So, hier der 2.Teil der Tour und der Link zu den Bildern:
https://picasaweb.google.com/10147426678...feat=directlinkDer erste Teil endete in Xiangcheng zwischen Derong und Litang
17.5.
Wir wollen früh los, da uns heute wieder viele Höhenmeter erwarten, doch daraus wird leider nicht so richtig was, weil erst nach 45 Minuten Krachschlagen ein Hotelangestellter kommt und uns das Tor aufschließt. Wir haben strahlend blauen Himmel bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Die ersten 30 km sind ein ständiges rauf und runter mit wenig Höhengewinn. Im Tal das wir langsam hochfahren gibt es viel Bergbau und die LKW die den Abraum abtransportieren sind in z.T abenteuerlichem Zustand. Einer überholt uns mit 2 total zerfetzten Reifen. Schließlich geht es in Serpentinen zum Eingang einer wildromantischen Schlucht, in der die Strasse in die Felswand gehauen ist. Überall blühen Rhododendren, doch wie so oft erlauben die Lichtverhältnisse keine ordentlichen Fotos. Langsam geht die Schlucht in ein weiteres Tal mit Weiden und Buschwald über, doch der Frühling ist hier oben noch nicht so richtig angekommen. Das Wasser der kleinen Bäche ist zum Glück ausgezeichnet und da uns klar wird, daß wir den vor uns liegenden 4700 m hohen Pass heute wohl nicht mehr schaffen und beginnen wir uns nach einer Campsite umzuschauen, als vor uns eine kleine Siedlung auftaucht. Es handelt sich dabei um eine Art Touristendorf im mehr oder weniger traditionellen Baustil der Gegend inklusive kleinem Tempel und Stupa. Noch ist aber nichts los und die Ferienhäuser sind z.T. noch von Hirtenfamilien belegt. Angenehmerweise gibt es auch einen kleinen Laden mit Restaurant und so gibt es ein leckeres Abendessen und heißen Tee. Übernachten können wir im ungenutzten „Speisesaal“, der nicht viel mehr als ein Bretterverschlag ist. Nach 58 Tageskilometern und ca. 1800 Höhenmeter befinden wir uns auf ca. 4200 m.
18.5.
Am frühen Morgen haben wir in der Hütte 0 Grad. Wir frühstücken hastig ein Stück Kuchen und haben es eilig Bewegung zu bekommen. Leider liegen die ersten Kilometer im Schatten, aber der Pass liegt schon sichtbar in der Sonne. Kurz unterhalb des Passes stehen etliche Motorräder und an den Hängen sind vereinzelt Menschen zu sehen, aber das Vieh befindet sich noch auf den tiefer gelegenen Weiden. Was wollen die alle hier oben? Der Pass liegt laut Schild auf 4708 und ich steige noch auf einen „kleinen Hügel“ und genieße eine sensationelle Aussicht. Ganz in der Ferne liegt ein 6800 m hoher schneebedeckter Riese (den Namen weiß ich leider nicht mehr u. der Reiseführer hat die Tour nicht überlebt). Auf beiden Seiten des Passes ist die Strasse 2-3 km geschottert, doch der Rest runter ins auf 3800m gelegene
Sangdui ist ausgezeichnet, so daß wir die Abfahrt richtig genießen können. Eine Pinkelpause müssen wir allerdings um 50 m verlegen, da uns der bestialische Gestank eines Yakkadavers vertreibt.
In
Sangdui sieht man sofort, das auf dieser Seite des Passes eine andere tibetische Volksgruppe lebt. Die Trachten der Frauen sind viel dunkler und auch der Baustil hat sich verändert. Die äußere Form der Häuser hat sich zwar kaum verändert, doch sind hier alle Gebäude unverputzt und die Fenster und Türen sind nicht mehr kunterbunt bemalt, sondern nur noch in den Farben Schwarz, Weiß und Rot gestrichen.
Im Ort gönnen wir uns bereits um 11:00 ein üppiges Essen und können auch unsere Vorräte ergänzen. Wir verlassen
Sangdui in Richtung Norden und fahren ein sanft ansteigendes Flußtal hinauf. Die Landschaft hat fast etwas Skandinavisches und auf Blumen übersäten Wiesen am Fluß machen wir eine Pause für ein Schläfchen. Hier „unten“ auf 3800m hat die Sonne schon richtig Kraft und wir legen uns in den Schatten.
