Wale vor dem Schiff und die ganze Meute eilte aufs Vorderdeck... Tatsächlich sah man weit weg eine Finne und ein paar Fontänen. In Sidney angekommen bestand ich abermals eine Passkontrolle und fuhr mein Rad an den Strand wo ich unzählige aber wohlverdiente "Ich-habs-geschafft"-Fötelis schiesse... Die anschliessenden 25 km durch British Columbia fuhr ich abermals auf einem vielbefahrenen Highway nach Victoria wo ich durch unzählige Quartiere kurvte und nach einem ständigen Auf und Ab mein Motel erreichte. Anschliessend ging ich auf mein Pazifik-Erfolg ein Seafood Nachtessen geniessen, schrieb einige Emails und organisierte eine Unterkunft und ein Taxi
(bei meinen Freunden vom Alta Lake). Mit dem erfüllten Gefühl Morgen Seattle zu erreichen lege ich mich überglücklich schlafen...
22.6.2010 – "Geschafft!"Etwas früher als üblich war ich heute wach und begann mit meinem Morgenritual, packen, frühstücken, usw... Anschliessend fuhr ich die allerletzten 3 km zum Hafen von Victoria. Mein Weg führte mich durch Downtown und Chinatown ins Hafenviertel wo ich bei der Clipper Ferry eincheckte. Ich musste alle Taschen ab dem Rad nehmen und wie am Flughafen aufgeben. Darauf folgte ein 1-stündiges Warten bis ich zur Passkontrolle konnte. Als nicht Besitzer eines US- oder Canada-Passports als absolut Letzer! Im Gegensatz zur Fährenfahrt von Gestern war die heutige Fahrt unspektakulär und grau, da nach dem Verlassen des Hafens ein dichter Nebel über dem Meer hing. Also überbrückte ich mir die 2,5h Fahrt mit etwas Musik und einem iPod Film. Nach 5595 Kilometern habe ich schliesslich mein Ziel erreicht und treffe in Seattle ein! Und auf einen Schlag bin ich fertig mit Radfahren. Nach exakt 50 Tagen auf dem Fahrrad
(und 2 Ruhetagen) habe ich meine Reise beendet! 50 Tage Durchhaltewillen, wunderschöne Landschaften, schlechtes & gutes Wetter und eindrückliche, unvergessliche Erlebnisse! Eine Reise hat ihr Ende genommen, eine Reise und eine Erfahrung die mir Niemand mehr nehmen kann! Ich bin überglücklich!! Doch bloss weil ich Seattle erreicht habe, ist meine reise noch nicht zu Ende, schliesslich habe ich noch 9 Tage bis zu meinem Rückflug...
Am Hafen werde ich von Lachlan
(den ich am Alta Lake kennengelernt habe) abgeholt und wir machten zusammen mit Jane
(seiner Frau) und Scott einen kurzen Sightseeing Trip über den Farmersmarket und durch Downtown. Anschliessend fuhren wir nach Sammamish wo ich im Hause Foss überaus freundlich und familiär empfangen wurde. Den Abend verbrachten wir mit einem üppigen BBQ, etwas Kartenspielen und einem langen Gespräch.
23.6.2010 – Der "Sightseeing"-TagLachlan hatte für mich heute grosse Pläne. Nach dem Frühstück fuhren wir mit Sarah
(Lachlans Tochter) in die Stadt um einen langen Sightseeing-Tag zu verbringen. Wir besuchten die Space Needle
(Seattles Wahrzeichen), fuhren mit dem Monorail nach Downtown wo wir ein Gratis-Sommerkonzert besuchten, fuhren auf einen Lunch nach Chinatown und besuchten die Stadteile Broadway
(wo gerade Gay-Pride-Week war) und Freemont. Den Nachmittag verbrachten wir auf dem Lake Washington auf Kellys
(Lachlans Onkel) Boot. Wir bestaunten all die Villen der "Rich & Famous" wie beispielsweise Bill Gates oder Axle Rose... Zeitweise durfte ich sogar das Steuer des Bootes übernehmen und wir rasten mit Highspeed über den See! Anschilesend kämpften wir uns durch den Abendverkehr zurück nach Sammamish wo ich den Abend mit Newslettern und Homepage-Updaten verbrachte.
Anschliessend verbrachte ich noch eine Woche in Seattle, Sammamish & Lakewood und flog am 1. Juli ohne grössere Probleme in die Schweiz zurück!