Warum in die Türkei?
Weder Bernd noch ich waren schonmal in der Türkei gewesen und eigentlich stand die Türkei bisher auch nicht auf unserer "todo"-Liste der noch zu bereisenden Länder. Trotzdem waren wir neugierig - wir wohnen in Berlin Wedding - mal das Heimatland unserer Nachbarn kennen zu lernen. Außerdem hängt über unserem Küchentisch eine Europakarte und die Topographie des Landes erschien uns interessant. Die Urlaubsplanung ließ 2 Wochen Ende Februar/Anfang März zu - vielleicht nicht die günstigste Zeit, aber machbar und klar war auch vorab, dass wir ins Landesinnere wollten, Berge und Hochland sehen. Mithilfe der zahlreichen Tipps hier im Forum wurde eine grobe Route geplant und los gings: Die Reise sollte von Antalya nach Norden gehen, über die beiden Seen Egidir- und Beysehir-See nach Konya, von dort weiter nach Aksaray und von dort über Ihlara, Derinkuyu, Göreme und Ürgüp nach Kayseri und weiter nach Sivas, von wo dann der Rückflug abging.
Wir starteten in Berlin bei -5°C und leichtem Schneefall, kurze Schrecksekunde auf dem Weg zum Flughafen, als Bernd festellt, dass sein frisch reparierter Freilauf mit den winterlichen Temperaturen nicht zurechtkommt und er immer wieder ins Leere tritt. Also schnell nochmal zurück und das nächstbeste Hinterrad gegriffen, dass verfügbar war. Leider mit RR-Kassette und ziemlich profillosem Reifen - zumindest die Kassette hat er im weiteren Verlauf der Reise an einigen Anstiegen ziemlich verflucht.
In Antalya Ankunft bei milden 15°C und etwas Sonne. Wir radeln in die Altstadt, wo wir für sehr kleines Geld eine Pension für die erste Nacht gebucht hatten, drehen noch eine Runde durch das sehr aufgehübschte aber nette Städtchen und freuen uns auf den nächsten Tag.
Am nächste Tag gehts endlich los. Wir verlassen die Stadt und das Umland durch Unmengen von Gewächshäusern Richtung Norden und vertrödeln noch eine Menge Zeit mit der Suche nach Gaskartuschen. Eine Kartusche finden wir zunächst nicht, bekommen aber ein etwas angegrautes, unverkäufliches Muster als Fotoobjekt, so dass wir in den folgenden Läden zumindest besser erklären können, was wir suchen:
Wir folgen der 685 und machen eine für uns völlig neue Erfahrung: Immer wieder bietet sich die Gelegenheit in kleinen Lokalen und Gaststätten lecker zu essen. Da wir sonst eher in dünner besiedelten Regionen unterwegs sind, besteht der übliche Reisespeiseplan aus Nudeln mit Tomatensauce. Kulinarisch war die Türkei daher für uns echt eine Offenbarung!
Nach einer Nacht irgendwo im Nirgendwo abseits der Straße geht's am nächsten Tag weiter Richtung Egirdir. Wir staunen weiter über das Speise-Angebot:
und langsam wird die Landschaft auch spektakulärer:
wobei spektakuläre Landschaft allzuoft mit Bergen und diese immer und zwingend mit Steigungen verbunden sind.
Trotzdem oder grade drum, wir sind begeistert.
Gegen Mittag erreichen wir das Örtchen Egirdir. Geht man von der Zahl der Pensionen aus, muss das hier in der Saison eine ziemliche Touristenatraktion sein. Um diese Jahreszeit ist es recht verschlafen, auch wenn die Kulisse der schneebedeckten Berge - die Schneegrenze liegt bei etwa 1500m - fantastisch ist.
Nach kurzer "Stadt"-Besichtigung biegen wir ab Richtung Beysehir. Auf quasi nicht befahrener Straße gehts über eine Hochebene. Bei der Kulisse fühlen wir uns immer wieder ein bisschen an Kirgistan erinnert.
Zwischendurch scheint die Sonne so schön, dass wir die Zeit nutzen, um einen Kaffe zu kochen und derweil die Wäsche zu trocknen...
Die Nächte sind bereits ziemlich kalt, aber dieser Morgen ist zweifellos einer der schönsten der Reise:
Um den Bergrücken zum Beysehir-See zu queren wählen wir zunächst die Pistenroute. Dieser Pass ist zwar deutlich niedriger als die offizielle Straße, aber ein Hauptteil der Strecke verläuft am Nordhang des Berges, so dass wir recht bald im Schnee steckenbleiben.