Vielleicht 6km hinter Sangdui beginnt dann der Aufstieg auf das
Haizi Plateau. Die Moräne des ehemaligen Gletschers wirkt wie ein Fluss aus riesigen Murmeln. Kurz unterhalb des eigentlichen Plateaus haben Hirten bereits ihre Zeltlager aufgeschlagen. Das bis zu 4600 m hohe Plateau besteht aus einer Mischung aus Felsen, Seen und Sümpfen und zu bestimmten Zeiten soll es ein Wasservogelparadies sein, doch jetzt wirkt es wie ausgestorben. Eigentlich hofften wir aufgrund der Höhe, nicht auf dem Plateau übernachten zu müssen, doch es zieht und zieht sich, so daß wir uns irgendwann doch auf die Suche nach einem nicht von der Strasse einsehbaren windgeschützten Platz machen, an dem man außerdem noch Heringe in den Boden bekommt. Gar nicht so einfach, doch schließlich finden wir nicht nur eine geeignete sondern auch noch schöne Stelle, allerdings auf fast 4600 m. Wir beeilen uns mit dem Kochen, da es schnell kälter wird und verschwinden noch in der Dämmerung in unseren Zelten. 65km
19.5.
In der Nacht werden wir beide irgendwann wach und haben Atemnot, nicht wirklich schlimm, doch ich mußte mir schon ein paar Mal sagen „bleib cool, tief durchatmen“. Gerne hätte ich dann einen Schluck getrunken, doch zeigte sich meine mangelnde Erfahrung bei solchen Verhältnissen, denn die Flasche war durchgefroren, da ich sie nicht mit in den Schlafsack genommen hatte. Aber wenigstens hat sich mein neuer Schlafsack bei den von Uwe gemessenen -9 Grad bewährt. Da unser Zeltplatz in der Morgensonne liegt, sind die Temperaturen am Morgen auszuhalten und die Flaschen tauen recht schnell auf. Auf ein Frühstück verzichten wir wieder einmal und fahren erst mal los. Nach nur 3-4 km gibt es eine rasante Abfahrt von ca. 500 Höhenmetern in ein von Yaks schwarzgesprenkeltes Tal. Ein versteckter Platz zum Zelten wäre hier nicht zu finden gewesen, doch da es hier deutlich wärmer ist, frühstücken wir erst mal, während wir den nächsten Pass mit knapp 4700m vor uns liegen sehen.
In Hochform sind wir heute beide nicht und erstmalig haben wir so richtig das Gefühl, das die Höhe ihren Tribut fordert. Doch die folgende gut 20 km lange Abfahrt runter auf 3600m ist ein großer Spass mit schöner Landschaft im strahlenden Sonnenschein. In einem kleinen Dorf bekommen wir eine reichhaltige Nudelsuppe bei deren Verzehr uns eine Gruppe junger Mütter zuschaut wie wir uns mit den langen Nudeln herumschlagen. Die selbstbewussten Frauen flirten sogar ein wenig mit uns und sind sichtlich angetan von unseren Bärten, besonders von Uwes rotblondem Exemplar. Ein paar Kilometer weiter liegen an einer Brücke ein paar Raststätten. Dort bremst neben mir ein SUV ab und eine Frau will mir eine Palette Joghurt schenken. Nett gemeint, doch die 2 kg will ich wirklich nicht zum nächsten Pass hochschleppen, was ich pantomiemisch vesuche zu erklären.
Auf dem letzten Pass vor dem weiten Tal in dem
Litang liegt, befindet sich ein kleiner über und über mit Gebetsfahnen geschmückter heiliger Berg. Fahrzeuge halten kurz und die Leute werfen Bündelweise Opfergeld in die Luft. Das Tal von Litang ist eine einzige große Yakweide und ziemlich eben, doch der Wind läßt uns zum Abschluss noch mal richtig kämpfen. 90 km
20.5.
Wir legen wie geplant einen Pausentag in dem auf 4100m Höhe gelegenen
Litang ein. Wäsche und Einkäufe müssen gemacht werden und wir gönnen uns 4 Mahlzeiten inklusive eines ausgezeichneten Yaksteaks. Die Hauptstrassen sind geprägt von chinesischen Händlern und Restaurants und das Stadtbild ist im Zentrum mal wieder viel moderner als erwartet. Ein älteres französisches Paar, das vor über 10 Jahren zum ersten Mal in Litang war, erzählt, das sie den Ort kaum wiedererkannt hätten. „Damals“ hätten noch Pferde das Stadtbild geprägt, nun sind es Motorräder und Autos.
