(Fünfte Fortsetzung)Aus Jerez kommen wir wieder mal nur mit ganz viel Schiss raus; wir sind gezwungen, wieder Autobahn zu fahren. Erst später finden wir parallel zur Autobahn einen holprigen Seitenweg, auf den uns freundliche Polizisten weisen. Als Ausgleich für das angenehmere Nicht-Mehr-Autobahn-Fahren-Müssen fängt´s mal wieder an zu regnen. Zu schütten! Nur gut, dass wir heute die ungeheure Entfernung von 30 km zurücklegen müssen. Nach Puerto de Sta. Maria. Das liegt direkt gegenüber von Cadiz, wo wir eigentlich hinwollten. Aber was auf der Landkarte so spannend von der Lage her aussieht, ist mit dem Fahrrad überhaupt nicht zu erreichen. So quartieren wir uns am frühen Nachmittag gegenüber von Cadiz, im Hotel am Hafen von Puerto de Santa Maria, ein und fahren mit einer schnellen Fähre rüber auf die langgestreckte Halbinsel von Cadiz. Von der hoch über dem Meer liegenden Promenade schauen wir hinunter auf die anrollenden Wogen des Atlantiks. Und zwischen uns und Nordamerika liegt jetzt nichts als Wasser.
Bis Amerika nix als Wasser (Nix zu radeln!)Ganz ergriffen bin ich von solch weltläufigen An- und Einsichten, da klatscht plötzlich etwas gegen meinen Kopf und ein feuchter kalter Schleim läuft über meine Stirn und kleckert aufs Hemd. Da hat eine Möwe direkt über mir, aus dem Flug heraus, einen dicken Fisch auf mich fallen gelassen, der jetzt vor mir auf dem Pflaster liegt. Neptuns Rache? Als ich mich entferne, hüpfen schnell etliche andere Möwen herbei und pieksen und zerren an dem toten Tier. So kann´s einem gehen!
Da liegt er vor mir, von der Stirn aufs Pflaster. Fisch ohne FahrradHaben sich die Möwen und Fischlein vielleicht im Vorgriff auf unser opulentes Fischessen am Abend rächen wollen? Das Fischrestaurant "Romenijo" in Puerto de Sta. Maria, zu dem angeblich (so ein Reiseführer) ganz Andalusien pilgert und wo es schwer sein soll, einen freien Tisch zu bekommen: leer! Das Essen, ausschließlich frittiertes oder gekochtes "sea food" wird in Papiertüten über den Tresen gereicht und man kann es mitnehmen oder an einem der Tische verzehren. Wer aber glaubt, diese Meeresköstlichkeiten seien hier nahe bei den Fanggründen nun besonders billig, wird wohl umlernen müssen.
Angeblich ist es schwer, bei "Romenijo" einen freien Tisch zu bekommenHab ich eigentlich schon erwähnt, wie schrecklich diese Autobahnfahrerei ist? Ich kann nicht genug warnen: In dieser Ecke Spaniens, und auch später die ganze Costa del Sol entlang, gibt es kaum andere Möglichkeiten! Das macht uns ganz fertig, wenn man sich auf dem Seitenstreifen, zwischen Leitplanke und vorbeirasenden Lastern und PKW´s, abstrampeln muss, ein Seitenstreifen, der dazu noch oft genug übersät ist mit zerbrochenem Glas und dem Unrat, den sorglose Autofahrer so aus dem Fenster werfen. Ganz besonders gefährlich sind die Ein- und Ausfahrten, dort wo wir geradeaus die Autobahn weiter fahren wollen. Eigentlich müsste man dort ja auf dem gestrichelten weißen Strich weiterradeln, aber dann wäre man nun wirklich schutzlos. Wir fahren deshalb bei einer Ausfahrt so lange wie möglich rechts an der Leitplanke entlang, um dann im letzten Augenblick rechtwinklig diese Ausfahrt zu überqueren. Ständig dem Lärm und dem Vorbeigesause ausgesetzt zu sein, das macht uns ganz fertig. Wie war España? So war España auch!
Aber wir haben letztlich auch den schwierigen Weg aus Puerto de Sta. Maria hinaus, mit der S-Bahn an Cadiz vorbei, gemeistert. Die gelegentlich auf der Autobahn patrouillierende Polizei mustert uns Strampler ganz interessiert, da wir aber offensichtlich nichts Verbotenes tun, fährt sie einfach weiter. Manchmal tummeln sich sogar kleine Gruppen von Rennradlern auf dem Seitenstreifen der Autobahn.
Das Wetter ist so, wie es aussiehtErst die letzten 20 km der heutigen Etappe (69 km, 490 HM) werden relativ verkehrsarm, und wir übernachten in dem etwas heruntergekommenen Badeort
Barbate, direkt an der Atlantikküste gelegen. Irgendwo lesen wir, dass ein Teil der Bevölkerung hier vom Drogenschmuggel leben soll. Kann aber auch nur ein böses Gerücht sein. Uns werden keine Rauschmittel angeboten. Das Bier am Abend zählt hier nicht.
