Teil IV: Bayern lockt: Passau . Rosenheim ...........…………… der Watzmann ruft Passau . SimbachOb nun die deutsche oder österreichische Seite vom Inn besser oder schöner zu befahren ist, konnte mir hier keiner beantworten. Ich bleibe die Antwort ebenfalls schuldig. Beide Seiten sind schön, beide Seiten sind anstrengend. Es ist wie beim Fußballspiel vor der Nachspielzeit. Zumindest in kulinarischer Hinsicht hatten die Österreicher bis dahin leicht die Nase vorn.
Nach dem guten Terrassenfrühstück schlängle ich mich am Donauufer zwischen Busgästen, fluchenden Taxi- und Kreuzfahrern, Rollkoffern und geparkten Fahrrädern entlang zur Innmündung. Ich nehme die deutsche Seite bis Schärding und fühle mich richtig wohl. Hier ist die Zeit gekommen, die Seite zu wechseln. Hinter der kleinen Inn-Terrasse lockt ein großer Brauner mit dem entsprechenden Naschwerk, dessen Nährstoffe bis zum Herrengarten im
Stift Reichersberg wieder verbraucht waren. Die Strecke hat es, trotz besserer Fitness, in sich. Ein kleiner Tipp: Auch für den Reisenden, der von Norden kommt, ist es angenehmer den Herrengarten über die Ortsmitte von Süden auszusteuern
Ich wechsele bei Obernberg wieder auf die deutsche Seite. Der Vergleich geht weiter.
Auch wenn die Höhenmeter klar fürs Nachbarland sprechen, sind die endlosen Geraden auf heimatlicher Seite genauso anstrengend, wenn sich der stetige Südwestwind zum Sturm entwickelt und deine Geschwindigkeit auf 11km/h abbremst. Übrigens bietet der Inntalradweg sowohl in die eine als auch in die andere Richtung gleiche Perspektiven.
In Ering-Frauenstein fahre ich übers Wasserkraftwerk wieder nach Österreich. Hinterm Deich bläst der Wind etwas weniger. Aufm Deich ist die Landschaft offener. Es ist wie an der Nordsee oder der Aldi-Kasse. Wo Du auch fährst, Du fährst richtig. In Braunau erhalte ich den Tipp, bei den Romas neben dem geschlossenen Campingplatz zu zelten. Ich ziehe Simbach vor und bekomme bei einsetzendem Regen ein wirklich feines Quartier.
Fazit des Ländervergleichs: In der Nachspielzeit hat die freundliche Oma aus dem
Gasthof Göttler mit dem Hirschgulasch das goldene Tor geschossen.
Simbach . Mattighofen . Zell am Moos/IrrseeWas bin ich froh, dass ich gestern Abend noch umgeplant habe und mich entschloss, der Mattig, einem kleinen Bach mit einem Radweg gleichen Namens, zu folgen. Dank Markus (cyclist) Schulung geht das mittlerweile ratzfatz.
Es regnet wie im Sauerland. Die anderen Radler, die dem Inn nach Rosenheim folgen wollten, nehmen den Zug. Ich nehme mein Terra, auch wenn die Verlockung manchmal groß ist, auf andere Verkehrsmittel umzusteigen.
Es ist etwas umständlich, Braunau zu verlassen. Manchmal folge ich dem Track, manchmal der Nase, selten den Schildern. Ich erreiche den angeblichen Mittelpunkt Europas. Es ist schon komisch, solch ein Werbeschild, das auf einer unwahren Aussage Napoleons beruht, nahe Braunau zu finden. Ich lasse den Punkt jedenfalls rechts liegen und mache mir so meine Gedanken. Sollen sie doch französische Küche anbieten!
Tja, so ist das, wenn ich übers Essen nachdenke. Ich bekomme schon wieder Hunger und kurbele von Oberlindach hoch nach Mattighofen. Gute Entscheidung.
Damit setzt sich das kulinarische Erleben der Tour fort. Zur Mittagszeit gibt es an Werktagen (Mo-Fr) im
Schlossrestaurant ein täglich wechselndes Menu für 4,90 Euro. Obwohl ich ja nur eine Kleinigkeit essen wollte, konnte ich nicht widerstehen. Was auf den Tisch kommt wird gegessen! Der Saibling auf Risotto wäre außerdem in Düsseldorf viiiiel teurer gewesen.
