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#843420 - 07/09/12 04:06 PM Jakobsweg mal wieder
Fricka
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1. Tag

Ein Sonntag, schon eher Mitte als Anfang Mai. Ursprünglich wollten wir mal im April los. Aber es kam immer wieder etwas dazwischen. Gar nicht so einfach, sich für einen solchen Langzeiturlaub freizuschaufeln. Aber endlich haben wir es geschafft. Naja, mittags kommen wir los.

Die Räder haben wir gerade erst gebraucht gekauft. Sie sind zehn Jahre alt. Den Kettenverschleiß habe ich gemessen. Das muss noch reichen. Ansonsten sind die Räder ganz in Ordnung. Wir haben nicht viel dran geändert. Einen veralteten Nabendynamo ausgetauscht. Einen Lenker. Meine guten Vorsätze, vorab zu trainieren, ein paar Pfunde zu verlieren, das Fahrrad ordentlich auszuprobieren – ging alles unter, in der vielen Arbeit, die noch anfiel. Na gut, dann findet das eben unterwegs statt. Geht auch.

Wir starten in Mainz Castel, das, wie jeder weiß, zu Wiesbaden gehört, also rechtsrheinisch liegt. Zunächst einmal geht es den Rhein-Radweg entlang. Weil Sonntag ist und dazu schönes Wetter, ist alles, was laufen kann draußen unterwegs, so dass wir nur langsam vorankommen. Macht nichts. An die neuen Räder mit der schweren Beladung müssen wir uns erst gewöhnen. Wir haben Zelt und alles, was man sonst so braucht, dabei. Kochen werden wir unterwegs auch selbst.

Das schöne Wetter ist nur eine kurze Phase. Die letzten Wochen war es gleichbleibend schlecht und das soll laut Wetterbericht auch so bleiben, so dass es keinen Sinn macht, die Abreise zu verschieben. Es ist nicht besonders warm. Dafür regnet es ununterbrochen. Auch jetzt drohen dunkle Gewitterfronten am Himmel. Wir fahren zunächst mal kurzärmlig, wenn auch langhosig. Und sind optimistisch, während wir um die zahlreichen Pfützen kurven.

Die Räder rollen, wie sie sollen. Das ist doch schon mal was. Aber kaum haben wir Wiesbaden hinter uns, macht das Wetter ernst. Wir können uns gerade noch unter das Dach einer Tankstelle flüchten, als ein heftiges Gewitter losbricht. Wir setzen uns dort auf eine Bank und packen unsere belegten Brote aus.

Nach dem Gewitter nieselt es ausdauernd. Mal mehr mal weniger. Wir ziehen unsere Regenjacken über und fahren weiter. Immerhin haben die Sonntagsausflügler jetzt ihre Unternehmungen abgebrochen und der Radweg gehört uns. Zügig radeln wir bis zur Fähre in Rüdesheim. Auf der Fähre werden wir zum ersten Mal auf unsere Muscheln angesprochen. Man hält uns eine Standpauke. Mit Sicherheit hätten wir keinerlei religiöse Motivation. Insofern sei unser Unternehmen eine Unverschämtheit. Da wir keine Lust haben, unsere religiöse Motivation mit einer wildfremden Frau auszudiskutieren, lassen wir das mal so stehen. Die Überfahrt ist sowieso bald vorbei. Wir fahren durch Bingen und biegen in den Naheradweg ein. Immer noch auf sehr vertrautem Terrain. Den Nahe-Radweg kennen wir gut. Und von Bingen bis Bad Kreuznach gefällt er uns nicht besonders. Der Dauerregen macht das nicht gerade besser.

Bis Bad Münster am Stein kommen wir zügig voran. Hier könnten wir auf den dortigen Campingplatz gehen. Wir beschließen aber, noch weiterzufahren. So wird es schon langsam dunkel, als wir am Campingplatz in Monzingen auflaufen. Dort gibt es Holzhütten, die kaum mehr kosten als die Zeltübernachtung. In Anbetracht des Dauerregens und der triefenden Landschaft erscheint uns das ziemlich verlockend. Wir finden dort zwar ein Dach zum Unterstellen, aber niemand, der uns weiterhelfen könnte. Theoretisch, laut Anschlag, wäre noch geöffnet. Praktisch ist aber niemand da. Eine Telefonnummer zum Anrufen. Es geht aber niemand ran. Irgendwann doch, derjenige kommt zu uns und wir können in eine Holzhütte einchecken. Draußen prasselt der Regen. Unsere Räder stehen auf der Veranda.
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#843863 - 07/10/12 03:08 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Fricka
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2. Tag

Wir frühstücken erst einmal gemütlich unter dem Vordach der Hütte. Das Wetter hat sich seit dem Vortag nicht wirklich verbessert. Es nieselt weiterhin. Dazu ist es deutlich kälter geworden. Da wir nicht viel packen müssen, brechen wir früh auf. Wir wollen über den Nahe-Hunsrück-Mosel-Weg nach Trittenheim. Das sind deutlich zu viele Kilometer.

Bis Fischbach, wo der NHM das Nahetal verlässt, ist es nicht mehr weit. Allerdings haben wir dort Schwierigkeiten, den Einstieg zu finden. Anstelle des in der Karte eingezeichneten Abzweigs finden wir eine große Baustelle, so dass wir uns durchfragen müssen. Dann nehmen wir die Steigung in Angriff. Zunächst einmal geht es nach Herrstein. Das schaffen wir mühelos und sehen uns erst einmal den hübschen Fachwerkort an. Wir kehren in einem Cafe ein und schieben unsere Räder durch die Kopfsteinpflasterstraßen.

Bei einem genaueren Kartenstudium stellen wir fest, dass der Radweg jedes Besucherbergwerk und auch einen Freizeitpark mitnimmt. Da wir weder Zeit noch Lust zu diesen Besichtigungen haben und sowieso irgendwie abkürzen müssen, können wir leicht ein paar Kilometer abkürzen. Ansonsten führt der Weg um den Idarwald herum, den man immer seitlich liegen sieht. Wir überlegen, ihn einfach zu überqueren, die anderen Radfahrer im Cafe halten das allerdings für völlig unmachbar. In Anbetracht unseres schlechten Trainingszustands lassen wir es bleiben und folgen weiter dem Radweg.

Landschaftlich ist es sehr schön. Die Straßen und Wege sind nicht besonders stark befahren. Alles blüht und grünt. Wir fahren beständig auf und ab und sammeln so sicher mehr Höhenmeter, als für uns die Überquerung des Idarwalds bedeutet hätte. Die Orte, die man durchquert, sind alle ganz reizend. Die Kirchen leider alle verschlossen. Heute gibt es also keinen Pilgerstempel.

Wir erreichen das Ende des Idarwalds und haben ihn nun zur Linken liegen. Der Verkehr läuft hier über eine Bundesstraße, die stark befahren ist. Der Radweg führt durch Dörfer und über Schotter- und Waldwege. Wegen des vielen Regens sind die sehr schlecht befahrbar. Teilweise versinkt man im Lehm und Schlamm. Außerdem schlägt der Weg weite Haken. Die Zeit läuft uns davon.

Während wir langsam zweifeln, ob wir denn wohl noch ankommen werden, geht es erst einmal heftig aufwärts nach Hunolstein. Oben gibt es ein nettes Dörfchen, dass vollständig verlassen daliegt und eine gute Aussicht über das tief eingeschnittene Tal des Dhron auf Haag, wie der auf der Höhe von Hunolstein. Na bravo. Da sollen wir jetzt runter und drüben gleich wieder rauf. Damit hat sich das Ziel Trittenheim wohl erledigt. Das schaffen wir nicht mehr.

Wir müssen wieder fragen, um die richtige Ausfahrt zu finden. An zwei Stellen geht es steil nach unten. Ohne Wegweiser oder stimmige Auskunft, dass das auch die richtige Richtung ist, machen wir so was ungern. Der Weg abwärts ins Dhron-Tal ist steil und ziemlich mit Löchern übersät, trotzdem sind wir natürlich schnell unten. Überraschenderweise gibt es vor der Brücke, die über den Fluß führt und von der man schon den steilen Weg nach oben sieht, eine Abzweigung den Fluß entlang. Und da das Ziel des Radwegs Neumagen-Dhron ist, kann das nicht falsch sein. Wir beschließen, Haag auszulassen und bleiben am Fluß. Der fließt ganz mächtig und hat offensichtlich Hochwasser. Der Weg ist stark ausgewaschen und ziemlich schlecht zu befahren. Wir überqueren ihn mit Hilfe einer halb zerstörten Brücke und müssen schließlich die Räder noch über eine Brücke wuchten, die so schmal ist, dass wir das gerade mal so schaffen. Auf beiden Ufern gibt es Stufen. Als wir langsam schon zweifeln, ob wir jemals ans Ende dieser Wildnis kommen, wird es zivilisierter. Der Weg ist befestigt. Daneben liegen Pferdekoppeln. Ein Hof kommt in Sicht. Und wir erreichen Gräfendhron und damit die Straße.

Nun geht es erfreulicherweise rasant abwärts. Wir bleiben auf dieser Straße bis Papiermühle, wo diverse Radler in einem Biergarten sitzen und uns interessiert nachgucken, als wir zügig den Abzweig nach Trittenheim nehmen. Es fängt schon an zu dämmern. Straße und Tal sind eng und ziehen sich in die Länge. Es geht kontinuierlich aufwärts und man kann nicht so recht erkennen, wo man denn nun das Moseltal erreichen wird. Aber schließlich sehen wir vor uns den Zummethof und tief darunter die Mosel.

Da müssen wir nun natürlich einkehren. Wir gehen erst einmal essen, während es dunkel wird. Also rufen wir unten beim Campingplatz an, dass wir später kommen. Schließlich fahren wir dank der neuen Beleuchtung problemlos und zügig nach unten. Am Campingplatz werden wir nett empfangen wie immer und bauen unser Zelt auf. Es ist feucht, aber auf dem ordentlichen Rasen hier macht das nichts. Wir genießen die makellosen Sanitäranlagen und gehen schlafen. Die erste Nacht im Zelt auf dieser Reise.
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#844337 - 07/11/12 06:33 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Fricka
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3. Tag

Zur Abwechslung scheint mal die Sonne. Allerdings packen wir unser Zelt trotzdem klatschnass zusammen. Das hält es aus und wir wollen nicht so lange warten. Den Mosel-Radweg kennen wir auch schon. Wir überqueren den Fluss und radeln gemächlich Richtung Trier, ein bisschen müde von der Hunsrück-Tour. Die „Bergetappen“ durch die Weinberge lassen wir also aus und bleiben unten am Fluss. Überall wird fleißig das Heu gewendet. Es riecht nach Sommer. Viele Radfahrer und Wanderer sind unterwegs.

Hinter Longuich wechseln wir am „Alten Fährturm“ an das andere Ufer. Eine hübsche Ecke, die uns auch beim letzten Vorbeiradeln schon gefiel. Danach geht es auf Trier zu. Der Weg verlässt den Fluss und schlägt Haken um Verkehrsbauwerke. Wir verlieren ihn und fahren in die Richtung, in die die Mosel wohl fließen muss. Irgendwie überwinden wir auch die Verkehrsschneisen und kommen nach Pfalzel.

Vor den Toren legen wir ein Picknick mit Blick auf die Mosel ein. Die Sonne glitzert im Wasser. Anschließend touren wir durch die netten Gassen. Die Kirche ist gut verschlossen wie beim letzten Besuch. Irgendwann werden wir es schaffen, sie uns anzusehen.

Weiter geht es den Fluss entlang nach Trier, schließlich über eine der Brücken ins Zentrum. Wir stellen unsere Räder in der Fahrradgarage an der Porta Nigra ein. Trier quillt über. Wegen der Heilig-Rock-Wallfahrt. Es macht keinen Sinn, sich mit den Rädern einen Weg durch die Menge zu bahnen. Am Dom holen wir uns in der Information einen Pilgerstempel und stellen uns anschließend für den Heilig-Rock an. Wir müssen nicht, wie angedroht, stundenlang warten. Eher minutenlang. Dann stehen wir vor der Vitrine.

