Und wenn in Kashgar die komplette Altstadt mit jahrhunderte alten, einzigartigen Lehmwohungen plattgemacht wird, dann ist das ja nicht nur schlecht für die dann obdachlosen Uighuren.
Das hat aber nicht notwendigerweise etwas mit der Unterdrückung von Minderheiten, sondern mit der generellen chinesischen Politik zu tun. Ein Bekannter, der eine Weile in China unterwegs war, meinte, die machten alles des Fortschritts wegen platt - Kulturen von Minderheiten, aber genauso ihre eigene. Was es natürlich nicht besser macht.
Das kann man so wirklich nicht stehen lassen...
Also ich hab auch schon viel Zeit in China verbracht, und ich bin ein kritischer Mensch. Was ich extrem nervig finde sind diese Neohippies (womit ich niemanden/m hier beleidigen oder persönlich zunahe treten will), die die Unterdrückung von Kulturen und Menschenrechtsverletzungen anprangern, sei es jetzt in Tibet, Xinjiang oder sonst wo auf der Welt.
Nicht, dass ich kulturelle Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen gut fände, aber im Falle China muss man AUCH sehen: China ist ein Vielvölkerstaat mit massiven Problemen und einer massiven Dynamik.
China kann im Endeffekt froh sein über die zentrale Regierung, denn nur so kann dieses riesige Land einigermaßen effektiv gelenkt werden. Sicher, der einzelne steckt zurück. Aber in der Summe der Ergebnisse, und davon bin ich überzeugt, ist es für China momentan so noch besser, denn was würde passieren, wenn die Regierung auf einen Kuschelkurs einlenken würde? Das Land würde mit großer Sicherheit zerfallen, es gäbe Bürgerkrieg, Warlords etc. Wäre das besser? Das ist die Frage!
Und bevor wir zu den andern gucken und uns als Besserwisser und Besserkönner aufspielen, schaun wir doch mal was vor der eigenen Tür los ist, bei uns wo jeder doch mitreden und mitgestalten kann. Wir haben Zugang zu allen Informationen, gute Bildung und es ist genug Geld vorhanden. Und was passiert? Nichts.
Da frage ich: Warum wohl? Sind es die Menschen? Oder das System? Oder Beide?
Und was die kulturelle Frage angeht: welche kulturelle Diversität haben wir denn in Deutschland schon noch? Für die meisten Ausländer ist es irgendein verzerrtes Bild zwischen bayrischem Populärbrauchtum und Disneyland: Lederhosen, Bier und Märchenschlösser.
Kultur wird bei uns doch im Großen und Ganzen nicht im Alltag gelebt. Und am Wochenende beschränkt es sich auf das Hobby Trachten- und Musikverein. Unsere Alltagskultur besteht aus Arbeit, Geld scheffeln und konsumieren, sich beklagen (tolle Vorlage, haut drauf!), alles besser wissen und anderen vorschreiben müssen was sie zu tun und zu lassen haben.
Was die "Free-Tibet-ler & Co.", also die Neohippies der westlichen Hemisphäre angeht, ist es ja soviel toller und einfacher sich Gutmensch zu geben und die den Verfall von Minderheitenkulturen zu beklagen, wo doch der ganze Westen eh schon viel schlimmer und irreversibel kulturell erodiert ist.
Klar, wenn's nach mir ginge sollte Tibet frei sein, und die Uiguren ihren eigenen Staat bekommen, und jedes kleine Minoritätenvolk frei leben können, so wie sie es immer getan haben und dann haben wir uns alle ganz doll lieb. Aber so funktioniert der Mensch, wahrscheinlich auch die ganze Welt und das Leben an sich eben nicht.