Vor Jahren hatten wir (Viola+Stefan) eine Radreise nach Kanada unternommen. Wir waren damals (organisiert) auf stillgelegten Bahntrassen unterwegs. Nun wollten wir selbiges (auf eigene Faust) in Deutschland machen. Wir hatten uns den BahnRadweg Hessen ausgesucht. „Und wenn wir schon mal da sind“ sollten auch Eder- und Lahnradweg unter unsere Räder kommen.
Donnerstag, 25. August
Eisenach-Hilders, 93 km
Um 04.20 Uhr standen wir „Fahrrad bei Fuß“ auf dem Berliner Hauptbahnhof, um einen von zwei täglichen Direktzügen mit Fahrradbeförderung nach Eisenach zu nutzen. Unglücklicherweise hatte in der Nacht ein Gewitter gewütet und den Berliner Bahnverkehr etwas durcheinander gebracht. Aber wir brauchten keinen Anschlusszug und 20 Minuten Verspätung sollten bei einer 14tägigen Radreise nicht zeitkritisch sein. Der Fahrradwagen war an der richtigen Stelle und der Zug angenehm leer.
Für Zwei, die die Strecke Anfang der achtziger Jahre regelmäßig fahren mussten, verging die Fahrt wie im Fluge. Wir hatten im Zug gut gefrühstückt und so schwangen wir uns in Eisenach gleich auf die Räder. Zunächst ging es den Werra-Radweg stromaufwärts, eine abwechslungsreiche Strecke mal auf Asphalt und mal auf Waldwegen. Auch hier hatte ein Gewitter gewütet und mehr oder weniger große Äste von den Bäumen geholt, so dass auf manchen Streckenabschnitten Slalom angesagt war. Schon von weitem waren die weißen Salzberge bei Heringen sichtbar.
Werra-Radweg, Variante "an der Werra", für Anhängerbetrieb steht auch die Variante "durch den Ort" zur Verfügung
In Philippsthal wurde der Werra-Radweg verlassen und wir radelten nach einer kurzen Mittagspause den Ulstertalradweg bergan. Dieser zählt zwar zum BahnRadweg Hessen, verläuft aber nur stellenweise auf alten Bahndämmen. So ist hier die eine oder andere knackige (meist kurze) Steigung zu bezwingen. Der Radweg verläuft in Tann unterhalb der Altstadt, was für alle gut ist, die Tann nicht besichtigen wollen (keine sinnlosen Höhenmeter). Uns plagte aber Kaffeedurst und da wir gut im Zeitplan lagen, wollten wir der Altstadt einen Besuch abstatten. Leider war an dem ansonsten vorbildlich ausgeschilderten Weg kein Hinweis, wo wir in Richtung Ortsmitte abbiegen sollten. Wir radelten zunächst auf einem Weg, der mit Bild 240 (gemeinsamer Rad- und Fußweg) gekennzeichnet war. Er ging steil bergan und zu unserer „Freude“ das letzte Stück als Treppe......
Nun gut, wir entschädigten uns mit einem dicken Eisbecher und nahmen für die Rückfahrt einen anderen Weg. In Hilders fanden wir ohne Probleme ein Hotel und beendeten unseren ersten Tag mit einer kurzen Ortsbesichtigung und einem leckeren Abendbrot.
Freitag, 26. August
Hilders-Lauterbach, 81 km
Heute stand der Milseburgradweg auf unserem Programm. Da wir gestern schon reichlich Höhenmeter gemacht hatten, brauchten wir nur ein kurzes Stück bis zum höchsten Punkt der Strecke und gleichzeitig einem Höhepunkt dieser Strecke -der Milseburgtunnel- zu radeln. Es ist schon beeindruckend, durch einen stillgelegten Eisenbahntunnel mit dem Fahrrad zu fahren.