Anschließend machen wir einen Bummel durch die Kaufhäuser, um noch verschiedene Einkäufe zu erledigen. Wir finden alles, was wir brauchen und gehen eine Kleinigkeit essen. Was wegen völliger Überfüllung des Stadtzentrums schwierig wird. Übernachten wollen wir hier also nicht. Der Campingplatz gefällt uns sowieso nicht. Zu teuer. Zu laut. Zu voll. Also brechen wir irgendwann wieder auf.

Zunächst nach St. Matthias. Hier werden wir mehrfach auf unsere Pilgermuscheln angesprochen. Wir bekommen noch einen Stempel. Und dazu Buttons geschenkt, die wir unbedingt mitnehmen sollen. Anschließend sehen wir uns die Kirche an.

Bis Konz ist es jetzt nicht mehr weit. Und da es hier nicht nur einen Campingplatz gibt, sondern auch einen Discounter, kaufen wir uns ein nettes Abendessen zusammen und probieren unsere neuen Campingsessel aus. Leider wird die Nacht ziemlich laut. Nicht nur wegen der Straße daneben. Zusätzlich grenzt noch eine Eisenbahnbrücke an, auf der ununterbrochen und laut quietschend allerhand Güterzüge durch die Dunkelheit rollen.
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#844492 - 07/12/12 09:13 AM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
radlsonny
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In Antwort auf: Fricka
2. Tag


Bis Fischbach, wo der NHM das Nahetal verlässt, ist es nicht mehr weit.


aaah, das berühmte Fischbach! schmunzel
leider mussste unsre diesjährige Herrentour Bonn-Fischbach-Bonn wegen Krankheit des gebürtigen Fischbachers ausfallen.
Schön geschrieben! bin gespannt wie's weitergeht und ob Eure religiöse Motivation amtlich beglaubigt wurde zwinker
Gruß radlsonny
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#844640 - 07/12/12 02:43 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: radlsonny]
Fricka
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4. und 5. Tag

Für heute ist mal wieder Regenwetter angesagt und so werden wir auch vom prasselnden Regen geweckt. Wir packen also wieder ein klatschnasses Zelt ein, ziehen Regenjacken über, legen für stärkere Schauer die Ponchos bereit. Drüben am anderen Ufer blicken wir jetzt auf Luxemburg. Es regnet ausdauernd und es geht auf die deutsch/französische Grenze zu. Wir möchten uns gern vorher noch von unseren deutschen Pfandflaschen trennen, halten also entsprechend Ausschau. Der Weg führt allerdings eingeklemmt zwischen Autostraße, Bahn und Mosel südwärts.

In Nennig beschließen wir einen Kurzausflug nach Luxemburg und überqueren die Mosel. Der Regen strömt kräftig, so dass wir uns in Remich in ein Cafe flüchten, vor dem bereits diverse Reiseräder geparkt sind. Dort bildet sich eine nette Runde, die ihre Regenausstattung vergleicht und diskutiert. Nach einer ganzen Weile beschließen wir weiterzufahren, da der Regen offensichtlich in absehbarer Zeit nicht nachlassen wird und kehren über die Brücke nach Nennig zurück.

Nach Perl und damit bis zur französischen Grenze ist es jetzt nicht mehr weit. In Perl biegen wir in Richtung Ort ab, um endlich einen Supermarkt zu finden. Das klappt auch. Wir leeren die Pfandflaschen und geben sie ab. Dann rollen wir wieder hinunter an die Mosel und überqueren die Grenze.

In Sierck les Bains kaufen wir französische Mineralwasserflaschen. Die müssen wir nun nicht mehr hüten. Darauf ist kein Pfand. Der Ort gefiel uns beim letzten Besuch schon gut und da hier sogar das Wetter langsam besser wird, also der Regen aufhört, picknicken wir am Mosel-Ufer. Kurz darauf überqueren wir die Mosel und fahren unterhalb von Contz les Bains vorbei durch grüne Wiesen am Flussufer entlang. Ab hier fährt man gefühlt „stundenlang“ auf das Kernkraftwerk Cattenom zu. Dieser interessante Effekt wird dadurch erzeugt, dass die Mosel kräftig mäandert, so dass man aus allen Richtungen drauf zu kommt und immer wieder dran vorbeizufahren scheint. Da es mächtig im Gelände steht, ist das sehr auffällig. Drum herum ist eine Freizeitlandschaft entstanden. Die Franzosen haben da offensichtlich keine Berührungsängste.

Nachdem wir endlich nicht mehr auf das Kraftwerk zu fahren, sind wir so gut wie in Thionville angekommen. Wir fahren ein bisschen im Ort herum, beschließen aber, hier nirgends einzukehren, sondern weiter in Richtung Metz zu fahren. Es geht kerzengerade auf gut asphaltiertem Radweg einen Kanal entlang. Rundum ist es grün, aber man sieht auf der Karte, wie nah die Autobahn, Hauptverkehrsachsen und Gewerbegebiete sind. Regelmäßig unterqueren wir Brücken. Wir überholen viele Radfahrer und begegnen auch vielen. Das Wetter ist jetzt gut. Sogar die Sonne kommt heraus. Wir kommen schnell voran.

Knapp vor Metz – wir sehen schon Ikea – hört der Weg unvermittelt auf. An einem Schild mit der Aufschrift „Fin du Chemin de la Moselle“. Das ist buchstäblich zu verstehen. Wir müssen über eine Wiese und über allerhand Schotter schieben, um auf der Straße anzukommen. Letztes Jahr sind wir das in umgekehrter Richtung gefahren. Da ist der Einstieg von der Straße aus ausgeschildert. Die Stelle liegt aber zurück. Und zurück fahren wir nie. Das wäre noch schöner.

Durch das Gewerbegebiet kommen wir schnell nach Metz und überqueren dort die Mosel, wie der Mosel-Radweg es laut Bikeline vorsieht, auf einer stark befahrenen Brücke. Bis zum Campingplatz, der innenstadtnah am Ufer liegt, ist es nun nicht mehr weit. Nachdem wir unser Zelt aufgebaut haben, fahren wir noch einmal durch die Altstadt und trinken auf dem belebten Hauptplatz ein Bier. Laut Reiseführer kann man hier schön sitzen und günstig essen. Unsere zwei Bier (0,25) kosten uns 12 €. Das bleibt auf dieser tour rekordverdächtig.

Den nächsten Tag verbringen wir in Metz. Wir möchten das Centre Pompidou besichtigen. Das hat sehr ungünstige Öffnungszeiten, so dass wir schon mehrfach verpassten, es mal von innen zu sehen. Diesmal wollen wir das erzwingen. Zunächst einmal waschen wir unsere Wäsche und sehen ihr beim Trocknen zu. Was sehr schnell geht, in der nun strahlenden Sonne. Dann geht es in die Stadt. Wir sehen uns noch einmal in aller Ausführlichkeit die Kathedrale an und holen uns einen Pilgerstempel. Es gefällt uns dort. Wir bleiben eine ganze Weile sitzen und genießen es, heute mal keine Etappe vor uns zu haben.

Im Centre Pompidou lassen wir uns ebenso Zeit und sehen uns die drei dort angebotenen Ausstellungen an. Und natürlich das spektakuläre Gebäude selbst. Endlich mal von innen. Bei einer Cola im zugehörigen Cafe treffen wir die nächsten Pilger. Sie gehen zu Fuß. Jedes Jahr ein Stückchen. Nach einer ausführlichen Radtour um die Metzer Sehenswürdigkeiten kaufen wir ein und fahren zurück zum Zelt. Wir kochen in Ruhe, essen zu Abend und genießen den Blick auf Fluss und Sonnenuntergang. Wir sind hier heute Exoten. Es gibt keine weiteren Radler.
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#844655 - 07/12/12 04:15 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
kettenraucher
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Es ist sehr schön, diese Erzählung zu lesen. Wenn Du aber in diesem Tempo weitermachst grins ….. ich rede da aus Erfahrung peinlich
Aber lass Dich bloß nicht hetzen, immerhin seid ihr auf einem Pilgerweg, also einer Reise der Muse und Kontemplation. Ich bin jetzt auf viele weitere Episoden eingestellt und freue mich sehr auf jede einzelne Etappe, die noch folgen wird. bravo
Allen gute Fahrt und schöne Reise.
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#844682 - 07/12/12 05:52 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Juergen
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In Antwort auf: Fricka

In Sierck les Bains kaufen wir französische Mineralwasserflaschen. .................. Ab hier fährt man gefühlt „stundenlang“ auf das Kernkraftwerk Cattenom zu.

na dann spendier ich mal ein aktuelles Photo oberhalb von Sierck les Bains mit Blick auf Cattenom schmunzel

Bin gespannt, wie es weiter geht, denn ich habe mich auf der letzten Tour doch tatsächlich in Frankreich verliebt und peile dieses wunderbare Land fürs nächste Jahr wieder an.

Gruß
Jürgen
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Off-topic #844685 - 07/12/12 06:08 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Axurit
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In Antwort auf: Fricka
In Perl biegen wir in Richtung Ort ab, um endlich einen Supermarkt zu finden. Das klappt auch. Wir leeren die Pfandflaschen und geben sie ab.


Da habt ihr ja nochmal Glück gehabt. Wäre schade gewesen, wenn ihr die Pilgerfahrt wegen Geldmangel hättet abbrechen müssen

Gruß
Rainer
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Off-topic #844699 - 07/12/12 06:37 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Axurit]
Fricka
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In Antwort auf: Axurit

Da habt ihr ja nochmal Glück gehabt. Wäre schade gewesen, wenn ihr die Pilgerfahrt wegen Geldmangel hättet abbrechen müssen


Das nicht. Aber wir werfen nie etwas weg, für das man noch Geld bekommen würde. Da sind wir eigen. Nachkriegsgeneration halt. Letztes Jahr haben wir drei pet-Flaschen leer durch Österreich und Tschechien transportiert. Kurz vor Dresden waren sie auf einmal verschwunden. Also irgendwie vom Rad gerutscht oder entwendet. Solche Aktionen wollte ich dringend vermeiden. Was auch geklappt hat.
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#844965 - 07/13/12 05:13 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Fricka
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6. Tag

Gut ausgeschlafen und trocken beginnen wir den nächsten Reisetag. Heute wollen wir den uns schon bekannten Moselradweg verlassen und in unbekannte Regionen aufbrechen. Endlich.

Südlich von Metz fährt man stadtauswärts einen idyllischen Kanal entlang. Den kennen wir schon. Auf einer Seite verläuft der Fußweg, auf der anderen der Radweg. Mit diversen Schildern sich bei Androhung strenger Strafen dran zu halten. Der Fußweg ist eben, gut ausgebaut und befestigt. Der Radweg nichts davon. Das ist einfach ein Pfad durch die Büsche. Über Baumwurzeln geht es auf und ab. Unbefestigt und jetzt nach den diversen Regenfällen voller Pfützen und völlig ausgewaschen. Dabei so schmal, dass sich die Räder kaum begegnen können. Unter mehreren Brücken hindurch wird es so schmal, dass man nicht mehr neben dem Rad schieben kann, sondern es hinter sich herziehen muss. Diesmal waren zusätzlich noch sämtliche Fußgänger auf der Radwegseite unterwegs. Wir beschließen also irgendwann entnervt, den völlig verlassenen Fußweg zu benutzen. Es scheint auch niemand wirklich was dagegen zu haben. Ansonsten ist es hier wirklich schön. Zumal bei so gutem Wetter, wie wir heute haben.

In Jouy aux Arches kehren wir auf die Straße zurück und fahren unter dem römischen Aquädukt durch. Nun geht es die wenig befahrene Landstraße entlang nach Pont á Mousson. Wir radeln fröhlich auf und ab und freuen uns, dass das nun schon viel besser geht als am Anfang. Die Prämonstratenser-Abtei dort schenken wir uns. Die haben wir uns schon im letzten Jahr angeguckt. Wir kehren lieber beim großen M ein. Da gibt es Internet gratis. Das hatten wir im letzten Jahr schon genutzt. Es ist inzwischen so heiß geworden, dass man schon gerne im Schatten sitzt. Anschließend geht es weiter die Straße entlang, meist entfernt von der Mosel.