Das Innviertel und den
Mattigtalradweg habe ich in sehr angenehmer Erinnerung, weil er eine schöne und flache Verbindung zwischen Inn und Salzkammergut bietet. Ich befinde mich am Rande der Alpen. Gutes Gefühl.
Über ein paar Buckel erreiche ich den Irrsee und die Suche nach einem CP gestaltet sich schwierig, da Radfahrer auf Dauercampingplätzen nicht gerne gesehen sind oder, oder oder............
Der Balkon zum See in einer schönen und preiswerten Pension in Zell am Moos lässt mich zufrieden den Tag beenden. Links Regenwolken, rechts Regenwolken und von geradeaus scheint mir die Sonne ins Gesicht, während ich mit meiner Mutter das allabendliche Telefonat führe. Sie erzählt von immer noch geschlossenen Friedhöfen. Doch das große Chaos nach dem Sturm ist vorbei.
Ja doch, es gibt auch noch eine Kleinigkeit (Variationen vom Knödel) zu Essen und ein ganz hervorragender Willi erinnert mich mal wieder an Hans und sein Milchkännchen
Die Honoratioren sitzen am Tisch. Ihre Hemden sind Jägergrün. Kariert. Die Pullover und Strickjacken wirken farblich abgestimmt einen Ton dunkler. Die Hosen sind aus Baumwolle in einem etwas helleren Jägergrün. Eher Olivgrün. An der Garderobe hängen Jägerhüte. Ich erzähle von meiner Tour, vom Radforum, erwähne den ein oder anderen, erzähle von der Buntheit der Radfahrer, die sich nicht nur im Papageientrikot zeigt und ernte, was das Feld so hergibt. Ich höre Bewunderung und Unverständnis für meine lange Strecke, für die Strapazen, für das ständige Weiterziehen. Erinnerungen an die Heldentaten ihrer Jugend werden wach. Da haben sie auch so was gemacht. Heute ginge das nicht mehr, weil sich so viel geändert hat. Doch sie ruhen in sich und ihrer Farbigkeit. Sie scheinen zufrieden zu sein, als sie das Wirtshaus verlassen, um zu ihren Familien zu gehen. Traditionen und das verwurzelte Leben in der Heimat bieten Halt und Zukunft. Mir gefällt es gut im Salzkammergut.
Zell am Moos/Irrsee . St. Lorenz/MondseeWie doch die Zeit vergeht. Heute spielt Deutschland gegen Ghana. Ich werde kein Risiko eingehen.
Auch wenn man im Ort Mondsee eher bunt durch die Gegend läuft, spürt der Betrachter doch das vorhandene Geld. Echter Loden der Schönen, gegenüber vom Cafe, das einer geborenen Porsche gehört oder Oldtimer der gehobenen Klasse gehören wie selbstverständlich zum Stadtbild. Nach dem teuersten Espresso der Reise stehe ich am Springbrunnen und bin heilfroh, dass ich hier nicht übernachten musste. Ein Radlerpärchen erzählt von der Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft. Sie interessieren sich für mein Navi und hören interessiert zu………………….
Nachdem ich noch eine neuseeländische Gruppe mit ihren Kameras photographiere, gebe ich es mit einem iPad auf. Ich sehe immer nur mein eigenes Konterfei im Sonnenlicht.
An die Südseite des Sees wollte ich.
Hier war ich schon einmal und empfand die Landschaft damals als das Herz vom Paradies. Wenn es für mich einen Oberbegriff für das Wort See gäbe, dann kann das nur
Mondsee sein. Ich kurve am Ufer entlang und kann tief durchatmen, kann mich herzlich an dieser Bilderbuchlandschaft erfreuen. Zum ersten Campingplatz nehme ich den direkten Weg. Durch ein offenes Tor fahre ich vorbei an bunt karierten Figuren, die kleine weisse Bälle mit Schwung ins blaue Nichts schlagen und komme an einem zauberhaften See, der, eingebettet im schönsten Grün, direkt an den Mondsee grenzt. Der Platzwart jagt mich zum Teufel und ich muss zurück auf die Strasse.
