BALKAN 2010Tagebuch einer einmonatigen Reise von Belgrad nach Tirana (Kurzfassung)(ein ausführlicher Bereicht als pdf-Datei mit Route kann angefordert werden unter paarios@bluewin.ch ;
die vollständige Bildergalerie findet sich unter
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31. August Zürich – Belgrad (Surčin)
7.3 km / Anreisetag
Ein angenehmer Flug mit SWISS. Für die Fr. 110.- (Velotransport) erhalte ich am Flugplatzgleich auch noch gratis eine komfortable Kartonbox, für die ich nur den Lenker gerade stellen und die Pedalen abnehmen muss. Bei der Ankunft ist es auf dem Flughafen Belgrad zwar gerade trocken, aber dunkle Wolken und kühler Wind wirken nicht gerade einladend für eine einmonatige Velotour. Aber nach den ersten 7 Kilometern in leichtem Regen und kräftigem Gegenwind finde ich mit meinem sehr rudimentären Serbisch-Wortschatz gleich am Rande von Surčin ein unscheinbares Motel mit Zimmer für 25 Euro.
Den langen Abend nutze ich zu einem Aisflug per Bus in das aus der letzten Reise schon vertraute Belgrad. Mit einem der sehr häufigen Busse und danach einem Tram komme ich so für 42 Dinar (ca. 60 Rappen ) nach 10 km zum Hauptbahnhof der Hauptstadt. Leider ist es aber diesmal kühl und windig, und so beschließe ich den Rundgang statt in einem der vielen Strassenrestaurants eben in einem gemütlichen Restaurant an der Kneza Mihaila und kehre nach 22 Uhr mit einem Bus zum Hotel zurück. Meine Haltestelle finde ich nur dank Hilfe von freundlichen Mitfahrern, denn die Beschriftungen der Haltestellen sind nachts nirgends zu lesen.
1. September (Mi) Surčin – Šabac
87,4 km (mit Umwegen!) / Fahrzeit: 5.6 Std / Höhenmeter: weitgehend flach !
Die erste Etappe beginnt tatsächlich kalt und mit Regen auf der Hauptstrasse Belgrad – Sremska Mitrovica westwärts. Im starken Verkehr werde ich von den Lastwagen ständig wieder geduscht, aber nach den ersten 10 km wird es langsam ruhiger, und dazu zeigen sich am Himmel erste blaue Flecken. Nur der Wind bläst mir weiterhin kräftig ins Gesicht. [img:right]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540450955835180290[/img] Schliesslich kann ich auch die Hauptstrasse verlassen und auf einer wenig befahrenen Landstrasse durch ausgedehnte Felder zur Save fahren. Zwischen den Bäumen gibt es immer mal wieder einen kurzen Blick auf die verbliebenen Altläufe des Flusses, dessen nördliche Uferbereiche ein grosses Naturschutzgebiet bilden. Ab Obrež ist die „Strasse“ (gemäss Karte) eine sich durch dichtes Gebüsch windendes Strässchen von maximal 3 Metern Breite, auf dessen überwiegend belagsfreien Abschnitten ich slalomartig, aber nicht immer erfolgreich um die teils recht tiefen Wasserlachen kurve und dabei immer wieder Heere von winzigen Fröschen aufscheuche, die bisher hier ihren Frieden hatten. Nur kurz ein Betonweg mit hochbeladenen Mais-Anhängern, dann wieder einsame Pfade. Die in der Karte aufgeführte direkte Verbindung ab Grabovci zur Save-Brücke vor Šabac existiert nicht! Also geht es halt zuerst nach Nordwesten bis zur Hauptstrasse bei Platicevo. Die sehr stark befahrene Hauptstrasse kann ich glücklicherweise in Klenak wieder verlassen und so die breite Save über die Eisenbahnbrücke queren. Im Stadtzentrum mit seinen teilweise schön restaurierten Häusern aus dem frühen 20. Jh. finde ich in einer ruhigen Seitenstrasse auch bald ein Hotel; zwar nur ein Doppelzimmer und mit ca. 70 Franken nicht billig, aber da es schon bald dunkelt, bin ich nicht wählerisch. Die Wetteraussichten sind recht gut, und morgen geht’s aus der Save-Ebene in das hügelige Tal der Drina.
2. September (Do) Šabac – Mali Zvornik
96.2 km / Fahrzeit: 5.3 Std / Höhenmeter: ca. 80 m
Der Himmel ist wolkenlos, aber auf der Strasse weiter westwärts bin ich wieder im kräftigen Gegenwind. Zum ersten Mal geht es leicht auf- und abwärts, und allmählich werden die bewaldeten Hügel des Drina-Gebietes deutlicher erkennbar. Der Verkehr ist eher mässig, und der Belagsrand ausserhalb der Fahrbahnmarkierung ist ideal für das Fahrrad. Es hat nur wenige, langgezogene Dörfer, dazwischen Wiesen und Felder mit Mais, Tabak und [img:right]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540451024010202914[/img] Obst Kurz nach Loznica stosse ich zum ersten Mal auf die Drina; die Abfallhaufen zwischen den Uferbäumen dämpfen allerdings die Vorfreude auf die nächsten rund 100 km, welche ich diesem berühmten Fluss nun folgen sollte. Glücklicherweise häufen sich aber bald die Ausblicke auf eine naturnahe Flusslandschaft mit Auenwäldern.
Der heutige Etappenort Mali Zvornik steht dann aber wieder in krassem Gegensatz dazu: verlot-terte und vielfach leerstehende Industrieanlagen, düstere Häuser, wenig einladende Kaffees. Nach kurzer Irrfahrt finde ich beim einzigen offiziellen Grenzübergang nach Bosnien auch das einzige Hotel des Ortes. Im Magazin des Tankstellenshops kann ich denn auch mein Velo über Nacht einschliessen und am Buffet in Ruhe ein Karađorđeva mit Shopska Salat essen.
3. September (Fr) Mali Zvornik – Bajina Bašta
98.7 km / Fahrzeit: 5.6 Std / Tagesaufstiege: ca. 640 m
Die Stadt Zvornik am bosnischen Ufer der Drina mit ihren neueren Hochhäusern wirkt viel freundlicher als ihre kleine, heruntergekommene Schwester auf der serbischen Seite. Offenbar bietet Zvornik auch viele Arbeitsmöglichkeiten, denn an der alten Eisenbrücke herrscht dichter Fussgängerverkehr, aber wie an allen Grenzübergängen auch absolutes [img]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540451082752110818[/img] Photographierverbot. Dem serbischen Ufer entlang geht es zunächst steil hinauf zum Damm, der hier die Drina auf 25 km Länge staut. Im Morgenlicht mit letzten Nebelschwaden eröffnet sich eine wunderbare Aussicht über den See mit dem Dorf Divić und seiner Moschee.