Ein Hinweis für alle Nachahmer: In der Fahrtrichtung Hilders-Fulda fahrt/rollt ihr im Tunnel bergab. Weiter geht es bis zum Ortseingang Fuldas auf der Bahntrasse immer leicht bergab, über Brücken und auf Dämmen mit teilweise beeindruckenden Blicken. Wir unterbrachen unsere rasante Fahrt zu einem Abstecher nach Hofleber (2 km stramm bergauf) um einen Barfuß-Erlebnispfad zu begehen. Am Ortseingang von Fulda hörte die Raserei dann auf, wir fanden die Radwegführung ins Zentrum etwas haklig.
Fulda war uns nur einen Kurzbesuch wert, ein Foto vom Dom und Mittag in einem netten Straßenrestaurant in der Fußgängerzone. Zum einen war dies mit 32 Grad der heißeste Tag unserer Reise, und zum Anderen hatte der Wetterbericht Gewitter für den Abend angekündigt. Nun ging es weiter auf dem Fulda-Radweg flussabwärts, den wir kurz vor Schlitz verließen, um zu unserem geplanten Etappenziel nach Lauterbach zu gelangen.
Ein Hotel war schnell gefunden, leider hatte das Restaurant geschlossen. So verbanden wir die fußläufige Besichtigung dieser hübschen Kleinstadt mit dem Abendbrot. Das Timing war perfekt, als wir die Hoteltür aufschlossen ging das Gewitter los. (Na gut, die letzten 20m waren Laufschritt.....)
Sonnabend, 27. August
Lauterbach-Gelnhausen, 83 km
Es hatte fast die ganze Nacht gewittert. Als wir aufstanden war der Himmel wolkenverhangen, aber es regnete nicht mehr. Pünktlich um 8 Uhr begaben wir uns ans leckere Frühstücksbuffet. Ein besonderer Service dieses Hotels ist, dass Radreisende sich was vom Büfett für unterwegs mitnehmen dürfen. Zur Abfahrt setzte dann mehr oder weniger starker Nieselregen ein, die Temperaturen waren mit 13 Grad auch nicht gerade überhöht, aber deshalb die langen Hosen nass und dreckig machen???? Die nächsten 30 km geht`s eh nur bergauf!
Ab Lauterbach verläuft der Vulkanradweg fast ausschließlich auf einer stillgelegten Bahntrasse.
In Herbstein stand das Begehen der Lebensspirale auf unserem Programm. Unglücklicherweise stand sie zentimetertief unter Wasser. Gummistiefel hatten wir nicht und barfuß bei den Temperaturen...
Da wir in zwei Tagen noch mal vorbeikommen wollten, verschoben wir diesen Programmpunkt. Petrus stellte dann auch seine Regenaktivitäten erst mal ein. Auf dem letzten Kilometer nach Hartmannshain, dem höchsten Punkt des Vulkanradweges, mussten wir doch „ein bissl beißen“. Die Steigung war zwar nicht steil, aber dafür lang, und da Murphys Gesetz wirkte, hatten wir natürlich Gegenwind. Das Vogelberggebiet ist recht frei und Bahntrassen verlaufen oft auf hohen Dämmen...
In Hartmannshain stürmten wir das Berggasthaus zur Mittagspause, was auch viele andere Radler -mit und ohne Gepäck- taten. So konnte der eine oder andere Tipp den Besitzer wechseln.
Von Hartmannshain verläuft der BahnRadweg Hessen in einer Schleife ins Kinzigtal und wieder nach Hartmannshain zurück. Wir beschlossen selbige im Uhrzeigersinn zu befahren, bogen daher auf den Vogelsberger Südbahnweg ab. Die ersten Kilometer bis Licheroth ging`s bergab, anschließend folgte -für einen Bahnradweg untypisch- eine stark wellige Streckenführung bis Wächtersbach. Der Südbahnradweg verläuft nur zu einem kleinen Teil auf alten Bahntrassen. Hinter Wächtersbach verläuft der BahnRadweg Hessen im Kinzigtal, gemeinsam mit der A 66 und der Bahnstrecke Fulda-Frankfurt/Main. Der Radweg fährt sich nicht schlecht, die eine oder andere grüne Schalschutzwand nimmt etwas den Lärm. Als Berliner sollte man ja etwas lärmresistent sein. Zwei Schauerwolken neckten uns noch auf den letzten Kilometern bis Gelnhausen, wo wir nach einem Eiscafebesuch ein Hotel suchten und fanden. Da der Sonne/Wolken/Regenmix gutes Fotolicht lieferte, schwärmten wir sodann zur Ortsbesichtigung aus.