In beinahe allen Hotels und Hostals hat es auf unserer Reise WIFI gegeben, fast immer kostenlos, und da mein Begleiter sein Netbook mithatte, buchen wir ab jetzt immer (bei hrs.de oder hotels.com oder bei bookings.com) am Vorabend das Hotel für den jeweils nächsten Tag. Das ist nicht nur bequem, weil wir auf diese Art am Zielort nicht lange suchen müssen, sondern meistens sogar billiger. Wir erwischen so fast durchweg Viersterne-Hotels zwischen 40 und 50 Euro. Fürs Einzelzimmer! Aber als Doppelzimmer hätt´s dasselbe gekostet.
Der neue Tag, der nächste Tag, beginnt mit.... Regen! In Deutschland rollt weiter die Hitzewelle.
Unser heutiges Tagesziel ist
Tarifa, die südlichste Stadt Europas. Zwischen Barbate und Tarifa müsste man laut Karte ja eigentlich einen Riesenbogen über die Nationalstraße N340 fahren; da ist nur eine ganz dünne Linie an der Küste lang eingezeichnet. Mit dem Auto kann man dort nicht fahren, aber mit Rädern...? Laut Legende gibt´s dort nur einen unbefestigten Weg, der auch noch gar nicht ganz durchgehend ist. Wir beschließen, es zu wagen, auch auf das Risiko hin, umkehren zu müssen. Es regnet ja auch nicht sooo stark.
Also schwenken wir ab
Zahara de los Atunes auf etwas unsichere Pfade. Die Karte (1:200.000) lässt uns rätseln. Die meisten Ortsansässigen, die wir radebrechend befragen, ob man mit Rädern an der Küste lang fahren kann, rätseln ebenso und haben keine Ahnung - bis auf einen, der erzählt immer was von "faro" und bestätigt uns, man komme sehr wohl durch. Ab "faro" auf irgendeine geheimnisvolle Weise. Bis "faro" könne man fahren. Hab ich in meinem Spanischunterricht nie gelernt: faro.
Aber jetzt weiß ich´s! Es versickert bald der asphaltierte Weg, es geht bergauf, und zwar so richtig! Grandiose Ausblicke aufs Meer immer wieder. Noch ein paar ausladende Villen stehen da über den Klippen. Dann nur noch Kiefernwald, und schließlich ein Leuchtturm. Der "Faro"!
Der Faro bei Zahara de los Atunes. Hier endet der Fahrweg. Ab hier: schieben!Hier ist jetzt endgültig Schluss mit einer befahrbaren Straße. Wir schieben unsere Räder über ausgewaschene Wege und knorriges Wurzelwerk. Riech doch mal diesen Duft! Diese Luft! Welche Lust! Es hat sogar aufgehört zu regnen. Ja, man kommt hier durch mit Fahrrädern, muss nur so ein bis zwei Kilometer schieben. Das Wagnis einzugehen hat sich gelohnt!
Hinter der Landzunge liegt die römische Ausgrabung bei BoloniaBald darauf, nach einigen Anstiegen, nach einigen Abfahrten, haben wir bei
Bolonia in unmittelbarer Strandnähe die Ausgrabungsstätte der ehemals römischen Siedlung
Baelo Claudia erreicht. Das war im Altertum eine Art "Industriestadt" zur Verarbeitung von Thunfisch. Ganz Bolonia eine einzige Fischfabrik! Riecht man heute aber nicht mehr. Ein schniekes Museum hat die Europäische Union da errichtet und auch nicht mit Geld gekleckert, so schön und neu sind die Bauten. Für EU-Bürger ist der Eintritt umsonst. Hatten die ja schließlich vorher schon bezahlt. Über ihre Steuern.
Mittlerweile hat es wieder angefangen zu regnen. Und wieder mal triefnass gelangen wir (nach 50 Tageskilomtern und 500 Höhenmetern) in
Tarifa zum unterkunftsmäßig absoluten Tiefpunkt unserer Reise. Dieses "Hostal" heißt "El Asturiano" und knöpft uns 35 Euro für ein sogenanntes Einzelzimmer und sogar 50 Euro für das ab, was es hochtrabend als "Doppelzimmer" andreht. Das "matrimonio", das Doppelbett, hat die riesigen Ausmaße von 1,20 Metern. Ist aber damit raumfüllend. Ich kann mich nur unter Verwindungen meines Körpers ins Bad begeben, reiße dabei den Vorhang von dem Eisengestänge ab, das ein Schrank sein soll, und auf dem Töpfchen kann man auch nur schräg vornübergebeugt sitzen, man sollte dabei aber einen ansonsten gesunden Rücken haben. Auf feuchten Socken balanciere ich in dieser Kältekammer, in diesem Feuchtraum, über meine beiden auf dem Steinboden ausgelegten Reiseführer ins Bett, denn ich wenn ich barfuß auf die feuchtkalten Steine komme, zucke ich zusammen. Aber ich will nicht schimpfen, dort im Bette war es trocken. Und das war mir an diesem Abend das Wichtigste. Von den Fenstern trieft die Nässe.
In Deutschland weiterhin Hitzewelle.
Fortsetzung folgt