Im Gegensatz zum starken Verkehr Richtung Sarajevo auf dem Gegenufer bin ich hier auf der Strasse fast immer allein und kann die Fahrt in aller Ruhe geniessen. Enge Abschnitte mit steilen Waldhängen wechseln ab mit breiteren Talebenen mit Mais, Tabak, Beeren, Klee und schöneren Häusern. Kurz vor 17 Uhr taucht neben der Strasse auch das Wahrzeichen von Bajina Bašta auf: die alte Kontrollstelle der Drina, ein Holzhaus auf einem Felsen mitten im Fluss. Im Stadtzentrum finde ich im Hotel „Drina“ ein günstiges und gutes Zimmer (1‘900 Dinar, ca. 26 Fr.). Das Nachtessen am Drina-Ufer beschränkt sich angesichts meines Magenproblems auf eine Omelette mit Käse. Dafür kann ich die herrliche Aussicht auf den nächtlichen Fluss im Mondschein geniessen. [img]
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4. September (Sa) Bajina Bašta - Višegrad
69.4 km / Fahrzeit: 4.7 Std / Tagesaufstiege: ca. 1‘150 m
Heute kommt die erste Bergetappe. Aus der Stadt heraus geht es gleich steil aufwärts durch den Tara Nationalpark, aus dichtem Morgennebel in einen wolkenlosen Himmel. Trotz nur 20 Grad treiben mir die 800 Höhenmeter mit 16 kg Gepäck und 15 kg Velo allen Schweiss aus den Poren. Auf 1070 m.ü.M. ist nach 16 km die Passhöhe erreicht: Nadelwälder, offene Weiden, einige Ferienhäuser. Und dann folgt mit einer fast 9 km lange kurvenreiche Abfahrt durch Tannenwälder bis zur Verbindungsstrasse Užice-Višegrad der erste grosse Genuss. Ab Kremna geht es dann wieder sanft ansteigend auf breiter Strasse Richtung Sargan-Pass hoch. Statt des Tunnels wähle ich die alte Strasse üben den 950 Meter hohen Pass. Die jetzt praktisch verkehrsfreie Strasse ist zwar gut, aber immer wieder durch Schutt aus Steinschlägen bedeckt, so dass die Abfahrt bis nach dem Tunnel grösste Konzentration erfordert. Auf der Hauptstrasse dann aber kann man so richtig bis Mokra Gora hinunter sausen lassen. Die noch unter Österreich-Ungarn erstellten „Bosnische Ostbahn“ verband seinerzeit Sarajevo mit Užice, wurde aber 1980 eingestellt. Seit gut 10 Jahren wird sie aber als sehr attraktive Museumsbahn touristisch wieder mit altem Rollmaterial betrieben und soll bald auch wieder bis Višegrad verkehren.
Die Grenzstation zu Bosnien-Herzegowina (BiH) taucht wenige Kilometer unterhalb Mokra Gora in der engen Rzav-Schlucht auf.Die Spuren des Bosnienkrieges verfolgen ab hier bis Sarajevo. Neben wenigen neueren Häusern fallen in jedem Dorf noch die rauchgeschwärzten Hausruinen auf, die düstere Zeugen der ursprünglich starken muslimischen Bevölkerungsgruppe sind.
Um halb fünf erreiche ich schliesslich Višegrad. Die Drina hat hier nur sehr wenig [img:right]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540451703490999586[/img] Wasser, was den recht trostlosen Eindruck noch verstärkt. Viele Häuser sind baufällig, auch wenn noch überall TV-Schüsseln zeigen, dass sie bewohnt sind. Die berühmte osmanische Brücke, welche dem Roman des Nobelpreisträgers Ivo Andric den Namen gab, ist wirklich die einzige Sehenswürdigkeit dieser einst bedeutenden Stadt. Vom einzigen Hotel der Stadt gleich neben der Brücke habe ich auch am Abend eine wunderbare Aussicht auf dieses beleuchtete kulturgeschichtliche Baudenkmal, während auf der Strassenseite der Lärm von Discomusik und heulenden Töffs die Nacht beherrscht. Die Weiterfahrt morgen wird mir leichtfallen...
5. September (So) Višegrad - Sarajevo
107.5 km / Fahrzeit: 6.6 Std / Tagesaufstiege: ca. 580 m
Entlang der gestauten Drina geht es auf einer grossartigen Hauptstrasse mit zahlreichen Tunnels und Brücken wieder flussaufwärts. Ab Ustiprača steigt die Strasse erstmals wieder an, die über die Romanija nach Sarajevo führt. Ich wähle 9 km weiter jedoch eine kleine Nebenstrasse, die weiterhin dem Flüsschen Prača folgt. Eine Tafel warnt gleich zu Beginn vor dem 20 km langen Abschnitt Mesići- Hrenovica. Die nächsten 20 km sind aber die schönsten der bisherigen Tour: das Trassee der einstigen Ostbosnien-Bahn folgt als nun knapp 3 m breite Schotterstrasse mit etwa 40 Tunnels dem wilden Flüsschen. Alle Tunnels haben natürlich kein Licht, der längste misst etwa 650 Meter; und natürlich sind die Tunnels nie gerade, so dass man nur bei kurzen Tunnels überhaupt den Ausgang sehen kann und sich den Weg den Tunnelwänden entlang trotz LED-Lampe richtig ertasten muss. Unterwegs treffe ich ein einziges Auto (Fischer) an. Wie sich in Hrenovica das Tal weitet und ich wieder Asphaltstrassen antreffe, bedaure ich fast, dass dieser wunderbare [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540451820967883218[/img] Abschnitt schon zu Ende ist. Das alte Bahntrasse ist abseits der Strasse immer mal wieder sichtbar. Der Scheiteltunnel am Vite-Pass dient bis zur Fertigstellung eines neuen Strassentunnels denn auch wieder als mit Lichtsignal geregelte Hauptstrasse. Mit freundlicher Hilfe eines Autofahrers, der mir den Weg durch den unbeleuchteten Tunnel weist, schaffe ich die 2 km lange „Nacht“-Streckedoch im dritten Anlauf doch noch.Die lange Abfahrt nach Pale hinunter gibt Gelegenheit zum Verschnaufen. Die Tunnels verfolgen mich schliesslich noch bis Sarajevo, nun aber glücklicherweise meistens beleuchtet. Insgesamt komme ich an diesem Tag wohl auf knapp 100 Tunnelfahrten! Im dichten Verkehr erreiche ich gegen 18 Uhr schliesslich Sarajevo und finde nach kurzem Fragen auch gleich in der Altstadt (Baščaršija) das Hotel Oasiz. Heute ist auch gerade der 27. Tag des Ramadan, einem der wichtigsten Tage im Fastenmonat. Ich geniesse den Abendspaziergang durch die festlich geschmückte Stadt mit Menschenmengen auf den Strassen bis spät in die Nacht hinein.
