Hallo Berliner, Martina, Tine und alle anderen
Gleich eine Warnung vorneweg: das wird jetzt etwas länger...
Also, das Thema Radwege ist auch eines meiner Lieblingsthemen. Es gibt dazu auch unter Radlern die verschiedensten Meinungen, und auch bei ADFC-Veranstaltungen ist darüber schon endlos diskutiert worden.
Soweit ich weiß, gibt es keine Statistik, die anhand Unfallzahlen belegt, dass Radfahrer auf Radwegen sicherer fahren als auf der Straße. Das Gegenteil ist der Fall. Ich persönlich fühle mich, zumindest innerorts, auf der Straße sicherer als auf dem Radweg. Die Gründe sind schon von anderen aufgeführt worden, es sind vor allem unübersichtliche Ausfahrten, mögliche Konflikte mit Fußgängern und die Tatsache, dass man generell für Autofahrer schlechter sichtbar ist. Und nicht nur in Berlin werden Radwege schlechter gepflegt als die Fahrbahn. Hier in Amberg haben sie gerade mal zu Ostern den Split vom Winterdienst von den Radwegen weggemacht. Glasscherben halten sich auf Radwegen auch oft monatelang. Wenn bei einem Autounfall Scheiben zu Bruch gehen, werden die Scherben oft einfach auf den Geh-/Radweg gekehrt, und da liegen sie dann.
Es passiert so gut wie nie, dass ein Radfahrer, der für Autofahrer sichtbar auf der Straße fährt, einfach umgefahren wird. Hauptursache bei Unfällen zwischen Rad und Auto ist, dass der Autofahrer den Radler nicht oder zu spät erkennen konnte. Natürlich trägt da manchmal auch der Radfahrer die Schuld ("Durchschlängeln", Fahren in falscher Richtung, Fahren auf dem Gehweg, mangelhafte/keine Beleuchtung,...), aber oft werden solche Situationen durch miserable Radwege oder allein durch das Vorhandensein von (benutzungspflichtigen) Radwegen hervorgerufen. Ich bin selber schon mehrmals von Autos an- oder umgefahren worden

, und bis auf einmal war das immer, als (besser: weil) ich einen Radweg benutzt habe!
Der ADFC setzt sich für die generelle Abschaffung der Radwegebenutzungspflicht ein. Das ist aber ein Ziel, das so schnell wohl nicht erreicht werden wird, da einerseits Politik und Verwaltung gaaaaanz langsam arbeiten, andererseits die Notwendigkeit dieses Schrittes von den Entscheidungsträgern (die nicht Rad fahren) nicht gesehen wird oder von der Autofahrerlobby dagegengearbeitet wird.
Als ersten Schritt hat man sich daher vorgenommen, zumindest die Benutzungspflicht auf gemischten Geh-/Radwegen und Zweirichtungsradwegen innerorts zu Fall zu bringen. Soweit ich weiß, sieht es da auch nicht so schlecht aus. Ich glaube sogar mich zu erinnern, mal gelesen zu haben, dass die Bayerische Regierung mit dem ADFC hinsichtlich der generellen Abschaffung der Benutzungspflicht einer Meinung war, obwohl ich das gar nicht glauben kann.
Was nun das Nachmessen der Radwegbreite angeht... da hast du leider Pech, Tine. Einziges Kriterium für die Benutzungspflicht ist nämlich, ob das blaue Schild mit dem Fahrrad (Zeichen
237) oder eines der Zeichen
240/
241 (gemeinsamer Rad-/Fußweg, Rad-/Fußweg nebeneinander) aufgestellt ist. Ist das an einem straßenbegleitenden Weg der Fall, darf der Radfahrer die Fahrbahn nicht benutzen! Die Mindestbreite und andere Anforderungen, die ein Radweg zu erfüllen hat, dienen lediglich als Maßgabe an die Behörden, ob sie solche Schilder hinstellen dürfen. Aber wenn das Schild mal steht, ist der Weg benutzungspflichtig und der einzelne Radler hat nicht das Recht, selber zu entscheiden, ob der Weg den Anforderungen genügt und ihn dann evtl. nicht zu benutzen. Sinn dieser Regelung ist, dass es in AUSNAHMEFÄLLEN auch möglich sein muss, einen Weg neben einer für Radfahrer absolut ungeeigneten Straße als benutzungspflichtig auszuweisen, auch wenn der z.B. ein wenig zu schmal ist. Außerdem sollte eine gewisse Übergangsmöglichkeit geschaffen werden. Der Gesetzgeber ging wohl davon aus, dass die Kommunen ihre Radwege überprüfen und da, wo die Kriterien nicht erfüllt sind, die Schilder auch mal wegmachen. Die Erfahrung zeigt leider, dass das so gut wie nirgends der Fall ist, dass sogar munter weitere Radwege gebaut und beschildert werden, die den Anforderungen nicht genügen. Da auch Eingaben an die Behörden meist keine Wirkung haben, bleibt als einzige Möglichkeit, gegen vorschriftswidrige Radwege zu klagen. Der ADFC Hamburg unterstützt zur Zeit einige derartige Klagen von Radfahrern, wovon zumindest eine wohl schon erfolgreich war.
