(Vierte FortsetzungEinfahrt in das herrliche Sevilla...
Und das meine ich nun nicht ironisch. Wirklich herrlich ist diese Stadt! Ganz besonders natürlich an einem so regen Abend wie heute! Da summt und brummt es, vibriert vor Lebenslust. Es ist nämlich gerade eine Festwoche in Gang, alljährlich um den ersten Mai herum. Jeden Abend, wirklich jeden Abend findet da ein Stierkampf statt, und unser Hotel liegt genau gegenüber der Stierkampfarena. Es paradieren und stolzieren die festlich
gekleideten sevillanos und sevillanas. (Die Hotelpreise auch). Man applaudiert laut unter Bravorufen den vorbeiziehenden Kutschen und ihren sichtlich würdevollen Insassen. Was für ein pralles Treiben! Viva España, jawoll!
Kutsche vor unserem Hotel "Adriano"; Festwoche in SevillaDas Hotel Adriano haben wir durch bloßen Zufall gefunden. Ein wahrer Glücksgriff. Sollte es mich nochmal nach Sevilla verschlagen, werde ich garantiert wieder hier logieren. Klein, schnuckelig, sauber, aller Komfort in den Zimmern, mit deutsch sprechendem Rezeptionisten, aufgewachsen in Herne. So haben wir es gerne. Sogar noch bezahlbar, das Zimmer, nicht der Rezeptionist. Er sagt, wir hätten Glück, weil heute der Preis sich nur verdoppelt hat und nicht verdreifacht, wie noch gestern.
An diesem Abend allerdings liege ich mit Fieber im Bett. Mir schlottern die Gliedmaßen, mir klappern die Zähne. Der Hals ist rau, die Mandeln sind geschwollen. Schluckbeschwerden, das Sprechen fällt mir schwer. Hagel, Blitz und Donner der letzten Tage haben ihre Spuren hinterlassen. Und in Deutschland, so sehe ich bei RTL, das ich hier im Zimmer empfangen kann, sind´s weiterhin 30 Grad.
Mein Mitfahrer Herbert, den ich vor dieser Reise über ein Gesuch im Internet kennengelernt hatte und der sich als stets freundlicher und fröhlicher Partner erwies, muss am folgenden Tag, der wieder mal ein radelfreier Tag ist, auf meine Gesellschaft verzichten. Ich bin froh, dass ich bei meinen Schluckbeschwerden nicht sprechen muss, kann aber, nachdem ich mich in einer Apotheke mit Medikamenten versorgt habe, trotzdem herumstromern und -strolchen und so viel von dieser wunderbaren Stadt am Fluss Guadalquivir entdecken.
Dann aber, am Tag danach, können wir wieder in die Pedale treten. Weil´s im Adriano kein Frühstück gibt, überhaupt an diesem ersten Mai so früh am Morgen, um 8 Uhr, noch alles schläft, können wir erst nach einer Stunde Radfahren eine offene Bar finden. Da sind die beiden Schankkellner selber ihre besten Kunden, bedienen sich nach Herzenslust an der offen daliegenden Schinkenkeule und säbeln sich, fortwährend und kräfitg kauend, mehr oder weniger dicke Scheiben runter. Der jamon iberico liegt in jeder Bar, und die Kunst des Portionierens besteht darin, möglichst dünne Scheiben aus der Keule herauszuschneiden. Nur dann entfaltet sich das ganz besondere Aroma dieser Spezialität voll.
Der Barista, selber sein bester Kunde, beim Jamon IbericoDer Weg, -zig Kilometer schnurstracks nach Süden, ist zu einem großen Teil etwas langweilig. Wie mit dem Lineal gezogen geht es viele Kilometer lang stur geradeaus. Gottseidank hat die in gleiche Richtung führende Autobahn allen Verkehr an sich gebunden. Erst später wird die Landschaft etwas hügelig und der Blick weitet sich über große landwirtschaftlich genutzte Flächen. Die Unwetter der letzten Tage haben sich verzogen, am Himmel schweben wunderbar weiße Wattewolken.
