Buona seraan alle, die sich für den italienischen Stiefelabsatz interessieren!
Wir sind von unserer zweiwöchigen Apulientour wieder zurück.Ich hatte mich im Vorfeld ja nicht nur hier in diesem Forum intensiv darum bemüht, Informationen über das Radreiseland Apulien zu bekommen. Mit ganz wenigen Ausnahmen vergeblich, dafür immer mit der Bitte, hinterher irgendetwas davon im web zu veröffentlichen. Die
ersten Impressionen nach unserer Rückkehr schreibe ich deshalb auf. Sie sollen weder eine eigene Homepage (in Planung), noch den Aushang von Fotos bei pixum, Ende der Woche ersetzten.
Wer sich für das Reiseziel Apulien - Süditalien - Mezzogiorno entscheidet, der ist bestimmt nicht das erste Mal in Italien. Der hat wahrscheinlich schon die Toscana, die oberitalienischen Seen, Venetien und vielleicht auch schon Rom gesehen.
So wie wir. Wir hatten auch gewußt, daß
Süditalien anders ist. Aber jetzt haben wir es erlebt. An das Ausmaß, wieviel anders, mußten wir uns erst gewöhnen und auch lernen damit umzugehen.
Apulien ist von den Landschaften her viel
abwechslungsreicher als Norditalien, aber mit harten Kontrasten. Das liebliche Itria-Tal mit seinen Olivenhainen, den blühenden Feldern und dazwischen ein putziger Trullo, ist etwas ganz anderes die karstige murgia, der wie schwach bewachsene Teil der schäbischen Alp imponieren - irgendwie lebensfeindlich. Die imposante Gargano-Steilküste etwas ganz anderes als der stark bevölkerte Küstenstreifen Brindisi - Bari - Manfredonia oder der stark industrialisiert Golf von Tarent.
Die vor allem im Tavogliere betriebene Landwirtschaft hat ungeahnte Ausmaße. Felderweise Petersilie, Dill, Fenchel, Artischocken, Bohnen... alles was bei uns in einer Ecke des Gartens wächst, gibt es dort in unglaublicher Fülle.
Es gibt sehr schöne Städte dort. Aber Apulien ist ein überraschend
stark bevölkerter Landstrich! Die Städte sind dementsprechend groß. Kaum Städte unter 10.000 Einwohner, die meisten "Kleinstädte" sind 25 - 40.000. Bevor man zu einer im Reiseführer beschriebenen schönen Altstadt gelangt, muß man eine große, oft sehr häßliche Neustadt in der Tausende von Menschen in engen Verhältnissen (Geschoßwohnungsbau) leben, durchdringen. Mit dem Rad oft kein einfaches Unterfangen!
Wer wie wir im
Frühjahr (April) dorthin reist, der sollte sich
keinen Frühsommer versprechen. Auch wenn die Temperaturen 5 - 10 Grad über den unseren liegen, 2 - 3 Regentage, kalter Wind, ein völlig verhangener Himmel sind genauso drin wie strahlender Sonnenschein.
Es herrscht aber ein
wunderschöner Frühling dort. Die Farbe des Frühlings ist im Gegensatz zur Toscana nicht der rote Mohn, sondern Teppiche orange-gelb blühender, kleinere Pflanzen. Die Olivenbäume treiben ungewohnt kräftig grün aus. Auf der roten Erde grünt und blüht alles. Reife Zitronen und Orangen hängen noch, derweil der Baun schon wieder blüht. Nur Laubbäume, die bei uns das Bild des Frühlings sehr stark prägen, sucht man vergebens.
Italien sei
ein armes Land mit vielen Reichen. Das stimmt irgendwie und zeigt sich an vielen Punkten. So sind z.B. etliche Nebenstraßen, die man als Radler gerne nutzt, non bituminata oder katastrophal ausgeschildert. Hilft nur fragen! In wirklich armen Städten sucht man abends auch vergeblich nach einem Ristorante, findet auch nur wenige Trattorien dafür aber viele Take-away-Pizzerien. Dafür erlebt man es immer wieder wie unmöglich herablassend reichere Italiener sich öffentlich benehmen.
Kein Geld ist auch für die Unterhaltung kunsthistorischer Bauten vorhanden. Das berühmte Castel des Monte beschert einem während der Auffahrt auf die 540 m hohe Stauferkastell einen unvergesslichen Eindruck, nur besichtigen braucht man in diesen oktogonalen Staufferbau eigentlich nicht. Es steht alles leer. Ausnahmen bilden die Städte mit UNESCO
Weltkulturerbe: Trulli in Alberobello und die Sassi in Matera; beides unvergleichlich, Fotos abwarten!
Radtouristen sind absolute Exoten. Man wird in der Regel bestaunt und beklatscht, ist aber manchmal das Ziel von Aggressionen. In Einzelfällen betiteln Jugendliche einem mit deutschen Schimpfwörtern oder werfen mit Gegenständen nach dem Rad. Da hilft es nur, auf den im Land unglaublich verehrten deutschen Landsmann M. Schuhmacher hinzuweisen. Dann kippt die Stimmung!
Es gibt abgesehen von der Küste gibt es in Apulien
kaum touristische Infrastruktur. Hotels überhaupt nicht vorhanden oder nur im Sommer geöffnet. Wir waren oft die einzigen im Hotel oder Ristorante, außer dem ewigen Begleiter, dem laufenden Fernseher.
Ohne italienische
Sprachkenntisse geht's nicht - und zwar gar nicht. Englisch wird oft noch nicht mal verstanden. Zurückgekehrte Gastarbeiter aus Deutschland sind rar. Dabei sind Pugliesen ein sehr kommunikatives Völkchen, immer kontaktfreudig, hilfsbereit, liebenswürdig. Und da auf einer Radtour durch solch ein Gebiet ein Teil des Erfolges im Lösen ungeahnter Probleme liegt, braucht man etwas Italienisch. Nicht zuletzt muß man ab und zu auch einen Carabinieri beschwätzen und "bestechen" können.
Süditalienische Lebensweise muß man mitleben; wir taten es sehr gerne. Also zum "Frühstück" schnell in der nächsten Bar einen Cappuccino und ein Brios. Mittags ernährt man sich von Panini. Und immer einen Cafe (= Espresso).
Wer abends Hunger nach MEZS hat, steht um 19 Uhr noch vergeblich vor einer Trattoria , ab 20 Uhr kommt man zwar rein, sitzt aber mit der gelangweilt fernsehschauenen Familie des Wirtes noch recht alleine herum. 20:30 Uhr geht's eigentlich richtig los, um 21 kommen die ersten einheimischen Gäste und dann geht's ab.
Sehr gefallen hat uns das abendliche süditalienische Miteinander. Kommt man um 15 Uhr in eine Stadt, könnte man depressiv werden. Trotz schönstem Wetter kein Mensch zu sehen, alle Geschäfte zu, noch nicht mal die Bars offen. Das ändert sich erst ab 17 Uhr. Doch dann füllen sich die Straßen. Danach flanieren Tausende auf dem Corso Vittorio Emmanuele II, palavern oder sitzen vorm Palazzo der Lega dei pensioneri.
Von dem immer wieder thematisierten Problem der Kriminalität haben wir nur bemerkt, daß sich viele dadurch schützen wollen, daß sie freilaufende Hunde auf ihrem Grundstück oder auch dem Feld haben. Nicht nur ein Ärgernis für Radler. Erstmals haben wir regelmäßige Adrenalinstöße wegen Vierbeinern durchlebt.
Soviel als erstes...