Im Zentrum befindet sich ein großer Markt, auf dem ausschließlich die Caterpillar-Funghi gehandelt werden. Das sind nur im Hochgebirge vorkommende von einem Pilz befallene Raupen und gerade ist Hochsaison, wie wir von der gut Englisch sprechenden Chefin des Pottala Guest House erfahren, in dem wir abgestiegen sind (empfehlenswert). Sie entschuldigt sich noch für den zur Zeit etwas schlechten Service bei ihr, doch sie habe Arbeitskräftemangel, da alle in den Bergen zum Sammeln seien. Früher habe ein erfahrener Sammler manchmal bis zu 100 Stück pro Tag gefunden, heute selten mehr als 15-20. In den nächsten Tagen hören wir Verschiedenes, wofür die Dinger gut sein sollen. Mal heißt es, sie seien gut für die Potenz, ein anderes Mal das sie die Abwehrkräfte stärken usw.
Am Morgen besuchen wir nach anfänglichem Zögern einen etwas außerhalb gelegenen „Begräbnisplatz“, an dem die Tibeter die zerteilten Körper ihrer Verstorbenen den Geiern überlassen. Ich bin nicht so richtig traurig darüber, daß heute entgegen der Ankündigung doch keine Zeremonie stattfand. Geier sind trotzdem reichlich zu sehen. Zurück in der Stadt stürzen sich 2 hübsche chinesische Polizistinnen auf mich und wollen unbedingt mit mir fotgrafiert werden. Daran hat Uwe auch heute noch zu knabbern ;-) Anschließend besuchen wir das große Kloster von Litang, eine kleine Stadt in der Stadt. Auch hier herrscht wieder rege Bau- und Restaurierungstätigkeit. Als wir vom Dach eines Tempels die fantastische Aussicht über Kloster und Stadt aber auch die umliegenden Berge genießen, kommen 2 Mönche und beginnen auf ihren Muschelhörnern zu blasen.
Leider kommen wir auch in Litang nicht an Bargeld, denn die Automaten akzeptieren wieder nur chinesische Karten und die 2 Banken, in denen wir nachfragen, wollen keine Dollar oder Euro wechseln. Das Internet im Guest House funktioniert nur mäßig und wieder mal hat Uwe bei gmx.de weniger Probleme als ich bei web.de. Am Abend organisieren wir uns noch die Weiterfahrt für den nächsten Morgen im Kleinbus Richtung Osten. Gut 220 km wollen wir so bis zur Abzweigung nach
Tagong zurücklegen, zum einen aus Zeitgründen und zum anderen weil wir auf diesem Stück viel Verkehr erwarten.
21.5.
Der Bulli kommt fast eine Stunde früher als angekündigt, die Räder und das Gepäck werden auf dem Dach verschnürt, dann quetschen wir uns in die Sardinenbüchse.Wir bereuen unsere Entscheidung trotzdem nicht, denn der gesamte Abschnitt der 314 ist in erbärmlichem Zustand. Feinste schlammige Schlaglochpiste! Und der Verkehr ist zumindest im Vergleich mit allem was wir bisher hatten heftig. Der Höhepunkt ist eine Militärkolonne mit 300 Fahrzeugen. Unser Fahrer liefert sich leider mit anderen Minibussen immer wieder mal ein Rennen. Abgesehen von einem Flußtal (ca. 2000m ) liegt fast das gesamte Stück auf 4000 Metern und höher.
Erst um 16:30 erreichen wir
Xinduqiao an der Kreuzung nach
Tagong. Uwe beschließt es nicht darauf ankommen zu lassen, ob unser Bargeld bis Chengdu reicht und fährt mit dem Kleinbus weiter nach Kangding, während ich Gepäck und Räder in eine Absteige schleppe. Das gerade mal 6 qm große Doppelzimmer kostet ca. 5 €, aber es gibt sogar eine warme Dusche im 1,5 qm Gemeinschaftsbad, das auch die Witsfamilie nutzt. Als ich später in einem Restaurant sitze kommt eine sechsköpfige chinesische Radlertruppe herein, leider spricht keiner wirklich Englisch. Aus dem Bus heraus haben wir heute bestimmt 50 chinesische Radler gezählt. Lhasa ruft! Uns auch, aber wir dürfen ja nicht, worüber sich die Chinesen, mit denen wir darüber sprachen, immer sehr wunderten.
Erst gegen 21:00 Uhr ist Uwe zurück und hat auch unter Nutzung meiner Karte ordentlich Geld mitgebracht. Im letzten noch geöffneten Restaurant setzt sich ein hübscher Jüngling zu uns und macht mir schöne Augen, doch schließlich akzeptiert er mein Desinteresse.
22.5.
