2012 war das Jahr, wo ich meine ersten größeren Radreisen unternahm. Nach meiner (kürzer als gedachten) Radtour an der Elbe entlang bis Hamburg war ich Feuer und Flamme, neue Touren zu planen. Jedoch war ich noch völlig unerfahren. Ein Komilitone von mir, dem ich meine Pläne verriet, brachte mich in Verbindung mit ein paar Jungs, die im Oktober 2012 eine Ausklangstour nach Tschechien machen wollten. Wir schrieben uns ein paar Mails und kurz darauf war ich dabei. Da ich nächstes Jahr eh eine größere Tour vorhatte, zog ich meine geplanten Geldausgaben für neue Radtaschen und anderem Zubehör vor. So konnte ich Material und Maschine auf Belastung und Haltbarkeit testen. Geplant war ein Wochenende von Freitag bis Sonntag. Die Strecke ging über das Sächsisch-Böhmische Grenzland, Start war in Zittau. Hin- und Rückreise wurde preiswert organisiert, über gemeinsame Sachsentickets wurden die Leute aufgesammelt.
Zu 4. trafen wir uns am Hauptbahnhof in Chemnitz, eine fünfte Person fuhr noch unabhängig davon auf unserem Sachsenticket mit. In Dresden stieg sie wieder aus und ein anderer Mitradler ein. Ich kann jetzt nicht mehr genau sagen, wer wann dazugestoßen ist, jedenfalls müssten wir zu fünft vor Zittau angekommen sein, später in der Nacht stieß der Rest zu unserem Schlafplatz vor, so dass wir am Ende zu Acht waren. Ich war etwas aufgeregt, weil ich schon vorher wusste, dass ich der Jüngling in der Gruppe sein werde (vom Alter, vor allem aber von der Erfahrung her). Dieser Eindruck verstärkte sich auch auf der Zugfahrt. Man sprach über Radelerfahrungen in Ländern, von denen ich nur wusste: Anderer Kontinent, weit weit weg. Andere erzählten über ihre Bergbesteigungen jenseits der 5000er Marke. Ich denke, ich war an dem Wochenende der Groupie der Gruppe, denn ich ließ mich von diesen Erzählungen sehr inspirieren.
Kurz vor Zittau stiegen wir aus dem Zug aus und ohne Luft zu holen wurde losgeradelt. Ziel für Freitagabend war Jetrichovice in der böhmischen Schweiz, welches über Rumburk erreicht wurde. Bei einem Aussichtsturm mit kurzer Pause fing es dann zu tröpfeln an, so dass ich auf der folgenden Abfahrt meine Regenmontur testen konnte. Wie vom Wetterbericht angekündigt war es jedoch nur ein kleiner Tröpfelschauer, für den nächsten Tag war kein Regen zu erwarten. In der Dunkelheit erreichten wir schließlich Jetrichovice. In der Nähe gab es eine Schutzhütte, in der man übernachten wollte, doch vorher stärkten wir uns bei preiswertem böhmischen Essen in einem örtlichen Restaurant.
Der Aufstieg zur Hütte war dann recht lustig, aber auch kräfteraubend: Sie befand sich genau auf dem Gipfel des Marienfels. Einen kurzen Moment verfuhren wir uns auf den falschen Weg, überall im Wald leuchteten Fahrrad- und Stirnlampen suchend auf. Erstmals konnte ich mein Smartphone-Navi zum Besten geben und wir fanden schließlich den richtigen Weg. Ok, es sei hier gleich gesagt: An anderer Stelle war das Navi auch schon mal schuld, dass ich mich absolut verfranzt habe. Natürlich war der Weg nicht wirklich für Fahrräder gedacht. Aber was tut man nicht alles für einen tollen Ausblick am Morgen. Mit Ächzen und Stöhnen wurden die Fahrräder Treppen hochgetragen. Schließlich war ich allein mit Hendrik, den ich hier kennenlernte und später auch noch eine weitere Tour machen würde. Die Anstrengung war zuviel, ich kam kaum voran, also schlossen wir auf halber Strecke unsere Räder am Baum an und schleppten alle Packtaschen weiter. Irgendwie hatte ich das Gefühl, es mir nicht leichter gemacht zu haben. Nach 100m sah ich die restlichen Räder am Wegesrand und war beruhigt: Ich war nicht der einzige Schwächelnde
Die Treppe schlang sich um den Berg, fix und fertig kam ich oben an, nachdem mir zwischendurch jemand entgegen kam und mir einige Taschen abnahmen. Ja, wer hier der blutige Anfänger war, wurde schnell klar^^ Es war nun bereits richtig Dunkel. Die Hütte entpuppte sich als typische Aussichtshütte: Bänke am der Wandseite, nicht schließbare Fenster und Türen. 4 Leute und der Boden war voll. Vor der Tour wurde mir gesagt: Nimm ein Vlies mit. Ich missverstand es und hatte eine große Fleecedecke mitgenommen, die mich nachts schön warmhielt, aber besser wäre wohl eine Fleecejacke gewesen, denn am nächsten Morgen fror ich erbärmlich. Das hatte einen anderen Grund, ich hatte meine Kleidung draußen liegen gelassen, die nun klamm war. Nächster Anfängerfehler für mich. Nachts gegen 1 Uhr wurde es nochmal kurz lauter, als der Rest der Truppe hochstampfte. Es nieselte und windete etwas durchs Fenster, draußen wurde man nass. So wurde eine Plane an einer Seitenwand aufgespannt, wo die restlichen Leute unterkamen. Ich bekam davon jedoch nichtmehr viel mit, den ich blieb unter meinem Fleece versteckt^^