Sonntag, 28.August
Gelnhausen-Hanau-Gedern, 88 km
Weiter ging es im Kinzigtal flussabwärts. Die Strecke bis Hanau ist höhepunktlos, lässt sich aber gut radeln. In Hanau mündet die Kinzig in den Main, wir hatten mit 101m über NN die tiefste Stelle des BahnRadweges Hessen und gleichzeitig unseren südlichen Wendepunkt erreicht.
Weiter radelten wir in nördliche Richtung im angenehmen auf und ab durch das Niddertal mit vielen kleinen Orten.
In einem gefiel es jemanden, Sonntag um 13.30 Uhr Rasen zu mähen-die Nachbarn sollen auch Spaß haben. Ab Glauberg verläuft der Radweg wieder auf einer alten Bahntrasse, geht moderat aber dafür stetig bergauf. Als wir in Gedern vor einem Hotel standen, kamen aus der Gegenrichtung auch 2 Reiseradler. Der Hotelbesitzer kam freudig herausgestürmt, 4 Leute auf einmal waren doch ein fetter Happen. Gedern selber bot nicht viel, im Schlossgarten wurde gerade ein Verkaufsmarkt abgebaut.
Montag, 29. August
Gedern-Zella, 89 km
Am Vorabend hatten noch 2 weitere Reiseradler das Hotel entdeckt, bei 6 Personen herrschte am Frühstücksbuffet kein Gedränge. Hinter Gedern verläuft der Vulkanradweg in großen Schleifen und angenehmer Steigung bergauf. Es boten sich noch mehrere schöne Blicke auf Gedern und die Umgebung.
Nach ca. 14 Kilometern hatten wir in Hartmannshain den mit 565 m über NN höchsten Punkt des BahnRadweges Hesssen erreicht und den am Sonnabend Mittag begonnenen Kreis geschlossen. Weiter ging es nun über die uns schon bekannte Strecke nach Lauterbach, diesmal aber talwärts. Der Wind hatte in den 3 Tagen nicht gedreht und so konnte „Kette rechts“ gefahren werden. Die Lebensspirale in Herbstein war getrocknet, wir holten den am Sonnabend ausgefallenen Gang nach. In Lauterbach endete unsere Fahrt auf dem BahnRadweg Hessen. Wir hatten ihn mit Ausnahme des Abschnitts Schlitz-Bad Hersfeld-Philippsthal vollständig befahren. Nach der Mittagsrast fuhren wir auf dem hessischen Fernradweg R2 weiter. Welch ein Kontrast, hinter Lauterbach führte der Weg über fast jeden Hügel, unsere Schaltung kam richtig ins Schwitzen.
Nach einigen Kilometern hatte sich der Radwegarchitekt scheinbar ausgetobt und der Weg führte angenehm, leicht wellig, nach Alsfeld, wo wir auf den Radweg R4 wechseln wollten. Die Stadtdurchfahrt erforderte auf Grund von umgestürzten Bäumen und Bauarbeiten etwas Aufmerksamkeit und Kartenstudium. Wir fanden zwar die richtige Ausfahrt, bereuten aber bald, dort keine Kaffeepause gemacht zu haben, denn hinter Alsfeld begann eine längere gastronomiefreie Zone. Fast steigungsfrei ging es durch die Schwalm. In Zella lag direkt an der Radroute ein schönes Landhotel, wo wir uns spontan ein Zimmer buchten. Der Hotelchef gab uns noch den Hinweis, dass im nächsten Ort ein guter Bäcker (mit Kaffee-Ausschank) ist. Wir brachten unser Gepäck aufs Zimmer und überzeugten uns von der Richtigkeit seiner Aussage.