Während wir am Morgen an der Haupstrasse eine Nudelsuppe schlürfen, sehen wir wieder etliche Gruppen von chin. Lhasaradlern starten. In der Nacht hat es geregnet und so müssen wir uns durch Pfützen und Schlamm die 4 km zurück zur Abzweigung nach Tagong quälen. Dabei überholen wir 3 Jungs auf nagelneuen Mountainbikes. An der Abzweigung haben sie uns wieder eingeholt und fahren die nächsten 20 km mit uns zusammen. Sie wollen hoch zur 317 und über Garze und Quamdo nach Lhasa fahren. Sie kommen aus dem Osten und haben gerade die Schule beendet. Eine Radtour haben sie noch nie zuvor gemacht, sind aber nach Chengdu geflogen und haben sich dort die Räder und die Ausrüstung gekauft und los ging es. Die Strasse ist seit der Abzweigung in ausgezeichnetem Zustand und da es auch flach ist, lassen wir es ordentlich rollen. Wir schauen uns ein kleines Kloster an und bemerken bei genauerem Hinsehen, das die Wandbemalungen eine bedruckte Kunststofftapete sind.
Als die ersten Hügel kommen, haben wir alten Säcke mit doppelt soviel Gepäck die Jungs plattgefahren und wir verabschieden uns. Hier auf unter 3500m sind die Hügel alle mit frischem Gras überzogen und an vielen Hängen stehen ganze (Gebets.) Fahnenwälder. In
Tagong bekommen wir in einer von einer Westlerin betriebenen Herberge den ersten richtigen Kaffee seit 3 Wochen. Ein wenig „klostermüde“ verzichten wir auf die Besichtigung des dortigen großen Klosters, auch da der Eintritt schon ein wenig unverschämt ist. Am Ortsausgang liegt dann vor den schneebedeckten Gipfeln des
Zheduo Shan ein Tempel mit goldenem Dach. Der Tempel selbst ist recht neu nicht weiter die Rede wert, doch als Fotomotiv ist das goldene Dach vor den grünen Hügeln und weißen Bergen erste Wahl.
Nun fahren wir durch die bekannten
Tagong Graslands, ein weites hügeliges Weideland mit unzähligen Yaks und einigen Pferdeherden.
Immer wieder kommen wir heute an wassergetriebenen Gebetsmühlen vorbei. Ist das nun schlau oder faul oder beides? In
Bamei schauen wir uns eine riesige Gebetsmühle an, die bestimmt 4-5 m hoch ist. Obwohl es noch früh ist, machen wir in Bamei Feierabend, da etliche finstere Wolken aufziehen. Zum Abendessen gönnen wir uns eine erstaunlich gute Flasche Rotwein aus Yunnan (warum heißt der nur Great Wall, die ist schließlich 2500 km weiter nördlich?). Das war heute die einfachste Etappe der gesamten Tour mit 69 km und nur einem nennenstwerten Anstieg.
23.5.
Am Morgen ist es kühl und feucht und in den Bergen vor uns hängt die Suppe. Erst geht es weiter durch grüne Hügel, die alle von Erosionrinnen zerfurcht sind, in denen ein fast schwarzes Gestein ins Tal gespült wird. Bevor es richtig hoch geht sehen wir in einem Talkessel wieder einmal ein großes Kloster liegen. Auf Schotter geht es dann langsam hoch auf 4000m, wo es bei eisigem Wind und Nebel doch ganz schön ungemütlich ist. Auf der anderen Seite des Passes erwartet uns leider erst mal eine schlammige Baustelle bevor die Piste zu einer kleinen asphaltierten Strasse wird und wir in die enge wunderschöne Schlucht des
Yak Rivers einbiegen, die wir angesichts der feuchten Kälte leider so gar nicht genießen können. Krüppelige Nadelbäume klammern sich an den Felswänden fest, Adler kreisen halb in den Wolken, unter uns rauscht der Wildbach, die Rhododendren blühen und wir wir frieren. Nach gut 10 km bergab öffnet sich die Schlucht und es wird wieder schön warm. An den Steilhängen bestimmt 500 m über uns klebt ein kleines Dorf nach dem anderen.
In einem der Dörfer treffen wir einen Australier mit einem LHT, der uns erzählt, daß er von
Danba (unserem Etappenziel) aus nicht nach Norden fahren durfte und an einer Polizeistation zurückgeschickt wurde. Erst zurück in Danba erfuhr er den Grund: in einem Kloster in Aba bestimmt 400 km weiter nördlich hatte sich ein Mönch selbstverbrannt, woraufhin der gesamte Bezirk Barkam für Ausländer gesperrt wurde. Auch wir wollten eigentlich noch einen Schlenker nach Norden über Barkam machen, haben es dann aber gar nicht erst versucht. Für uns geht es fernab der Tragödie weiter durch das schöne sonnige Tal, das sich kurz vor Danba wieder zu einer Schlucht verengt, durch die uns ein so heftiger Wind entgegenbläst, daß wir gerade noch 12 kmh schaffen. Der Ort (ca. 70000 Einwohner) liegt am Zusammenfluss von 3 Flüssen in einem engen Tal und besteht weitgehend aus modernen 4-6 stöckigen Gebäuden mit einer Fußgängerzone im Zentrum.