Der nächste Morgen: Wie schon gesagt, mir war sehr kalt. Aber es gab Tee und bald kam die Sonne heraus und wärmte mich. Als ich aufstand sah ich in mir fremde Gesichter. Ein weiterer Trupp Menschen war auf der Hütte eingetroffen. Ich sah auch bald den Grund: Das gesamte Tal war mit Nebel überzogen, sobald die Sonne herauskam, ergaben sich unheimlich schöne Motive zum Fotografieren. Dieser Moment wurde genossen, bevor es mitsamt Packtaschen wieder nach unten ging. Die Fahrräder wurden wieder heruntergeschleppt, dann ging es weiter ... für einen kurzen Moment. Der Trail führte schließlich durch Wald und für eine ganze Weile war Schieben angesagt. Auch Mountainbiker waren hier unterwegs und stiegen oft ab, man kann sich nun vorstellen, wie es uns Reiseradlern erging. Zweimal wurde ein Fluss von Stein zu Stein überquert, der Anfänger wäre natürlich fast ins Wasser geklatscht.^^ Es war, im Nachhinein betrachtet, aber ein lustiger Trip
Die Unerfahrenheit hatte den Preis, das ich hier etwas über meine Kräfte ging und immer mehr hinterher hing. Ein Grund mehr war auch, dass ich zu viel unnötiges Zeug mithatte. Die meisten hatten nur zwei Packtaschen hinten und auf das Zelt verzichtet. Ich hatte 4 Taschen, entsprechend gefüllt. Aber recht schnell sah man meine Not und mir wurden die vorderen Packtaschen abgenommen. Langsam aber sicher kam ich wieder hinterher.
Extrem viele Kilometer fuhren wir nicht, wir fuhren ein ganzes Stück durch die Böhmische Schweiz und besuchten Studenec / Kaltenberg. Es ergaben sich sehr viele schöne Aussichten, die Fotos werden für sich sprechen. Für eine Übernachtung entschieden wir uns schließlich in Tiské Steny, einem Nationalpark in deutscher Grenznähe, vorher wurde in einem Restaurant gespeist. Das Kassenhäusschen war unbesetzt, also schlichen wir uns mitsamt Rädern rein. Der Nationalpark ist bekannt durch die Tyssaer Wände, einer großen Felslandschaft. Die Felsen sind manchmal phantasievoll gebildet und ähneln Tieren oder was auch immer die Phantasie einem vorgaukelt. Die Fahrräder wurden zwischen den Felsen versteckt und mit den Taschen ging es wieder Bergauf (aber nicht ganz so hoch wie am Vortag). Mit Blick auf das Tal legten wir uns schlafen. Ich baute das Innenzelt wegen Wind und Morgentau auf, aber die meisten packten sich nur in den Schlafsack und schliefen draußen.
Früh am morgen wanderten wir noch etwas zwischen den Gesteinsformationen umher. Als wir schließlich zu den Fahrrädern zurückwollten, war das Kassenhaus besetzt. Einer opferte sich daraufhin und kaufte ein Ticket, während der Rest hinter dem Haus zurück in den Park schloss. Kurz darauf zogen 8 Fahrräder vorbei.
Ich hatte bis hierhin etwas mit Navigation-Apps für das Smartphone experimentiert, für den letzten Tag hatte ich schließlich etwas Befriedigendes gefunden (Komoot). Daher kann ich die Tour etwas genauer beschreiben. Von Tiské ging es nach Pedrovice und Krásný Les, dann immer an der Grenze entlang über Cinovec, wieder etwas weg von der Grenze zum Stausee Flájsky potok und bei Deutschnaudorf wieder nach Deutschland. Bei Mikuláska gibt es ein Restaurant, das „Judenschnitzel“ führt, ich denke sie wollten Putenschnitzel schreiben. Das wurde von der Gruppe gleich mehrfach bestellt.^^ Ich habe mich in den Tagen sehr viel unterhalten können und habe viele Tipps für zukünftige Touren bekommen, auch am eigenen Leib Fehler bemerkt, die ich sicher nicht nochmal machen werde. Am letzten Tag waren meine Kräfte schließlich wieder soweit regeneriert, das ich alle Packtaschen an mich nahm und teilweise vorneweg fuhr. In Olbernhau-Grünthal endete schließlich die Tour und wir nahmen den Zug zurück in die Heimat.