6. September (Mo) Sarajevo
Stadtbesichtigungen einmal zu Fuss !
Sarajevo ist heute eine pulsierende Stadt mit unglaublichem Charme durch den Mix von Orient und Okzident. Das kühle Wetter mit kurzen Regenschauern stört mich deshalb keineswegs. Nach einer Besichtigungstour mit einem bosnischen Freund nutze ich den Nachmittag zum Besuch einzelner Sehenswürdigkeiten. Besonders eindrücklich:
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https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540451968781238370[/img] - das Alja Izetbegovic- Museum mit ausführlicher Dokumentation des Bosnienkrieges und besonders auch der Belagerung von Sarajevo
- der grosse Friedhof mit ausschliesslich Opfern aus dieser Zeit
- die Ruine der Bibliothek, in welcher damals die grösste Büchersammlung Bosniens verbrannte
- die Markale (Markthalle) mit der Tafel zur Erinnerung an die Opfer des verheerenden Granat-Einschlages vom 27.Mai 1992
- die Synagoge, heute ein Museum zur vergangenen jüdischen Tradition in Sarajevo
- die alte orthodoxe Kathedrale aus dem 16. Jahrhundert
- das Museum zum Attentat auf Prinz Ferdinand von 1914
Den interessanten Touristentag beschließe ich mit einem letzten Rundgang durch die Baščaršija und einem kleinen Nachtessen und freue mich auf die wieder besseren Wetteraussichten.
7. September (Di) Sarajevo - Mostar
135.2 km / Fahrzeit: 6.7 Std / Tagesaufstiege: ca. 1‘120 m
Nach dem teilweise regnerischen Montag strahlt am Dienstag wieder die Sonne, und ich starte nach einem letzten Spaziergang durch die Baščaršija gegen 10 Uhr in dichtem Verkehr auf mehrspuriger Strasse durch die neueren Stadtviertel Richtung Westen. Vor Ilidža verunsichern die Wegweiser den Radfahrer, denn Richtung Mostar scheint man auf eine Autobahn zu gelangen. Nach weiteren 5 km wird die „Autobahn“ dann doch zu einer 2-spurigen Hauptstrasse mit immer weniger Verkehr. Am markanten, im Bosnienkrieg heftig umkämpften Berg Igman vorbei steigt die Strasse allmählich aus der Ebene von Sarajevo gegen den Ivan-Pass, der Wasserscheide zwischen Schwarzem Meer und Adria. Zum Glück gibt es kurz vor dem Scheiteltunnel eine Baustelle mit Lichtsignal. So kann ich beim Tunneleingang eine Rotphase abwarten, um dann den unbeleuchteten 650 Meter langen Tunnel nur nur wenig Gegenverkehr passieren zu können.
Nach kurzer Mittagspause folgt eine fast 30 km lange Abfahrt von 830 m.ü.M in das Tal der Neretva hinunter zur Stadt Konjic auf ca. 250 m.ü.M. Vom trotz Spätsommer kühlen Sarajevo wechselt man so in das milde, tagsüber sogar heisse Mittelmeerklima. Im vorgesehenen Über-nachtungsort Jablanica hält mich ausser dem vorgesehenen Hotel nichts zum Bleiben, also ziele ich nach einer kurzen Stärkung um 16 Uhr 50 trotz vorgerückter Zeit gleich das gut 45 km entfernte Mostar an. Der heftige, warme Gegenwind macht die Fahrt zu einem ziemlichen Wettlauf gegen die nahende Dämmerung, aber trotzdem kann ich die landschaftliche Schönheit der engen Neretva-Schlucht geniessen. Gefährlich ist wieder einmal vor allem der Gegenverkehr: in Kolonnen wird an den unmöglichsten Orten überholt, und ein Radfahrer auf der Gegenrichtung wird dabei kaum zur Kenntnis genommen. Erst nach 35 km ohne ein Haus taucht dann kurz vor 7 Uhr doch wieder ein Dorf auf und das Tal [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540452462253892018[/img] weitet sich. Gerade mit der einbrechenden Dunkelheit komme ich im Zentrum von Mostar mit der berühmten (nach dem Bosnienkrieg wieder aufgebauten) Brücke an. Mit freundlicher Hilfe im islamischen Informationszentrum neben der Brücke finde ich schliesslich auch das in einem Reiseführer empfohlene Musilbegovic- Haus, einen alten, traditionellen bosnischen Familiensitz, der gleichzeitig Museum und Hotel ist. Das traditionelle Haus ist schlicht grossartig und wohl das schönste Hotel in Mostar: Grosses Zimmer, alles in Holz, mit Teppichen ausgeschlagen, riesiges Himmelbett, .... da könnte man träumen... Nach den heutigen 135 km geniesse ich zunächst einfach die Dusche und anschliessend einen ruhigen Abendspaziergang durch diese Stadt mit ihren vielen Moscheen, Kirchen und engen Gässchen mit Handwerksbuden.
8. September (Mi) Besichtigung Mostar und Ausflug nach Blagaj
27.0 km / Fahrzeit: 1.3 Std / Tagesaufstiege: ca. 50 m
Neben ausgedehnten Spaziergängen durch Mostar nutze ich den Tag für einen Abstecher in das etwa 12 km entfernte Blagaj mit seinem Derwisch-Kloster. [img:right]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540452273589316722[/img] Das Kloster liegt hinter dem Dorf am Fuss einer gut 500 Meter hohen fast senkrechten Felswand direkt am Ufer der Buna, die hier als eine der grössten Karstquellen mit 43 m3/sec direkt aus dem Berg tritt. Mit der eindrücklichen Umgebung ist es heute ein Ort der totalen Ruhe und Erholung. Im Sommer dürfte allerdings der Strom von Besuchern der benachbarten Restaurants am Buna-Ufer diese Ruhe erheblich stören. Ebenfalls sehenswert: das Velagic-House, : eine sehr gut erhaltene Residenz am Buna-Ufer mit historisch möbliertem Wohnhaus, verwinkelten Nebengebäuden, einem Gästehaus auf einer idyllischen Flussinsel.
