Wir sind im Sommer 2002 bei unserer Marokko-Durchquerung auch die Strecke Tanger – Tetouan – Chefchaouen - Moulay Idriss – Meknes – Fes – etc. geradelt. Für uns waren es die ersten Eindrücke, die wir außerhalb Europas gesammelt haben und deshalb ziemlich schockierend, besonders die Verhältnisse, unter denen die Menschen hier leben und vor allem Kinder aufwachsen (werden schon früh zu schweren Arbeiten wie Wasserholen von Dorfbrunnen eingeteilt, etc.). Diese Eindrücke kriegt man allerdings nicht nur im Rif-Gebirge, sondern in ganz Marokko.
Tetouan ist eine wirklich eindrucksvolle Stadt, die du unbedingt anschauen solltest: ein weißes Häusermeer, das sich auf einen Berghang im Rif schachtelt, aber auch der - sehr steile - Anstieg nach Chefchaouen lohnt den Umweg auf jeden Fall. Speziell in Tetouan und Fes wäre es eine gute Idee, einen der zahlreichen (selbsternannten) Stadtführer anzuheuern (die sich dir aber so und so aufdrängen werden), da man auf diese Weise viele Winkeln und Ecken kennenlernen kann, wo man selber nicht hingefunden hätte (so faszinierend die Souks der marokkanischen Städte sind, so sind sie auch wahre Labyrinthe). Außerdem wirst du in Begleitung eines Einheimischen auch nicht so oft von den (teils sehr aufdringlichen) Händlern angequatscht. Du solltest dann aber den Preis für die Führung im VORHINEIN aushandeln und dich von deinem Führer auch nur dann ins Innere eines „Berberhauses“ (=Teppichladen), einer „Pharmacy“ (=Shop für kosmetische Naturprodukte) oder auf eine Dachterrasse, von der man einen wunderbaren Blick auf die Stadt kriegt (diesen kriegt man tatsächlich!) führen lassen, wenn du dir auch wirklich einen Teppich, etc. kaufen willst. Denn ohne Einkäufe wirst du dann nur wieder rauskommen, wenn du sehr hartnäckig bist (freundlich bleiben!), das Argument, dass du mit dem Fahrrad unterwegs bist, zählt leider nicht, weil „Wir können den Teppich auch zuschicken lassen.“ (oder so ähnlich). Willst du nichts kaufen, dann mach das mit deinem Führer am besten bereits VOR der Führung aus. Da es unmöglich (und auch nicht wirklich entspannend) wäre mit dem Fahrrad die Souks einer marokkanischen Stadt zu erforschen, haben wir (falls wir nicht in dieser Stadt übernachtet haben) immer eine bewachte Parkgarage gesucht, wo wir unser Fahrrad & Gepäck (unter blickdichter Plane) für ein paar Dirham zurücklassen konnten. In ganz Marokko ist dabei nie etwas weggekommen.
Vom Rif-Gebirge würden wir grundsätzlich nicht abraten. Das Rif-Gebirge ist landschaftlich sehr hübsch und wenn du Glück hast, wirst du auch Einblick in urige Berbermärkte mitten im Nirgendwo kriegen. Allerdings sind wir im Rif-Gebirge beim Vorbeiradeln auch besonders häufig von am Straßenrand herumlungernden Männern angepöbelt worden und immer wieder haben Kinder mit Steinen nach uns geworfen (was aber auch anderswo der Fall sein kann). In regelmäßigen Abständen wurde uns Haschisch angeboten (schockierenderweise manchmal sogar von kleinen Kindern!), allerdings hielt sich die Aufdringlichkeit in Grenzen, es reichte meist der Satz „Nein danke, wir sind Sportler“, um sie wieder loszuwerden.