Dienstag, 30. August
Zella-Hemfurt/Edersee, 64 km
Nach einem wie immer reichhaltigen Frühstück fuhren wir weiter auf dem Fernradweg R4 . Er ließ sich gut fahren, verlief meist auf asphaltierten Wirtschaftswegen und verkehrsarmen Straßen durch Wald- und Wiesenlandschaften. Größere Steigungen waren bis Niederurft nicht zu verzeichnen. Hier wechselten wir auf den R5 und nun ging`s bergauf. Eine doch mehrere Kilometer lange Steigung führte uns ins Wildunger Bergland.
Die Abfahrt nach Bad Wildungen führte zum Teil auf einem Waldweg, war aber mit etwas Geschick gut befahrbar (Umfahrung über Straße möglich, aber nicht ausgeschildert). Die Altstadt von Bad Wildungen liegt auf einem „Hügel“. Die Anfahrt war besser als in Tann ausgeschildert. Ein kurzer Stadtspaziergang und ein Mittagsimbiss auf einer Bistro-Terrasse, die Temperaturen waren sommerlich. Dann radelten wir weiter nach Wega, wo der R5 auf den Eder-Radweg (z.T. auch als Ederauen-Radweg bezeichnet) trifft. Die in Wega noch recht breite Eder wollten wir in gut 2 Tagen bis zur Quelle hoch radeln. Heute gab es nur ein kurzes Stück, vorbei am Affolderner See erreichten wir am frühen Nachmittag unser geplantes Ziel Hemfurt-Edersee. Ein Schild „Zimmer frei“ an einer Pension ließ uns handeln. Eigentlich hatte die Pension ja ein hauseigenes Cafe, welches aber schon Saisonschluss hatte. Unsere Wirtin empfahl uns eins am Wildpark. Wir radelten die recht steil ansteigende Straße hinauf, was uns einige neidisch/anerkennende Blicke fahrradschiebender Jugendlicher einbrachte. Gut, dass das Gepäck in der Pension lag..... Selbstverständlich besuchten wir, nachdem wir uns an leckerer Torte gestärkt hatten, auch den Wildpark. Nach der Kultureinlage fuhren wir in unsere Pension zurück und machten uns „abendbrotfertig“. Die meisten Gaststätten hatten schon Saisonschluss, mit etwas Geschick fanden wir die einzige geöffnete, welche zwar nur eine kleine Auswahl, aber dafür umso leckeres Essen hatte.
Mittwoch, 31. August
Unsere Räder sollten mal einen Tag Pause bekommen. Wir machten ein richtiges Touri-Programm. Frühstück auf Wunsch unserer Wirtin (Viola war sofort begeistert) ein halbe Stunde später als üblich. Dann besichtigten wir die Staumauer und den Aquapark (Wasser als Erlebniswelt)
Anschließend fuhren wir mit dem Schiff zum anderen Ufer nach Waldeck. Der Edersee ist neben Erholungsgebiet auch Wasserversorger für die Weser und den Mittellandkanal. Hier lagen die Anrainer mit der Wasserwirtschaft im Clinch, man hatte so viel Wasser abgelassen, dass die Schifffahrt auf dem Edersee nur noch eingeschränkt möglich war.
In Waldeck stand die Besichtigung der „Gärten der Sinne“ und der Burg auf unserem Programm. Die Auffahrt zur Burg wurde standesgemäß - es war Touri-Tag und außerdem recht warm - mit der Bergbahn unternommen. Eine recht vorsintflutliche, halboffene Zweierkabinenbahn brachte uns hoch und auch wieder runter. Zum Tagesausklang begingen wir noch den Baumkronenpfad, eine gigantische Stahlkonstruktion, die in Baumkronenhöhe durch den Wald führt und schöne Blicke auf den Edersee ermöglicht.