9. September (Do) Mostar – Neum
83.1 km / Fahrzeit: 4.6 Std / Tagesaufstiege: ca. 170 m
Heute ist Bayram, das Ende des Ramadan und damit einer der grössten Festtage. Zum ersten Mal weckt mich der Ruf des Muezzins um 05.30 Uhr. Um 9 Uhr geht es wieder aufs Velo. Ab Mostar bin ich nun definitiv im Mittelmeerklima gelandet. Dies zeigt sich schon an den Verkaufsständen entlang der Strasse: Verkauften die Kleinbauern bis Jablanica an ihren improvisierten Ständen Honig, Beeren, Tomaten und etwas Pflaumen, sind es nun vorwiegend Trauben, Feigen und Melonen.
Nach Buna zwängt sich die Neretva nochmals durch eine Bergkette. Bevor sich vor Ćapljina wieder eine weite Ebene öffnet, ist am Westufer noch die mittelalterliche Stadt Pociteli mit ihren nach dem Bosnienkrieg schön restaurierten Häusern zu besichtigen. Immer häufiger wehen nun am Strassenrand schon kroatische Fahnen. :Ab Ćapljina wähle ich statt der Hauptstrasse bis zur Grenze die kleine Nebenstrasse auf der westlichen Talseite. Diese erweist sich allerdings als eher gefährlicher: Viele Schlaglöcher, Kurven und an Radfahrerungewohnte Automobilisten fordern höchste Konzentration! Kurz vor der Grenze stosse ich wieder auf die Hauptstrasse. Die kroatische Stadt Opuzen mit ihrem schlanken Kirchturm sieht aus der Ferne schon wie eine der bekannten kroatischen Küstenstädte aus den Ferienprospekten aus. Ab hier geht es auf der Küstenhauptstrasse („Magistrale“) aus der Flussebene nochmals über einen Pass und dann definitiv an die Adriaküste. Ich fahre noch bis Neum und übernachte somit schon wieder in Bosnien- Herzegowina. Dieser schmale Küstenstreifen bringt es auf seiner Hauptstrasse mit allen Windungen gerade mal auf knapp 9 km und wird von kroatischen und anderen Touristen auf der Durchreise vor allem wegen den günstigen Preisen als Einkaufsparadies genutzt.
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10. September (Fr) Neum - Dubrovnik
71.2 km / Fahrzeit: 3.7 Std / Tagesaufstiege: ca. 690 m
Seit dem kurzen Pass vom Vortag folge ich nun bis Dubrovnik der Küste, nach Plan heute noch gemütliche 70 km. So gemütlich wie erwartet wird es allerdings nicht, denn an der steilen Küste geht es ständig auf und ab. Zudem hat es auf der „Magistrale“ viel Verkehr, vor allem Cars, Wohn-mobile und PW’s mit Wohnwagen. Aber trotz Verkehr und anstrengenden Aufstiegen kann ich mich immer wieder über die Aussicht freuen und rund 30 km vor meinem Tagesziel an einer Bucht mit Kiesstrand auch eine längere Pause mit einem ersten Bad im glasklaren Wasser einschalten.. Über die moderne Tudjman- Brücke und einem letzten Aufstieg komme ich kurz nach 3 Uhr schweissnass über der Stadt Dubrovnik an und zwänge mich durch stockende Kolonnen in die Stadt hinunter. Das mir von einem deutschen Paar in Mostar empfohlene Frauenkloster mit einem Zimmer für 150 Kuna (ca. 27 Franken) [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540452747699792002[/img] pro Nacht. finde ich tatsächlich direkt gegenüber dem imposanten Hotel Hilton-Imperial. Bei dieser Lage muss ich zusagen, auch wenn mein Zimmer leider nicht auf den ruhigen Klosterhof, sondern zur lärmeigen Strasse hinaus liegt. Dubrovnik überquillt von Touristen!! Eigentlich eine wunderbare Stadt voll historischen Bauten, vollständig eingefasst mit wuchtigen Stadtmauern von gut 2 km Länge, der Zugang von der Landseite nur durch 3 monumentale Tore, ..... aber in dem Touristengedränge findet man kaum ein Durchkommen! Ich geniesse zunächst einmal ein grosses und langes Bier am Hafen und behalte mir die Besichtigungen für Samstag vor.
11 September (Sa) Besichtigungstag Dubrovnik
(mein Aarios hat Ruhetag vor den kommenden Bergetappen!)
Bereits um 8 Uhr morgens laden die Reisebusse wieder Heerscharen von Touristen vor dem mächtigen Stadttor aus. Ich löse bei der Tourist Info gleich ein Billet für den einstündigen „City walk“ und erlebe so in einer kleinen Gruppe einen interessanten Spaziergang durch die Altstadt mit vielen Hintergrundinformationen. Mit der „Dubrovnik Card“ habe ich anschliessend auch Zu-gang zu diversen Museen sowie zum Rundgang auf der mächtigen Stadtmauer. Von hier oben bieten sich ständig wechselnde Ausblicke über stille Wohnquartiere, enge Gassen mit kleinen Geschäften, die grossen Plätze mit Kirchen und Palästen sowie über den Hafen mit mächtigen Kreuzfahrtschiffen und die Insel Lokrum.
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https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540452939154016786[/img] Weitere Besichtigungen unter anderem
Die im 15.Jh. vom Neapolitaner Onofrio della Cava erstellte Wasserversorgung die Stadt mit dem Onofrio Brunnen beim Pile –Tor
Das Ethnographische Museum mit der Plakatausstellung, welche den kroatischen Nationalismus der Ustascha und den Kampf von Titos Kommunisten zwischen 1935 und 1955 dokumentiert.
Die Dokumentation zum Krieg mit der 9-monatigenBelagerung und dem Beschuss der Stadt 1991-92.
Ein Schwarzes Risotto mit einem halben Liter guten Rotwein beschliesst in einem engen Gäss-chen den langen Sightseeing-Tag. Laut Internet sind die Wetteraussichten für die kommenden Tage wieder sehr gut, so dass ich mich doppelt auf die wieder ruhigeren Tage in Montenegro freuen kann.