Von Custines nach Pompey überqueren wir den Fluss, da wir nicht weiter an der Meurthe entlang nach Nancy wollen, sondern am Moselufer nach Toul. Der Mosel-Radweg folgt hier der Meurthe. Wir fahren jetzt nach IGN-Karte, da es keine Ausschilderung mehr gibt. Das geht im Prinzip sehr gut, nur sieht man nicht immer, auf was für Steigungen man sich da einlässt. Die Straße führt oben am Berg entlang, nicht unten am Ufer. Erst ein paar Dörfer weiter finden wir einen Abzweig in Richtung Mosel, der wir dann folgen. Nun auch wieder auf einem Weg durch die Idylle. Eine Weile geht das gut. Bis wir den Schildern „Boucles de La Moselle“ folgen und weit vom Fluß abkommen. Wir fahren einen großen Bogen. Und geraten in ein aufziehendes heftiges Gewitter.

Unser Ziel ist der Campingplatz in Villey le Sec bei Toul. Der sorgt für eine unerwartet heftige Bergankunft. Zwar liegt er unten an der Mosel, aber da wir aus der falschen Richtung kommen, müssen wir mehrere Steigungen überwinden bis wir wieder ganz nach unten fahren. Der Platz ist unerwartet schön. Wir sehen direkt auf den Fluß. Und haben eine überdachte Tisch-Bank-Kombination ganz für uns allein. Auch sonst ist der Platz nett ausgestattet. Wir sitzen also noch ein Weilchen unter dem Dach.
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#845145 - 07/14/12 12:12 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Fricka
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Die Mosel entlang machen wir uns auf den Weg nach Toul. Das ist nicht weit. Über eine große Brücke geht es in den Ort. Rundherum gibt es Festungswälle. Wir kurven ein Weilchen herum, bis wir an die Kathedrale kommen. Leider ist sie verschlossen. In der Touri-Information nebendran bekommen wir einen Pilgerstempel (das ist in Frankreich die übliche Anlaufstelle dafür) und man erklärt uns, dass gerade eine Orgel-Tonaufnahme stattfinde, also keine Hoffnung bestünde, irgendwann doch noch eine Besichtigungsmöglichkeit zu finden.

Wir beschließen also, weiterzufahren. Dazu verlassen wir das Moseltal, um über ein paar Hügel die Meuse zu erreichen. Allzuviele Höhenmeter sind dazu nicht zu überwinden. Zwischen beiden Flüssen gibt es einen Kanal mit vielen Schleusen, um die Wasserscheide zu überwinden. Daran entlang gibt es einen nett zu befahrenden Radweg, den wir am Ortsausgang auch schnell finden. An den Schleusen geht es jeweils etwas bergauf, aber nicht allzu viel. Wir kommen gut voran.

Später nähern wir uns einem Hügelkamm und – siehe da – der Kanal verschwindet in einem Tunnel. Natürlich ohne einen Radweg dabei. Wir versuchen, über einen Feldweg den Hügel zu überqueren. Aber der Weg verläuft sich zwischen den Hügeln und an der Autobahn. Wir müssen also zurück in den letzten Ort. Dort erklimmen wir den Hügel an der steilsten Stelle, bis wir auf seinem Kamm auf eine Straße stoßen, die auf der anderen Seite wieder nach unten führt. Dort treffen wir auf den Kanal, der ab hier aber nicht mehr in unsere Richtung führt.

Bis Domremy la Pucelle folgen wir nun der Meuse. Es geht eine Straße entlang. Ein bisschen hügelauf- und –abwärts. Im Ganzen aber problemlos zu befahren. Dort angekommen, picknicken wir im Vorgarten von Jeanne d’Arcs Geburtshaus. Das kennen wir schon. Also sparen wir uns den Eintritt für die Besichtigung. Wir besuchen lieber die kleine romanische Kirche daneben und die große Basilika oben am Berg, wo eine Jubiläumsfeier vorbereitet wird. Man stellt gerade jede Menge Stühle auf. Eine Kindergruppe probt ein Theaterstück. Es ist ungemütlich.

Im Ort gibt es einen Campingplatz. Wir wollen aber weiter bis Thonnance les Moulins. Ab Domremy werden die Campingmöglichkeiten noch knapper. Da passt die Einteilung besser, wenn wir noch weiterfahren. Dazu geht es zurück nach Greux, wo wir das Meuse-Tal in Richtung Westen verlassen. Wir folgen einem schmalen Tal. Es geht zunächst sanft aufwärts. Das Abendlicht verschönt die Landschaft zusätzlich. Am Talboden kringelt sich ein Bach. Die grünen Wiesen sind mit bunten Blüten übersät. Wir sind ganz allein. Kein Auto kommt uns entgegen. Wir passieren ein kleines, völlig verlassen daliegendes Dörfchen.

Am Talende wird die Straße steiler. Der nächste Ort heißt Vaudeville le Haut und das ist wörtlich zu verstehen. Wir sehen ihn lange bevor wir ihn erreichen, oben auf der Hügelkuppe liegen. Das letzte Stück müssen wir schieben. Nicht schlimm, wenn die „Passhöhe“ schon sichtbar vor einem liegt. 130 Höhenmeter haben wir damit bewältigt, von der Meuse aus. Das ist natürlich erst der Anfang. Zunächst weiter durch Wiesen, dann durch den Wald geht es noch einmal 30 m aufwärts. Die Straße ist zwar völlig unbefahren, aber gut ausgeschildert. Die Orte haben hier etwa 7 km Abstand. Der nächste liegt natürlich unten an einem Fluss. Wir rauschen entspannt abwärts, ahnen aber natürlich schon, dass wir alles, was wir abwärts fahren, auch wieder hinauf müssen. Wir wissen das noch nicht, aber das wird eines der Grundmuster dieser Tour.

Anscheinend liegen die Dörfer hier häufig an einem Bach. Von einem zum anderen liegt dann jeweils eine Höhe dazwischen. Von oben hat man einen weiten Blick. Von unten türmen sich die nächsten Hügel teilweise beängstigend. Die Durchquerung der Dörfer ist manchmal etwas verzwickt, da niemand auf den Straßen ist, den man fragen könnte. Und das schmale Sträßchen verliert sich regelmäßig in den Dorfgassen. So fahren wir etliche Extrarunden durch verträumte Dörfer. Was natürlich kein Schaden ist. Jedes besteht aus idyllischen Winkeln, mindestens einer alten Kirche und vielen alten Häusern. Ab und zu hört man einen Hund bellen. Dank IGN-Karte finden wir irgendwann die richtige Ausfahrt.

Langsam wird es dämmerig und wir merken die vielen Steigungen zunehmend in den Beinen. Die Strecke zieht sich. Wir zählen die noch zu fahrenden Kilometer rückwärts. In Soulaincourt verlassen wir den Jakobsweg und biegen nach Süden ab. Wir tun das gern. Er macht sich gerade mal wieder an einen heftigen Anstieg über eine Hügelkette. Wir folgen nun, deutlich zügiger, einem Bachtal abwärts bis an die Thonnance. Hier liegt Thonnance les Moulins zwischen diversen Mühlen. Und hinter dem Ort, in der Forge Ste Marie ein großer Campingplatz, den man so abgelegen gar nicht erwarten würde.

Es ist schon dunkel, als neben uns ein erleuchteter fahnengeschmückter Eingang erscheint. Zwischen historischen Gebäuden ein großer Platz mit allem, was dazu gehört. Sogar einem Hallenbad, das gerade schließt. Er wird von Holländern betrieben, beherbergt viele Wohnmobile und Wohnwagen. Man sieht uns an, als wären wir vom Mond geplumpst, nimmt uns aber auf, obwohl wir nicht reserviert haben. Wir bauen erleichtert unser Zelt auf, gehen duschen und essen im angeschlossenen Restaurant. Glücklicherweise – morgen ist Sonntag und wir haben seit Ewigkeiten keinen Laden mehr passiert – gibt es auch einen Laden, der uns morgen früh mit allem versorgen wird, was wir brauchen.
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#845533 - 07/15/12 07:25 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Fricka
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8. Tag

Heute müssen wir wieder, um den nächsten Campingplatz zu erreichen, 100 km zurücklegen. Mit unaufhörlichen Steigungen. Wir fahren also vorsichtshalber mal relativ früh los. Morgens ist das Wetter gar nicht schlecht, aber wir stehen in einer absoluten Schattenecke, so dass es sich nicht lohnt, auf ein Abrocknen des Zelts zu warten.

Wir müssen nicht zurück, um den Hügelzug von gestern abend nun zu überqueren. Wir folgen der Thonnance bis Noncourt sur le Rongeant und umfahren ihn dabei bequem. Die Straße führt uns weiter am Flüsschen entlang nach Joinville an der Marne, die wir in der Ortsmitte überqueren. Joinville liegt sonntäglich ruhig da. Diverse Radlergruppen sind unterwegs. Wie in Frankreich in der deutlichen Mehrheit meist Rennradler. Sie grüßen jeweils freundlich und bieten auch häufig Orientierungshilfe in den Ortschaften an. Dazu gibt es offene Läden und Bäckereien, so dass wir uns frisches Brot und Obst für ein Picknick besorgen.

Ein Stück noch die Marne aufwärts, dann geht es wieder bergauf aus dem Tal heraus in die Hügel. Wir benutzen sehr sehr schmale Sträßchen, die allein für uns angelegt zu sein scheinen. Autoverkehr gibt es praktisch gar nicht. Es geht weiter fröhlich auf und ab, wobei die Orte jetzt auch gerne auf den Hügelkämmen liegen. Wir müssen dann natürlich da auch rauf. Schließlich verlaufen Straßen von Ort zu Ort und eher nicht kraftschonend durch die Täler. Der Wald wird weniger. Es geht eher durch Wiesen und Felder. Die Rapsfelder reichen bis zum Horizont und ziehen sich über die Hügelwellen. Auf den Kämmen reihen sich die Windräder auf. Haben wir sie erreicht, wissen wir, dass wir mal wieder abwärts sausen dürfen. Und natürlich gleich wieder nach oben. Man sieht jetzt die Straße häufig weit voraus, so dass man sich über den weiteren Verlauf kaum Illusionen macht.

Die Hügel werden niedriger und stehen weiter auseinander. Die Steigungen bleiben aber knackig. Es macht keinen großen Unterschied, ob sie 300 oder 400 m hoch sind. Oder vielleicht nur 200 m. Das Auf und Ab bleibt sich gleich. Die Straße führt kerzengeradeaus drüber. Ohne vielleicht mal einen Haken zu schlagen, um die Steigung zu entspannen, wie das anständige Straßen in den Bergen tun. In den Hügeln scheint das den Straßenbauern zu aufwändig zu sein.

Schon von weitem sieht man das Lothringen-Kreuz in Colombey les deux Eglises. Verstärkt dadurch, dass hier in der sonst ziemlich gleichförmigen Hügellandschaft ein paar markante Kuppen stehen. Vor dem Ort wellt sich die Landschaft noch einmal besonders anstrengend. Und im Ort selbst treffen wir – auf den Tourismus. Irgendwie eigenartig nach soviel verlassener Landschaft. Die Busse reihen sich aneinander. Menschengruppen laufen herum. Wir kennen den Ort schon, setzen uns also bei schöner Aussicht zum Picknick und beantworten die üblichen Fragen. „Seit ihr mit dem Fahrrad wirklich von Deutschland bis hier hergekommen?“ Und natürlich „Wo wollt ihr denn hin?“

Hinter dem Ort endet Lothringen und wir erreichen die Champagne. Zunächst gibt es aber erst einmal eine lange tolle Abfahrt ins Tal. Die haben wir uns verdient nach den vielen Steigungen. Colombey liegt wirklich sehr „oben“. Das wird bei uns langsam zum geflügelten Wort. „Wo sind wir?“. „Keine Ahnung. Aber ganz oben.“

Jetzt geht es erst einmal lange und rasant abwärts auf guter Straße durch den Wald bis wir ein Tal erreichen, dem wir ein Weilchen folgen bis es links ab nach Clairvaux geht, das wir kurz darauf erreichen. Hier müssen wir einen Stop einlegen. Egal, wie viele Kilometer noch vor uns liegen. Wir waren schon einmal am Kloster. Es hat eine große kulturhistorische Bedeutung, wurde aber von Napoleon in ein Gefängnis verwandelt und ist das bis heute. Bei unserem letzten Besuch wurden wir deshalb gleich weitergeschickt.

