Weserradweg Invers – von Bremen nach Hann. Münden Im Vergleich mit den mehrere tausend Kilometer langen Radreisen die man hier im Forum begeistert lesen kann, ist diese Tour sicherlich sehr klein und unscheinbar. Trotzdem traue ich mich mal darüber zu berichten
Für meine Frau und mich war es unsere Einstandstour in eine hoffentlich nie mehr endende Zeit des Radreisens. Nein, Rentner sind wir nicht, und auch nicht absolut losgelöst von den üblichen Verpflichtungen im sozialen oder beruflichen Umfeld. Wir sind Ü40 Radler, die jeden Tag bei Wind und Wetter 30km mit dem Rad zur Arbeit fahren, die sich wünschen so oft wie möglich mit den Rädern auf Tour gehen zu können. Und dies konnten wir in der zweiten Oktoberhälfte 2011 zum erstenmal erleben. Wir entschieden uns für die bekannte Route entlang der Weser. Da das ultra-flache Weserumland zwischen Minden und Cuxhaven landschaftlich in etwa dem entspricht, was wir von zu Hause kennen, folgten wir der Empfehlung eines netten ADFC Mitarbeiters und radelten die Weser flussaufwärts. Da wird die Landschaft immer spannender.
Wir planten 6 Etappen einschließlich einer Tour von Hann. Münden entlang der Fulda, um in Kassel wieder in den Zug zu steigen.
Die erste Etappe Von Bremen nach Eitzendorf (~63km)
Der Sonntag Morgen war ein idealer Zeitpunkt um mit dem Zug nach Bremen zu fahren und dort die Tour zu beginnen. Es war sehr ruhig, bestes Wetter, aber knackig kalt. Kein Problem die Räder in das Radabteil der Nord-Westbahn zu schieben. Vom Bremer Hauptbahnhof erreicht man schnell den begehrten Radweg in Richtung Süden. Für ein tolles Foto lohnt es sich ein kleinen Abstecher auf die große Weserbrücke zu unternehmen – wenn man nicht sowieso in Bremen halt machen möchte.
[Foto: von großer Weserbücke aus]
Kaum war das Werderstadion auf der anderen Seite in Sichtweite, kamen wir mit einen rüstigen älteren Herrn ins Gespräch, der uns von seinen Radreisen erzählte. Wir sammelten ein paar hilfreiche Tipps, und staunten, als er uns erzählte, dass er 75 Jahre alt ist und heute 60 km fahren will. Er erzählte von nicht weit zurückliegenden Zeiten, in denen er einen Tagesschnitt von 51km hatte. Mit 39 Jahren fing er das Radreisen an, und seitdem hat es ihn nicht mehr losgelassen. Ich war beeindruckt und motiviert von seinen kurzen Geschichten über das Reisen in der ganzen Welt. So könnte es uns doch auch passieren.
Nachdem man die Parklandschaft mit seinen gut asphaltierten Wegen rund um den Werdersee verlassen hat, fährt man weiter auf einer gut ausgebauten Strecke und oft über Wirtschaftswege. Im wesentlichen ändert sich landschaftlich nicht viel zwischen Bremen und Minden. Am ehesten fällt einem der Vorstoß in südlichere Gefilde durch die Zunahme von Fachwerkhäusern auf.
Kurz vor Verden schauten wir uns noch die Storchenstation an dem Jugendhof Sachsenhain an. Auch die Pferdestadt Verden ist eine Besichtigung wert.
[Foto: Verden Rathaus]
Ein paar Kilometer hinter Verden - mitten in der Wildnis
- liegt im kleinen Eitzendorf der von der sehr netten Familie Cordes geführte Biolandhof. Ein familiär geführter Bauernhof, der nach Bioland-Richtlinien produziert und das authentisch rüberbringt! Dies war unser erstes Bett&Bike-Quartier. Ich wette, dass man auf der gesamten Strecke kein besseres Frühstück bekommt als dort. Uns ging es zumindest so, und laut Gästebuch auch vielen anderen Radlern.
Prima, die erste Etappe ist geschafft, und das einfacher als wir dachten. Es hätten ruhig noch ein paar Kilometer mehr sein dürfen.