12. September (So) Dubrovnik - Nikšić
104.3 km / Fahrzeit: 6.9 Std / Tagesaufstiege: ca. 1‘210 m
Trotz Start um 9 Uhr komme ich in der strahlenden Morgensonne schon beim Aufstieg zur „Ma-gistrale“ hinauf wieder ins Schwitzen. Ich bin froh, nach einigen Kilometern auch den dichten Ver-kehr verlassen und fast ohne Verkehr auf sehr guter Strasse durch fast baumlose Hügel über Brgat Richtung bosnischer Grenze aufsteigen zu können. 11 km nach dem Start kommt der kroatische, 500 Meter weiter der bosnische Grenzposten, und bei km 14 erreiche ich schliesslich auf 400 m.ü.M. den höchsten Punkt der Bergkette. Durch eine einsame Karstlandschaft windet sich die Strasse mit kurzen Gegensteigungen allmählich in das fruchtbare Popovo Polje mit seinen ausgedehnten Rebkulturen hinab bis Trebinje. [img:right]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540453114476350354[/img] Nach einem kurzen Rundgang und einem kräftigen „domača kafa“ (der türkische Kaffee hat sich über alle ethnischen Konflikte in ganz Südosteuropa gehalten!) decke ich mich in einem grossen Kaufhaus mit Proviant ein. Auf der Weiterfahrt entlang dem gestauten Fluss regnet es immer mal wieder; man weiss nie, ob man besser mit Regenjacke und –hose schwitzen oder leicht durchnässt frieren soll. 15 km weiter ist es aber definitiv Schluss mit frieren: in weiten Kurven geht es von 300 m.ü.M. aufwärts, und dazu scheint immer kräftiger die Sonne. 12 km weiter kündigt eine grosse Tafel mit EU-Flagge den Grenzposten an, und nach einem Kilometer zeigt sich die EU in ihrer ganzen Pracht: von der bisherigen zweispurigen Strasse wird man auf eine kleine Ebene hoch geführt, wo eine gigantische mehrspurige Zollstation mit riesigem Lastwagenparkplatz auf Kunden wartet. Heute ist weit und breit kein Fahrzeug in Sicht, mein Pass bringt den Grenzbeamten wenigstens eine kleine Abwechslung. Wieder auf der ursprünglichen Strasse folgt 500 m weiter der montenegrinische Grenzposten mit grossen Willkommenstafeln. [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540453181190087634[/img] Es dämmert bereits bei der Einfahrt in die zweitgrösste Stadt von Montenegro. Ich habe zwar einen Hotelnamen notiert, aber keine Ahnung, wo das sein könnte, und ein Stadtplan ist auch nirgends zu sehen. Also mit den paar Worten serbisch einfach fragen! Und einmal mehr erlebe ich die Freundlichkeit dieser Men-schen. Der Mann erklärt mir nicht nur den Weg, sondern führt mich auch gleich noch zum Hotel und erklärt, wo ich anschliessend ein Restaurant finden kann. Das Hotel „Sindčel“ ist gut, ruhig gelegen und doch fast im Zentrum. Zwar muss ich ein Doppelzimmer (45 Euro) nehmen, aber es ist gut eingerichtet und vor den nächsten strengeren Etappen schätze ich vor allem gute Dusch- und Waschgelegenheiten. Eigenartigerweise hat ja Montenegro den Euro als Währung, ohne selber dabei zu sein. Die bekannten Auswirkungen bez. Preisen hat es dennoch: es ist deutlich teurer als die übrigen Balkanländer, aber für Schweizer Verhältnisse eben doch noch billig (ein solides Nachtessen 10 – 12 Euro, Espresso 60 Cent, ...)
13. September (Mo) Nikšić - Plužine
70.8 km / Fahrzeit: 4.6 Std / Tagesaufstiege: ca. 770 m
Nach 10 Tagen und bald 900 km braucht mein Aarios mal eine gründliche Reinigung. Zur Beloh-nung fährt es nun zum Start wie von selbst. Knappe 8 km nach der Stadt beginnen die Stei-gungen, aus der Zeta-Ebene zunächst auf die rund 300 Meter höher liegende Ebene von Jase-novo Polje und dann zum Javorak-Pass (1234 m.ü.M.) hinauf. Hier gleicht die Landschaft immer mehr Bildern aus Kanada oder den Rocky Mountains. [img:right]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540453346969322306[/img] Auf der sehr guten Strasse gibt es kaum Verkehr. Touristisch wird die Gegend vor allem für Wanderungen und Canyoning in der nahe gelegenen Komarnica-Schlucht genutzt. Nach 20 km mit leichtem Auf und Ab folgt erstmals wieder ein steiler Aufstieg und die Abzweigung zum berühmten Piva – Kloster aus dem 16. Jh. , das in den 70-er Jahren wegen dem Piva - Stausee Stein um Stein abgebaut und hier an neuem Standort mit allen farbigen Fresken wieder aufgebaut wurde. Noch ein letzter steiler Aufstieg, und dann kann ich 300 Meter tief in die Schlucht der gestauten Piva nach Plužine mit dem günstigen Hotel „Piva“ hinunter sausen. Hier auf 830 m.ü.M. ist es abends schon recht kühl, und der nächste Winter kündigt sich in Form von gewaltigen Holzstössen, die überall neben den Wohnblocks im Entstehen sind, auch schon an. Bis weit in den Abend kreischen die Motorsägen zwischen den Häusern, aber nach 22 Uhr ist der Ort wie ausgestorben.
14. September (Di) Plužine - Žablijak
61.5 km / Fahrzeit: 5.5 Std / Tagesaufstiege: ca. 1‘550 m
Ich will die morgendliche Kühle nutzen, um den Aufstieg nach Trsa vor der Hitze zu schaffen und starte deshalb bereits vor halb 8 Uhr. Bis zur Brücke über den schmalen Stausee hinunter ist es bitter kalt, aber schon die ersten 100 Meter auf der steilen Strasse Richtung Trsa wärmen mich total auf: 400 m aufwärts, immer zwischen 9 und 12 %, die Strasse knapp 3 Meter breit, gegen 10 Tunnels, meist in den Kehren. [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540453627372527794[/img] Und nach jeder Strassenkehre wird der Tiefblick auf die gestaute Piva imposanter. Schliesslich mündet die Strasse in ein schmales Tal und erreicht schliesslich 800 über dem Stausee die östliche Piva - Hochebene mit der Siedlung Trsa. Auf kurviger Strasse geht es durch eine sanfte Hügellandschaft Richtung Durmitor weiter. Die grenzenlos scheinende Weite verstärkt den Eindruck von Einsamkeit, und von den tiefen Schluchten nebenan hat man keine Ahnung mehr. Die Berge erinnern mit ihren steilen Grasflanken und bizarren Kalkgesteinsfalten an das Säntis-Massiv und die Kreuzberge in der Ostschweiz. Besonders am Prutaš zeigt sich eindrücklich diese Faltung des Durmitor - Gebirges. Zuerst ist auf 1'870 m.ü.M. der Prijespa – Pass und nach einer ersten Abfahrt der höchste Pass [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540453853570147026[/img] Montenegros, der „Dobri Do“, bzw. Sedlo - Pass auf 1'906 m.ü.M. zu überwinden. Als Belohnung folgt eine lange und rasante Talfahrt in die Ebene von Žablijak hinab. Seit dem Start in Plužine habe ich keine 20 Autos angetroffen, aber hier bin ich nun wieder zwischen Cars, Off-Rohadern und Wohnmobilen mit Touristen. Nach Bezug einer [img:right]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540454026569816770[/img] Privatunterkunft für 12 Euro fast im Zentrum benutze ich den Rest des Tages für einen Ausflug zum Crno Jezero. Der See mitten in Nadelwäldern zwischen felsigen Gipfeln ist ein wahres Bijou, dessen Umwanderung sich sehr lohnt. Eine willkommene Abwechslung zu Žablijak, wo die planlose Bauwut sich ständig weiter in die Natur frisst!