Jetzt gibt es einen Ticket-Schalter. Da müssen wir doch gleich mal hin. Das Kloster ist zwar als Gefängnis immer noch in Gebrauch. Aber es gibt jetzt Führungen. Fotoapparate und Handys bitte im Auto einschließen. Schon das erste Problem. Aufbewahren wollen sie das für uns auch nicht. Schließlich dürfen wir unsere Lenkertaschen mitnehmen und schwören, nichts daraus drinnen zu lassen und keinerlei Fotos zu machen.

Was wir jetzt zu sehen bekommen, fällt weniger unter das, was man unter einem Kloster versteht. Die Anlage selber war vor der Umwandlung stark barockisiert worden. Davon wird jetzt einiges restauriert. Da gibt es große Säle, die sicher mal ganz prächtig waren, in die man dann Zwischendecken eingezogen hat, um Zellen einzubauen. Aus den Fenstern ragen Ofenrohre. Der Kreuzgang ist komplett vergittert. Während wir noch denken „schade“, laufen wir die Treppen nach oben und finden eine Art Gefängnismuseum. Auch als Gefängnis hat Clairvaux wohl mal eine erhebliche Bedeutung gehabt. Victor Hugo holte sich hier die Anregungen zu den Miserables. Da gibt es allerhand Geschichten zu erzählen. Und auch viel zu sehen. Das genauer zu beschreiben, würde hier den Rahmen sprengen….

Es dauert also erheblich länger als gedacht, bis wir uns wieder auf den Weg machen. Es geht am Kloster entlang hoch in den Wald. Und hoch. Und hoch. Und hoch. Hier fahren auch Autos. Wenn wir auch noch keine Weinberge sehen, so unterscheiden sich doch die Dörfer hier in der Champagne stark von denen in Lothringen. Während die romantisch, historisch, ärmlich aussahen, ist jetzt hier alles sehr herausgeputzt. Man riecht den Wohlstand förmlich. Überall wird zur Champagnerprobe eingeladen. Weingüter und Weinhändler reihen sich aneinander. Die Windräder sind aus der Landschaft verschwunden. Und schließlich erreichen wir auch die Weinberge als wir in das Seine-Tal abfahren. Wir überqueren die Seine in Gye sur Seine und verlassen das Tal sofort wieder. Die Seine ist hier noch ganz schmal.

Nun ist es bis Les Riceys, wo es einen Campingplatz gibt, nicht mehr weit. Die Steigungen sind machbar. Es dämmert. Wir erreichen den Ort. Wie der Name schon sagt, ist es eine Anzahl von Teilorten. Wo ist der Platz? Die Wegweiser beziehen sich nur auf Hotels. Wir fahren mal ein Stück in einen Ortsteil rein. Keine Hinweisschilder. Das hatten wir noch nie. Gibt es vielleicht doch keinen Platz. Zu allem Überfluss hat der übliche Nieselregen auch schon längst wieder eingesetzt. Ein Zimmer? So spät hat die Touri-Info geschlossen. Die Hotels sehen sehr teuer aus. Überhaupt der ganze Ort. Was tun?

Ich halte einen entgegenkommenden Geländewagen an. Das ist doch schon mal was. Menschen. Die treffen wir auf unserer Reise selten diesmal. Jedenfalls brechen die Insassen bei meiner Frage nicht in Gelächter aus, sondern setzen zu einer Wegbeschreibung an. Einer sehr langen und umständlichen. Ich gucke wohl etwas ratlos und frage, ob es irgendwann auf diesem komplizierten Weg mal Hinweisschilder gäbe. Nein. Man schlägt vor, uns hinzubringen. Es sei kompliziert. Das Auto rauscht vor uns durch den Ort. Wir strampeln hinterher und halten vor der Mairie. Man müsse sich beim Bürgermeister anmelden. Der Hausmeister kümmere sich dann um einen Platz und Wasser. Es sei sonst niemand da. Wie im Moment Bürger- und Hausmeister. Er führt uns auf eine Wiese mitten im Ort von einem Bach umflossen, die vielleicht früher mal ein Campingplatz war. Es gibt sogar völlig zertrümmerte Sanitäranlagen und natürlich kein Wasser. Gar nichts. Aber da der Bach die Wiese auf drei Seiten begrenzt und Hochwasser führt, ist mit Besuch nicht zu rechnen. Und eine urwaldähnliche Eingrünung sorgt für Sichtschutz. Wir sind müde, bauen unser Zelt auf, essen im Regen und gehen schlafen. Das Wasser rauscht.
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#845758 - 07/16/12 01:33 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Fricka
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9. Tag

Etwas gerädert brechen wir auf. So eine Dusche hat doch irgendwie was. Als wir den Ort verlassen, finden wir sowohl Campingschilder zu unserem „Platz“ als auch einen Supermarkt, wo wir uns erst einmal eindecken und ein üppiges Frühstück auf einer Bank in der Grünanlage abhalten. Danach sind wir wieder fit.

Es geht nach wie vor auf und ab durch die Hügel. Die sind jetzt nicht mehr kurz- sondern eher langwellig. Trotzdem kommt man sich vor wie auf hoher See. Das bringt zwar immer mal tolle Fernblicke und rasante Abfahrten. Aber es ist sehr anstrengend. Weswegen wir heute weniger Kilometer fahren wollen. Die Champagne wollen wir in Richtung Burgund verlassen. Burgund hat uns schon immer gut gefallen. Da freuen wir uns schon.

Durch die langwelligeren Hügel sind die Steigungen hier länger. Je weiter der Tag voranschreitet, desto häufiger schiebe ich, weil es mir zuviel wird. Jetzt folgen wir auch nicht mehr sklavisch dem Jakobsweg, sondern gucken öfter mal, ob man nicht irgendwie abkürzen oder eine Steigung vermeiden kann. Unverhofft kommt dabei oft. Der nächste größere Ort ist Tonnerre (hoffentlich ist da nomen nicht omen) am Canal de Bourgogne. Also im Tal. Wir beschließen, schon vorab zum Kanal abzufahren. Dabei nutzen wir „zufällig“ eine wunderschöne Strecke bergab durch die Hügel an einem verfallenen Zisterzienserkloster vorbei.

Im Tal treffen wir auf den Kanal, der wie erhofft, einen begleitenden Schotterweg hat, auf dem wir bequem nach Tonnerre radeln. Na gut, der Schotter ist ziemlich schlecht zu befahren. Aber es ist idyllisch. Und es gibt keine Steigungen. Dort, wo die Brücke in Richtung Stadt liegt, sehen wir den Campingplatz. Wir beschließen, weiter nach Auxerre zu fahren. Es ist noch recht früh.

In der Stadt besuchen wir zunächst die Quelle, die dort seit römischer Zeit gefasst ist. Ein sehr hübscher Ort. Wir sitzen eine Weile auf einer Bank und kochen uns aus dem Quellwasser einen Kaffee. Anschließend schieben wir unsere Räder hoch zur Kathedrale. Die Straße ist extrem steil. Der Bürgersteig ist eine Treppe. Von oben hat man einen schönen Ausblick über die Dächer der Stadt auf die umliegende Landschaft. Wir sehen uns die Kathedrale an und fragen nach einem Pilgerstempel. Wieder heißt es, wir sollten uns an die Touri-Info wenden. Da die definitiv ganz unten liegt, unterlassen wir das.

Bisher haben wir Nebenstraßen benutzt, die mit dem Jakobsweg teils identisch waren, bzw. ihm nahe, während der unbefestigte Fußweg mal mehr mal weniger entfernt parallel lief. Der Weg, soweit er nicht die Straße entlang führte, sah eher nicht so aus, als sei er mit unseren Trekkingrädern befahrbar. Speziell nicht bei Dauer-Regenwetter. Hier in Tonnerre führt er zunächst an der Quelle entlang, dann hoch über Treppen zur Kathedrale und von dort aus weiter hoch in die Hügel, zunächst mal asphaltiert. Wir beschließen, ihm mal versuchsweise direkt zu folgen. Ausgeschildert ist er mit rot-weißem Balken. Ein GR halt. Wir haben den gelben Outdoorführer Jakobsweg, Trier-Vezelay dabei und folgen jetzt seiner Beschreibung.

Zunächst einmal geht es heftig aufwärts. Auf Asphalt. Später unbefestigt aber befahrbar weiter. Natürlich ist es jetzt noch einsamer als vorher auf den Nebenstraßen. Die rot-weißen Markierungen sind manchmal schlecht zu finden und Anweisungen wie „am nächsten Haus rechts abbiegen“ meist nicht so ganz eindeutig. Aber es klappt. Wir kommen an der angekündigten Wildschwein-Koppel (die werden hier gezüchtet) vorbei und folgen weiter dem Weg bis wir eine Straße erreichen, der wir dann Richtung Auxerre folgen. Ein netter Exkurs, aber doch sehr zeitaufwändig. Wir beschließen, das öfter mal zu machen, wenn es sich anbietet.

Jetzt fahren wir eine TGV-Strecke entlang, auf der ununterbrochen die schnellen Züge entlangrauschen. Die Steigungen sind heftig und reihen sich quasi ununterbrochen aneinander. Auxerre liegt an der Yonne. Bis dahin gibt es diverse Hügel zu überqueren. Die Hügelkämme liegen sehr dicht. Wir sammeln kräftig Höhenmeter. So kommen wir nach Chablis. Hier treffen wir auf eine sehr stark befahrene Durchgangsstraße. Ein Seitenstreifen ist selten oder nur sehr schmal vorhanden. Die Steigungen werden zum Himmelfahrtskommando. Im niedrigen Gang aufwärts auf Tuchfühlung mit den LKWs.

Nach kurzer Zeit beschließen wir, lieber seitwärts auszubiegen und einen Haken zu schlagen. Das ist natürlich nicht nur weiter. Die Durchgangsstraße benutzt das Tal. Seitwärts geht es steil bergauf durch die Weinberge. Die Leute am Wegesrand, die wir fragen, ob wir oben über den Hügel auch Richtung Auxerre weiterkämen, bezweifeln das. Tatsächlich landen wir in einem Gewirr von Wirtschaftswegen, die nicht wirklich schachbrettmäßig verlaufen und von denen etliche einfach irgendwo enden. Wir sehen zwar einen Weg, der uns geeignet erscheint, aber der verläuft auf der anderen Seite eines tief eingeschnittenen Tals. Sowas fällt bei uns unter „überflüssige Steigungen“ und muss vermieden werden. Es gibt genug unvermeidliche.

Jedenfalls schaffen wir es, einen Ort auf einem antennengeschmückten Hügel zu erreichen, der laut Karte direkt vor der Autobahn um Auxerre liegt. Wir gehen davon aus, dass es danach runter in den Ort geht. Pustekuchen. Dahinter liegen noch mehrere Hügel. Es ist schon spät genug. Etwas lustlos mühen wir uns über die Anhöhen. Schließlich sehen wir das Yonne-Tal und Auxerre dort liegen. Ein großer Ort. Und überhaupt nicht eben. Jedenfalls geht es erst einmal bergab und über die Yonne. Von der Brücke aus haben wir einen tollen Ausblick auf die Altstadt und den Sonnenuntergang. Und finden hier Wegweiser in Richtung Campingplatz. Der liegt ordentlich außerhalb in einem Sport- und Freizeitgebiet, hat aber erfreulicherweise offen. Wir werden freundlich empfangen und können unser Zelt aufbauen und duschen gehen. Feierabend. Wie schön. Das Duschwasser ist zwar eiskalt. Und die Außentemperaturen auch. Aber kaltes Wasser ist schon mal deutlich besser als gar keins.
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#845787 - 07/16/12 03:20 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
lufi47
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Hallo,

ich lese Deine Berichte wirklich gerne. Einzig wäre es möglich die Kilometer pro Tag vielleicht mit zu erwähnen ? Und vielleicht auch mal ein Photo ?. Keine Kritik nur ein Verbesserungsvorschlag. Sonst schreibst Du sehr packend. Den spanischen Teil bin ich selbst schon gefahren, der französische Teil liegt demnächst an.
Danke

Gruß
Lutz
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#845796 - 07/16/12 04:07 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: lufi47]
Fricka
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Keine Fotos. Das ist Familiengesetz. Tut mir leid.

