Westalpen und Provence 2012 vom 27.06.2012 bis zum 09.07.2012
13 Etappen
1.400 km
25.000 hm
Wetter: überwiegend heiter bis sonnig, 20 Grad – 30 Grad
1x Regen am Tage und 3x Regen in der Nacht
Wenn du aus der ostdeutschen Provinz kommst und nach Südfrankreich möchtest hast du ein Problem. Zumindest dann, wenn Auto fahren nicht zu deinen Lieblingsbeschäftigungen gehört.
Die alljährliche Suche nach vernünftigen Zugverbindungen scheiterte erneut. Zu teuer, zu unflexibel und letztlich zu viele Umstiege sprechen immer wieder gegen eine Zugfahrt quer durch Deutschland, die Schweiz und Südostfrankreich.
Mit meinem Ford Fusion hingegen kommen wir für etwa 130,- Euro bis auf die Höhe von Grenoble oder Gap und für 130,- EUR wieder zurück.
Und so starten wir mit zwei Fahrrädern und der sonstigen Ausrüstung im Kofferraum am Abend des 26.06.2012 in Richtung Süden.
Gegen Mitternacht auf der A9 und kurz vor dem ersten Sekundenschlaf schwärmt Thea Dorn im BR über Waldeinsamkeit und Wandern im Elbsandsteingebirge. Diese anregende Gesprächsrunde verging wie im Fluge – was ich von den restlichen 12 Stunden nicht behaupten kann.
Nach 2 Nickerchen im Auto und stundenlanger Fahrt durch den Schweizer Berufsverkehr erreichten wir gegen 13:00 Uhr die französische Ortschaft Saxias, etwa 50 km südlich des Genfer Sees gelegen.
Direkt an einer kleinen Pension parken wir unser Auto und ordern für den Tag unserer Rückkehr eine Übernachtung.
Um 14:00 Uhr starten wir unsere Frankreichtour 2012.
1. Etappe:Wir fahren über den in grüne Wiesen gebetteten Col des Aravis (1.486 m). Das Wetter ist prächtig und auf der Passhöhe grüßt der Mont Blanc herüber.
Anschließend nehmen wir noch den aus 2009 bekannten Col des Saisies (1.650 m) unter die Räder. Der Anstieg beginnt in Flumet an der Brücke über den Fluss Arly sogleich mit drei steilen Kehren. Ansonsten ist dieser Pass angenehm zu fahren, zumal wir noch im Vollbesitz unserer Kräfte sind. Von der Passhöhe rollen wir nach Beaufort hinunter.
Dort quartieren wir uns gegen 18:00 Uhr auf dem ruhigen Zeltplatz linkerhand am Ortseingang ein (an der D 925).
2. Etappe:Wir wollen zunächst den Cormet de Roselend überqueren, fahren aber nicht die Tour de France - Strecke (D 925), sondern nehmen mit dem Col du Pré (1.748 m) einen kleinen Umweg in Kauf. Die Straße durch den Ort Arèches unterhalb des gleichnamigen Passes ist recht schmal und hat wenig Verkehr. Für Radfahrer ist diese Strecke ideal.
Auf dem Col du Pré überblicken wir den Lac de Roselend mit seiner imposanten Staumauer, fahren halb um den Stausee herum und nehmen sodann die letzten Höhenmeter zum Cormet de Roselend (1.968 m) in Angriff.
Bei mir rollt es ganz gut – bei meinem Bruder etwas besser; das hatten wir in den letzten Jahren schon andersrum gesehen. Ich werde eben auch nicht jünger….
Nach der langen Abfahrt kurbeln wir in Richtung Tignes. Die breite Straße, die weiterführt nach Val d´Isere und zum Iseran, wird gerade ausgebessert. Mit viel Splitt auf wenig Bitumen wird die gesamte Breite der Straße bestreut. Der Splitt klebt bald an den Reifen und behindert das Fortkommen erheblich – zumindest für mich, denn meinen Bruder sehe ich in dieser Phase nicht mehr. Der Splitt nervt und mein Sitzfleisch beginnt zu schmerzen. Ist der Brooks Colt, den ich mir im Frühjahr extra als „Reisesattel“ gekauft habe, doch nicht so gut wie sein Ruf?
In Tignes – Les Brévières finden wir einen sehr schön gelegenen Zeltplatz. Leider sind alle Geschäfte geschlossen. An einem Restaurant gibt es nur eine kleine Cola – Essen suchen wir in dem Ort vergebens. Das bedeutet, dass wir und von den Reserven (Burger Knäckebrot und Hartwurst) verköstigen müssen. Genau danach stand uns der Sinn….