Ich wundere mich über den Straßennamen
Schwarzindien. Die Geschichte, die dahinter steckt, lässt mich schmunzeln. Ich bin also nicht der einzige, der aus dem Paradies verjagt wurde.
Der erste CP überzeugt mich nicht. Ich wähle den nächsten, auch wenn er an der Strasse liegt. WLAN, große Leinwand, 9,50 Euro und ein Restaurant in der Nähe lassen mich mein Zelt im Schatten der Drachenwand aufstellen. Für den Nichtzeltler bietet der
Campingplatz Nussbaumer auch preiswerte Zimmer an.
Der entscheidende Grund der Platzwahl aber ist der schönste Steg, auf dem ich je gesessen bin.
Mondsee . Salzburg . KönigsseeIch kann mich kaum trennen und freu mich doch auf dieses einmalige tiefe und verwunschene Grün des Königssees, das mir aus Kindheitstagen als gespenstisch, ja mystisch und geheimnisvoll in Erinnerung ist.
Es gibt eine Bahntrasse nach Salzburg auf der ehemaligen
Ischler Bahn. Doch sie beginnt nicht am Mondsee. Nein, vor dem Vergnügen kommt erst die Arbeit, die aber hinter der Autobahnbrücke der A1 bei Reitberg erledigt ist. Es ist Sonntag, die Sonne scheint und auf der Trasse bin ich nicht der einzige, der sich auf dem Sattel am Alpenpanorama ergötzt.
In Salzburg ist auf der linken Altstadtseite Markt. Ich schlendere mit dem Rad durch die Gassen und könnte Lovelocks und Mozart in 1000 Variationen kaufen. Auf einem Straßenfest, das gegen den Abriss des Viertels und Neubau von Eigentumswohnungen iniziert wurde, trinke ich einen Braunen. Mozartfrei.
Über den Mozartradweg folge ich der Königsseeache, die ab der deutschen Staatsgrenze Berchtesgadener Ache heißt und erreiche am Nachmittag Berchtesgaden. Jetzt heißt die Ache wieder Königsseeache,
an deren Ufer ich über Strasse und Waldweg den Bodensee-Königssee-Radweg kennenlerne. Ich wähle den zweiten Campingplatz vorm Königssee. Der erste liegt an der Strasse, soll laut sein, hat aber wahrscheinlich den gleichen harten Felsboden unterm Gras wie mein Domizil.
Kindheitsträume am Königssee Auf der Rückfahrt vom Obersee erzählt mir eine ältere Dame aus Dresden, dass sie sich einen Kindheitstraum erfüllt hat und heute einer der glücklichsten Tage in ihrem Leben sei. Schon vor der Wende habe sie davon geträumt, hierhin zu kommen. Später habe sie niemals die Zeit gehabt und das Geld fehlte auch. Sie erzählt noch mehr aus ihrem Leben. Sie erzählt es mir mit dem Taschentuch in der Hand und Tränen in den Augen.
Es ist Montag und der erste Werktag nach den bayerischen Pfingstferien. Ein guter Tag, um mit dem Böötchen übern Königssee zu schippern. Schippert aber früh, auch montags stehen die Leute ab 11:00 Uhr in der Warteschlange am Kassenhäuschen. Die älteren Holzboote sind dabei zu bevorzugen. Sie sind einfach uriger.
Der Berliner würde wohl sagen:
"übert Jrün kann ma nich meckan." Königssee . Bad Reichenhall/Piding Es ist nicht weit nach Reichenhall und von den ersten 18km tun mir nur 15km weh. Das ist schon mal nicht schlecht.
Ich liebe dieses Panorama, schnaufe ordentlich auf dem Weg nach oben, esse frische Erdbeeren am Wegesrand und finde, dass der Berg gar nicht so böse ausschaut, wie
Wolfgang Ambros singt. Schicksalsberg? Ja, er sieht schon groß aus, während ich da unten auf der Bank hocke und staunend die Erdbeeren futtere.
Ein kleines bisschen stolz bin ich schon auf mich, dass ich seinem Ruf gefolgt bin.