Die Kilometer kann ich einfügen, so weit ich sie mir aufgeschrieben habe.
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#845806 - 07/16/12 04:41 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Juergen
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Ich hab mal hier geschaut. Seid Ihr so gefahren? fernwege.de
Hier gibt es auch alle Tracks zum Download.
Schade, dass ihr so eiserne Familiengesetze habt traurig
° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° °
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#845813 - 07/16/12 05:08 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Juergen]
Fricka
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Ja, genau so. Ich habe auch deren Kartenmaterial bestellt und benutzt. Das passt zu den gelben Outdoor-Führern. Die hatten wir auch mit. Mit Google-Maps habe ich eine Straßenalternative dazu gebastelt. Wegen schlechten Wetters waren die Fußgänger-Wege in Frankreich nur selten befahrbar.

Unser Familiengesetz dient dem Schutz der Kinder. Und da müssen die Eltern mit gutem Beispiel voran.
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#845865 - 07/16/12 07:41 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
der tourist
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In Antwort auf: Fricka

Unser Familiengesetz dient dem Schutz der Kinder. Und da müssen die Eltern mit gutem Beispiel voran.

Ist Landschaft auch "familiengeschützt"?

Sigi
Nic squis was maneth!
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#845917 - 07/17/12 06:33 AM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: der tourist]
Fricka
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Es ist einfach nur die Regel. Stärker differenziert wird das nicht. Weshalb ich bisher keine Reiseberichte im Internet geschrieben habe. Dies ist mein erster Versuch.
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#846074 - 07/17/12 05:44 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Fricka
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10. Tag

Wir beginnen den Tag mit einer Reifenpanne, die wir bemerken, als wir vom Platz fahren wollen. Also Kommando rückwärts. Merkwürdigerweise ist es ein Vorderrad. Wir flicken den Schlauch und pumpen ihn so lala auf. Mal gucken, wo wir Luft bekommen. An den Tankstellen scheint das hier nicht so üblich zu sein und wenn, dann gebührenpflichtig. Wir sehen uns erst einmal die Stadt an. Die Altstadt ist groß und malerisch. Es gibt Läden jeder Art und viel Fachwerk. Länger verweilen wir an und in der Kathedrale. Es gibt eine interessante Krypta und Darstellungen von Christus zu Pferde. Wir bummeln noch ein bisschen herum, lassen uns bei einer Autowerkstatt den Reifendruck an allen vier Reifen kontrollieren und auffüllen.

Weiter geht es die Yonne aufwärts, bzw. an einem Seitenkanal. Daneben gibt es einen perfekt ausgebauten Radweg. Hier ist es so schön, dass wir gleich erst einmal eine Rast in der Sonne einlegen. Das Wasser fällt über eine Staustufe. Kanus sind unterwegs. Dazu Radler und Wanderer. U.a. etliche Pilger mit Muschel am Rucksack, die stramm dahinmarschieren.

Während wir das entspannte Radeln und die schöne Umgebung genießen, zieht schon wieder eine Gewitterfront auf. In Vincelles ist es soweit. Es regnet, als würde jemand Eimer über uns ausschütten. Wir retten uns beherzt in ein „Restaurant“. Zusammen mit noch einigen Radfahrern. Während wir alle noch unsere nassen Sachen über die Stühle drapieren und interessiert aus dem Fenster gucken, wie es da wohl weitergeht mit dem Wetter, bemerken wir, dass wir in einer merkwürdig surrealen Umgebung gelandet sind. Wahrscheinlich unverändert, unrenoviert und ungeputzt seit mindestens 100 Jahren. Wir entschließen uns synchron, lieber nichts zu essen und bestellen Tee. Das wärmt.

Als der Regen aufhört, fahren wir weiter. Leider können wir diesem komfortablen Weg nur bis Cravant folgen. Ab hier ist uns der weitere Weg unklar. Wir müssen die Yonne in Richtung Vezelay verlassen. Zunächst geht es noch einen ähnlichen Kanal entlang. Aber irgendwann landen wir in einer Sackgasse. Laut Karte haben wir die Wahl zwischen stark befahrener Autostraße und dem Jakobsweg. Unbefestigt über den klatschnassen Lehm in den Hügeln. Praktisch geht es überhaupt nicht weiter. Zunächst müssen wir mit einem Sprung unter die nächste Brücke, weil ein heftiges Gewitter losbricht. Blitz und Donner sind so heftig und so nah, dass ich es trotz der „Überdachung“ mit der Angst bekomme. Dann erwischt uns eine Böe, die in dem Durchgang unter der Brücke eine Art Düsenwirkung entwickelt. Einen Augenblick habe ich den Eindruck, dass wir gleich gemeinsam mit beiden Rädern darunter herausgeblasen werden. Einiges, was nicht angebunden war, fischen wir aus dem Kanal. Trotz Brücke sind wir jetzt ziemlich durchnässt und frieren.

Wir haben jetzt die Wahl. Weiter an dem Fluss entlang, an dem der Kanal endet, das sieht nach Karte stimmig aus. Geht aber nicht. Der Weg ist nicht befahrbar und nur ein kurzes Stück beschiebbar. Also zurück. Über die Brücke. Und zurück nach Cravant – wollen wir nicht. Einen ähnlichen Uferweg am Fluss wie auf der anderen Seite gibt es. In die falsche Richtung. Und noch einen Abzweig in die Hügel, der vor einer Bahnlinie endet. Sowas hatten wir auch noch nicht.

Also vorwärts: wir müssen zurück. In Accolay nehmen wir den einzigen Abzweig. Der unbefestigte Weg scheint uns in eine falsche Richtung zu führen. Aber Überraschung: wir treffen auf eine rot-weiße Markierung und kurz darauf auf einen richtigen, echten Jakobsweg-Wegweiser. Das ist er, der richtige Weg. Die Durchgangsstraße ist auf der anderen Flussseite und damit für uns im Moment sowieso nicht erreichbar. Wir folgen im Regen dem Weg. Allerdings nicht weit. Der Lehm ist völlig aufgeweicht, klebt an den Reifen und füllt den Abstand zwischen Schutzblechen und Reifen aus bis sich die Räder nicht mehr drehen. Besonders nachhaltig bei meinem Rad. Wir kratzen die Brocken heraus. Neuer Versuch. Nach wenigen Metern blockieren die Räder wieder. Beim anderen Rad schleift es zwar mit der Zeit, aber es kommt noch irgendwie voran. Es nützt alles nichts. Wir müssen da durch. Am besten auch nicht nur schiebend und schleifend. Es ist noch ein ganzes Stück bis Vezelay. Ich gebe buchstäblich mein Letztes. Schiebend, kratzend, schleifend, zerrend, im kleinsten Gang mit voller Kraft fahrend. Die Strecke zieht sich endlos. Wir nehmen die erste Brücke in Richtung Durchgangsstraße. Weder Autoverkehr noch Steigungen noch Tunnels stören mich jetzt noch. Leider kommen wir auch zu spät zur Höhle von Arcy. Und es regnet immer stärker. So richtig toll ist der Weg nicht. Ich fahre mit letzter Kraft.

Irgendwann kommt Vezelay in Sicht. Es liegt malerisch oben auf seinem Felsplateau. Das sieht toll aus. Aber arbeitsintensiv. Die Campingplätze liegen unten. Im Lehmmatsch. Nicht besonders verlockend. Wir beschließen uns ein Zimmer zu suchen. Koste es, was es wolle. Aber natürlich nicht „wo auch immer“. Wenn schon denn schon. Also die Straße nach Vezelay hoch. Wir kurbeln uns tapfer hoch bis hinter einer Kurve der Ort beginnt. Hier steht die Pilgerherberge der Fraternite de Jerousalem. Davor steht ein deutscher Pilgerkollege, der meint, wir könnten da übernachten, wenn wir uns bis 20 Uhr im Büro der Fraternite an der Kathedrale melden. Das sind noch fünf Minuten. Wir quälen uns aufwärts, legen einen sensationellen Schlussspurt hin.

Wir werden freundlich empfangen, registriert, bekommen den Türcode und die Zimmernummern, einen Stempel in den Pilgerpass und werden gefragt, ob wir am nächsten Morgen nach der Laudes einen Pilgersegen möchten. Wir sollen uns gleich entscheiden. *grübel* um 7 Uhr? He, wir sind todmüde. Na gut. Um 8 Uhr muss die Pilgerherberge sowieso verlassen sein. Unsere Räder schleppen wir in den Flur, wo die anderen auch schon stehen. Es sind überwiegend Radfahrer da. Dazu ein paar Wanderer. In einem Schlafsaal schlafen die Frauen, in einem die Männer. Alle sitzen in der Küche um einen großen Tisch. Wir essen und quatschen. Es ist sehr nett.
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#846213 - 07/18/12 09:27 AM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Fricka
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11. Tag

Wir stehen früh auf, um rechtzeitig in der Kirche zu sein. Durch den schlafenden Ort sprinten wir aufwärts in Richtung Kathedrale. Das Frühgebet ist sehr eindrucksvoll. Mönche und Nonnen stehen vor dem Altar. Das Frühgebet besteht aus gregorianischen Gesängen. Hinter den Fenstern geht die Sonne auf und taucht alles in ein märchenhaftes Licht. Vögel fliegen durch die Gewölbe und zwitschern. Schließlich werden wir zwischen die Mönche und Nonnen gebeten, erhalten unseren Segen, einen herzlichen Händedruck, viele gute Wünsche und ein kleines Buch.

Anschließend geht es „heim“ zum Frühstück. Während nun alle abreisen, sehe ich wohl ziemlich erschöpft aus. Mir geht es nicht gut. Als mir schwarz vor den Augen wird, beschließe ich, mich noch ein paar Minuten hinzulegen und wache am späten Nachmittag wieder auf. Das war wohl nichts mit der Abreise.

Wir machen einen Spaziergang durch den Ort, sehen uns noch einmal in Ruhe die Kathedrale an, besuchen die Abendmesse und sitzen anschließend auf einer Bank hinter der Kathedrale, um die Aussicht auf die Umgebung zu genießen. Sieht in Reiserichtung ziemlich bergig aus.


12. Tag

Gut erholt besuchen wir am nächsten Morgen noch einmal das Frühgebet, frühstücken und machen uns, nun auch bei besserem Wetter, wieder auf den Weg. Es ist Himmelfahrt. In allen Kirchen haben sich die Gemeinden versammelt. Drumherum gibt es Gartenfeste. Alles hat sich herausgeputzt. Und mit unseren endlich ausgeruhten Beinen geht es zügig die Berge hinauf. Ein Wunder, was so ein Ruhetag ausmacht.

Vom Abenteuer Lehmweg habe ich erst einmal genug. Wir folgen also der mäßig befahrenen parallelen Straße. Die Berge sind jetzt klarer definiert. Es geht nicht mehr in kurzer Folge über viele Hügel, sondern lange bergauf über einen Höhenzug und dann wieder hinab ins Tal. Dabei gibt es viele Aussichtspunkte. In der Ferne stehen Schlösser in Weinbergen oder am Waldrand. Tatsächlich schlägt die Straße jetzt auch manchmal Haken, um die Steigung zu entschärfen, statt geradeaus nach oben zu führen. Das fährt sich dann gleich deutlich besser. In Corbigny angekommen, haben wir schon 30 km hinter uns, ohne nennenswert Kräfte gelassen zu haben. Hier finden wir ein paar offene Geschäfte, so dass wir uns mit dem Nötigen eindecken können. Nachmittags haben die Läden offensichtlich wegen des Feiertags geschlossen.

Wir überqueren also hinter Corbigny den Nivernais und klettern gleich wieder aufwärts. Wir möchten heute bis Nevers an der Loire. Also folgen wir tapfer weiter der Straße über Steigung auf Steigung. In Premery erreichen wir die Nievre. Ab hier können wir einer Hauptstrecke folgen oder wieder Haken auf einer schmalen schlagen. Das versuchen wir erst einmal. Es geht auf einem schmalen Weg gleich erst einmal heftig den Berg rauf. Das Tal bleibt hinter uns zurück, obwohl es uns direkt nach Nevers geführt hätte. Aussicht gibt es keine. Es geht stumpf durch den Wald aufwärts. Weiter und weiter. Wir sind brummig. Nachdem wir einen Berg erst überklettert und dann gefühlt auch noch umrundet haben, kommen wir in das Tal zurück.