Donnerstag, 01.September
Hemfurt-Dodenau, 73km
Heute waren wir wieder zu unserer üblichen Frühstückszeit, um acht Uhr, am Frühstücksbuffet. Auf diese Zeit hatten wir uns, ein Frühaufsteher und ein nicht ganz so Frühaufsteher, geeinigt.
Der Ederauenradweg verläuft ab Hemfurt am Ufer des Edersees. Kurvenreich, nicht asphaltiert und mit nur geringen Höhenunterschieden rollten wir zügig voran. Der niedrige Wasserstand des Edersees brachte in Asel Süd eine alte Brücke zu Tage. In Herzhausen endet der Edersee und das Edertal geht in ein breites Wiesental über. Über die weitere Strecke bis Frankenberg gibt es nicht viel zu sagen, sie radelte sich einfach weg. Bis auf eine Stelle, einer etwa 10 Meter langen Steilrampe, wo sich das Fahrrad auf losem Schotteruntergrund nur mit viel Mühe hochschieben ließ!
In Frankenberg interessierte uns das 10-türmige Rathaus. Es forderte uns zu einer Sonderbergwertung heraus, denn die Altstadt Frankenhausens liegt auf dem Berg. Wir nutzten die Stadtbesichtigung gleich zum Mittag. Auf der schattigen Terrasse der Pizzeria saß es sich angenehm.
Zügig radelten wir dann das abwechslungsreiche Edertal aufwärts. Am Campingplatz in Hobe genehmigten wir uns einen Kaffee und ein Stieleis. Der Platzwart gab uns den Tipp, nicht weiter nach Hatzfeld, unserem geplanten Übernachtungsort zu fahren, die Unterkünfte seien da nicht so prickelnd. Wir sollten lieber 3 Kilometer zurück nach Dodenau fahren, was wir auch taten. Der Tipp war super. Obwohl wir mit allen Hotels/Pensionen auf unserer Reise zufrieden waren, verdient das Hotel Waidmannslust besondere Erwähnung. Hier wurde zum Preis, den wir sonst für Ü/F bezahlt hatten, Halbpension angeboten. Ein leckeres 3 Gänge Menue hat uns mehr als satt gemacht.
Freitag, 02. September
Dodenau-Lahnquelle, 76 km
Ein kurzer Blick von der Höhe, auf der unser Hotel lag, ins noch etwas diesige Edertal, dann rollten wir hinab und radelten weiter flussaufwärts. Eine landschaftlich schöne Strecke erwartete uns. Hinter Hatzfeld war Hessen und damit leider auch die gute Ausschilderung zu Ende. In Hessen hatten wir Wegweiser mit großen Pfeilen vorgefunden, die man rechtzeitig sah. Hier in NRW und später auch in Rheinland-Pfalz musste man öfter an den Wegweisern anhalten, um unter mehreren kleinen Symbolen das richtige zu finden. Berleburg ließen wir „rechts liegen“. Ab Trufte wurde es ernst. Starke Steigungen und ebenso starkes Gefälle, zum Teil auf normalen Waldwegen, forderten auch von uns Krafteinsatz und Aufmerksamkeit. Gut, dass wir die 37 mm Reifen gegen welche mit 42 mm getauscht hatten.
In Aue, zur Mittagspause hatten wir das technisch anspruchsvollste Stück geschafft. Bis Erndtebrück kam noch das eine oder andere Waldstück, aber längst nicht so spektakulär wie zwischen Trufte und Aue.
Nun begann der Schlussanstieg zur Quelle. Wir fuhren meist auf einem Schotterweg, in stetiger aber nicht zu steiler Steigung. Radwegeschilder hatten sich ab Erndtebrück rar gemacht, wahrscheinlich rechnete niemand mit solchen „Deppen“, die von hier zur Ederquelle hochfahren. Die Ederqelle ist recht einfach, ein Stein und ein Schlammloch.