15. September (Mi) Žablijak - Kolašin
97.9 km / Fahrzeit: 5.6 Std / Tagesaufstiege: ca. 650 m
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Nach einer Fahrt durch die parkähnliche Hochebene geht es auf passähnlicher Strasse in die dicht bewaldete Tara - Schlucht mit der berühmten Tara-Brücke hinab. Mit ihrer eleganten Kurve ist das schlanke Bauwerk aus dem Jahre 1940 auch heute noch eine touristische Attraktion. Von ihrer Mitte aus kann man 170 Meter tiefer deren Schatten über der glasklaren Tara sehen. Der Verkehrsknotenpunkt mit Brücke und Rafting zieht auch viele Velo-Touristen an: an den Kiosks decken sich verschiedene Gruppen vor allem aus Ländern Osteuropas mit Proviant und Souvenirs ein. Aber auf der Strasse durch die Schlucht in Richtung Mojkovac bin ich sofort wieder ganz allein unterwegs. [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540454368741415986[/img] Die 30 km entlang der Tara mit ständigen Blicken in das blaugrüne Wasser zwischen Felsen und steilen Waldhängen mit bis zu 400 Jahre alten Schwarzföhren gehört zum schönsten der Reise. Mojkovac ist kein lohnender Etappenort und so fahre ich gleich noch bis Kolasin weiter. Mit Hilfe einer freundlichen Angestellten im eigentlich schon geschlossenen Tourismusbüro finde ich für 15 Euro ein gemütliches Privatzimmer und auf Empfehlung des Vermieters auch noch eine gute Beiz mit traditionellem Essen.
16. September (Do) Kolašin – Rijeka Crnojevica
111.1 km / Fahrzeit: 6.2 Std / Tagesaufstiege: ca. 600 m
Kolašin ist ein wirklich schöner Ort, der sich anders als Žablijak mit mässigem Wachstum zum Wintersportzentrum entwickelt hat. Nachdem ich auf dem Tourismusbüro am Vorabend eine lokale Karte studieren konnte und mir der Vermieter betätigte, dass die Nebenstrasse [img:right]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540454661351051090[/img] ebenfalls befestigt sei, wähle ich an Stelle der Hauptstrasse über den weniger hohen Crkvine - Pass diese zwar etwas strengere, aber sicher ruhigere und schönere Variante über Veruša. Eine sehr lohnende Variante entlang der jungen Tara durch ein idyllisches Tal mit ab und zu einem kleinen Dorf. Nach einem Übergang auf 1245 m.ü.M. [img:left]
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beginnt eine der längsten und auch schönsten Abfahrten der Tour bis Bioće (90 m.ü.M.), wo mir bei 30° ein trockener Wind entgegen bläst. Noch knapp 15 km wieder auf der Hauptstrasse mit vielen Lastwagen, und dann ist Podgorica, die Hauptstadt Montenegros, erreicht. Sie hat nach den Zerstörungen im 2. Weltkrieg ausser einer hübschen Fussgängerzone, der modernen Millenium-Brücke und dem Regierungsgebäude kaum noch Sehenswürdigkeiten zu bieten, und deshalb fahre ich nach kurzer Besichtigungstour weiter Richtung Cetinje mit dem neuen Tages-ziel Rijeka Crnojevica. Es dämmert schon, als ich von der Hauptsrasse auf die kurvenreicher Panoramastrasse in das Tal der Crnojevica eintauchen kann. Fast wie aus Vogelsicht windet sich das Flüsschen tief unten silbrig glänzend um die vulkanähnlichen Bergkuppen dem in der Ferne knapp sichtbaren Shkoder - See zu. Mit Einbruch der Dunkelheit erreiche ich kurz nach 19 Uhr den kleinen Ort, der nach früherer Blütezeit heute recht heruntergekommen wirkt. Das im Lonely Planet empfohlene „Kuča Perjanik“, scheint geschlossen, aber über Handy kann ich doch den Eigentümer erreichen, der nach zehn Minuten mit dem Auto kommt und mich in der kleinen Gaststube im Erdgeschoss gleich mit einem Muster aus seiner reichen Grappa - Auswahl und einem Bier begrüsst. Vom geräumigen Zimmer im Obergeschoss aus sehe ich gleich auf die Hauptattraktion des Ortes hinaus, die alte osmanische Steinbrücke über den Fluss. In einer kleinen Wirtschaft weiter unten am Fluss wird mir zum Abschluss des Tages ein wunderbarerer gebratener Karpfen serviert, und den Rest des Abends verbringe ich wieder in der Kuča bei diversen Grappas und absurden Diskussionen mit Einheimischen über die jüngste Vergangenheit.
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17. September (Fr) Rijeka Crnojevica - Murići
46.4 km / Fahrzeit: 3.3 Std / Tagesaufstiege: ca. 820 m
Wie konnte ich bei meiner Reiseplanung auch nur übersehen, dass Montenegro selbst in Meeresnähe immer gebirgig ist! Über drei kleine Pässe erreiche ich gegen Mittag in Virpazar das Ufer des Shkoder - Sees. Nach einer 3-stündigen Rundfahrt mit einem flachen [img:left]
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https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540455297693897090[/img] Motorboot entlang dem Ufer und in die Morača- Mündung folgt wieder eine anstrengende Radetappe über die steilen Hänge des Rumija-Gebirges. Bereits nach dem ersten kleinen Dorf treffe ich kaum mehr ein Auto an und werde mit fast ununterbrochener Aussicht auf den Shkoder - See belohnt. Erst gegen 18 Uhr erreiche ich die Abzweigung nach Murići, und das bedeutete zum Schluss des Tages wieder eine steile Abfahrt auf holpriger Strasse durch ein Dorf mit Esel, Hühnern, Schafen, bis ich schliesslich am 250 Meter tiefer liegenden Seeufer das Restaurant mit kleinen Hütten zum Übernachten erreiche. Die kleinen Blockhütten (25 Euro inkl. Morgenessen) sind gut eingerichtet, jedes Zimmer mit einer Terrasse, auf der ich meine Wäsche trocknen und die schon wieder kreischenden Bremsklötze des Fahrrades abschleifen kann. Ich geniesse als einziger Gast die Ruhe auf der Restaurantterrasse mit Aussicht auf den friedlichen See mit den bekannten Klosterinseln bei gebratener Forelle mit einem feinen Vranac und dazu. Den Wiederaufstieg vom nächsten Tag will ich mir lieber noch nicht vorstellen!