Am Abend besuchen wir ein besseres Restaurant und „endlich“ habe ich Hühnerfüße und –Kämme auf dem Teller. Neidisch schaue ich auf Uwes Teller, gut schaut es es aus, nachdem er einen Haufen Chilischoten rausgesucht hat. 91 Tageskilometer, davon fast 60 km Abfahrt.
24.5.
Heute wollen wir eins der umliegenden Dörfer anschauen, doch erst mal geht es in die Fußgängerzone, wo es bei einem Bäcker ausgezeichnete Kuchenteilchen gibt. Das Leben in
Danba wirkt recht widersprüchlich, auf der einen Seite das moderne Erscheinungsbild mit Fußgängerzone, Mode- und Markenläden und auf der anderen Seite, sitzen auf den Bänken alte Frauen, teilweise in Tracht, und spinnen per Hand Wolle. Zum Markt kommen die Bäuerinnen aus den Dörfern in ihren schönen bunten Trachten im nagelneuen Kleinwagen.
Nach dem Frühstück entscheiden wir uns für das Dorf
Suopo. Dort gibt es eine Reihe schmaler hoher Türme, die meisten sind um die 800 Jahre alt und ihr ursrünglicher Zweck ist noch immer ungeklärt. Es ist ein komisches wackeliges Gefühl auf den unbeladenen Rädern, doch wir merken wie viel Kraft jetzt am Ende der Tour in unseren Beinen und Lungen steckt, zumal wir uns auf nur 1900 m Höhe befinden. In Suopo lassen wir die Räder stehen und steigen auf zum Teil gepflasterten Wegen ein paar hundert Meter auf, vorbei an den Türmen und einzeln stehenden Gehöften. Überall verlaufen kleine Bewässerungkänäle, doch so manches Feld wird nicht mehr bestellt. Von oben haben einen guten Blick über das ganze Tal und sehen, daß auch auf der anderen Talseite etliche dieser Türme stehen. An einem Kiosk im Dorf zeigt mir der Besitzer stolz einen Bildband einer französischen Wissenschaftlerin über Türme in diesem Teil Sichuans.
Am Abend machen wir neue Pläne, da ja der Schlenker nach Norden entfällt und wir somit 3 Tage „über haben“. Wir beschliessen eine alte Idee umzusetzen und nach der Ankunft in Chengdu noch per Bus nach Xian zur Terrakottaarmee zu fahren. Doch zuvor hatten wir noch ein nettes Abendessen mit 2 Biologiestudentinnen, die seit Tagen vergeblich eine bestimmte Pflanze in den Bergen suchten und nun nur noch einen Tag übrig hatten.
25.5.
Uwe serviert mir zum Geburtstag den Kaffee am Bett, ansonste ist es ein Reisetag wie jeder andere auch. Heute soll es auf guter Strasse durch ein sanft ansteigendes Tal über 61 km ins auf 2500 m hoch gelegene
Xiaojin gehen. Das Tal ist fruchtbar und so kommen wir durch viele Dörfer, in denen die Trachten immer mal wieder zu wechseln scheinen. Irgendwann wundern wir uns, das die Orte alle ganz neu wirken und alle Gebäude mit der gleichen Farbe gestrichen sind, bis uns einfällt, das es in der Region vor wenigen Jahren ein katastrophales Erdbeben gegeben hatte. Doch erst nach einer Weile sehen wir auch eine Reihe von Ruinen.
In einem der Dörfer erleben wir unsere einzige Polizeikontrolle, die jedoch in entspannter freundlicher Atmosphäre verläuft. Kurz vor Xiaojin kehren wir ein und als wir am Essen sind redet ein gut gekleideter Herr minutenlang auf uns ein, doch auch Uwes 40 Worte Chinesisch helfen hier nicht weiter, so daß wir außer das er Arzt ist nichts verstehen. Erst später stellen wir fest, daß der Arzt, der mitlerweile gegangen war, unsere Rechnung bezahlt hatte.