3. EtappeGegen 07:00 Uhr verlassen wir die Großbaustelle Tignes.
Auf der Hauptstraße durch lange Tunnel und Galerien hindurch führt unser erster Weg nach Val d´Isere. In dem bedeutenden Wintersportort hat wenigstens ein kleiner Konsum offen und so können wir uns hier mit Baguette und Schinken und Cola versorgen. Am Ende des Ortes gibt es sogar einen Zeltplatz. Wäre uns dies bekannt gewesen, hätten wir es gestern auch noch bis hierher geschafft.
Der Col de l´Iseran (2.763 m) liegt vor uns und entgegen meiner Befürchtung (wir waren die Nordrampe bei schlechtem Wetter 2009 schon mal runter gefahren) läuft es sehr gut. Ab Val d’Isere fahren deutlich weniger Autos. Immer wieder legen wir Fotopausen ein. Und schließlich sind wir oben, auf dem Dach unserer Tour. Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel herab.
Gegen 11:00 Uhr gehen wir die Abfahrt an, der Blick schweift über die vergletscherten Bergriesen im Süden.
Mit Hilfe eines Riegels und Red Bull bezwingen wir noch den Col du Mont Cenis (2.083) und es folgt die wohl längste Abfahrt unserer Tour, ins italienische Susa.
Auf der Passhöhe ist es bewölkt und es sieht nach Regen aus. Wir ziehen die Jacken über aber dann bleibt es doch trocken. Den Col du Mont Cenis haben wir schon mehrmals besucht. Jedes Mal blies ein kräftiger Wind tiefe Wolken über den Pass hinweg. Der 10 Kilometer lange Weg am Lac Du Mont Cenis ist auch dieses Mal bei Südwind etwas ungemütlich.
In Susa angekommen, ist es schwülwarm. Nach einer viel zu trockenen Schinkenpizza fahren wir auf einer breiten und verkehrsreichen Straße (SS 24) in Richtung Salbertrand. Zunächst steigt die Straße etwas stärker an, bis wir aus dem Talkessel der Stadt hinaus sind. Dann geht es mit gemütlichen 3 bis 5 Prozent weiter. Weil es so warm ist, müssen wir unterwegs noch etwas zum Trinken kaufen und unsere Flaschen füllen.
Ein paar hundert Meter hinter Salbertrand lieg ein großer Zeltplatz mit einem Bistro.
4. EtappeMeine Sitzprobleme haben gestern noch mal erheblich zugenommen. Wahrscheinlich war der Brooks Colt nach 500 km doch noch nicht eingefahren. Ich dachte vorher, dass ich das abschließende Einfahren des Sattels auf dieser Tour erledigen könnte. Da lag ich falsch.
Ich kann kaum im Sitzen fahren. Kleine Druckstellen gab es immer mal auf solchen Touren aber das hier ist was anderes. Vielleicht fehlt es mir auch an der nötigen Härte? Das bisschen Schmerz muss man doch ignorieren können. Muss ich tatsächlich so rumjammern?
Wie dem auch sei – nach 20 km tausche ich mit meinem Bruder die Sättel. Gott sei Dank passen die Sattelstützen. Mit seinem Sattel läuft es tatsächlich besser. Der Druckpunkt ist leicht verändert und das hilft. Um es vorweg zu nehmen: Schmerzfrei war ich wieder an den letzten beiden Tagen und mit dem Brooks hatte mein Bruder komischerweise keine Probleme.
Wir überqueren den ruhigen Col de l´Echelle (1.762 m), machen in Briancon eine Pause und schieben uns dann bei Gegenwind hoch zum Izoard (2.360 m).
Der Col de l’Echelle ist eine sehr gute Alternative zum viel befahrenen Col du Montgenèvre Von Salbertrand aus fahren wir, die aufgehende Sonne im Rücken bis zum Talschluss nach Bardonecchia. Es geht immer gemütlich leicht bergan. Wir füllen unsere Vorräte für den Tag auf. Zwei Kilometer nach Bardonecchia beginnt dann der richtige Anstieg. Wir passieren einen weiteren Zeltplatz. Die Rampen sind teils über 10 Prozent steil und winden sich an einem trockenen Hang empor. Nach einem Tunnel sind wir plötzlich auf einem grünen Hochplateau, bestanden mit Nadelbäumen. Die letzten Meter sind nahezu flach.
