Hallo JohnyW,
im allgemeinen diskutiere ich nicht, wenn es um persönliche Ansichten geht, ABER:
Wenn man in die größeren japanische Städte fährst, wird man (übertrieben gesagt) fast erschlagen von tausenden Werbetafeln und einem Wald von Strom-/Telegrafenmasten. Die langen Einfallstraßen sind geprägt von Autoläden, großen Shops, Brachland, Restaurantketten usw. bis dann die Bebauung dichter wird. Beim Ausfahren das gleiche wieder in anderer Reihenfolge über endlos lange Kilometer. Bis auf die Schriftzeichen fühlte ich mich da doch schon eher an die USA als an Deutschland erinnert.
Ich empfand die Leute (>95%) schon sehr distanziert Fremden gegenüber, was insbesondere außerhalb großer Städte gilt. Wenn ich auf einer Rundreise nicht tagelang Zeit habe, mich z.B. über private Kontakte in die Eigenarten "einzugraben" und der Person so näher zu kommen, ist es mir eigentlich auch egal, warum das so ist. Die fast nicht vorhandenen Sprachkenntnisse sind schon ein sehr großes Manko. Erst wenn die Japaner mitbekommen haben, dass wir Deutsche sind, wurden sie etwas interessierter. Von Fremdenfreundlichkeit oder Herzlichkeit möchte ich hier aber nicht sprechen. Was uns regelmäßig passierte: Wir fuhren abseits von touristischen Routen auf kleinen Nebenstraßen, die unter Umgehung der vielen Tunnel teils landschaftlich wunderschön durch das Land führen. Wir kommen durch Dörfer, in denen bestimmt jahrelang kein Ausländer aufgetaucht ist. Wir haben Räder mit 4 roten Taschen und einen Helm auf. Wir fahren nur wenige Meter neben Leuten her. In Afrika läuft das halbe Dorf zusammen und die Kinder hinetr uns her. Und in Japan: in 95% aller Fälle schauen die Leute noch nicht einmal auf. Man kann nur selten Augenkontakt aufnehmen. Wenn man die Leute anspricht, scheinen diese erstmal einen kleinen Schock überwinden zu müssen. In manchen Gebieten hatten wir den Eindruck, die Leute wären Zombies, so starr und unbeweglich waren Blick und Minik. Das habe ich bisher noch nie erlebt. Und wir sind relativ "normal" gekleidet. An unserem Äußeren kanns m.E. nicht gelegen haben.
Wir haben einen niederländischen Radler getroffen, der ähnliche Eindrücke hatte. Am letzten Tag in Narita trafen wir dann noch einen allein reisenden Polen, der 2 Monate in Japan unterwegs war. Seine Erfahrungen: Sobald klar war, dass er kein Amerikaner war, wurde mehrfach Hilfe (Aufmalen des Weges) abgebrochen und teilweise vor ihm ausgespuckt. Vor einer Mall wurden ihm die Reifen zerstochen. Er hat sich in Japan nicht wohlgefühlt, obwohl er einen sympatischen Eindruck machte hatte er große Probleme mit den Leuten.
Ich habe den Eindruck gehabt, dass durch das ausgeprägte Hierarchiedenken der Japaner nur Länder, die im Empfinden der Japaner gleichwertig sind (Amerika, Deutschland) akzeptiert werden, der Rest wird dann herablassend behandelt.
Ich möchte jedem raten, bevor er die Reise bucht, auch das Buch "Warum nerven Japaner" zu lesen. Hier gibt ein Deutscher, der fließend japanisch spricht und seit vielen Jahren in Japan wohnt, seine Erfahrungen zum Lande preis. Das Buch habe ich erst nach der Reise gelesen. Den überwiegenden Teil seiner Eindrücke konnte ich 100% unterschreiben. Nach der Lektüre hat man dann schon so eine kleine Vorstellung, wie die Leute dort "ticken".
Aber das oben geschriebene ist nun mal alles mein persönlicher Eindruck (und der meiner Frau). Der eine fühlt sich wohl, wenn er abseits der Zivilisation tagelang im Dreck fahren kann, der andere möchte seine deutsche Heimat auf dem Rad nicht missen. Ich denke, jeder hat eigene Ansprüche und auch Vorstellungen, die je nach Reiseland erfüllt werden oder auch nicht. Japan war eines der ganz ganz wenigen Länder die uns, abgesehen von einigen sehr schönen Landschaften, im Gesamtpaket nicht begeisterten.
Viele Grüße
Andreas
www.bikedoll.de