Zweite EtappeVon Eitzendorf nach Nienburg (~50km)
Weil dies unsere kürzeste Etappe war, konnten wir uns extra viel Zeit beim Frühstück lassen. Und bei diesem Frühstücksangebot war das auch wirklich gut.
Auf der Tour ließen wir es ebenfalls entspannt angehen. Es war sehr meditatives Radfahren. Die Strecke bot nicht mehr und nicht weniger als das erste Stück, und so gibt es nichts besonderes zu berichten.
Da wir schon am frühen Nachmittag Nienburg erreichten, gönnten wir uns einen kleinen Mittagsschlaf. Unsere Pension - die Weserkate – ist ein schön restauriertes historisches Fachwerkhaus und lag direkt am Weserufer aber auch sehr zentral in der Innenstadt.
[Foto: Weserkate Nienburg mit Brunnen]
Der lange Rest des Tages bot sich für einen ausgedehnten Stadtbummel an. Ich hätte nicht gedacht, dass es in Nienburg schon so viele alte Häuser zu bestaunen gibt. Ein Besichtigungsstopp lohnt sich auf jeden Fall, zumal es kein Umweg ist, da der offizielle Weserradweg sowieso durch die Stadt führt.
Dritte EtappeVon Nienburg nach Porta-Westfalica (~70km)
Auf dieser Strecke haben wir kaum Fotos geschossen. Das Wetter machte uns einen Strich durch die Rechnung. Unsere Stimmung wurde schon etwas auf die Probe gestellt. Schon am Vortag hatten wir teilweise kräftigen Gegenwind aus Südwest, aber heute kam zum starken Wind fast ohne Unterbrechung Regen dazu. Der Wind blies zeitweise mit 6 Bft. Auf einem Teilstück zwischen zwei Baggerlöchern erwischte er uns so von der Seite, dass wir mit den Rädern einer ganz ansehnliche Schräglage einnehmen mussten, um nicht von der Strasse geweht zu werden. Regentechnisch waren wir ganz ordentlich ausgestattet. So sind wir zwar außen nass geworden, aber sonst weitestgehend trocken geblieben. Etwas schade war, dass die Aussicht und der Genuss beim erreichen des Porta Westfalica fehlte. Es hat einfach nur geschüttet, die Räder waren verschlammt und ein Pedal am Rad meiner Frau blockierte.
In Porta eingetroffen, hätten wir uns am liebsten sofort geduscht und dann zum Aufwärmen ins Bett verkrochen. Ich konnte jedoch meine Frau noch davon überzeugen, dass es besser ist die Räder an der nächsten Tankstelle grob zu reinigen und die Ketten zu versorgen, denn die Ketten knartschten wie nichts Gutes. Als wir dies erledigt hatten suchten wir noch den örtlichen Radladen auf. Zum Glück war der Radsportladen Lindemann eine super kompetente Adresse in Sachen Pedale. Schade nur, das die alten Pedale nicht mehr zu retten waren. Das eine wäre fast schon von der Achse gerutscht, so war es besser beide Pedale auszutauschen. Wie auch immer, meine Frau ist überglücklich mit den neuen super griffigen Tretern
und auch die Laune war wieder hergestellt.
Die Pension „Zum Angestellten“ war preiswert und gut. Da an diesem Tage mein Geburtstag war, entschädigten wir uns mit einem leckeren Essen beim Griechen in der Nähe. Danach war der Regen auch vorbei.