Während der Auffahrt zur Ederquelle wurden wir mehrmals auf ein Waldcafe hingewiesen, an der entscheidenden Kreuzung fehlte jedoch das Schild. Viola hatte den richtigen Riecher, so kamen wir zu Kaffee und einer leckeren Waffel. Weiter fuhren wir zur Siegquelle. Sie ist die einzige der drei, wo Quellwasser richtig läuft. Nach wenigen Kilometern hatten wir die Lahnquelle erreicht. Es war später Nachmittag und die Abfahrt nach Bad Laasphe wollten wir nicht unter Zeitdruck machen, wir sicherten uns im Hotel Lahnquelle ein Zimmer für die Nacht.
Lahnquelle: Lieber Radler als Quellwasser trinken!
Sonnabend, 03. September
Lahnquelle-Wolfshausen, 90 km
Ein morgendliches Foto von der Lahnquelle, dann begann das viertägige Abenteuer Lahntal-Radweg. Die ersten Kilometer ging es auf einem gut befahrbaren Schotterweg abwärts. Hinter Feudingen ist der eine oder andere Gegenanstieg zu meistern. Bis Bad Laasphe fährt man meistens etwas oberhalb der Talsohle auf asphaltierten oder geschotterten Wirtschaftswegen. In Bad Laasphe unternahmen wir eine kurze Stadtbesichtigung. Hinter dem Ort weitet sich das Lahntal auf. Noch ein Steilanstieg mit anschließender Schussfahrt nach Wallau hinein, dann sind die Berge erst mal überstanden. Weiter fährt es sich dann angenehm, meist auf Wirtschaftswegen und kleinen Straßen. Die Strecke bis Marburg hat sich zügig gefahren, wir trafen am frühen Nachmittag dort ein. Die Touristeninformation in der Unterstadt hatte geschlossen, die Zimmervermittlung war während der Schließzeit in der Polizeiwache in der Oberstadt untergebracht.
Leider war kein Zimmer mehr zu haben. Wir schlossen unsere Räder vor dem Rathaus an und unternahmen einen Spaziergang durch die recht überfüllte Fußgängerzone. Bei Temperaturen um 30 Grad liefen die meisten Leute in T-Shirt und kurzen Hosen, in den Geschäften waren schon die Winterklamotten in den Schaufenstern und Auslagen. Man konnte sich – je nach Mentalität – auf die kommende Jahreszeit freuen oder sich vor ihr fürchten. Wir gönnten unseren Beinen im Cafe noch eine kurze Erholung, dann bestiegen wir wieder unsere Räder. Die Steilrampe zwischen Ober- und Unterstadt mieden wir, wir fuhren durch die kalte Küche hintenrum. So konnten wir unsere Räder bei angenehmem Gefälle rollen lassen. In Niederweimar war zwar der Weg zum Hotel gut ausgeschildert, selbiges jedoch für eine Hochzeitsgesellschaft reserviert. Eh der Spaß nun zu dolle wurde, setzten wir uns auf eine Rastplatzbank und nahmen Handy und Bikeline-Führer zur Hand. Im Unterkunftsverzeichnis sind die Orte in Fahrtrichtung aufgeführt. Wir wurden gleich im nächsten fündig und reservierten uns ein Zimmer. Die Ernüchterung kam mit dem Blick auf die Karte. Wolfshausen lag etwas abseits der Radroute, und ein Alp-Huez-mäßiger Anstieg führte zum Hotel. Wir haben es nicht bereut, wir konnten an diesem lauen Abend lange auf der Hotelterrasse bei Bier und Radler sitzen und den Blick über das sehr breite Lahntal schweifen lassen.
