In Antwort auf: wirsindfinke
Hatte ganz früher keinen Hammer dabei und habe im Nachhinein betrachtet viel Zeit meines Lebens damit verloren, Steine zu suchen, die es dann doch nicht gab und wenn es sie gab, waren sie zu klein, zu groß, man kriegte keinen richtigen Schmackes auf den Häring, sie bröselten oder waren sonstwie unwillig und getroffen habe ich auch nie richtig - irgendwie alles extrem lästig und zeitverschwenderisch.

Lieber Karl, es ist doch immer wieder amüsant, was einem auf einer Reise alles zur Last fällt. Da begibt man sich freiwillig in die Abgeschiedenheit einsamer Landstraßen, bewegt sich außerhalb der Hektik unserer Zeit mit einem nahezu archaischen Verkehrsmittel und genießt die Düfte und Landschaften als würde man die Zeit nicht spüren. Und dann das: Stress pur beim Zeltaufbau, eine Minute geht verloren, weil der Hering nicht in den Boden will und der Neandertaler in mir versagt, weil er den passenden Stein als Hilfswerkzeug nicht findet. Wie soll man nur diese Minute wieder aufholen? - Wieviele Radumdrehungen ließen sich in einer Minute machen? - Wieviel Meter weiter wäre ich im Leben ohne die Suche nach Steinen für ein Nachtlager in der frischen Luft? - Das ganze Leben ist doch ohnehin viel zu kurz!
Das Handy klingelt schon, die neuesten Apps müssen abgefragt werden, der Laptop muss noch aufgeklappt werden, ein Weblog soll geschrieben werden, die Forenkommentare abgegeben werden, die Twitter-Freunde in facebook grüßen, die Akkus an die Steckdose anschließen, neue GPS-Tracks zeichnen, die Leistungswerte der Herzkammern auswerten, die Kalorienwerte abgleichen usw. usw. - was ist dagegen der Wert eines Steines, der auch noch eine unangepasste Form hat und sogar unwillig ist?

Es nimmt mich immer wieder Wunder, wenn auf den Campingplätzen die Vierräder eintreffen, riesige Nomadenzelte ausgepackt werden, gehämmert, abgespannt und geschimpft wird - und kein einziger Sturm im ganzen Urlaub je einmal die handfeste Sicherungsarbeit auf die Probe stellt. Passende Steine finde ich auch nie, wahrscheinlich weil ich sie nicht suche. Das ganze Gehaue mag ich auch nicht (obwohl kein reinrassiger Pazifist) - stattdessen hält der Hering irgendwie im Boden, wenngleich manchmal auch etwas widerspenstig. In einer lauen Sommernacht darf das Abspannseil auch mal etwas müde über dem harten Mittelmeerboden durchhängen - wenn der Mistral dann wieder auflebt, sitze ich wieder sattelfest und das Zelt in meiner Tasche.

Ich bedaure zutiefst die schändlichen Verluste deiner Lebenszeit, diese Reibungsverluste in dem Don-Quijote-Kampf mit den trotzigen Steinen. Es ist auch peinlich, dass die Steine deine fehlende Treffsicherheit offen gelegt haben - eine unverantwortliche Bloßstellung! - Das ist ist in der Tat bedauerlich. Ich kann dir nicht helfen, diese Zeit zurückzubringen, diese Pein vergessen zu machen. Doch du hast mir sehr geholfen zu begreifen, welchen Sinn der Hammer hat: Ein Instrument gegen die Zeitvernichtung im Leben - ein Gerät, dass den Zeitmanager in sich schwingt. Es klingt wie der Schlüssel zur Zeitlosigkeit. Ein echter Hammer, der Hammer!
omm

veloträumer,
der nur Steine sucht ohne sie zu missbrauchen