18. September (Sa) Murići - Shkodër
60.9 km / Fahrzeit: 4.0 Std / Tagesaufstiege: ca. 780 m
Der Samstag beginnt mit einem Morgenbad, und dann geht es schon wieder steil aufwärts. Die Wäsche vom Vorabend hätte ich mir wohl sparen können, denn bis ich wieder auf der Strasse oben bin, ist mein Veloleibchen schon wieder schweissgetränkt. Die Landschaft ist jetzt recht abwechslungsreich: einmal fast kahle Berghänge, dann wieder Wäldchen, Gebüsch, Reben, Wiesen, Obstbäume. Die seltenen Ortstafeln sind zweisprachig, serbisch und Albanisch, denn die Bevölkerung ist hier bereits albanisch, was sich auch in den Moscheen äussert, deren schlanke Minarette blendend weiss leuchten. Ein letztes Mal geht es in einer langen Steigung hinauf bis zum Stegvaš, dem Übergang auf die Adriaseite der Rumija - Bergkette und Standort einer grossen Sendeanlage. [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540455469628730226[/img] Die grosse Tafel an der Strasse gibt fälschlicherweise eine Meereshöhe von 916 m.ü.M. an, aber mein Höhenmesser bestätigt die Messung in Google Earth von 473 m.ü.M. 450 m weiter östlich auf der Krete folgt die Grenze zu Albanien, aber in den Bergen gibt es keine Verbindung zum Nachbarland. Die Strasse führt in weitem Bogen in die Küstenebene nach Vladimir hinunter, wo es bereits wieder über 32° heiss ist. Auf der Hauptstrasse Budva-Bar folgt 7 km weiter der Grenzübergang Sukobin/Muriqan, eine von der EU erstellte gemeinschaftliche Grenzstation der beiden Länder. Der Übergang ist absolut formlos. Kurz vor Shkodër taucht das Wahrzeichen der Stadt auf, die gewaltige Rozafa - Festung auf dem Hügel, von dem aus die os-manischen Herrscher den Durchgang zur Stadt kontrollieren konnten. Die zweitgrösste Stadt Albaniens mit gut 120‘000 Einwohnern ist dank grosszügigen, geraden Strassen recht übersichtlich. Da aber nirgends ein Stadtplan hängt, muss ich mich doch wieder zum Hotel durchfragen. Glücklicherweise sprechen viele Leute hier italienisch, denn meine ein-geübten Albanisch-Sätze sitzen nach dem langen Gebrauch von serbisch noch zu wenig. [img:right]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540455649533016994[/img] Das Hotel Rozafa ist ein siebenstöckiger Kasten direkt am Zentralplatz. Eingang und Hotelhalle mit Empfang geben den Eindruck eines Grand-Hotels, aber schon ab dem 1. Stock fühlt man sich im grosszügigen Treppenhaus eher auf einer Baustelle. Doch die Zimmer sind glücklicherweise gut. Die Stadt hat einen kleinen Kern mit schön restaurierten alten Häusern und einer grossen Fussgängerzone, in anderen Stadteilen stossen osmanische Tradition und Beton-Neuzeit aber oft brutal aufeinander. Auch am späten Abend herrscht auf den grosszügige Strassen und Kreisel noch dichter Verkehr mit grossem Fahrrad-Anteil. Im Restaurant Tradita, einem Bau aus dem 17. Jh. mit grossem Innenhof lasse ich mir ein „echt albanisches“ Essen servieren: viele kleine Gänge mit eingelegten und gefüllten Peperoni, verschiedenen Gemüsen, verschiedenen Fleischhäppchen, scharfen Saucen, Reis..... , keine Ahnung, was es genau ist, aber auf jeden Fall ausgezeichnet, besonders auch mit dem guten Rotwein und natürlich einem kräftigen Kaffee und Raki zum Abschluss. [img]
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19. September (So) Shkodër- Koman (mit Abstecher Mes, total 18 km)
74,2 km / Fahrzeit: 5.0 Std / Tagesaufstiege: ca. 700 m
Der Sonntag beginnt gemütlich. Ich unternehme zuerst ohne Gepäck einen Abstecher nach Mes mit der berühmten Steinbrücke (Urë e Mesit) aus dem 18. Jh. Und Besuche auf der Rückfahrt in Rhetina noch den sonntäglichen Viehmarkt. [img]
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Um Mittag starte ich ab Shkodër mit der Weiterfahrt auf einer Asphaltstrassen der schlimmsten Art, ca. 80% Flickstellen und der Rest zusammengedrückt. Die weite Schotterebene des Flusses Drin wirkt unter dem inzwischen grauen Himmel trostlos. Bis Qyrsaç folgt doch noch ein guter Abschnitt, und dann beginnen schon die Berge. Während die wenigen Autos die direkte Strasse nach Pukë und Richtung Kosovo neben, steige ich auf der Nebenstrasse zum „Liqeni i Vaut të Dejës“ hinauf, [img:right]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540456027807755106[/img] der untersten Staustufe des Drin. 120 Meter über der Ebene eröffnet sich hier eine völlig andere Landschaft: ein zwischen bewaldeten Hügeln sich hinwindender See, darüber inzwischen auch wieder blauer Himmel. Die Strasse windet sich in ständigem Auf und Ab durch das anfänglich noch breite Tal, dazwischen geht es auch mal über einen kahlen Bergkamm bis zum nächsten Abschnitt des Sees. 35 km nach Seebeginn taucht Koman auf, einige verstreute Häuser, und dahinter der mächtige Damm der nächsten Staustufe, wo für die Weiterfahrt nur noch die Fähre hilft. Das Hotel „Vila Francese“ finde ich trotz seiner Grösse erst im zweiten Anlauf. Im riesigen Hotel bin ich auch wieder der einzige Gast. Von den etwa 30 verstreuten Häusern des Ortes sind mindestens 5 Bars und Kaffees. In einem Restaurant hinter der Brücke serviert man mir für rund 15 Franken eine riesige Portion Rindfleisch, gemischten Salat, warmes Fladenbrot, einen halben Liter guten Rotwein und ein Bier.
