MED-2023-AOC-23
Alt Empordà II/Roussillon: Die Pyrenäenfelsenküste mit der nördlichen Costa Brava und Côte Vermeille feat. Cap de Creus (Medinyà – Collioure)Mit einem Gewaltakt in die Nacht hinein hatte ich Girona noch am Vorabend verlassen. Trotz der Leitlinie vom Fluss Ter war die Ausfahrt alles andere als übersichtlich. Ich wollte jedoch nicht dem Ter zur Küste folgen, sondern quasi diagonal nach Nordosten eine möglichst kurze Route Richtung Cap de Creus einschlagen. So fand ich mich morgens an einem lost place wieder, ein leerstehendes, verfallenes Gebäude, offensichtlich trotz warnenden Hinweisen des Privatbesitzers von zahlreichen Sprayern oder auch zeitweiligen Fremdbewohnern besucht.
(Fr 29.9.) Ramis/Castell/N-IIa – Medinyà – Cervia de Ter – Colomers – Vilopriu – (Schotterexperiment abgebrochen) – Ventalló – Sant Pere Pescador – Empuriabrava – Roses – Canyelles – via Piste (gut) – Punta Falconera – via Piste (gut) – Mirador Falconera (Parking) 73 km | 565 Hm
Etwas verwirrt ob der Straßennetze inklusive Autobahn, gelange ich nach Medinyà, der einzig noch etwas größere Ort für lange Zeit. Ich vertraue darauf, geschickter an einer Bäckerei o.ä. in einer der nächsten Dörfer vorbeizukommen, was nicht der Fall sein sollte. Die Landschaft ist überraschend abwechslungsreich samt einiger Feuchtbiotope. Die kleinen Dörfer wirken sehr verschlafen und nach Abzweig Richtung Colomers verbleibt nur noch sehr geringer Verkehr.
Ich hatte noch eine abkürzende Piste ausgetüftelt, die sich aber sowohl in der Ausschilderung als auch in der Wegequalität als Fehlgriff erwies, und ich nach der zeitraubenden Sackgasse wieder auf die Straße zurückkehrte. Im bereits von einer meiner früheren Reisen bekannten Sant Pere Pescador finde ich endlich die ersehnte Versorgungsmöglichkeit. Das Meer ist hier eigentlich erreicht, man müsste nur den Zufahrten zum Strand folgen. Letztlich kann man aber dem Meer nicht bis Roses folgen, weil sich Naturschutzgebiet und Mündungsarme von kleineren Flüssen dazwischenzwängen. Da gibt es zwar auch einen Radweg durch die Biotope, der aber zum Schluss auch zur Straße zurückkehren muss. Ich bleibe also gleich auf der viel befahrenen Hauptader nach Empuriabrava.
Ich hatte den schlichten Wunsch, meine Sonnenbrille zu ersetzen, die ich auf der Strecke zwischen Anglès und Girona verlor, weil ich sie unachtsam locker am Lenker eingehängt hatte. Sowas müsste doch in jedem der Strandorte zu bekommen sein, wo man sogar Yachten kaufen kann? – Denkste. Sowohl im Empuriabrava als auch in Roses gibts viele Asialäden mit Ramschware, aber keinen einzigen Sportladen oder Optiker, der ein halbwegs sportliches Sonnenbrillenformat anbietet. Ich vergeudete so 2-3 Stunden Suchzeit – ohne Erfolg.
Es war schon etwas Glück, dass ich den Touristenhotspot Roses in der Nachsaison erreichte. Von der Touristinfo erhoffte ich mir aufklärende Erkenntnisse über eine Piste durch das Cap de Creus bis nach Cadaqués. Ich hatte darüber zuvor nur wenige und widersprüchliche Infos gelesen. Solcher Radrouten gibt es sogar zwei offizielle Varianten, nach den Angaben der Servicedame aber nur für MTB und nicht für mein Reiserad mit Gepäck geeignet. Da ich ohnehin die Asphaltstrecke ggf. mit Strandbesuch bis zum Ende ausloten wollte, ging ich die Route trotzdem an, mit der Absicht, auf der Straße wieder nach Roses zurückzufahren. Es kam dann doch anders.
Hat man die Villenvororte am Meer samt den noch gut besuchten Stränden hinter sich, endet auch der Asphalt. Die Piste machte nun einen guten Eindruck, sodass ich zunächst noch die Runde über Punta Falconera ausweiten wollte, wo es anschließend nochmal eine Straßenrückführung nach Roses geben würde. Die Piste fällt nicht ganz zum Meer ab, sondern bleibt oberhalb mit Parkplatz beim Punta Falconera und anbei ein verlassener, wohl ehemaliger Camping. Leicht aufsteigend, mündet man nach ein paar Kehren an einem Aussichtspunkt an der Straße, die Roses mit der Cala Montjoi verbindet – die letzte Bucht, die man auf Asphalt erreichen kann. Statt mich mit einer überstürzten Rückfahrt in die Nacht zu stressen, ziehe ich einen gemütlichen Sonnenuntergangsabend auf dem Parkplatz vor, wo sich noch mehrere Campervans mit gleicher Absicht einfinden und der Platz knapp wird.