[Foto: Der Wilhelm über Porta Westfalica]
Vierte EtappeVon Porta-Westfalica nach Hameln (~58km)
Es gab zwar hin und wieder noch ein paar Wolken, aber über alles schien der goldene Oktober wieder Einzug zu halten. Endlich konnten wir die Fahrt wieder richtig genießen. Die Landschaft war schön und wurde abwechslungsreicher. Die zu erklimmenden Steigungen sehr freundlich und die Schussfahrten ein Vergnügen – so was kennen wir hier im Norden doch nicht ;-)
[Mühle zwischen Porta Westfalica und Rinteln]
Wir machten einen Kaffeepausen-Stopp in der schönen Stadt Rinteln. Auf dem Weg weiter nach Hameln bei Kohlenstadt rutschte ich am Rand einer Rinne aus, die mit Schotter angefüllt war. Ich bin Jahre nicht mehr gestürzt. Aber jetzt konnte ich das Gleichgewicht mit dem Rad nicht mehr halten und lag ruck zuck auf dem Asphalt. In diesem Moment war ich froh, dass wir uns vor kurzer Zeit für das Tragen von Helmen entschieden haben. Ausser ein paar blauen Flecken und Prellungen ist auch nichts weiter passiert. Meine Frau meinte, dass ich eine elegante Aikido-Rolle hingelegt hätte. So zahlt sich auch das Training wieder aus. Vielleicht sollte ich es doch wieder aufnehmen …
Dann steuerten wir die Jugendherberge in Hameln an. Unser Traum von Jugendherbergsromantik wurde etwas getrübt. Wenn man bedenkt, dass die Kosten für die Unterkunft in Porta nicht höher waren und man ein absolut sauberes Zimmer mit Bad, Fernseher und funktionierender Heizung hatte, kommt es einem komisch vor, dass man in der Jugendherberge dies alles nicht hat. Klar – wir wussten vorher, das man Abstriche machen muss, und die Jugendherberge in Hameln ist auch nicht unbedingt eine schlechte Adresse. Aber 3 siebte Klassen aus Bottrop sind nicht gerade das, was einen ruhigen Abend ausmacht. Wohl dem, der vor den Horden geduscht hat ;-)
Zum Glück war es dann gegen 23Uhr wieder ruhig und das gute Frühstück am nächsten Morgen entschädigte uns.
[DJH Hameln: Bei einem Zimmern nach hinten hinaus hat man einen sehr schönen Blick auf die Weser.]
Die historische Altstadt von Hameln mit den vielen alten Häusern und Häuschen in den engen Gassen hat mich einfach umgehauen. Wie gemütlich.
In einer Straße in der Innenstadt entdeckten wir dann unser Traumrad im Schaufenster des Fahrradies-Radladens. Ein Patria Terra. Ja, wenn es weiter so geht könnte sich die Anschaffung eines solchen Rades lohnen …
[Hameln]
Fünfte Etappe Von Hameln nach Höxter (~ 70km)
Was will man mehr? Der Rhythmus von Schlafen, Frühstücken und Fahrradfahren tut uns gut. Wir sind schon sehr gut erholt und jeden Morgen wieder froh im Sattel zu sitzen. Es ist wie zu Hause zu sein.
Auch auf dem Weg nach Höxter ist es landschaftlich sehr schön. Man fährt meistens dicht an der Weser, was bei den ersten Etappen nicht immer der Fall war.
Kleine Personenfähren ermöglichen hin und wieder das Übersetzen auf die andere Seite. Manchmal kann das sehr hilfreich sein, vor allem wenn im Herbst die Sonne schon recht tief steht und man auf einer Seite der Weser nur im Schatten der Hügel fährt. Oft waren es unter 5°C und bei einer längeren Pause kühlte man recht schnell aus.
Wir machten in Holzminden Rast. Vielleicht tue ich der Stadt Holzminden unrecht, aber irgendwie hatte ich dort ein unbehagliches Gefühl. Mir war die Stadt nicht sehr sympathisch und ich war froh als es wieder weiterging.
Höxter hingegen, und besonders das Kloster Corvey, hinterließen einen positiven Eindruck, Wir übernachteten, als einzige Radtouristen, im Aktivhotel Corvey – direkt hinter den dicken Klostermauern. Am Abend hatten wir noch nette Gespräche mit 2 Baumkletterern bzw. Pflegern, die am nächsten Tag eine Prüfung zum Baumkontrolleur (hoffentlich) bestehen sollten. Das war sehr nett. Es ist sowieso immer wieder toll, wie viele unterschiedliche Leute man auf einer Radreise kennenlernt.