In
Xiaojin haben wir ein wenig Probleme eine Unterkunft zu finden. Dem ersten Hotel sind wir wohl zu „abgerissen“ und werden abgelehnt, das 2. lehnen wir ab, weil es stinkt, das 3. ist uns zu teuer und so landen wir schließlich in einem Gästehaus mit dem wohl dreckigsten Teppich aller Zeiten. Ansonsten ist es aber völlig o.K. und hat eine schöne Dachterrasse. Wir vertreiben uns den Nachmittag mit einem Stadtbummel Eigentlich gibt es ja nichts besonderes zu sehen, aber von einer Parkbank aus zu beobachten wie auf dem zentralen Platz des Ortes 200 Frauen z.T. in Businesskostümen auf Highheels zu dröhnender Musik eine Mischung aus Schattenboxen und Aerobic machen, ist mal was neues. Auf der Konkurrenzveranstaltung auf der anderen Platzseite geht es nicht minder laut aber ein wenig traditioneller zu und unter den Teilnehmerinnen befinden sich auch einige ältere Frauen in Trachten. Das ganze findet unter den Augen der Helden der Revolution statt, den dort ein großes Denkmal gewidmet ist.
26.5.
Was war das für eine be*******ne Nacht! Rumschreiende Leute, ein Nachbar, der die ganze Nacht laut TV geschaut hat und überhaupt! Leider geht der Tag dann so weiter. Nach den ersten 3 Metern im Sattel fällt mir wieder die leichte 8 im Hinterrad ein, die ich über die etwas schwierige Unterkunftssuche ganz vergessen hatte. Wir beschliessen erst aus dem Ort herauszufahren und uns dann um das Rad zu kümmern. Es geht eine rasante Abfahrt hinunter und ich merke wie die 8 schlimmer wird, wie die Bremse hoppelt und schließlich fast blockiert. Vorsichtig lasse ich das Rad ausrollen und dann sehen wir den Schlamassel. Die Felge ist auf fast 10 cm länge gerissen und eingesackt – nichts geht mehr!
Andererseits ist der Ort für eine solche Panne geradezu ideal. Wir stehen an einer kleinen Kreuzung an der eine handvoll Minibusse auf Kunden warten, nun haben sie einen. Angesichts der Tatsache das es sich um unseren vorletzten Radtag handelt, ist klar, daß ich nicht versuche ein neues Hinterrad (bzw. Felge) zu organisieren. Uwe radelt die entspannten 60 km nach
Rilong, während ich per Minibus vorfahre und in einem netten Backpackerladen Quartier mache. Der Wirt spricht gut Englisch und das Internet ist schnell, nur seine Bierpreise sind unverschämt. In Rilong sind die Erdbebenschäden noch deutlich zu sehen. Im touristischen Zentrum stürzte jedes 2. Gebäude ein oder erlitt Totalschaden. Ein paar große Hotelruinen stehen noch. Doch es wurde auch schon einiges wieder neu gebaut, wie z.B. ein großes Nationalparkzentrum mit riesiger Tickethalle.
Während ich bei gutem Essen an der Hauptstrasse warte, schiebt eine Belgierin, nach Souvenirs Ausschau haltend, ihren LHT vorbei. Sie hat mit ihrem Freund gerade erst ihren 2. Radtag hinter sich und die beiden haben es sich von Wolong kommend am 4500m hohen Pass zwischen
Wolong und Rilong (3200m) ziemlich besorgt. Eine vernünftige Akklimatisierung ist von der Seite kaum möglich und die beiden litten unter Atemnot, Kopfschmerzen, Schwindel und leichter Übelkeit.
Am Abend beschliessen wir, daß Uwe am nächsten Tag weiterradelt, und ich ihn dann am übernächsten Tag per Geländewagentaxi in
Wolong einsammle. Ich will den radfreien Tag für eine schöne Bergtour nutzen.
27.5.
Das Glück ist zurück, ich habe strahlend blauen Himmel für meine Wanderung. Ich entscheide mich für den Weg zum
Dahaizi See und Schusters Rappen, während eine Gruppe Chinesen sich per Pferd an den Aufstieg macht. Die ersten Kilometer verlaufen auf einem Grat, der wiede einmal von blühenden Rhododendren gesäumt wird, die einen schönen und kitschigen Vordergrund für Fotos der schneebedeckten Gebirgskette der 5 (?) Schwestern (
Siguniang Shan, bis 6250m) abgeben.
An einer kleinen Stupa lerne ich ein junges Paar aus Chengdu kennen, deren Namen übersetzt Ocean Young und King bedeuten. Mit den beiden werde ich den gesamten Tag verbringen. King spricht nur wenig Englisch, ist 25 Jahre alt, Sport- und Chinesischlehrer und träumt davon in Köln an der Sporthochschule zu studieren. Sie ist 23, spricht gut Englisch und arbeitet als Buchhalterin.
Wir sind noch nicht lange gemeinsam unterwegs, da kommt uns eine Frau entgegen, die auf einem Pony zwei in Säcken verstaute Yakkälbchen zum Verkauf ins Tal bringt. Nach einem kurzem Gespräch fragt mich King mit einem breiten Grinsen: „Tonight, beef and beer?“. Ich nicke, verstehe aber erst kurz darauf worum es geht. Die beiden haben eins der Kälbchen gekauft und laden mich für den Abend zum Barbecue ein. Traditionell werden in dieser Zeit die überzähligen männlichen Kälber geschlachtet, bevor sie beginnen Gras zu fressen.