Über gut einen Kilometer ist der Schnee so verharscht, dass es sich noch einigermaßen schieben lässt, als der Schnee weicher wird und wir bis zu den Naben einsinken, brechen wir die Aktion aber ab und kehren um, um die Hauptstraße zu fahren.
Hinter uns verabschiedet sich langsam der bis dahin immerblaue Himmel von uns. Es wird düster und erste Schneewolken ziehen auf. Der Hauptübergang liegt zwar um einige Höhenmeter höher, ist aber geräumt und gut zu fahren.
Nach einer super(kalten) Abfahrt stoppen wir an einem Teehaus. Eigentlich ist der Laden noch geschlossen, aber der Besitzer ist neugierig und lädt uns in seinen Gastraum ein. Netter Stop, zumal wir hier auch diesen kleinen Kerl mit dem klangvollen Namen "Pascha" kennenlernen:
Wir passieren noch zwei kleine Dörfer und fahren weiter entlang des Sees auf der Suche nach einem geeigneten Schlafplatz.
Auf einer kleinen Halbinsel werden wir fündig. Als wir uns das Gelände anschauen, werden wir von den zwei kleinen Kindern einer Familie entdeckt, die dort beim Angelausflug sind. Wir werden zum Picknik eingeladen und mit soviel Essen versorgt, dass wir Mühe haben, alles uns angebotene auch zu vertilgen.
Auch dieser Morgen kann sich sehen lassen. Nachdem es die Nacht durch geregnet hatte, hat das Wetter sich beruhigt und die Sonne scheint wieder.
Wir brechen auf Richtung Beysehir. Heute wollen wir nur eine kurze Etappe fahren und uns in Beysehir ein Hotel nehmen, die Dusche ruft.
Gegen Mittag beginnt es wieder zu regnen und die letzten Kilometer nach Beysehir ackern wie mit Gegenwind durch den kalten Regen, so dass kurz vor der Stadt noch eine Frust-Chips-Tüten-Pause fällig ist.
Wir mieten uns in einem Hotel in einem riesigen Zimmer ein, dass sofort mit allem nassen Plunder dekoriert wird. Wir erkunden das Städtchen, treffen einen türkischstämmigen Norweger der grad mit dem Auto aus Norwegen angereist ist
und vertrödeln den restlichen Tag.
Am nächsten Morgen statten wir noch der Holzsäulen-Moschee einenn Besuch ab. Die ist aber leider geschlossen und so machen wir uns auf den Weg Richtung Konya.
Auch dieser Streckenabschnitt gefällt uns landschaftlich wider Erwarten gut.
An einem Straßenlokal werden wir von einem Herrn angesprochen und eingeladen, mitzukommen. Er sei Schuldirektor in der Schule eines Bergdorfs 4 km von dort und würde sich freuen, wenn wir ihn besuchen würden. Wir sind neugierig und freuen uns über das Angebot. In der Schule unterrichten 11 Lehrer ganze 36 Schüler. Wir werden bewirtet und gebeten, den Kindern über uns und unsere Reise zu erzählen, um sie zu motivieren und ihnen zu vermitteln, wie wichtig es ist, englisch zu lernen. Klar, das tun wir gern. Und Dank einer Einladung des Englischlehrers zur Übernachtung bei sich in Konya ist auch die Schlafplatzfrage für heute geklärt.
Auch dort werden wir wieder üpppig bewirtet, bekommen noch eine Führung durch das abendliche Konya und einen Einblick in das religöse Leben einer Familie in Konya.
Wir verlassen die Stadt am nächsten Morgen, staunend, unter was für einer Smogglocke die Stadt hängt und fahren Richtung Aksaray. Da die Straße langweilig und öde ist, der Wind von vorn kommt und wir schon etwas hinter unserem Zeitplan hängen, entscheiden wir bei der Rast an einer Tankstelle, die nächsten 130 km mit dem Bus zu überbrücken. Der nette Tankstelleninhaber meldet uns für den nächsten vorbeikommenden Bus an, eine halbe Stunden später stellen (!) wir unsere Räder in den Gepäckraum und rollen sehr komfortabel Richtung Aksaray.
Das kleine Städtchen Aksaray verlassen wir Richtung Süden, Richtung Helvadere, hin zu den schneebedeckten Bergen.
In den kleinen Dörfen unterwegs bietet sich immer wieder Gelegenheit für üppige, leckere Mahlzeiten. Unsere zu Beginn gekauften, eigentlich bei allen anderen Touren obligatorischen Nudeln, schaukeln wir jetzt bereits seit einer Woche unangetastet durch die Landschaft.