Jetzt wird es idyllisch. Es geht knapp über dem Talboden durch eine grüne Wildnis, während unten der Fluss in diversen Armen herumschlängelt. Das genießen wir. Aber als der Weg das Tal mal wieder verlassen will, kehren wir auf die Hauptstrecke zurück. Hier geht es zur Abwechslung auch mal durch Orte. Wegen des Feiertags ist wenig Verkehr.

Nevers ist größer als gedacht. Wir fahren eine ganze Weile durch unwirtliche Vororte bis wir endlich an der Loire landen. Der Campingplatz liegt auf der anderen Seite des Flusses. Neben der historischen Brücke. Wir zelten hier „in der ersten Reihe“. Direkt am Wasser mit schöner Aussicht. Zwischen diversen Zelten mit Fahrrädern daneben. Bewohnt überwiegend von Niederländern. Allerdings sind alle auf dem Loire-Radweg unterwegs. Gute Idee. Das machen wir bestimmt auch irgendwann mal.

Aber jetzt machen wir uns erst einmal zu Fuß auf den Weg in die Stadt, da wir noch irgendwo essen wollen. Allerdings hat alles geschlossen außer dem Laden mit dem großen M. Danach ist uns nicht. Wir laufen also einmal durch die Altstadt und kehren dann zu unserem Zelt zurück. Dort ist es zu kalt zum Draußen-Sitzen, so dass wir bald schlafen gehen.
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#846583 - 07/19/12 08:44 AM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Juergen
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Hallo Fricka,
ich lese deine Geschichte sehr gerne und freue mich auf die nächsten Etappen, bei denen ihr hoffentlich besseres Wetter, weniger Schlamm und ein paar Ruhetage mehr haben werdet. Denn innerhalb von 10 Tagen gefühlte 900km bei diesen Bedingungen zu fahren, wäre mir unmöglich.

Danke und herzliche Grüße
Jürgen
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Off-topic #846585 - 07/19/12 08:49 AM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Juergen]
Fricka
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Wir hofften das auch. Bis zuletzt.

Hoppla, wollte gerade die Tageskilometer nachtragen. Answcheinend geht das nicht?

Edited by Fricka (07/19/12 08:54 AM)
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#846586 - 07/19/12 08:52 AM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
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Stadtbesichtigung Nevers. Wir sehen uns die Altstadt noch mal bei Tageslicht an, besuchen die Kathedrale, die nicht so wirklich ein Glanzlicht darstellt. Bernadette Soubirous hat geschlossen, als wir an ihren "Espace" dort ankommen. Und St. Etienne, die romanische Vorzeige-Kathedrale suchen wir erst einmal vergeblich bis wir sie in einer Art Hinterhof finden. Die Suche hat sich gelohnt. Wir haben entschieden eine Vorliebe für die Romanik. Und hier ist noch viel davon zu finden, da man sich offensichtlich dafür entschieden hat, in der Gotik eine neue Kathedrale zu bauen und die bisherige einfach stehen ließ. Besonders ergiebig zum Bummeln ist die Altstadt nicht. Wir machen uns schließlich auf die Fahrt. Überqueren noch einmal die Loire und fahren weiter nach Süden. Zunächst einmal geht es endlos bergauf durch die Vororte. Der Jakobsweg auf dem Bürgersteig. Wir daneben auf der Fahrbahn.

Eine weitere sinnvolle Wegführung ist nicht so ganz klar. Der Jakobsweg schlägt einen weiten Bogen. Die Straße folgt erst einmal der Autobahn, ist aber nicht so ganz leicht zu finden, ohne auf Abwege zu geraten. Dabei gibt es allerdings heftige Steigungen mal wieder. Während die Autobahn gemütlich im Tal bleibt. Da die Strecke zudem völlig öde ist, haben wir schon vor Magny Cours keine Lust mehr und beschließen, abzubiegen. In Richtung Mars sur Allier, wo es eine romanische Dorfkirche gibt. Das Allier-Tal ist völlig eben, sehr grün und durch diverse Nebenstraßen erschlossen. Die Ortsdurchquerungen werden gerade zu breiten Prachtstraßen ausgebaut. Mit Bürgersteigen, Straßenbäumen, Parkstreifen und was man noch so gebrauchen kann.

Die romanische Kirche ist wunderschön. Wir machen im Kirchgarten eine Pause und bewundern das Bauwerk ausführlich von innen und außen. Wir können uns kaum trennen. Der weitere Weg führt uns nach St. Pierre le Moutier. Es ist bereits Abend, obwohl wir noch keine allzu lange Strecke hinter uns gebracht haben. Aber müde sind wir auch. Der Ort ist nicht völlig unbelebt. Als wir keine Hinweisschilder auf den hier laut Internet vorhandenen Campingplatz finden, können wir also fragen. Der Gemüsehändler weist uns den Weg, sagt aber, der Platz sei noch geschlossen. Darauf können wir jetzt mangels Alternativen leider keine Rücksicht nehmen. Wir machen es uns auf dem Platz gemütlich. Da es nicht einmal regnet und wir auch keine lange Tour hinter uns haben, fällt es uns diesmal leicht, auf eine Dusche zu verzichten. Es ist ruhig in der Nacht. Spaziergänger, die ihren Hund ausführen, kommen mal vorbei und wundern sich. Ansonsten schlafen wir ungestört.
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#847290 - 07/22/12 11:46 AM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
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Zurück durch den Ort suchen wir den Abzweig zur Allier-Brücke und verlassen Burgund in Richtung Auvergne. Wieder haben wir die Wahl zwischen Hauptstrecke und Nebenstraßen durch die Hügel. Wir versuchen mal das eine, mal das andere. Je nachdem, was reizvoller aussieht. Häufig kommt man auf den Hauptstrecken flotter voran. Bei gar nicht mal so viel Verkehr. Manchmal auch nicht, weil dort die Steigungen häufig stärker sind. Und die Dörfchen an der Nebenstrecke sind natürlich auch idyllischer. Es ist ein warmer Tag zur Abwechslung mal. Die Sonne scheint. Wir „wellen“ auf und ab. In den Dörfern überholen wir immer mal zu Fuß gehende Pilger. Heute besonders viele, die sich stark humpelnd vorwärts bewegen.

In Charenton erreichen wir den Cher, dem wir nach St. Amand-Montrond folgen. An der Ortseinfahrt fahren wir an einem Aldi vorbei. Aber auch dort gibt es keine Gummibärchen. Die Franzosen essen so was anscheinend nicht. Der Ort ist hübsch. Wir fahren aber, da wir ihn schon kennen, weiter in die Abtei Noirlac. Die kennen wir zwar auch schon, aber sie ist wirklich besonders schön, so dass wir uns dort längere Zeit aufhalten.

Zurück in St. Amand-Montrond passiert uns mal wieder das, was wir gar nicht schätzen. Wir verpassen irgendwie die richtige Ausfahrt und fahren einen weiten Umweg. Das liegt daran, dass es hier mal einen Radweg gibt, der uns an der falschen Stelle über die Autobahn führt und bis wir das merken, ist es schon zu spät umzukehren. Wir haben inzwischen auch keine IGN-Karten mehr, sondern benutzen einen Autoatlas. Da ist so was schnell passiert.

In Le Chatelet treffen wir wieder auf die eigentlich vorgesehene Strecke. Von hier aus sind es noch 12 km bis Chateaumeillant, wo es einen Campingplatz gibt. Egal, wie weit man fährt, die letzten 10 km sind immer besonders anstrengend. Zumal wenn wie hier nichts besonderes zu sehen ist, es gefühlt immer nur bergauf geht und uns auch mal wieder ein konstanter Wind entgegenbläst. Nach Chateaumeillant geht es jedenfalls schön abwärts. In der Ortsmitte sitzen viele Menschen in netten Straßencafes, aber wir müssen nun stramm wieder nach oben und dann wieder abwärts (was einen abendlichen Besuch im Ort sinnlos erscheinen lässt), wo sich überraschenderweise ein ziemlich großer See befindet, an dem der Platz liegt.

Wir checken hier ein. Es ist nett. Die Duschen geben reichlich heißes Wasser von sich. Der Stellplatz ist groß und mit dem erwünschten kurz geschorenen Gras bewachsen. Und vorne am Eingang versammelt sich eine Fangemeinde um einen Flachbildschirm, um ein sehr, sehr wichtiges Spiel der Fußball-WM anzusehen. Es ist also für alles gesorgt. Allerdings fängt es in der Nacht an, stark zu regnen.
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#847691 - 07/23/12 04:44 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
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15. Tag

Am nächsten Morgen schüttet es immer noch. Wir bleiben zunächst mal liegen und warten, ob das Geprassel nicht vielleicht mal weniger wird. Leider nein. Irgendwann angele ich meinen Regen-Poncho, gehe zum Waschhaus und anschließend in die Rezeption und frage, ob es vielleicht einen Baguette-Service gibt. Wie eigentlich praktisch überall. Hier natürlich nicht. Dann müssen wir wohl ohne Frühstück los.

In dem Moment verlassen zwei bekannte Gestalten die Holzhütte daneben. Das ist die offizielle Pilgerherberge – mit insgesamt vier Betten. Zwei der Insassen kennen wir aus Vezelay. Er ist schon in Regenzeug gehüllt und schiebt sein Fahrrad raus – Baguette holen. Natürlich bekommen wir eins mitgebracht. Perfekt. Und bis wir gefrühstückt und gepackt haben, hört auch der Regen auf. Es wird zwar immer mal wieder regnen über Tag, aber so eine Regenpause zum Packen hat was.

Zur Abwechslung nehmen wir mal die Straße, um zügig voranzukommen, da es in dieser Ecke nicht so besonders spannend zu sein scheint. Der Jakobsweg schlägt hier weiträumige Mäander und nimmt jeden Hügel mit. Bis La Chatre kommen wir so zügig voran, haben aber dort die Nase voll von dem Gebrumm der Lkws und den ständigen Steigungen bei der fast ohne Kurven geradeausführenden Straße, die wir dadurch als ziemlich kraftraubend empfinden. Außerdem möchten wir mal wieder etwas ansehen und nicht nur Straßen entlang radeln. Gesagt, getan. Wir biegen ab und nehmen ein paar große Bögen mit.

Am Ende des ersten liegt Schloss Sarzay. Wenn man schon mit dem Fahrrad bis an die Loire fährt, müssen auch Schlösser geboten werden. Auf dem Foto im Outdoor-Führer sieht es sehr interessant aus. Also nichts wie hin. Zunächst einmal ist die schmale verkehrsarme Straße mal wieder eine nette Abwechslung, auch wenn es – natürlich – gleich mal ordentlich bergauf geht. Aber immerhin in idyllischer Umgebung. Wir passieren einsame Häuser. Einen schmalen Fluss über den eine Bogenbrücke führt. Noch eine Anhöhe hoch und da steht Schloss Sarzay. Die Großform stimmt. Aber es sieht reichlich vergammelt aus und steht auch nicht frei, sondern auf einem Hof, der von allerlei Scheunen umgeben ist. Eine Touristengruppe ist gerade in Autos vorgefahren. Sie klingeln zwecks Führung. Ein Schild schlägt das vor. Es kommt aber niemand. Wir gucken in die Scheunen. Der Schlossherr hat offensichtlich zwischenzeitlich auf Schrotthändler umgeschult. Die Scheunen sind mit unglaublichen Mengen an Schrott jeder Art angefüllt. Wir fahren weiter.

Nächstes Highlight ist ein Zisterzienserkloster. Der Weg wird schmaler und ist streckenweise unbefestigt, so dass wir im wiedereinsetzenden Regen um die Pfützen kurven. Das Kloster sieht ganz nett aus, ist aber verriegelt und verrammelt. Der Regen wird stärker. Aus dem Grün erscheinen drei französische Pilger. Wir quatschen ein bisschen und machen uns wieder auf den Weg. Das nächste Ziel ist Neuvy St. Sepulchre. Weit ist es nicht mehr.