Der Weg hat den Grat verlassen und wir sind in ein weites Tal eingebogen und Wiesen und flechtenverhangener Buschwald wechseln sich ab, während die Kulisse immer grandioser wird. Nach vielleicht 3 ½ Stunden sind wir am See und beschließen noch ein wenig weiter bis zum einem zweiten kleineren See weiterzugehen. Immer wieder kommen wir an Yakskeletten oder Kadavern vorbei. Überall blühen hier oben blaue Primeln (?), gelbe Kuhschellen (?) und Zwergrhododendren. Da der Rückweg auf dem selben Pfad zurückgeht entscheiden wir uns die erste Wegeshälfte dem Bergbach zu folgen, was zu einiger Kriecherei durchs Gebüsch, Gestampfe durch sumpfige Stellen und Balanceakten auf Stämmen über den Bergbach führt. Anders gesagt, der Tag ist perfekt!
Am späten Nachmittag sind wir wieder im Tal und nehmen unser Kälbchen in Empfang, das dann leider recht unsanft in den Kofferraum eines Taxis geworfen wird. Am Schlachtplatz, der direkt neben 3 Stupas liegt, angekommen, wird gleich zur Tat geschritten und King schächtet das Tier mit eigner Hand, überlässt das weitere Schlachten dann aber den Profis (und deren Kindern) vor Ort. Serviert bekommen wir das knusprig gegrillte Fleisch dann in einer Art Theater, in dem gerade eine tibetische Folklorevorstellung für chinesische Touristen begonnen hat. Zum Fleisch gibt es ein wenig Brot und ansonsten nur Flüssiges: Buttertee, einen lokalen Wein und Bier und Schnaps. Mit letzterem muss ich mit allen anwesenden anderen männlichen Gästen anstoßen, die Gelegenheit mit einem Westler zu trinken will sich keiner entgehen lassen und ich ziere mich nur am Anfang.
28.5.
Am Morgen denke ich dann, das es eine gute Idee ist, den Pass nach
Wolong in einem motorisierten Fahrzeug in Angriff zu nehmen! Der Schädel brummt doch ganz ordentlich. In Wolong, das noch immer zum Großteil von dem Erdbeben zerstört ist, hat Uwe sein Rad gut sichtbar an der Strasse geparkt. Wir laden ihn ein und weiter geht es durch eine üble und verkehrsreiche Bausstelle, die bis zur Ostgrenze des Wolong NP reicht. Am späten Nachmittag sind wir zurück in
Chengdu, wo wir für den nächsten Tag dann gleich den Bus nach Xian buchen.
29.5.
Ereignislose Fahrt nach
Xian.
30.5.
Am Morgen holen wir Ying vom Bahnhof und weiter geht es zur Terrakottaarmee. Schon sehr beeindruckend! Aber auch die Besuchermassen!
31.5.
Besichtigung von
Xian. Am frühen Abend geht es dann per Nachtbus zurück nach Chengdu.
1.6.
Um 5:30 sind wir wieder in
Chengdu und per Fahrradrikscha geht es zum Hostel.
2. + 3.6.
Wir schauen uns Chengdu samt Sehenswürdigkeiten an, gehen ein wenig shoppen, gehen gut Essen und gehen mit Ying und ihrer Freundin, die uns bei unserer Ankunft ihr Auto zur Verfügung gestellt hatte, in Chengdus Ausgehviertel aus. Ich war so grelle auf ein Weißbier, das ich dort satte 8€ für eins gezahlt habe!
4.6.
Am Morgen holen wir unsere arg ramponierten Kartons ab und kaufen noch ein Rolle Klebeband zum Flicken. Am Flughafen verpacken wir die Räder, Probleme gibt es keine und wir Starten und Landen planmäßig. Da es am Abend keine Zugverbindung mehr von
Amsterdam nach Bielefeld gibt, beziehen wir unser gebuchtes Zimmer in einem recht günstigen Flughafenhotel.
5.6.
Mittags sind wir entspannt wieder zu Hause in
Bielefeld.
Zum Schluß noch ein paar Bermerkungen zur Tour.
Es war eine gelungene Radreise ohne nennenswerte Komplikationen. Wir sind durch beeindruckende Landschaften gefahren, hatten viele kulturelle Highlights auf dem Weg, haben viel erlebt und freundliche Menschen (Tibeter und Chinesen) getroffen.