[Kloster Corvey]
Sechste EtappeVon Höxter nach Hann. Münden (~70km)
Für uns Flachlandtiroler war dies steigungsmäßig die anspruchsvollste Etappe. Aber alles lag im Rahmen. Es gilt nicht wirklich große Hindernisse zu überwinden. So konnte ich endlich mal die Kettenschaltung etwas mehr ausreizen. Ein kleines Stück 18% Steigung hoch auf die Brücke bei Würgassen war dann ein guter Test für mich ob die Kondition auch reicht. Ich hab es so gerade geschafft. Meine Frau musste schieben, aber was will man auch mit einer 8-Gang Schaltung bei solch einer Steigung.
Die Weser war immer sehr nah, und wie auf den beiden vorrigen Etappen landschaftlich sehr schön und stark bewaldet.
Bad Karlshafen war mir zu weiß und steril - ein Grauß und nicht grad fahrradfreundlich. Wir haben verzweifelt einen Bäcker mit Cafe gesucht, der auch noch eine Toilette anbieten konnte. Dies gab es nur im Einkaufscentrum vor der Brücke.
[Nur läppische 18% ;)]
Am Samstag sind wir dann um 16 Uhr stolz in Hann. Münden eingetroffen. Wir genossen den Rest des Tages mit der Besichtigung der Stadt und dem Essen beim Italiener. Die Nacht verbrachten wir dann noch in der romantischen Pension Antico & Abruzzo.
Siebte EtappeVon Hann. Münden nach Kassel (~30km)
Der Weserradweg war zwar in Hann.Münden zu Ende, aber da man mit dem Zug sowieso über Göttingen oder Kassel fährt, sind wir die Strecke nach Kassel mit dem Rad gefahren. Morgens waren es knapp über 0°C und der Nebel tanzte über dem Fluß Fulda. Es war ein sehr schönes Stück durchs Fulda -Tal. Es kam mir so vor, dass die Leute auf den Fahrrädern überwiegend mit Rohloff unterwegs sind ;-) Klar Mensch, das ist ja auch das „Rohloff-Tal“
Vielleicht wird Kassel und die Fulda nochmal der Ausgangspunkt für die nächste Radreise.
[Nebel über der Fulda]
Die Rückfahrt mit dem IC1986 war problemlos. In Bremen mussten wir uns allerdings den Weg durch ein absolutes Gewusel in einen total überfüllten Zug erkämpfen. Der Bremer Freimarkt hatte seinen traditionellen Fest-Umzug und neben uns wollten noch so einige Leute aus dem Nordwesten auch nach Hause. Das Zugbegleitpersonal war bei der Fahrrad-Parkplatzfindung sehr behilflich, viele Passagiere im Fahrradabteil aber sehr sauer, weil sie für uns Platz machen mussten.
Fazit Diese kleine Radreise war mit Sicherheit unser Einstieg in noch viele folgende. Ob nächstes Jahr noch einmal Deutschland das Ziel ist, oder wie schon mal angedacht die polnische Ostseeküste oder Italien, Frankreich oder sonst wo steht noch nicht fest. Die Planung aber macht ja auch schon viel Spaß.
Diese Reise war auch ein Test an Ausrüsting und Kondition - und man weiß ja nie, wie man sich so verträgt so Seite an Seite auf dem Fahrrad
Erstaunlich mit wie wenig Zeugs man so auskommt. Eigentlich reichen jeweils zwei Packtaschen hinten. Aber die einne extra Roll war ganz nützlich um mal schnell ein paar Regenklamotten zu verstauen etc.
Was wir gerne probieren würden, wäre das ganz ungebundene Zelten. Auch möchte ich nicht mehr jede Pension vorbuchen, sondern einfach so lange radeln wie Kraft und Laune es erlauben.
Uns hat es erstaunt, dass wir auf dem ganzen Weg nur eine Handvoll Radreisende getroffen haben. Der Herbst scheint für diese Strecke nicht sehr beliebt zu sein. Auch in den Unterkünften waren wir manchmal die einzigen Gäste, aber immer jedoch die einzigen Radreisenden. Das im Sommer mehr los ist, sieht man alleine schon an den ganzen Biergärten und Gastronomie, die gezielt Radfahrer anspricht. 250.000 Wesrradtouristen soll es auf diesem Weg jedes Jahr geben. Ich weiß nicht ob ich die Strecke lieber im Sommer gefahren wäre – mir war die Ruhe ganz recht.
Gruß
Alex