Sonntag, 04. September
Wolfshausen-Biskirchen, 71 km
Nach einem Frühstück mit Panoramablick setzten wir unsere Radtour zum nächsten Zwischenziel Gießen fort. Hier interessierte uns das Mathematikum. Unter dem Motto „Mathe ist schön“ (etwa nicht??) waren vielfältige mathematische Experimente zu machen. Die Schwierigkeit bei solchen Zwischenstopps besteht darin, dass man vorher nicht weiß, welcher Zeitbedarf angemessen ist. Wir waren gut 2 Stunden darin. Dann war einerseits (bei Stefan) die geistige Aufnahmefähigkeit erschöpft und andererseits der zeitliche Rahmen ausgereizt. Wir radelten stramm nach Wetzlar. War Marburg schon schlimm, so war das hier die Hölle. Die gewiss sehenswerte Altstadt und den Domplatz hatte man mit Bühnen vollgestellt. Wetzlar war eine Abreise wert! Vorher gelang es uns aber noch, in einem Cafe 2 Plätze zu ergattern, so nahmen wir kuchengestärkt den Schlussteil der Etappe in Angriff. In Biskirchen fanden wir ein Hotel, aber irgendwie steckte bei dieser Reise der Wurm drin. Es war bereits das 3. Mal, dass das Hotelrestaurant Ruhetag hatte. Gerade in kleineren Orten suchen wir nach Hotelunterkünften, um nicht das Pech zu haben, zum Abendbrot noch mal 10 Kilometer in den nächsten Ort radeln zu müssen. In Biskirchen hatte aber eine Pizzeria auf und ein kleiner Spaziergang nach einem Radtag ist nicht schlecht.
Montag, 05. September.
Biskirchen-Limburg/Lahn, 47 km
Nach wenigen Kilometern schob sich die Burgruine Löhnberg in unser Blickfeld. Nun wurde das Lahntal wieder enger. Die Auffahrt zum Schloß Weilburg verkniffen wir uns. Uns interessierte der einzige Schiffstunnel Deutschlands. Er wurde von 1844 bis 1847 gebaut, ist 195 m lang und unterquert den Mühlberg, auf dem sich die Stadt Weilburg befindet.
Hinter Weilburg wurde das Lahntal richtig eng! Es war kein Platz mehr für eine Straße, sondern nur für die Lahn, einen schmalen Radweg und -zwischen den Tunneln- für die untere Lahntalbahn. So fuhren wir autolärmfrei bis Villmar, wo sich die einzige Marmorbrücke Europas befindet.
Bei der Mittagspause in Runkel einigten wir uns, nur noch die knapp 15 km bis Limburg zu fahren und dann den halben „Ruhetag“ zur Stadtbesichtigung zu nutzen. Erwähnenswert auf der Strecke nach Limburg ist noch die Pfarrkirche in Dietkirchen, die auf einem großen Felsen weit ins Lahntal hinein ragt. Imposant sind auch die Viadukte, auf denen die Autobahn und die ICE-Strecke Frankfurt-Köln über das Lahntal geführt werden.
Am frühen Nachmittag trafen wir in Limburg ein und fanden an der Alten Lahnbrücke auf Anhieb ein Hotel. Die Stadtbesichtigung verlief wesentlich entspannter als in Marburg oder Wetzlar, das Wochenende war halt vorbei. Wenn wir das Lahntal noch mal beradeln sollten, werden wir so planen, dass wir Marburg und Wetzlar unter der Woche erreichen. Das Wahrzeichen Limburgs, der Dom wird abends hell angestrahlt. Einen schönen Blick darauf hat man von der Alten Lahntalbrücke.