Ein Problem ist auch das Übernachten, vor allem nach Chefchaouen, wo das Rif-Gebirge recht dünn besiedelt ist und die meisten Bauern vom Cannabisanbau leben und nicht wirklich einen vertrauenswürdigen Eindruck machen. Da wir nicht wild campieren wollten sind wir eines Abends ca. 1 Stunde vor Sonnenuntergang einer Übernachtungs- und Essenseinladung eines (für dortige Verhältnisse) recht gepflegt wirkenden Mannes gefolgt, der seinen liebenswerten kleinen Sohnemann an der Hand führte. Sein uriges selbstgebautes Lehmhaus mit igluförmigen Lehmofen zum Brotbacken, etc. bot zwar einen guten Einblick ins Leben der Menschen in dieser Region, allerdings war auch schnell klar, dass auch unser Gastgeber in seinem Garten in erster Linie Cannabis anbaute. Nachdem die Sonne untergegangen war, hat er dann sein wahres Gesicht gezeigt und von uns einen horrenden Geldbetrag gefordert, um Zutaten fürs Abendessen einzukaufen. Nachdem wir uns geweigert hatten, hat er mich (Gerhard) später unter einen Vorwand in seinen (stockdunklen) Olivenhain gelockt, um mir irgendetwas zu zeigen. Dort war allerdings nichts zu sehen, als ich möglichst schnell wieder Richtung Haus zurück wollte, hat er mich kurz abgelenkt und im selben Moment einen großen Sprung auf mich zugemacht, wobei er direkt hinter mir zu stehen kam. Inzwischen war ich innerlich aber schon so angespannt, dass ich mich von ihm genauso schnell wieder entfernen konnte. Wir haben uns dann langsam umkreist und während ich beruhigend auf ihn einredete habe ich versucht, in die Nähe des Hauses zurückzukommen. In diesem Moment ist Nicki, die inzwischen auch schon ein ungutes Gefühl gekriegt hat, mit dem kleinen Sohnemann an der Hand laut rufend in unsere Richtung gekommen, die ganze Anspannung ist daraufhin wieder zusammengebrochen. Unser „Gastgeber“ hat dann wütend unser ganzes Gepäck vom Wohnraum auf den Hof geschmissen. Da wir es als sicherer ansahen, nicht im Dunklen weiterzuradeln, haben wir unser Innenzelt in eine Ecke seines Hofes gestellt, die ganze Nacht habe ich natürlich kein Auge zugemacht.
Aufpassen muss man aber auch im marokkanischen Verkehr, der teilweise sehr rücksichtslos bzgl. Radfahrer ist: Prioritätenreihenfolge: LKW – Bus – Jeep – Auto – Esel – Radler, wir sind in der „Nahrungskette“ also ganz hinten. Unsere Radtour hat schlussendlich leider auch kurz vor der Grenze zur Westsahara (50 km nach Tan Tan) mit einem Unfall meinerseits geendet ;-(
Damit jetzt aber nicht deine Vorfreude ganz zerstört wird und um Marokko nicht ungerecht zu werden: Anfangs haben wir ehrlich gesagt öfter daran gedacht, die Tour abzubrechen, sind dann aber doch weitergeradelt und haben es nicht bereut. Nach einer Eingewöhnungszeit von ca. zwei Wochen hat mehr und mehr die Fülle an positiven Eindrücken zu überwiegen begonnen, die Exotik der Menschen, ihrer Häuser, die mittelalterlichen Handwerksszenen, die Lehmburgen, die traumhaften Sanddünen im Erg Chebbi, die eindrucksvollen Schluchten und Gebirgsformationen im Hohen Atlas, die Palmenoasen und nicht zuletzt die Menschen selber, die uns (trotz fliegender Steine) mehr und mehr ans Herz gewachsen sind. Die Gastfreundlichkeit der Marokkaner ist - wenn sie einem mal zuteil wird – wirklich unglaublich. Erst nach dieser Radtour haben wir gewusst, was die Floskel „sich wie zu Hause fühlen“ wirklich bedeuten kann.
Mehr haben wir auf unserer Homepage
http://berg.heim.at/anden/420948 hinterlegt (siehe Lebenszeichen und Tipps für Marokko-Radler).
In diesem Sinne liebe Grüße aus Tirol und viel Spass auf Deiner Radtour!
die Lausers
P.S: Vor kurzem haben wir dieses Forum empfohlen gekriegt und uns deshalb auch gestern hier registrieren lassen. Allerdings sind wir uns nach dem Lesen diverser obiger Berichte nicht mehr ganz sicher, ob wir hier wirklich richtig sind … vielleicht sollten sich gewisse Leute lieber ein anderes Hobby suchen, und nicht den Ruf der Fernradler in den Dreck ziehen!!