Apropos Hamburg. Ich hatte letzten Sommer auf der Rückreise aus Schweden (dank gnadenloser planerischer Fähigkeiten bei der Bahn) einen Tag Aufenthalt in Hamburg und bin da auch eine Menge rumgeradelt. Die Radwege sind ja die reinste Katastrophe!!! Habe noch nirgends so miserable Wege gesehen wie dort. Und als benutzungspflichtig ausgeschildert. Zu schmal, unübersichtlich, Kopfsteinplaster, Baumwurzeln, ... Trotzdem sind eine Menge Radfahrer drauf gefahren, was ich überhaupt nicht verstehen konnte.
Eine Alternative zu Radwegen sieht die StVO in sog. Radstreifen vor. Das sind markierte Spuren für Radfahrer, aber auf der Fahrbahn (am rechten Rand). Sind in den meisten Fällen wesentlich besser als Radwege, da man im Blickfeld der Autofahrer ist. Sie sind auch ohne großen baulichen und finanziellen Aufwand einzurichten, allerdings muss dazu den Autofahrern was von ihrer Fahrbahn genommen werden. Und oft sind auch diese Radstreifen nicht der Weisheit letzter Schluss.
Übrigens gibt es schon auch das Kriterium der "Zumutbarkeit", wenn es um die Benutzungspflicht von Radwegen in schlechtem Zustand geht. Aber das ist eher etwas für die Gerichte, wenn es zur Klage kommt, weil man nicht auf dem Radweg gefahren ist. Da hat es schon einige Urteile zugunsten von Radfahrern gegeben.
Noch was: In Ingolstadt führt der stellvertretende Vorsitzende des ADFC Bayern, Thomas Kirchhammer, einen Kampf gegen das Zusatzschild "Radfahrer absteigen", das vor allem an Baustellen gut gedeiht. Seine Argumentation: Das Schild für sich allein hat keine verkehrsrechtliche Wirkung (ein Schild "Fußgängerweg" allein besagt das selbe), es führt jedoch oft zu der irrigen Annahme, dass die Radfahrer ihr Fahrzeug hier nur schiebend auf dem Gehweg (der ja nun kein Radweg mehr ist) bewegen dürfen. Dem ist aber nicht so! Endet der Radweg, darf der Radfahrer auf der Straße fahren, es sei denn, es ist durch ein entsprechendes Verbotsschild "Radfahren verboten" (Zeichen
254) explizit untersagt. Keinesfalls darf er auf dem Gehweg fahren, d.h., wenn er fährt, MUSS er es auf der Straße tun. Und das Schild "Radfahrer absteigen" besagt keinesfalls, dass man das nicht darf.
So, jetzt freue ich ich auf die wuuunderbaren Radwege in unserer schönen kleinen Stadt, wenn ich heimfahre... fast nur gemischte Geh- und Radwege, zu befahren in beiden Richtungen... und das, obwohl sich unser
Oberbürgermeister auch als Radfahrer bezeichnet (naja, an einer Straße haben sie nach zwei tödlichen Unfällen jetzt das Radwegschild weggemacht und durch
"Fußweg" mit Zusatz "Radfahrer frei"
(drittes von unten) ersetzt).
Aber was kümmern mich die schlechten Radwege, ich fahre eh (meistens) auf der Straße, schließlich will ich am Leben bleiben. Ist schon fast ein Skandal, dass man Gesetze übertreten muss, wenn man etwas für seine Sicherheit tun will.
So, das war's erst mal.
Ich wünsche euch allen unfallfreies Fahren!
Und mir auch...

Andreas