Dienstag, 06. September
Limburg/Lahn-Koblenz-Lahnstein, 80 km
Heute nahmen wir die letzte Etappe des Lahntal-Radweges in Angriff. Bis Balduinstein verläuft der Radweg in vielen Windungen im Tal. Der Bikeline-Führer empfahl entweder ab dort bis Laurenburg die Bahn zu nutzen (galt nicht für Viola und Stefan) oder ab Geilnau die Straße in einer Steigung bergauf nach Holzappel zu fahren. Wir wollten uns dieser Herausforderung stellen. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt! Am Ortseingang von Geilnau wies uns ein Radwegeschild auf einen parallel zur Straße führenden Weg, den wir nutzten. Unbemerkt hatte sich die Straße entfernt, und wir radelten den asphaltierten Weg weiter. Als der Asphalt nach einigen Kilometern an der Schleuse endete und der Weg sich gabelte, folgten wir auf Verdacht den Fahrradspuren. Sie führten uns auf einen Single-Trail, der leicht wellig in der Talsohle verblieb.
Wahrscheinlich hatten wir die Trainingsstrecke des örtlichen MTB-Vereins entdeckt, mit unseren nicht übermäßig beladenen Rädern war sie gut zu befahren, lediglich an 2 Engstellen mussten wir kurz absteigen, um mit unseren Packtaschen nicht an den Felsen hängen zu bleiben. Ab Laurenburg fuhren wir wieder auf dem Originalweg in der Talsohle bis Obernhof. Hoch oben trohnte vor uns das Kloster Arnstein. 16% bergauf, der Lahntalradweg führt alternativlos direkt am Kloster vorbei. Die linken Kränze wollten auch mal entstaubt werden. Belohnt wurden wir mit einem phantastischen Blick ins Lahntal.
Ein kurzer Rundgang im Kloster lockerte unsere Beinmuskeln wieder auf. Wie würden Werbetexter den nun folgenden Streckenabschnitt beschreiben? Zum Beispiel: „Die wechselnde Führung des Radweges in Tal- und Hanglage erlaubt es dem Radler, das Lahntal aus verschiedenen Perspektiven kennenzulernen“.
In Nassau genehmigten wir uns anlässlich der nur noch kurzen Reststrecke bis zu unserem Endziel Koblenz eine längere Mittagspause. Über den vornehmen Kurort Bad Ems radelten wir fast steigungsfrei bis Niederlahnstein, wo die Lahn in den Rhein mündet. Auf der rechten Rheinseite rollten wir nach Koblenz. Da auf der gesamten Reise alles komplikationslos ablief, hatten wir unsere Reservetage noch zur Verfügung und damit 3 Tage Zeit bis unser Zug am Sonnabend nach Berlin fahren sollte. Wir einigten uns, „nicht über das Ziel hinaus zu schießen“ und planten 3 Tage Standorturlaub in Koblenz. Über die Paffendorfer Brücke wechselten wir auf die linke Rheinseite. Das Deutsche Eck war schon in Sichtweite, aber wegen der Buga war das Rheinufer eingezäunt und die Radwegführung verwinkelt durch die Innenstadt. Den nächsten Dämpfer bekamen wir bei der Touristeninformation, sie hatten keine freien Hotelbetten mehr und Pensionen nicht in ihrem Computer. Wir trösteten uns erst mal mit großen Eisbechern. Die Alternativen an Mosel oder Rhein weiterzufahren, wurden verworfen. Da wir dunkel im Gedächtnis hatten „Zimmer frei“ Schilder bei der Durchfahrt Lahnsteins gesehen zu haben, nahmen wir unseren Bikeline-Führer zur Hand und sicherten uns dort telefonisch ein Zimmer. Die Absperrmaßnahmen zur Buga waren so geschickt, dass man nicht ans Deutsche Eck kam, ohne Treppen zu steigen. Für ein Foto unsere „Gepäckdampfer“ noch einmal eine Treppe hoch zu tragen, war uns die Sache nicht wert. Wir schlossen unsere Fahrräder davor an und machten das Zielfoto ohne Fahrräder vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal aus.
Dann kämpften wir uns aus Koblenz heraus und radelten am rechten Rheinufer nach Lahnstein zurück.
Fortsetzung folgt