Nach 105 km und über 500 Höhenmeter erreichen wir Jerez. Die Stadt ist tot. An einem Heiligabend ist bei uns auf den Straßen mehr Betrieb als hier an diesem Maifeiertag. Alle Geschäfte sind geschlossen, sogar viele Bars. Von den Restaurants ganz zu schweigen. Wir entdecken ein geöffnetes Lokal. Da gibt es eine deutsche Speisekarte, die offeriert echte spanische Küche: "Iberischer Backe-Geruch", "Alter geheilter Käse" und "Lende der Eichel" zum Beispiel. Später finden wir in einem anderen Restaurant dann auch mal "Kichererbsen mit Fleischtücken". Man ist ganz auf die Bedürfnisse der deutschen Gäste einstellt. Viva España!
Speisekarte für Deutsche; Kichererbsen mit Fleischstücken gibt´s woandersUnser Hotel in Jerez de la Frontera ist ein wunderschön restauriertes altes Gemäuer, ein Vier-Sterne-Palast. Wir können es nicht fassen: Zum schier unglaublichen Preis von 40 Euro pro Nacht fürs einzeln zu nutzende Doppelzimmer. Inklusive Frühstücksbüffet - und das letztere mit allem Drum und Dran: Wurst, Käse, Eier, Kuchen, Säfte aller Art. Ohne iberischen Backe-Geruch.
Auf den folgenden Tag hatte ich mich ganz besonders gefreut: Besichtigung und Führung durch eine Sherry-Kellerei. So etwa 20 Kellereien gibt es. Wir besuchen nicht irgendeine, nein, DIE Kellerei schlechthin: TIO PEPE! Eine der berühmtesten Sherrymarken weltweit. Wenn jetzt aber jemand glaubt (wie ich im Vorfeld), eine solche Besichtigung sei Auftakt zu einem Gelage und eine günstige Gelegenheit für alle latenten und potentiellen Trinksüchtigen, sich mal so richtig, entschuldbar und unverdächtig mit Sherry abzufüllen, dann sei er gewarnt.
Wir werden mit einem albernen, auf alt getrimmten Bähnle durch das weitläufige Gelände kutschiert, vorbei an etlichen Millionen Litern, dürfen uns einen Werbefilm und endlos viele Fässer angucken, die angeblich dem Duke of Edingburgh oder Elton John oder ähnlichen
celebrities gewidmet und geweiht sind, von diesen vielleicht auch gespendet - und erhalten dann letztlich für den Eintrittspreis von 14 Euro noch 2 Sherry-Gläschen und 2 Tapas-Schälchen serviert. Na ja, ein wenig mehr hatte ich doch erwartet.
Da hocken wir zwei Königskinder dann ein wenig frustriert auf dem zentralen Platz in Jerez. Wie kommen die zwei Akkordeonspieler, die sich da jetzt anschleichen, bloß dazu, uns schmachtend die Ohren mit "mi corazon" und "mi amor" vollzusäuseln!? Machen wir etwa einen verliebten Eindruck?! Wir zwei alten Männer, hä?
Mi corazon und mi amor. Zwei lustige Musikanten.
Andalusisches Feuer und spanische Lebenslust scheinen sich zu vereinen in den zwei Flamenco-Tänzerinnen, die nebenan im Lokal ihre Körper winden und verdrehen, mit den Füssen stampfen und mit den Händen ringen. Die werden das doch nicht etwa der Touristen und des Trinkgelds wegen aufführen? I wo! Das Körbchen steht doch nur ganz zufällig da auf dem Hocker. Dennoch: Der Flamenco scheint wirklich gelebte Normalität zu haben, denn es gibt etliche Spezialgeschäfte, die nur die typischen andalusischen Flamencokleider führen.
Feuer, andalusisch, und Lust, andalusischAus Jerez kommen wir wieder mal nur mit ganz viel Schiss raus...
(Fortsetzung folgt)