Nach einer Nacht auf irgendeinem Acker erreichen wir am nächsten Tag schon relativ zeitig Ihlara, gleich am Beginn der gleichnamigen Schlucht gelegen, in der viele gut erhaltene Höhlenwohnungen und Kirchen zu finden sind. Wir haben allerdings etwas Probleme, erstmal den Eingang zu dem Tal zu finden.
Das Dorf liegt quasi in der Schlucht, dessen Zufahrtstraßen eine gefühlte Steigung von 20% haben und die wir mehrfach runter und wieder rauf ackern bis wir den kleinen Eingangsbereich entdecken, unsere Räder dort parken und zu Fuss in das Tal aufbrechen. Das Tal ist einfach toll - es gibt unendlich viele Möglichkeiten, in den Höhlen herumzukraxeln. Wir sind quasi allein unterwegs. Erst als wir den Haupteingang eine Kilometer Talabwärts erreichen, wo die Busladungen die Treppen hinab, in eine der Kirchen hinein und die Treppe gleich wieder hinauf geführt werden, treffen wir auf andere Touristen.
Es ist schon Nachmittag, als wir das Tal verlassen und über das Dörfchen Selime weiter nach Güzelyurt fahren.
In diesem touristischen Zentrum solls mal wieder ein Bett mit Dusche sein, allerdings halten die meisten Hotels noch Winterschlaf. Zufällig sehen wir im Vorbeifahren ein kleines Familienhotel, das extra für vier andere Gäste geöffnet hat. Ein wirklich schönes Plätzchen mit einer ausgesprochen netten Gastgeberfamilie, deren Angebot, unser Zelt im Innenhof aufzustellen wir nach Besichtigung der Zimmer sofort ausschlagen. Wieder gibt es üppiges Essen, bevor wir ins Bett fallen.
Als wir am Morgen aufwachen ist es ziemlich dunkel im Zimmer. Vor dem Fensterchen türmt sich der Schnee, der Winter hat uns eingeholt.
Zur Weiterreise Richtung Derinkuyu haben wir nun zwei Optionen, wieder ein paar Höhenmeter runter durch das Flachland - laut unserem Gastgeber noch schneefrei, oder durch die Berge über zwei 1700er Pässe, landschaftlich angeblich besonders schön mit toller Aussicht. Wir wählen die 2. Variante, verabschieden uns und strampeln los.
Die Straßenverhältnisse sind nicht ganz optimal, aber fahrbar.
Bloß das mit der schönen Aussicht, das will nicht klappen.
Irgendwo im Nebel passieren wir eine Schule, wo sich die Kinder erst mal begeistert fürs Foto in Pose stellen, bevor es dann noch ein paar Schneebälle auf unsere Mützen gibt.
Irgendwann, wir haben den 2. Pass erreicht und rollen bergab, lichtet sich dann der Nebel doch und gibt den Blick frei auf die vor uns liegende Ebene.
Es folgt eine superschöne Abfahrt, wir passieren die Schneefallgrenze und landen - im Regen.
Es geht durch eine kleine trostlose Siedlung, bevor wir auf eine trostlose Straße zum noch trostloseren Derinkuyu abbiegen.
Wir besichtigen noch die unterirdischen Städte, die uns aber nach unsere Begeisterung vom Ihlara-Tal ziemlich enttäuschen. Da es bald dämmert und wir völlig durchgeweicht sind, nehmen wir uns im einzigen, recht verlotterten Hotel der Stadt ein Zimmer zu einem im Vergleich zum Vortag unverschämten Preis und hoffen auf besseres Wetter.
Ob's am Wetter lag, oder ob die Ecke wirklich so düster war - an diesem Nachmittag kam uns wirklich alles um uns herum extrem trostlos vor.
Der nächste Tag startet nicht viel besser. Es schneit, der Wind bläst heftig und von vorn.
Nach 15km hat ein LKW-Fahrer Mitleid mit den beiden Verrückten und die 20 km bis zum nächsten Abzweig geht's warm und schnell voran.
Ganz kurz zeigt sich dann sogar mal die Sonne, bevor der Schneesturm wieder los geht. Die Straße zieht sich hoch auf eine Hochebene, wo der Wind dann richtig eklig wird.
Auch die Kaffeepause ist irgendwie nicht so richtig gemütlich und ganz kurz überlegen wir - eigentlich eher ich
- das Zelt aufzubauen und das schlechte Wetter abzuwarten. Aber die Straße ist befahrbar und wer sich bewegt ist warm, also fahren wir weiter. Kann ja nicht ewig so weitergehen.