Selten hab ich so viele schiebende, fluchende und jammernde RadfahrerInnen gesehen, als ich runter nach Reichenhall fuhr. Doch mir erging es vorher ähnlich. Ich werde wohl nie verstehen, wie man es schafft, dass ein Radweg, der fast neben der Bundestrasse entlang führt, die mehrfache Menge an Höhenmetern sammelt.
Als Entschädigung finde ich in Piding an der Saalach wieder mal einen Campingplatz, der richtig gut ist. Der
CP Staufeneck überrascht mich mit einer großen Anzahl an Tischen und Stühlen. Als Schmankerl gibt es dazu einen Regenwagen mit Strom und Vorzelt für uns Radfahrer.
Piding . Prien . Rimsting . Simssee . Rosenheim Ein schlechtes Omen war dieser blöde Regenwagen! Die ganze Nacht hat es geschüttet und es hört nicht auf. Die Regenwolken sitzen fest in den Bergen.
Piding hat einen Bahnhof. Zum Chiemsee nehme ich den Zug. Nördlich von Prien finde ich einen schönen Blick auf Sassau und suche mir ein Zimmer, das ich in Rimsting finde. Am See ist es mir zu teuer, die Dame in der Touristeninfo schüttelt nur den Kopf und Prien gefällt mir nicht wirklich.
Danke an Veloträumer für die Streckenempfehlung vom Chiemsee über den Simssee nach Rosenheim.
"Mattias, die Strecke hat mir ausgesprochen gut gefallen! Zu Deinen weiteren Streckenempfehlungen kann ich zur Zeit nichts sagen, da ich den nächsten Teil meiner Reise von Rosenheim nach Lindau erst später unter die Räder nehme" Fazit: Bayern lockt: ...........…………… nun, mir hat's gefallen Strecke Ich habe den
Track bei GPSies gespeichert. Er ist geglättet und weist 1.700km aus. Mein Tacho sagt mir, dass es 1.500 km auf dem Rad waren.
Kartenmaterial/GPSIch liebe meinen alte Kartensammlung von der BVA, die es leider nur noch im Antiquariat gibt.
Auf meinem Garmin 62s hatte ich die Karten von OpenFietsMap, über deren graphische Darstellung und Genauigkeit ich jedes Mal erfreut und überrascht bin.
Eine Sammlung von POI mit Jugendherbergen, Campingplätzen, Bett&Bike Betrieben und Motorradfahrerhotels ergänzten die elektronischen Karten.
AusrüstungDer Ersatzspiegel fand Verwendung. Das Werkzeug, mit Ausnahme der notwendigen Dinge für den Radausbau, blieb unbenutzt.
Ja, der aufmerksame Leser ahnt es schon. Die Kochutensilien blieben ebenfalls unbenutzt. Der schöne und neue Topf, die leichte Pfanne, das gute Olivenöl, verschiedene Gewürze und die zweite Gaskartusche fristen ein Schattendasein. Einerseits hatte ich überhaupt keine Lust, mich abends alleine vors Zelt zu hocken, andererseits waren die Abendessen auch durchgehend bezahlbar. In der Regel konnte ich für ca. 10,- Euro gut meinen Hunger stillen.
BegegnungenNeben den vielen freundlichen Menschen, die man unterwegs trifft, mit denen man plaudert, die hinhören und Ratschläge geben, waren die Stimmen aus dem Forum präsent. Das mag nach Geisterstimmen klingen, doch manche Diskussionen begleiten eine längere Tour sehr angenehm, zumal ich oft mit dem Geschriebenen eine Stimme, ein Gesicht, eine Persönlichkeit verbinden kann.
HighlightsDie erste Woche in ständiger Begleitung war schon cool.
Bamberg, Passau, das Fränkische, Böhmerwald und das Salzkammergut werde ich noch einmal besuchen.
Fehler Statt mich mal irgendwo 3 Tage auf die faule Haut zu legen und ausgiebig zu erholen, bin ich fast ohne Ruhetag unterwegs gewesen. Sicher waren auch Kurzetappen dabei. Einen wirklichen Ruhetag konnten sie nicht ersetzen. So war ich manchmal mit neuen Eindrücken übersättigt und habe mir gar keine Zeit gegeben, diese zu verarbeiten und mich auf das Kommende einzustellen. Vielleicht wäre ich zum Ende der Tour noch hungrig gewesen.
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