(Sa 30.9.) Mirador Falconera – Cala Montjoi – via Piste (gut) – Platja del Caltjer – via Piste (gut) – Coll del Canadell (59 m) – via Piste (gut) – Pla de Guardiola – via Piste (gut) – Alt d'en Manyana (230 m) – via Piste (gut) – Cadaqués – Coll de Perafita (247 m) – El Port de la Selva37 km | 640 Hm
Die irisierenden Lichtstimmungen hier am Mirador Falconera prägten sich zu den schönsten der Reise ein. Wenn ich schon mal da bin, kann ich auch noch das Straßenende anfahren, auch wenn Sackgasse. In Montjoi ist lediglich eine Ferienanlage und der Zugang zum Meer kaum möglich. Die Piste sieht nun wiederum ganz gut aus, außer das Autos immer wieder den Staub aufwirbeln. Derer gab es mehr als wohl üblich, denn in einer Villa bei der Platja del Caltjer wurde eine Konzertveranstaltung abgehalten – vermutlich ein klassischer Musikwettbewerb. Wo Musik ist, kann man auch mal bleiben. Der Strand, ohnehin offiziell für FKK freigegeben, lud dann auch mit eher wenigen Besuchern ein, wenngleich noch eher Morgen. Leider muss man die letzten Meter fast klettern und das Velo ohne Schatten oberhalb abstellen.
Ich setzte die Tour in den Nachmittagsstunden fort – also retour, obwohl die Piste ja immer noch gut aussah. Ich fragte dann zwei Gravelbiker, die offensichtlich aus Cadaqués kamen. Die meinten, die Route sei auch für mich gut zu fahren, der Pistenzustand würde so bleiben wie gesehen. Also mutig doch Piste und nochmals retour. In der Tat bestätigte sich die gute Fahrbarkeit, die Steigungen blieben moderat, etwas auf und ab und ein zuletzt längerer Anstieg zum höchsten Punkt auf 230 m. Die geschützte Landschaft zeigt ein trockenes Küstengebirge – fast eine Steinwüste, oben auch ein überraschendes Biotop mit Quelle, die allerdings ausgetrocknet war. An der Verzweigung zur Cala Joncol, die aufgrund einer Lokalität Besucher trotz Piste anlockt, gibt es eine Schranke, die die Überfahrt nach Cadaqués für Motorfahrzeuge verbietet. Oben auf der Passhöhe (nicht offiziell als solche gekennzeichnet) gibt es ebenfalls eine Schranke in Gegenrichtung. Das Gepäck muss ich unten abnehmen, oben führt ein Pfad seitlich vorbei.
Ist die Passkurve genommen, geht es nur noch bergab und mit Blick auf die Bucht von Cadaqués und weithin zum Cap de Creus. (Anmerkung: Das Cap de Creus bezeichnet einerseits die gesamte Halbinsel der nördlichen Costa Brava und andererseits auch das Kap selbst als östlichsten Festlandspunkt Spaniens mit einem Leuchtturm, allerdings nochmal einige Kilometer und hügelig von Cadaqués nördlich entfernt. Das Kap mit Leuchtturm wird auch als Ende der Welt bezeichnet und interpretiert das östliche Gegenstück zum Cabo Finisterre in Galicien am Atlantik.) Obwohl schon Abend, habe ich in einer der Nebenbuchten von Cadaqués mit erstaunlich wenigen Besuchern Lust den Pistenstaub mit einem weiteren Bad im Meer abzuspülen.
Nun hatte ich die Wahl, mit Proviant in der Dämmerung zum Leuchtturm am Cap de Creus einem besonderen Sonnenaufgang entgegenzufiebern – oder nochmal Zähne zusammenbeißen für ein Passfahrt in die Dunkelheit und Richtung El Port del a Selva. Meine so tief bewegende Erinnerung an meinen ersten Cap-de-Creus-Besuch wollte ich so auch behalten und entschied mich für die Stresstour. Bis zum Perafita-Pass ist die Straße trotz Dunkelheit noch recht gut befahren – doch zweigen fast alle Autos Richtung Roses ab. So ist es nach El Port de la Selva runter nahezu einsam – ganz anders, als der schicke Hafenort sich abends noch recht quirlig zeigt.