Ersatzhinterrad mit Slick in passendem Einsatzgebiet Tatsächlich, irgendwann klart es tatsächlich auf, wir verlassen die Hochebene (und den eisigen Wind) und die nächsten Kilometer Richtung Ürgüp sind landschaftlich einfach sensationell.
Tagesziel für heute soll Göreme sein, was wir dank der LKW-Fahrt am Morgen auch tatsächlich noch im Hellen erreichen, auch wenn uns das Staunen über das Licht und die Landschaft auf den letzten Kilometern nochmal ordentlich ausbremst.
Göreme erscheint uns wirklich das Disneyland von Kappadokien zu sein. Am nächsten Tag machen wir uns ohne Gepäck auf Besichtigungstour. Start ist das Göreme-Freilichtmuseum, in dem die Busladungen selbst im Winter im Minutentakt einfallen. Was ist bloß hier im Sommer los?
Zwischen all den Busgruppen kommen wir uns ein bisschen vor, wie von einem anderen Stern.
Über beste Radwege geht's weiter ins Zelve-Tal. Wieder viele viele gut erhaltene Wohnhöhlen zum klettern und entdecken. Ein spannendes Plätzchen.
Erstaunlicherweise sind wir mit 2 anderen Touristen über Stunden die einzigen Gäste. Auf die Frage, warum das so sei, erklärte der Inhaber des Souvenir-Ladens uns dann, dass das Tal für die Busreisegruppen zu unübersichtlich sei. Für eine Gruppe müsste eine Besuchszeit von mindestens 1,5 Stunden eingeplant werden. Die haben die meisten organisierten Touren einfach nicht.
Nach einem kurzen Abstecher über eine kleine Karawanserei geht's dann über Piste zurück nach Göreme. So zumindest der Plan, allerdings bremst uns der nasse Schlamm derartig aus, dass die Räder streckenweise nicht mal mehr zu schieben sind.
Auch wenn wir ziemlich geflucht haben, landschaftlich war es ein toller Abschnitt.
Den Abend verbringen wir Tee-trinkend bei einem Ladenbesitzer, mit dem zuvor ins Gespräch gekommen waren, und der uns eingeladen hatte, ihm Gesellschaft zu leisten.
Am nächsten Morgen geht's weiter Richtung Kayseri. Da wir jetzt ziemlich viel Zeit in Kappadokien verbracht haben, ist klar, dass wir auch die letzten Kilometer von Kayseri nach Sivas mit dem Bus überbrücken müssen. Da wir nach Kayseri nicht die Hauptstraße fahren wollen, geht's über Ürgüp nach Süd-Osten, noch einmal durch die Berge und von dort runter in die Tiefebene.
Bevor wir uns abseits der Straße ein Plätzchen für die Nacht suchen, pausieren wir noch in einer Bäckerei,
neugierig beäugt von diesem kleinen Kerl.
Im Bus geht's dann am nächsten Tag von Kayseri nach Sivas. Dort trödeln wir noch ausgiebig durch die Straßen und bestaunen die Schaufensterauslagen.
Am nächsten Morgen dann Abfahrt zum Flughafen, der - das hatte ich irgendwie völlig verdrängt - auf 1600m auf einer Hochebene liegt. Recht bizarr, dieser kleine Flugplatz im Nirgendwo mit dem einen und einzigen Flugzeug, dass uns nach Istanbul bringen sollte. Aber dass wir nun am Schluss nochmal 300 m hoch müssen, hätte es nicht unbedingt gebraucht.
Wir erreichen Berlin bei dem gleichen Wetter, bei dem wir es verlassen haben. Leichte Minusgrade und Schneefall, und rollen vorbei an Döner-Läden und Tee-Stuben durch den Wedding nach Hause.
Kurzes Fazit: die Türkei hat uns unheimlich gut gefallen. Die Landschaft war toll, die Menschen, die wir getroffen haben herzlich und die leibliche Versorgung wahrlich (und ungewohnt) gut. Die zu Beginn der Reise gekauften Nudeln warten bis heute auf ihre Verwendung. Für eine 2-Wochentour haben wir sehr sehr viel erlebt und in keinem anderen Land bisher haben uns soviele Menschen ein "Welcome" zugerufen, wie in der Türkei.
Auch wenn wir jetzt da waren, es landet wieder auf unserer "to do"-Liste.
Britta und Bernd