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Parkverbot für Drahtesel in der Innenstadt
Im holländischen Maastricht gilt seit Juni ein Parkverbot für Fahrräder. Wer sich nicht dran hält, wird "abgeschleppt".
HB MAASTRICHT. In den letzten Wochen konnte man in Maastricht ungewohnten Szenen beiwohnen: in Sekundenschnelle ist das Fahrradschloss mit einer Zange geknackt. Ein Mann hievt das Mountainbike mit Schwung auf einen Transporter - unter den Augen zweier Polizeibeamter. Denn der vermeintliche Fahrradklau ist ein ganz legaler ordnungsbehördlicher Akt der Stadt Maastricht. Der Drahtesel parkte falsch.
„Ich finde das übertrieben“, sagt die Kundin einer Boutique. So wie sie denken viele. Die Sprecherin der Stadt, Ine Janssen, verteidigt jedoch die Maßnahme. Schließlich sei die Innenstadt erst vor kurzem für viel Geld saniert worden. Doch schon kurz darauf zeigte sich das alte Bild: Die Radler parkten ihre Räder wie gewohnt in zweiter, dritter und vierter Reihe, an Häusern, Lampenmasten oder Bäumen. Doch anders als vor der Sanierung, fühlten sich viele Leute belästigt. Die „Fietsen“ (Fahrräder) störten das Stadtbild. Der Stadtrat beschloss ein Parkverbot für Fahrräder in der Innenstadt für zunächst ein Jahr.
„Wir sind nicht gegen Fahrradfahrer. Es soll nur alles in vernünftigen Bahnen laufen“, betont Ine Janssen. Und nach einem Jahr werde man entscheiden, wie es weitergeht. Doch so lange wollen viele Maastrichter nicht warten. Vor allem die Studenten machen mit Aktionen auf ihren Missmut aufmerksam.
Dennoch gehört die Fußgängerzone jetzt erst mal nur den Zweibeinern, die ihre geliebten Fortbewegungsmittel an dafür vorgesehen Stellen zurücklassen oder schieben müssen. Befürworter der städtischen Parkverbots begrüßen die Veränderung. „Wenn sie könnten, würden sie ihre Fahrräder am liebsten mit ins Geschäft nehmen, damit sie keinen Meter zu viel laufen“, lästert ein älterer Herr. Ohne die kreuz und quer geparkten Räder sei die Stadt doch viel schöner.
Für die täglich Patrouille laufenden Polizisten waren die ersten zwei Wochen dennoch sehr arbeitsreich. Rund 120 Fahrräder nahmen sie mit zur Sammelstelle. Wer seinen Drahtesel wiederhaben möchte, muss neben einem Bußgeld auch noch den passenden Schlüssel für das geknackte Schloss mitbringen. Als Eigentumsnachweis. Doch nicht nur innerstädtisch sorgt die für das als Land der Fahrräder bekannte Holland ungewohnte Maßnahme für Aufsehen. Amsterdam und Groningen hakten genauer nach und auch Tilburg wollte wissen: „Wie macht ihr das?“ Vielleicht wird so Maastricht zum Vorreiter eines neuen Trends bei unseren Nachbarn.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 23. Juni 2005, 14:39 Uhr