Der Ort ist bekannt für seine Templerkirche in Ortsmitte. Ein Zentralbau. Wir umrunden sie einmal, um den Eingang zu finden. Von innen ist sie sehr eindrucksvoll. Ein bisschen hilflos möbliert. Bei so einem Bau gibt es immer Schwierigkeiten bei der Frage, wo der Altar hin soll. Aber wir freuen uns, dass sie offen ist. Die Athmosphäre im halbdunklen Inneren ist geheimnisvoll.

Direkt daneben ist der Abzweig von der Hauptstrecke. Hier soll es eine Pilgerherberge geben. Wäre das nicht was für uns? Es regnet immer noch stark. Wir finden die Adresse. Aber hier ist nichts. Also weiter. Es geht im Regen einen Bach entlang. Idyllisch, aber ziemlich viel Wasser für unseren Geschmack. Durch die tiefhängenden Regenwolken sieht es fast so aus, als würde es schon dämmern. Dabei ist es dafür noch deutlich zu früh. Wir fühlen uns, als wären wir völlig allein auf der Welt. Die Dörfer sehen mal wieder völlig unbewohnt aus. Kein Mensch zu sehen. Keine Lichter. Wir umrunden Cluis mit seinen zwei Burgen. Die sehen äußerst romantisch aus. Aber wegen des schlechten Wetters und der fortschreitenden Zeit haben wir keine Lust, sie uns näher anzusehen. Weiter.

In der Ferne sehen wir ein Aquädukt. Da der Reiseführer keins erwähnt, ist es wahrscheinlich eher ein Viadukt, also irgendeine Talbrücke. Die Steigungen ziehen an. Die Hügel türmen sich höher auf. Die Täler werden enger. Unser Ziel ist Eguzon. Das liegt an einem Stausee. War also zu erwarten, dass wir da auf Berge treffen. Es geht immer heftiger auf und ab. Wir sind jetzt auch langsam müde. Und ziemlich nass.

In Eguzon gibt es mehrere Campingplätze. Wir diskutieren schon mal, welcher davon denn wohl am ehesten warmes Wasser zu bieten hat. Dummerweise nähern wir uns Ort und Staudamm von unten. Der Staudamm türmt sich vor uns auf. Der Ort ist noch nicht zu sehen. Wir überqueren den Fluss, der aus Richtung des Staudamms kommt. Dann geht es rund. Eine Kehre über uns. Wir keuchen rauf. Es wird immer steiler. Noch eine Kehre. Wenn man durch den Nebel nach oben guckt, sieht man hoch über uns die Autos weitere Kehren passieren. Auch das noch. Uns bleibt tatsächlich nichts erspart. Einen Großteil der Steigung schiebe ich. Es reicht einfach. Außerdem muss der Ort dort oben irgendwo sein.

Tatsächlich kommt er irgendwann in Sicht. Wir nehmen gleich den ersten Campingplatz. Vorne steht eine Scheune. Auf einem weitläufigen Platz stehen ein paar Wohnmobile. Und auf einer Wiese eine unübersehbare Masse kleiner Zelte mit Fahrrädern daneben. Es handelt sich um die Jahreshauptversammlung eines niederländischen Fahrradclubs. Das Protokoll hängt nachher an der Clotür. Der Platz ist unter niederländischer Führung. Das Betreiber-Ehepaar empfängt uns freundlich. Wir bestellen erst einmal ein Bier. Es sieht gemütlich aus in der Kneipe. Eine Menschenmenge hat sich dort an Bierzeltgarnituren niedergelassen und kocht. Draußen hätte das nicht viel Sinn.

Wir fragen, ob es vielleicht irgendeine Hütte zu mieten gibt. Unser Zelt ist zwar schwimmfähig, aber es reicht irgendwie. Man bietet uns für 20 € einen Wohnwagen an und wir akzeptieren gerne. Endlich im Trockenen. Wir können in einer Art Aufenthaltsraum unsere Sachen zum Trocknen ausbreiten. Es gibt Wi-Fi. Nach einer heißen Dusche wollen wir nur noch schlafen.
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#847890 - 07/24/12 09:12 AM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Fricka
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16. Tag

Die ganze Nacht über hat der Regen auf den Wohnwagen geprasselt. Am Morgen ist er eher noch stärker geworden. Der Fahrrad-Club packt und reist ab. Wir beschließen zu verlängern. Wir wollen einfach mal einen Tag faulenzen. Und der Regen ist so stark, dass wir wenig Sinn darin sehen, irgendeine nennenswerte Strecke zurückzulegen. Wir packen unser nasses Zelt aus und legen es auch noch im Aufenthaltsraum zum Trocknen aus. Es sind nun außer uns kaum noch Menschen auf dem Platz, so dass nur noch die Winter-Sanitäranlagen geöffnet werden. Was für ein Luxus. Alles blitzsauber, liebevoll gestaltet und – geheizt. Es besteht eine gewisse Nahrungsmittelknappheit, da es im Ort irgendwie keine Einkaufsmöglichkeit gibt. Wir sind trotzdem zufrieden.


17. Tag

Weiter geht’s. Dank Superkompensation sind unsere Beine mal wieder richtig unternehmungslustig und freuen sich auf die nächsten Steigungen. Es regnet nicht mehr. Und ortsauswärts finden wir auch noch einen großen Supermarkt. Der Jakobsweg will jetzt gleich mal runter an den See, um sofort wieder nach oben zu kommen. Da die Wolken tief hängen und sowieso keine nennenswerte Aussicht ermöglichen, lassen wir den Abstecher aus. So fahren wir zunächst auf der Durchgangsstraße abwärts, bis wir an den Abzweig des Sträßchens kommen, das uns nach La Souterraine bringen wird.

Sofort wird es wieder unglaublich ländlich. Aber man merkt, dass der Jakobsweg voranschreitet und sich langsam füllt. Es gibt jetzt durchgängig eine Ausschilderung. Und man überholt immer mal Pilger zu Fuß und trifft auch zunehmend welche auf Fahrrädern. Gleichzeitig taucht auch die notwendige Infrastruktur auf. Fast jeder Ort hat jetzt ein Refuge zum Übernachten. Und am Wegesrand gibt es Bars, in denen Pilger einkehren können. Man sieht bemuschelte Rucksäcke an den Stühlen lehnen und bepackte Fahrräder parken.

So kommen wir nach La Souterraine. Schon ein interessanter Name für eine Stadt. Die Unterirdische. Irgendwie unterirdisch sieht es auch aus. Die Stadt besteht aus diversen Kreiseln, vergammelnden Vororten, einem überdimensionierten Bahnhof, und einer Innenstadt, die im wesentlichen aus einer Baugrube besteht. In der Mitte die Kathedrale, deren berühmte Krypta, die jeder Jakobspilger unbedingt aufsuchen muss, der Stadt den Namen gegeben hat. In der Kirche riecht es muffig. Auf einem Tisch liegt ein Pilger-Gästebuch, wo man sich in diversen Spalten bemüht, die Pilger irgendwie zwecks Statistik in Schubladen zu ordnen. Die berühmte Krypta ist verschlossen.

Wir haben wieder mal Schwierigkeiten, die richtige Straße zwecks Ausfahrt aus der Stadt zu finden. Das kommt von dem Nebenstrecken-Konzept. Je unbefahrener die Straße, desto unscheinbarer oder unvorhandener die Beschilderung. Irgendwann müssen wir uns auch Gedanken machen, wo wir übernachten wollen. Weit und breit ist kein Campingplatz zu haben. Also eine Pilgerherberge? Ständig sind wir an welchen vorbeigekommen. Aber wenn man eine sucht….. In St. Priest en Feuille und Chamborand finden wir sie nicht. Wir suchen aber auch nicht besonders intensiv. In Benevent l’Abbaye wird es klappen. Ein verschlafener Ort mit einer großen Kirche. Es ist kurz vor Ladenschluss. Laut Führer muss man in der Apotheke nach dem Refuge Pelerins fragen. Die Apothekerin lacht. Ja, es gibt eins. Aber nicht das, das im Führer steht. Und sie ist auch nicht zuständig. Es gibt ein Refuge municipal. Mit vier Betten. Heute schon belegt von zwölf Pilgern. Wir könnten sechs km in den Nachbarort fahren und dort fragen. Oder Mme Irgendwie fragen. Die nimmt manchmal Pilger auf. Oder was auch immer. Irgendwo auf Verdacht in die Gegend fahren, liegt uns nicht so. Wir fahren weiter.

Um den nächsten Ort zu erreichen, müssen wir bei bereits einbrechender Dunkelheit die höchste Stelle der Via Lemovicensis überqueren. Also an die Arbeit. Wir treten kräftig in die Pedale und sind schneller oben als gedacht. Solche Steigungen können uns inzwischen nicht mehr schrecken. Oben gibt es eine schöne Aussicht. Vor allem auf eine imposante Bergwelt. Sehr ermutigend. Wir fahren ab nach Chatelus le Marcheix. Dort müssen wir übernachten. Es ist praktisch dunkel und nach dem Ort warten die nächsten Bergketten.

Das ist auch kein Problem. In dem Ort gibt es eine Auberge du Peuple (was immer das sein soll), einen Campingplatz und ein Hotel. Groß ist er nicht. Das erleichtert die Suche. Man sieht keinen Menschen und kein Licht. Als erstes fahren wir an der Auberge vorbei: ferme. Alles dunkel. An der Kreuzung steht das Hotel. Mit Brettern vernagelt. Der Campingplatz ist ausgeschildert und liegt auf einer Kuppe. Sehr schön, aber geschlossen. Das kennen wir schon. Wir suchen uns ein nettes Eckchen neben einer Tisch-Bank-Kombination und lassen uns nieder. Eingekauft haben wir. Auch relativ viel Wasser dabei. Es wird eine sehr ruhige Nacht. Ohne irgendein Geräusch.
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#848337 - 07/25/12 01:53 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Fricka
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18. Tag

Gut erholt frühstücken wir bei herrlicher Aussicht mutterseelenallein auf unserer Hügelkuppe. Vorbei an einer einsamen Tankstelle verlassen wir den Ort und überholen kurz darauf zwei Pilgerinnen, die munter ihre Wanderstöcke schwingen. Sie haben es also auch irgendwie geschafft, in diesem Ort zu übernachten.

Die Straße ist völlig autofrei, gut zu befahren und führt durch eine eindrucksvolle bergige Landschaft, in der sich immer wieder schöne Ausblicke finden. Ab und zu geht es durch ein kleines Dorf. Und es gibt so viele romanische Kirchen, dass wir gar nicht alle ansehen können. Viele sind auch abgeschlossen. Wir rasten gerne an den Kirchen. Dort gibt es meistens Bänke in hübscher Umgebung. Bei Bedarf auch Schatten. Wenn, wie heute, die Sonne mal rauskommt. Neben diesen angenehmen Aspekten ist die Strecke vor allem eins: anstrengend.

Als zwischen den Hügeln die Kirchturmspitze von St. Leonard de Noblat auftaucht, können wir uns deshalb gut vorstellen, dass es schön wäre, mal etwas ebenere Verhältnisse anzutreffen. Der Ort liegt an der Vienne, wie auch Limoges. Da könnte man doch dem Fluss folgen und relativ eben dort hinkommen. Aber nein, das wäre zu einfach. Erstens führt keine Straße dran entlang. Was kein Wunder ist, da der Fluss einen großen Bogen schlägt. Die Straße, die am ehesten in die Richtung führt, ist die Hauptverkehrsstraße. Sowas wird nach unserer Erfahrung um so unangenehmer, je mehr man sich größeren Städten nähert.

In den Ort hinein bekommen wir schon mal eine Kostprobe. Es geht fleißig berauf. Wohin auch sonst. Die Straße ist eng. Und LKW auf LKW rauscht an uns vorbei. Das wird so heftig, dass wir seitlich abbiegen. Was sich als gute Idee erweist. Wir landen direkt in der Altstadt, die sehr mittelalterlich wirkt. Das ist schön anzusehen. Und das kann man von einer netten Bar aus. Natürlich besuchen wir auch die Stiftskirche in ihrer romanischen Pracht. Hier befindet sich das Grab des heiligen Leonhard. An der Wand hängen seine Ketten. Das wirkt zusammen mit dem strengen Schimmel-Geruch etwas morbide. Finster ist es auch.

