An nächsten Morgen wachen wir bei strahlendem Sonnenschein auf. Da der gestrige Tag doch etwas anders ablief als geplant fällt das auch das Frühstück etwas anders aus. Mangels Brot gibt es eben Nudeln mit Marmelade. Da weiß man ein frisches Baguette, Croissant und Pain au Chocolat auch wieder mehr zu schätzen… ;-)





Bereits während des Frühstücks um 7.30 Uhr kommen die ersten GR20-Wanderer vorbei und legen an der Quelle neben der Bergerie eine Frühstückspause ein. Nicht zum letzten Male müssen wir erklären, was wir denn hier mit den Fahrrädern wollen. Einer wünscht uns noch viel Spaß im "Cirque de la Solitude", der alpin anspruchsvollsten Stelle des GR20. Wir erklären ihm aber gerne, dass unser Abstecher auf den GR 20 bereits in Vizzavona beendet sein wird. Nach dem Zusammenpacken tragen wir erst unser Gepäck auf die Bocca Palmentu (1640 m), deponieren es dort in einem "Schweineschutzwall" um anschließend zur Bergerie zurückzukehren und die Fahrräder nachzuholen. Oben angekommen herrscht viel Betrieb. Am heutigen Samstag sind nicht nur schwer bepackte Fernwanderer unterwegs sondern auch etliche Tagesausflügler, die von Vizzavona heraufkommen.





Kurz vor der Abfahrt stelle ich fest, dass bei meinem Hinterrad eine Speiche auf der Zahnkranzseite gerissen ist. Auch einige der anderen Speiches sind schon lädiert. Ein Versuch den Zahnkranz mit dem Hypercracker zu entfernen scheitert allerdings daran, dass ich mir damit das Schaltauge verbiege. Merke 1: Probiere dein Werkzeug zunächst zu Hause aus, bevor du damit unterwegs eine Notfall-Reparatur durchführen musst.

Also geht es ohne Ersatzspeiche bergab. Wie im MTB-Führer aus dem Rudolf Rother-Verlag erwähnt muss man nach der Bocca Palmentu ca. 150 Höhenmeter bergab schieben. Allerdings geht bergab schieben doch wesentlich leichter als bergauf schieben. Da kann wenigstens das Gepäck auf dem Rad bleiben. Den Rest besorgt dann die Hangabtriebskraft. Die sich aber auch nicht immer so kontrollieren lässt, wie man das gerne hätte. Egal, die Unterschenkel sind sowieso schon gezeichnet, egal ob von der Macchia oder von Pedalen, die man sich auf ruppigen Schiebepassagen mit vollbeladenem MTB in die Beine rammt.

Nachdem die Waldgrenze erreicht ist, wird aus dem steinigen Wanderpfad ein lustiger Waldboden-Singletrail. Ab und an zwingt uns eine Felspassage nochmals zu kurzen Schiebeeinlagen, mit einem unbeladenen MTB wäre der GR20 hier nahezu komplett fahrbar. Etliche Wanderer kommen uns entgegen und schauen verwundert. Auf deutsch, englisch, italienisch und französisch erklären wir woher wir kommen und wohin wir wollen. Die Reaktionen reichen von Unverständnis bis hin zu großer Begeisterung.







Da ich das Hinterrad mit der gerissenen Speiche nicht unnötig weiter belasten will, weichen wir kurz vor Vizzavona auf eine Piste forestière aus. Der GR20 verspricht dort eine technisch anspruchsvolle Abfahrt, wie uns einige französischen MTB'ler mit Fullys und Protektoren berichten. Am Bahnhof in Vizzavona angekommen stellen wir fest, dass der nächste Zug nach Corte erst gegen 17:45 Uhr fährt.



Also machen wir uns mit dem Fahrrad auf den Weg. Am Samstag um die Mittagszeit ist die Route National N193 glücklicherweise nicht so dicht befahren. Bei einem kurzen Einkauf in Vivario zentriere ich meine Hinterradfelge nach, die immer wieder an der V-Brake schleift. Also mache ich beim Zwischenanstieg zum Col de Bellagranajo (723 m) einfach die Hinterradbremse auf, denn bekanntlich verliert wer bremst. Dieser Spruch hat auch bergauf seine Gültigkeit. Nur sollte man stets daran denken, die Bremse auf der Passhöhe auch wieder zuzumachen.

Heiß ist es heute (bis zu 35º Grad in Corte), so sind wir froh beim großen Casino-Supermarkt in Corte ein paar kalte Getränke kaufen zu können. Dort treffen wir auch unsere Freunde sowie die Familie meiner Schwägerin wieder. Wir hatten uns für den heutigen Abend auf dem Camping Tuani im Restonicatal verabredet. Also gibt es zunächst ein Treffen im Schatten eines Bauemes auf dem lauschigen Parkplatz des Supermarktes. Während die anderen zum Einkaufen gehen, suche ich noch vor Ladenschluss einen Fahrradladen, um mein Speichenproblem in den Griff zu bekommen. Bei Kickmoto in einer kleinen Seitenstraße der Hauptstraße von Corte werde ich fündig. Hier finde ich zwar nicht das erhoffte neue Hinterrad (dafür müsse man nach Ile Rousse), aber wir nehmen den Zahnkranz ab und fädeln meine einzige Ersatzspeiche der passenden Länge ein. Merke 2: Nimm stets mehrere Ersatzspeichen in der passenden Länge mit!

Aus der Teilekiste kann ich mir noch weitere Speichen in der passenden Länge zusammen suchen. Dabei stelle ich fest, dass ich schon länger kein Mikado gespielt habe… ;-)

Nach erfolgter Reparatur fahre ich noch die wenigen Kilometer zum Campingplatz hoch. Die enge Straße ist an jeder Ausweichstelle voll von parkenden Autos. Auf den Felsen entlang der Restonica genießen die Menschen den heißen Sommertag am Rande des kalten Baches. Baden sieht man nur wenige. Als ich am Campingplatz ankomme, weiß ich auch warum. Der Bach ist eiskalt, mehr als ein kurzes Reinspringen, untertauchen und anschließendes Rauskrabbeln ist nicht drin. Den Abend genießen wir nach einem leckeren Abendessen in gemütlicher Runde auf vollen Campingplatz. Dieser ist zwar schön gelegen aber die sanitären Anlagen sind weder ausreichend vorhanden noch sonderlich gepflegt.

Am nächsten Tag gibt es zur Abwechslung wieder frisches Baguette, Croissants und Pain au Chocolat zum Frühstück. Nudeln mit Marmelade werden sich bei uns offenbar nicht durchsetzen können. Wir verbringen einen Ruhetag mit unseren Freunden. Die Kletterfelsen liegen in der prallen Sonne. Nach einigen Touren sind wir trotz selbstgebauter Schattenanlage dem Hitzschlag nahe, also geht es ab in die Restonica.










Fortsetzung folgt...