Es schließt sich eine lange Abfahrt nach Briancon an.
Für den Anstieg zum beeindruckendem Izoard benötigten wir ca. 2,5 h. Die Straße ist gut in Schuss und hat sogar einen Fahrradstreifen.
Oben legen wir einen längeren Fotostopp ein.
Anschließend lassen wir es auf der D 902 bis zum Abzweig auf die D 947 laufen. Wir biegen nach links in Richtung Château Ville Vieille ab und schlagen auf dem Zeltplatz am Ende des Ortes unser Zelt auf. Die Handgriffe sitzen wieder und so geht es recht zügig voran.
5. Etappe In den frühen Morgenstunden gibt es erstmals Regen.
Schnell packen wir das Zelt und unsere sieben Sachen zusammen.
Der Regen begleitet uns schauerartig bis zur Passhöhe des Col d‘Agnel (2.744 m). Obwohl ich kein Regenfahrer bin, läuft es ganz passabel. Die Schlechtwetterfront liegt mehr hinter uns und kalt wird einem bergauf sowieso nicht.
Auf der D 205 geht es im breiten, grünen Tal zumeist ohne große Kehren bergan. Erst fünf Kilometer vor dem Gipfel schlägt die Straße einige Bögen, um Höhe zu machen.
Oben angekommen müssen wir uns die dickeren Sachen überziehen, denn die Abfahrt ist lang und es wird dann doch noch empfindlich kalt.
Die ersten Kilometer der Abfahrt sind sehr steil.
Dann flacht es etwas ab und an den Rändern der Straße picknicken tausende italienische Familien. Scheint dort so eine Art Volkssport zu sein. Unten müssen wir noch ein ganzes Stück weit das Tal hinunter fahren, bevor wir rechts abbiegen können zum Col die Sampeyre (2.284 m).
Dies ist der im Schnitt steilste Pass unserer Tour. Die Straße ist schmal und in eher mittelmäßgem Zustand. Sie führt fast durchgängig durch Wald. Ab und an gibt dieser einen Blick frei auf das Vareiatal.
Oben angekommen versteckt sich die Sonne hinter den Wolken aber kalt ist es nicht.
Wir erhaschen einen flüchtigen und nicht gerade berauschenden Blick auf den Monte Viso, den mit über 3.500 Metern höchsten Gipfel in den Cottischen Alpen.
Danach geht es auf ebenfalls schmaler Straße ins Tal.
Da wir keinen Zeltplatz finden und die Dämmerung einsetzt, machen wir in einem Posto Trappa Station. In der rustikalen Pension, müssen wir für Übernachtung und Abendessen (3-Gänge Menü) 113,- EUR löhnen. Trotzdem war es die richtige Entscheidung, denn in der Nacht gingen mehrere kräftige Gewittergüsse nieder.
6. Etappe:Frau Bruni, die Hausherrin verspricht uns ab dem Mittag Sonnenschein und packt uns, da wir keine Zeit mit Frühstück verschwenden wollen, ein kleines Lunchpaket. Bei nachlassendem Regen rollen wir nach Borgo San Dalmazzo und steigen dort in den Zug, der uns bis ins italienische Limone bringt. Wir überbrücken somit etwa 30 km auf einer mäßig befahrenen Straße. In Limone wird das Wetter besser und wir entscheiden uns, den legendären Tendapass (1.908 m) aus eigener Kraft zu nehmen.
Von Limone aus ist das nicht allzu schwer. Der Straßenverkehr wird durch einen Tunnel geführt und wir haben das kleine Asphaltband zum Pass für uns alleine.
Der letzte Kilometer ist ein gut zu fahrender Schotterweg.
Oben angekommen inspizieren wir einen Bunker und schauen auf die vielfach dokumentierte Tendasüdrampe hinab.
Da unser Tourenplan ein anderer ist, können wir die Ligurische Grenzkammstraße, die hier oben in Richtung Ventimilga ihren Anfang hat, nicht befahren. Die ist mit Gepäcktaschen auch nicht unbedingt zu empfehlen.
Wir genießen also die zahlreichen Haarnadelkurven der Tendasüdrampe und fahren über den Col de Brouis (879 m) weiter bis nach Sospel. Schnell ist das Zelt auf dem camping municipal aufgebaut und Verpflegung in einem Supermarkt besorgt.