Am Ortsausgang überquert die Durchgangsstraße die Vienne auf einer Bogenbrücke aus dem 13. Jahrhundert. Diese Brücken begeistern uns immer wieder. Vor der Brücke gibt es einen Abzweig an den flott dahinsprudelnden Fluss. Das Ufer mit Bänken garniert. Da müssen wir doch gleich mal eine Pause einlegen. Bald hinter der Brücke biegen wir nach links aus dem Tal aus. Es geht steil nach oben. Schön ist es hier. Ein Bach stürzt nach unten Richtung Vienne. Malerische Gehöfte liegen im Grünen. Und bald sind wir auch hoch genug, um immer wieder eine schöne Aussicht zu genießen. Die Wegweiser werden sparsam, so dass wir nicht mehr so wirklich wissen, wo wir sind. Jedenfalls geht es immer höher.

Bis wir schließlich in das nächste Tal abfahren und dort eine Straße finden, die uns nach Limoges bringen soll und die, laut Wanderführer weniger befahren ist, als die, von der wir wegen zu starken Verkehrs abgebogen sind. Das ist natürlich relativ. Je mehr wir auf Limoges zu kommen, desto mehr Autos und vor allem auch LKWs füllen die Straße. Für uns bleibt nicht viel Platz. Besonders schwierig wird das, wenn es stark bergauf geht und dabei der Seitenstreifen direkt an den Abgrund grenzt und immer schmaler wird.

Wir biegen mehrmal ab, werden aber immer wieder auf die Durchgangsstraße zurückgeführt. Das Gelände ist sehr uneben. Seitenstraßen führen in irgendein Wohngebiet oder auf einen Hof und enden dort. Uns bleibt nur die Straße. Wie immer bei solchen Stadteinfahrten geht es lange durch Vororte und vor allem auch Gewerbegebiete. Schließlich überqueren wir die Vienne und sind damit in der Innenstadt angekommen. Erstmalig habe ich hier das dumme Gefühl, dass der motorisierte Verkehr beschlossen hat, uns zu übersehen und damit zu überrollen. An einer Ampel kann ich gerade noch auf den Bürgersteig flüchten. Das ist mir zuviel. Wir schieben weiter und biegen bei nächster Gelegenheit ab in eine ruhigere Seitenstraße.

Wir besichtigen die Kathedrale und die umliegenden Parks und Gärten mit ihrer Aussicht über die Vienne unten im Tal. Schieben durch ein sehr übersichtliches Areal idyllischer Altstadt und laufen dann erst einmal bei der Touri-Info auf. An die Hilfsbereitschaft dieser netten Leute haben wir uns schon gewöhnt. Sie sind zwar unterschiedlich ausgestattet, aber in so einer Stadt natürlich maximal. Es gibt komfortable Toiletten. Wi-Fi. Eine Sesselecke, um mal gemütlich mit Internetzugang auszuruhen. Und eine gute Stadtkarte, wo man uns den Weg zum Campingplatz (relativ weit außerhalb) einzeichnet. Eine Oase im Großstadtgetümmel sozusagen.

Die Innenstadt selber spricht uns nicht besonders an. Groß. Dreckig. Viel Verkehr. Baustelle an Baustelle. Schwierige Orientierung wegen eines komplizierten Geflechts an Einbahnstraßen und Sackgassen. Wobei man nicht denken muss, dass man mit dem Rad da schon irgendwie durchkommt. Das verhindern diverse Treppen.

Nach Besichtigung machen wir uns auf den Weg zum Campingplatz. Es geht kontinuierlich bergauf. Die Straße ist eng. Der Verkehr stark. Der Platz liegt an einem See. Hinter einem gigantischen Einkaufszentrum. Er ist gepflegt und gut unterhalten, dabei schwach belegt. Wir haben viel Platz. Vom Badesee haben wir nichts. Es ist viel zu kalt für solche Unternehmungen.
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#848639 - 07/26/12 12:47 PM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
Fricka
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19. Tag

Für die Weiterfahrt müssen wir Limoges einmal von Nord nach Süd durchqueren. Dank Stadtplan finden wir diesmal auf Anhieb die richtige Ausfahrt. Bis Aixe sur Vienne geht es abwärts. Dort überqueren wir die Vienne zum letzten mal und biegen auf eine Nebenstrecke ein, die aus dem Tal heraussteigt. Natürlich erst, nachdem wir noch einmal gemütlich am Flussufer gerastet haben. Das wird langsam zur Gewohnheit.

Über Lavignac und Flavignac geht es nach Les Cars. Die Landschaft ist hier unspektakulär. Mal wieder die Variante „grüne Wellen“, an der man sich verausgaben darf. Die Dörfchen werden auch zur Gewohnheit. Im „Groben“ geht es jetzt auf Perigueux, also das Perigord zu. Das ist eine schöne Gegend. Da sind wir dafür. Vor uns baut sich jetzt ein sehr imposanter Berg auf. Oben drauf stehen jede Menge Antennen. Wir taufen ihn den CIA-Berg. Der Jakobsweg biegt davor nach Westen aus, um diesen Berg zu umfahren. Wir überlegen. Geradeaus wäre es wesentlich kürzer. Schaffen wir das, einfach drüber zu fahren? Nach Chalus zieht uns irgendwie nichts. Also los. Der Weg führt auf den Berg zu. In ein Tal. Wir sind gespannt auf die Steigung – und nun geht es nur noch bergab. Das ist mal wieder so eine „Variante“, die sich als unerwartet schön erweist. Es geht durch ein sehr schönes Tal kontinuierlich abwärts. Dabei ändert sich nun die Vegetation. Wir offensichtlich in Frankreichs Süden angekommen. Sogar der Geruch ist nun anders.

Bei La Coquille treffen wir wieder auf die N21. Und da wir gerade mal Lust auf Kilometer-Schrubben haben, biegen wir auf die breit ausgebaute Straße ein und treten kräftig in die Pedale. Zeitgleich senkt sich die Landschaft. Es geht anscheinend nur noch bergab. Die N21 hat hier einen überbreiten Seitenstreifen. Wir fühlen uns wie auf einer Fahrrad-Autobahn. Die Landschaft rast nur so vorbei.

Abends landen wir auf einem Campingplatz bei Sarliac. Er liegt gut versteckt. Von der N21 hört man hier nichts. Wir zelten in einer Flussschlaufe des Isle. Über der grünen Wiese hängt Nebel. Wobei es recht warm ist, so dass uns der schöne Pool ganz recht kommt.
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#848961 - 07/27/12 10:50 AM Re: Jakobsweg mal wieder [Re: Fricka]
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20. Tag

Bis Perigueux ist es jetzt nicht mehr weit. Wir bleiben auf der N21 und zweigen dann auf einen Radweg in die Stadt ab. Das ist natürlich Luxus. Schnell sind wir in der Innenstadt und laufen ein wenig durch die Gassen. Anschließend besichtigen wir die Kathedrale. Ein merkwürdiger Bau. Man hat in Zeiten des Historismus das Dach abgebaut, so dass die Kuppeln über den Kirchenschiffen jetzt den oberen Abschluss bilden, was der Kathedrale ein merkwürdig byzantinisches Aussehen gibt. Die Kirchen werden im Moment gerade alle großzügig mit Blumen geschmückt. Bald ist Pfingsten.

Wir verlassen Perigueux am Isle entlang. Da gibt es einen ausgeschilderten Flussradweg, was wir natürlich genießen. Auch wenn die Jakobsweg-Schilder in eine andere Richtung zeigen. Wie immer lässt er keinen Hügel und vor allem keine Kirche, kein Kloster aus. Wir dagegen schon. Wir fahren solange am Fluss entlang, wie das geht. Als der Weg aufhört und wir kurz anhalten, um zu gucken, wie es weitergeht, werden wir von Mückenschwärmen geradezu aufgefressen. Also nichts wie weg in Richtung Straße.

Wir passieren viele hübsche Orte. In St. Astier sehen wir uns die Kirche an und der Herstellung des dortigen Blumenschmuckes zu. Hier gibt es außerdem nette Gassen und einen Markt. Anschließend halten wir noch beim Discounter. Wie schon öfter kommt jemand auf mich zu und schenkt mir Blumen. Wenn die Leute unsere Muscheln sehen, fragen sie nach dem Woher. Das Wohin ist ihnen klar. „Kann ich etwas für Sie tun?“ „Beten Sie für mich, wenn Sie dort sind.“ Die Franzosen haben augenscheinlich einen starken Bezug zum Jakobsweg. Das sind sehr nette Begegnungen. Im Moment brauchen wir aber definitiv keine Unterstützung. Da es recht warm ist, kehren wir im nächsten Ort in eine schattige Bar ein, in der schon ein deutscher Pilger sitzt. Er ist erst in Perigueux losgelaufen und hat noch nicht viel zu berichten. So bummeln wir durch die Örtchen. Schließlich überqueren wir den Fluss in Richtung Mussidan und treffen dort auf einen sehr schönen Markt. Wir parken unsere Räder und lassen uns von der Menschenmenge zwischen den Ständen durchschieben, auf denen Spezialitäten jeder Art angeboten werden. Man kann sich kaum entscheiden, was man mal probieren möchte.

Und schon geht es wieder aufwärts. Über die Berge in Richtung Dordogne-Tal. Wir haben im Internet einen Campingplatz kurz vor der Talabfahrt gefunden. Die sind hier rar. Die meisten, die es gibt, öffnen erst am 1. Juli. Wenn es denn überhaupt welche gibt. Mal wieder sind wir auf einer Nebenstraße bergauf unterwegs. Aber hier gibt es eine Besonderheit. Überall auf der Straße liegen überfahrene Schlangen. Dick. 1,50 m lang. Plattgefahren. Bis zu diesem Moment haben wir unterwegs weder tote noch lebendige Schlangen getroffen. Aber das gibt nun irgendwie zu denken. Suchen wir vielleicht doch zu leichtfertig das grüne Gestrüpp am Wegesrand auf, wenn uns mal danach ist? Ab jetzt gucke ich sehr genau, wohin ich trete.

Auch diese Strecke zieht sich. Wir könnten mal ankommen. Am eigentlichen Abzweig von der Straße (aus dem wir am nächsten Morgen wieder in die Straße einbiegen) steht kein Schild (mehr). An der nächsten Kreuzung geht es bereits nach Monfaucon ab. Wir sind zu weit. Wir fahren mal in die Richtung und fragen einen Mann, der in seinem Garten arbeitet, nach dem Weg. Er empfiehlt uns durch den Ort bis zur Kirche zu fahren und dort rechts ab. Dann so ca. 7 km geradeaus. Da wäre der Platz. Das Schild am Abzweig an der Kirche hätte jemand umgefahren. Da stünde also (auch) keins mehr. Ein gut versteckter Platz. Das ist bestimmt umsatzfördernd.

Der Weg ist sehr schlecht. Asphalt nur noch in Resten. Schotter, große Löcher und steil bergab. Wir fragen uns, ob wir da wohl richtig sind. Aber genau auf den Punkt stehen wir vor einer großen Einfahrt, geschmückt mit diversen Fahnen. Die Anlage ist groß und fast völlig verlassen. Die Bungalows stehen leer. Ein einziges Zelt wird gerade aufgebaut. In Rezeption und Restaurant ist niemand. Wir bewundern einen großen See, mückenumschwirrt natürlich, ein großes Schwimmbecken (Pool kann man dazu schon nicht mehr sagen) und eine Badelandschaft mit diversen Großrutschen. Alles ohne Wasser.

Den mürrischen Betreiber klopfen wir aus seinem Wohnhaus. Er sagt uns, es sei zwar offen, aber wenn keiner käme, lohne sich das nicht. Ob wir wirklich bleiben wollen? Ja, doch. Wohin denn sonst. Wir sollen unser Zelt aufbauen, wo wir wollen. Die Anmeldung könnte man doch morgen machen. Es sei denn, wir wollen vormittags weiter. Doch, das wollen wir. Brummig kassiert er einen ungeheuer hohen Betrag. Wegen der Badewelt. Dann brauchen wir ihn nicht mehr. Im Grunde ist für alles gesorgt. Wenn auch im Waschhaus offensichtlich nach der Winterpause noch nicht sauber gemacht wurde. Wir stellen uns vor, wie er dort sitzt und sich wundert, dass keiner mehr kommt, weil es keine Zufahrtsschilder mehr gibt, deren Reparatur aber leider völlig über seine Kräfte geht.
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