Bitte nicht von "Speichenspannungen" reden, wenn die Speichenspannkraft (in [N]) gemeint und gemessen wird. Speichenspannungen haben die Dimension [N/mm²] und die erhält man, wenn man die Speichenspannkraft durch die Querschnittsfläche [mm³] teilt. Für den Laien: Quasi der "Druck" in einem festen Körper. Da es eine gerichtete Größe ist, spezifiziert man diese korrekter als Normalspannung. Z.B. der Druck in der Form als Luftdruck ist in allen Richtungen gleich, wenn man sich in der Höhenkoordinate nicht (kaum bewegt), man bezeichnet ihn deswegen auch als Zustandsgröße.

Für alle Festigkeits-Überlegungen ist das Spannung-Dehnungs-Diagramm des Zugversuchs die Grundlage.

Wenn es um Dauerfestigkeiten geht, benutzt man angepaßte Diagramme: Spannung über Lasthäufigkeiten. Meist eine Darstellung in doppelt logarithmischen Maßstab, weil da charakteristische Kurven zu Geraden werden (Fließbereich (1), Zeitbereich (2), Dauerfestigkeitsbereich (3)). (1) und (3) sind konstant, (2) ist eine abfallende Gerade. Für Fahrradspeichen ist typisch, daß konstruktiv eine Belastung nur im Schwellbereich statt findet (kein Vorzeichenwechsel, nur Zugspannungen). Biegespannungen wechseln über dem Querschnitt das Vorzeichen !

Wie jeder weiß, der schon mal eingespeicht hat, muß man manchmal sogar eine Speiche um eine andere herumbiegen (beim Hinterziehen, d.h. beim Kreuzen zweier äußerer Speichen). Die Biegesteifigkeit ist aber gering. Die Speichen haben deswegen an den Enden Kugel-Gelenke, da können keine Biegemomente eingeleitet werden. Damit keine Druck-Belastungen entstehen, haben die Speichen bei der Lagerung in der Felge ein Schiebegelenk, das wegen der vorhandenen Vorspannkraft eigentlich nicht zu sehen ist. Der Fall Vorspannkraft gleich Null ist unbedingt zu meiden, weil sich dann der Nippel in der Verschraubung löst. Speichen sind im Prinzip schlanke Dehnschrauben. Die dynamischen Belastungen einer Speiche rühren vom Gewicht, vom Antrieb (Bremsen) und von seitlichen Belastungen her (seitliche Unebenheiten, Stützkräfte bei Kurvenfahrt, Wiegetritt und Lenkmanöver wegen Geradeaus-Fahrt her). Die dynamischen Belastungen verstärken die Vorspannkräfte oder vermindern sie. Vom Gewicht her werden bei 32 Speichen insgesamt 4 (6?) Speichen etwas entlastet und 28 etwas belastet. Z.B. wird die Entlastung ( = System-Gewicht-Hinterrad) umgewandelt in Zusatzlasten der übrigen 28 Speichen (==> die Nabe hängt quasi an den 28 Speichen (Das ist in dem eigentlich sehr guten Buch von Jobst Brandt "the bicycle wheel" leider nicht verstanden worden).

Durch die Antriebskräften gibt es auch belastete und entlastete Speichen, nur sind diese gleichmäßig verteilt, also 16/16 sowie gleicher Betrag. Da diese Belastungen praktisch ständig wirken (Ausnahmen: Bergab, Schaltpausen, Leerlaufphasen) kann man diese über die Leistungs-Gleichungen realtiv einfach berechnen.

Für die Seitenkräfte hat man einen seitlich gestützten Kreisringträger, der seitlich (evtl. über einige Speichenteilungen verteilt) belastet wird. Da auch die Steifigkeiten der Felge sowie die seitliche Stützung der Felge durch die Speichen an diskreten Stellen berücksichtigt werden muß, ist eine Lösung sehr kompliziert. Dieses wird etwas länger dauern.

Das kann ich nicht in ca. 30 Minuten aus dem Ärmel schütteln (Wenn es überhaupt eine Lösung gibt). Da muß man sich mit den gemessenen Ergebnissen entsprechend meinem Beitrag #1547782 (Zitat 2) zufrieden geben. Daraus kann man erkennen, daß neben der Steifigkeit der seitlichen Felgen-Stützung die seitliche Biege-Steifigkeit der Felge eine Rolle spielt. Ein in diese Richtung weisendes, aber einfacheres Problem ist die Lösung für eine Eisenbahnschiene auf einer Winkler'schen Bettung. Ob ich solche Probleme in meinen verbleibenden Leben noch mal anpacke, weiß ich nicht. Es ist auf jeden Fall harte Arbeit......

Vielen Dank an @Deul für die Hinweise auf die bewußten "1200 [N]" und die Kontakt-Aufname mit der Fa. Rohloff. Ich muß da aber erstmal drüber schlafen bzw. nachdenken, ehe ich dazu noch etwas sage.

Genug der Disputation, daß Wetter ist zu schön, um heute nicht Fahrrad zu fahren.

MfG EmilEmil