Der Kontakt zu den Tibetern beschränkte sich leider meist auf den Gruß Tashi Delek (der immer hocherfreut erwidert wurde), da wir kaum Tibeter trafen die Englisch sprachen. Wir führten etliche Gespräche mit jungen gut ausgebildeten Chinesen, meist aus Großstädten stammend, die gerade selbst als Touristen unterwegs waren. Wenn wir vorsichtig politische Themen streiften, zeigten sie sich in der Regel als politisch völlig unwissend oder auf Regierungslinie liegend. Ich erinnere mich gut an die beiden Biologiestudentinnen, die Tibet toll finden, die Tibeter aber eher als ungebildete Barbaren sehen, die man zu ihrem eigenen Wohl zwingen muß, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Für jeden sichtbar ist die chinesische Strategie, die tibetischen Regionen durch Zuwanderung zu kolonialisieren, ansonsten bleibt für den Durchreisenden naturgemäß viel im Dunkeln. Auffällig ist sicher noch die hohe Polizeipräsenz selbst in extrem ländlichen tibetischen Gegenden, während in den Großstädten Xian und Chengdu kaum Polizei zu sehen war. Eine weitere Auffälligkeit war der Bauboom in den Klöstern. Wir haben nicht ein Kloster gesehen, in dem nicht massiv gebaut und restauriert wurde. Ob das dafür erforderliche Geld ausschließlich von den Gläubigen selbst kommt? Ein Chinese erzählte uns, daß das Geld teilweise über Mittelsmänner von der Regierung an die Klöster fließt. Soll dort Einfluß und Ruhe erkauft werden?
Bei der Nutzung des Internets fiel natürlich auf, daß es unmöglich war, bei Spiegel Online Seiten über China zu öffnen und als Uwe einmal Yings Internetzugang nutzte, funktionierte das beim ersten Mal ohne Probleme, 2 Stunden später jedoch nicht mehr. Zufall?
Zum Thema Höhenakklimatisierung kann ich sagen, daß wir abgesehen von der einen Nacht, keine Probleme hatten. Wir hatten unsere Route aber auch bewußt so gelegt, daß keine Probleme zu erwarten waren. Lijiang liegt etwas über 2000m hoch und in der ersten Woche wechselten wir mehrfach zwischen Höhen von 2000 bis 3500 m. Erst dann kamen wir über 4000m. Will man von Chengdu direkt nach Westen, bedeutet das, daß man schon nach 200 km von 450m Höhe in Chengdu auf 4500m Höhe kommt (Pass zw. Wolong und Rilong). Fährt man über die 318 und Kangding ist es zwar etwas weiter, aber auch dort kommt schnell der erste Pass mit 4700m.
Ansonsten schreitet die Modernisierung auch in den ländlichen Gegenden rasant voran. Handys, Warmwasseranlagen, Solarpaneels sind überall und wo vor zehn Jahren Pferde das Fortbewegungsmittel Nummer 1 waren, sieht man kaum noch welche. Informationen aus einem 5 Jahre alten Reiseführer sind gnadenlos veraltet.
Das chinesische Wirtschaftswachstum der letzten Jahr (mit oft mehr als 14% meine ich) wird in dem unglaublichen Bauboom im ganzen Land begreifbar. Unglaublich mit welchem Aufwand die neue Autobahn zwischen Chengdu und Xian gebaut wurde. Teilweise verläuft diese über 20-30 km auf Stelzen und die Zahl der Tunnel würde ich spontan auf 30 tippen. Die ebenfalls mit riesigem Aufwand entstehende Straße durch das Mekongtal wird sich ökomomisch wohl in den nächsten 30 Jahren nicht rechnen, doch stellt sie natürlich einen Zugang nach Tibet dar und ist somit von strategischem Wert. Rund um Chengdu entstehen neue Trabantensiedlungen und rund um die Altstadt von Xian ist der totale Wahnsinn losgebrochen. Vom Turm einer Pagode aus, konnte ich bei sehr eingeschränkter Sicht aufgrund des Smogs über 70 Baukräne zählen. An der Ausfallstrasse Richtung Chendgu ensteht ein ganzer Stadtteil neu. Haufenweise 20 bis 30stöckige Gebäude werden dort gleichzeitig hochgezogen.
Noch ein Wort zum Wetter. Richtig Regen hatten wir nur in einer Nacht, genieselt hat 2 oder ein 3 Mal für ein wenige Stunden. Richtig kalt war es nur in den Nachten über 4000 Meter Höhe, während es in den Flußtälern des Yangtze, Mekong und anderen auf 2000m z.T. sogar heiß war.
Das soll es gewesen sein. Bleibt mir noch Euch einen guten Rutsch ins neue Jahr zu wünschen!
Gruß
Jörg