Welch wunderbarer Tröt!
Ich war schon immer Fahrrad-Affin veranlagt. Kein Wunder, denn in dem kleinen, weitläufigem Dorf an der Niederelbe war man als Kind ohne ziemlich aufgeschmissen. Wenn mein Vater es mal aus disziplinären Gründen mit einer Kette anschloss, war das die Höchststrafe – na, ja, bis ich irgendwann passende Zweitschlüssel fand.
Ich hatte immer irgendwie zusammengefriemelte Alträder, denn viel Geld war in den 50ern, Anfang 60er nicht da. Reparieren musste ich alles alleine. Platten oder Glockenlager (wer kennt die heute noch?) einstellen lernte ich „by doing“ und im zarten Alter von, ich glaube 10 - 12 Jahren, speichte ich meine ersten Laufräder nach Vorbild ein. Ich brauchte Tage um die Höhen- und Seitenschläge heraus zu bekommen und sowas wie dieses Forum oder Youtube gabs damals ja noch nicht, nicht mal vernünftige Literatur. Die Teile liefen noch einige Jahre ganz prima.
Meine erste Radtour machte ich dann mit Mitte 20, sozusagen zur Feier meines Abiturs über den zweiten Bildungsweg. Zu der Tour wurde auch ich durch die Bücher Helfgens inspiriert, die damals noch in unserer Stadtbücherei standen.
Es ging mit einem billigen 21-Gang Rad von Lübeck nach Süden, durch die Heide, an allen möglichen Flüssen entlang bis Villingen-Schwenningen, durch den Schwarzwald , den Feldberg hinauf und wieder hinunter ins Wiesetal. Wenn ich an den Ritt den Feldberg hinunter mit diesen schrottigen Felgenbremsen denke, dann wundere ich mich heute noch, da heil heruntergekommen zu sein. Ich habe heute noch die abgebrochenen Spieren an den Tannenstämmen in den Kurven im oberen Teil vor Augen und den entsetzten Blick eines Fiat 128? Fahrers, an dem ich auf der mehrspurigen Straße langsam vorbei zog. Er zeigte mir aufgeregt 8 Finger, was wohl für 80 km/h stehen sollte. Die neuen Bremsschuhe, die ich noch Tags zuvor angeschraubt hatte, waren anschließend runter.
Vom Wiesetal wollte ich rüber zum Rhein nach Säckingen. Oben auf der Höhe stand ein riesiger Kirschbaum allein in der Landschaft, voll mit schwarzen, dicken Kirschen. In Säckingen wollte mich der Schweizer Grenzer nicht einreisen lassen, da Gesicht, Hände, Klamotten über und über mit blauen Flecken versehen waren. Ich! war der Erfinder der Milka-Kuh!
Im damals noch verschlafenen Kaiser Augst die von Pörtner so schön beschrieben Römerruinen angesehen, im Elsaß in einer Kneipe das blitzschnelle Umschalten der Gäste von Deutsch auf Französisch erlebt, als ich mein Bier bestellte, durch das Rheinische Schiefergebirge von heftigem Südwind durch das Tal förmlich „geschossen“ worden, in Königswinter mit allen Klamotten in einem Springbrunnen der Rheinpromenade gebadet (es war ein elendig heißer Sommer), Amsterdamer Lebensart genossen und in Friesland fiesen Gegenwind. Meine Ausrüstung war schrottig, aber es war herrlich!
Und dann kam … jahrelang nix. Beruf und Familie ließen es nicht zu.
1999 dann mit deutlich besserem Rad und Ausrüstung durch Norwegen. Absolute Highlights: Auf dem Rallarvegen durch die Hardanger Vidda, kilometerlange Tunnel finster wie die Hölle und am Jøssingfjord? ein paar hundert Meter eine steile Felswand hinunter, in die die Norweger eine Straße gesprengt hatten.
2000 dann von Rosenheim über Salzburg, Zell, Groß Glockner und Dolomiten-Höhenstraße nach Südtirol und über den Brenner zurück.
Das wars aber erst einmal mit Radtouren und die nächsten Jahre war ich mit dem Faltboot auf allen möglich Gewässern Europas unterwegs, bin zu Fuß viele tausend Kilometer in England, Schweden, Norwegen, Schweiz, Italien und natürlich Deutschland unterwegs gewesen.
Und dann meinte eines Tages die beste Claudia von allen, wir könnten doch einmal eine Radtour durch Dänemark machen. Der folgte eine zweite mit Island-Hopping durch die dänisch Südsee und eine dritte auf dem Ostseeküstenradweg (D).
Und nun ist es wieder da, das Radwandervirus und ich denke, so schnell komme ich davon nicht wieder los.
Folgerichtig soll es dann Ende April zweieinhalb bis drei Monate durch Frankreich gehen.
Der olle Helfgen mit seinem Patria WKC ist schuld!
HAL