Am nächsten Tag geht es von Zicavo über Cozzano weiter auf der D69 nach Norden auf den
Col de Verde. Auf den allerorten zerschossenen zweisprachigen Straßenschildern sind üblicherweise die französischen Ortsnamen unkenntlich gemacht. Durch schönen Wald begleitet von Ausblicken auf die andere Talseite schrauben wir uns bei konstanter angenehmer Steigung nach oben. An der Passhöhe kreuzt der GR20 die Straße, etliche schwerbepackte Wanderer sind unterwegs. Noch ahnen wir nicht, dass wir heute abend schon wieder auf den GR 20 stoßen werden. Nach kurzer Rast auf der Passhöhe geht es auf der anderen Talseite steil hinab. An einem der zahlreich vorhandenen Brunnen füllen wir unsere Flaschen auf. Die Brunnen entlang der Straße sind im übrigen auf der kostenlosen
OSM-Wander-und Reitkarte allesamt eingetragen, so dass man genau weiß, wo ein verlässlicher Brunnen zu finden ist.
In Ghisoni angelangt, stellen wir fest, dass die ursprünglich geplante Route über den
Col de Sorba wegen Arbeiten gesperrt ist. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass die für die Autos ausgeschilderte "Deviation" keine wirkliche Alternative ist: fast hinunter bis an die Ostküste, dann wieder hinauf nach Corte. Zu viele Kilometer, zu viele Höhenmeter. Naja, per MTB sollte die Baustelle schon irgendwie zu umfahren sein. Einige Touristenautos probieren ebenso ihr Glück, kommen uns aber schon bald entgegen, "Route barrée". Als uns einige deutsche MTBler ohne Gepäck auf der Passstraße entgegenkommen, bitten wir diese anzuhalten und zu berichten, wie die Situation aussehe. Offenbar ist die Straße bis zur Passhöhe fahrbar. Auf der Nordseite allerdings wird gesprengt und die Straße ist dort durch die Sprengarbeiten komplett zerstört, es ist dort kein Durchkommen möglich, auch nicht per MTB. Tja, schlechte Nachrichten.
Ein Blick auf das GPS zeigt allerdings, dass im
MTB-Führer aus dem Rudolf Rother-Verlag eine MTB-Route beschrieben ist, die den Col de Sorba auf dem GR20 umgeht. Die Routen aus dem Führer hatte ich zu Hause auf das GPS gespielt und die zugehörigen Routenbeschreibungen als Fotos auf dem Speicherchip der Digitalkamera mitgenommen. Allerdings ist in der Routenbeschreibung von einer längeren Schiebestrecke entlang des GR20 die Rede. Die dort angegebenen Fahrzeiten machen uns schnell deutlich, dass wir es heute nicht mehr über den Berg schaffen würden. Aber wir wollten ja Korsika auf Abwegen bereisen.
Nach einer Lagebesprechung, einer kurzen Stärkung und einem Check der verbliebenen Lebensmittel machen wir uns auf den Weg und fahren noch einige Kilometer auf der Straße Richtung Col de Sorba. Nur einige Lastwagen mit riesigen Steinbrocken beladen kommen entgegen. Auf knapp 1000 Metern Höhe verlassen wir die Teerstraße und folgen einer Piste in den Wald. Diese führt in mehreren Serpentinen bergan, bei den Abzweigungen weist uns der gespeicherte GPS-Track den richtigen Weg. Schließlich mündet die Piste in einen Wanderweg, der uns nach wenigen Metern zwingt die Räder zu schieben. Da die Schieberei sehr mühsam ist, nehmen wir bald die Packtaschen ab und deponieren die Räder am Wegesrand. Wir tragen also zunächst das Gepäck bergan, laufen anschließend wieder zurück und schieben dann die Fahrräder hinterher. Für eine Strecke von 1,5 km Luftlinie benötigen wird auf diese Art und Weise über zwei Stunden, bis wir müde und erschöpft die Bergeries d'Alzeta (1553m) und damit auch wieder den GR 20 erreichen. Die Bergerie ist nicht bewirtschaftet, im übrigen haben wir seit unserem Abzweig von der Teerstraße vor etlichen Stunden keinen Menschen mehr getroffen.
Wir bauen unser Zelt auf einem einigermaßen ebenen Fleckchen auf und kochen uns ein bescheidenes Abendessen. Während wir essen kommen doch noch ein paar Wanderer mit leichtem Rucksack und Kompressionsstrümpfen vorbei, die nach kurzem Gruß und einem leicht irritierten Blick auf unsere Fahrräder weiter ziehen. Wir laufen zum Sonnenuntergang noch auf die Bocca Palmentu (1640) hoch. Wir werden durch einen tollen Blick auf den Monte d'Oro im Abendlicht belohnt.
Fortsetzung folgt...