Nach dem Heimweg bricht ein gewaltiges Gewitter los und sorgt über Stunden für totalen Stromausfall . Für den interessanten morgigen Abschnitt vertraue ich aber auf die guten Wetteraussichten gemäss internet in Shkoder.
20. September (Mo) Koman – Hotel Alpina (in der Nähe von Dardhë)
44.8 km / Fahrzeit: 3.5 Std / Tagesaufstiege: ca. 1‘250 m
Die Fähre sollte um 9 oder 10 (je nach Auskunftsperson!) fahren, und so mache ich mich vor 8 Uhr auf, um die Landestelle am Staudamm oben rechtzeitig zu erreichen.
Mit viel Gehupe kommt um 9 Uhr ein kleiner Kahn von Fierzë an, zu welchem mich sofort ein Mann überreden will. Ich warte lieber die grosse Fähre ab, die schliesslich um 10 Uhr auftaucht. Für mich samt Velo kostet die gut 30 km lange Strecke auf 2 1/2-stündiger Fahrt 1‘000 Leke (12 Franken) und ist ein grossartiges Erlebnis. Zwischen steilen Felsen, die oft kaum 50 Meter Durchfahrt lassen, tauchen unerwartet wieder kleine Felder oder sogar eine Siedlung auf, die auch nur über das Wasser die Verbindung zur Aussenwelt hat. Ein norwegischer Fjord kann kaum eindrücklicher sein! Ausser Einheimischen, für welche die einmal täglich verkehrende Fähre Arbeit oder Einkauf ermöglicht, ist nur noch eine Wandergruppe des DAV auf dem Weg nach Valbona unterwegs. [img:left]
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Nach der genussreichen Fahrt zwischen steilen Felsen hindurch beginnt um halb zwei wieder der Ernst der albanischen Berge, zuerst in Form von 2 km auf und ab über Schotter und durch vom gestrigen Gewitter noch volle Wasserlöcher , dann auf der gut ausgebauten Hauptstrasse Bajram Curri – Tirana steil hinauf bis hoch über den Damm der 2. Staustufe. Gemäss der Albanien-Karte des österreichischen Verlages freytag&berndt sollte die ganze [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540456585303647826[/img] Etappe bis Kukës 73 km und etwa 1100 Höhenmeter betragen. Sollte..... In Wirklichkeit geht es aber ständig auf und ab und immer wieder in kleine Seitentäler hinein. Dank schönem Wetter kann ich aber doch noch immer die tolle Aussicht auf den See und die wechselnden Farben der Berghänge geniessen. Hier treffe ich erstmals auf Kinder, vor deren Aufdringlichkeit in Reiseführern gewarnt wird. Nach einer ersten sehr freundlichen Begegnung wollen mir einige Kilometer weiter wiederholt Mädchen in sehr aufdringlicher Art Trauben oder Nüsse anbieten, so dass ich mich schon aus Distanz zu rasanten Durchfahrten entscheiden muss.
Nachdem Kukës für heute schon abgeschrieben ist , taucht glücklicherweise in der Dämmerung nach 45 km und schon 1200 Höhenmetern in der Einsamkeit plötzlich das Hotel "Alpin" als willkommener Übernachtungsort auf Von österreichischen Töfffahrern erhalte ich hier auch eine unabhängige Bestätigung, dass die Karte wirklich schlecht ist und auf Strassenklassierung und Distanzangaben kein Verlass ist.
21. September (Di) Hotel Alpina - Kukës
85.3 km / Fahrzeit: 5.6 Std / Tagesaufstiege: ca. 1‘500 m
Um acht Uhr starte ich zum vermeintlich letzten Aufstieg. Zwar geht es nicht mehr in so tiefe Täler hinein wie am Vortag, aber doch ständig auf und ab. Nach einem ersten Übergang und kurzer Abfahrt stosse ich auf die Strasse Pukë – Kukës und erreiche auf dieser nach wenigen Kehren den „Qafa e Malit“ auf 950 m.ü.M. (nicht 1284 m. wie die Karte behauptet!). Aber aus der endlosen Abfahrt wird nichts; zwar geht es auf lange Strecken kurvenreich abwärts, aber jedesmal folgt auch wieder ein Aufstieg von 200 bis 400 Meter. Es wird also wohl wieder ein längerer Tag als vorgesehen, aber zum Glück ist das Wetter ja gut und die Aussicht traumhaft. Heute stosse ich zum ersten Mal in Albanien [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540456819904798802[/img] wieder auf Radtouristen, 2 Polen unterwegs von Albanien nach Polen. Offenbar sind neben Schweizern vor allem Polen, Tschechen, Ukrainer und Russen solche Spinner auf 2 Rädern. Obwohl in der Ferne bereits Kukës sichtbar wird, geht es trotz von weitem sanft scheinenden Hügeln noch mehrmals in versteckte Zwischentäler hinab und hinauf. Als Höhepunkt folgen noch 3 km über die Baustelle der Autobahn Richtung Kosovo, bis ich doch nach wiederum 73 km und 1300 Höhenmetern so gegen fünf Uhr nach einem kurzen letzten Aufstieg mit dem Sonnenuntergang in Kukës ankomme. Ich quartiere mich im teuren Hotel "Amerika" mit aussichtsreicher Dachterrasse ein um die Umgebung und vor allem den Start zur nächsten Etappe zu inspizieren. Der heutige Ort ist erst 1973 entstanden, nachdem die alte Stadt dem Stausee zum Opfer fiel. Sie hat auch den Ruf, eine der gefährlichsten Städte Albaniens zu sein. Entsprechend trostlos sieht es vor allem aus der Hotelterrasse aus: Morgen soll die happigste Etappe folgen: Kukës - Peshkopi, ca. 65 km Schotter auf und ab. Deswegen und wegen den ersten Kilometern durch Roma- Siedlungen will ich bereits um 06.20 (nach dem Frühstück) starten.
22. September (Mi) Kukës - Peshkopi
90.6 km / Fahrzeit: 8.1 Std / Tagesaufstiege: ca. 1‘600 m
Nach 6 km auf guter Strasse durch die Ebene von Kukës und der Umfahrung des Flugplatzes [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540456950019158322[/img] kommt in Nangë ein abrupter Wechsel. Die Strasse oder was einmal eine Strasse war besteht nur noch aus einer ständigen Abwechslung von Asphaltflicken, Löchern, Schotter und Wasserlachen und windet sich nach einer Bachquerung gleich steil in das verwinkelte Dorf Bicaj hinauf. Mehrmals muss ich fragen, wenn es nicht ersichtlich ist, ob bei einer Verzweigung die "Strasse" nach Peshkopi oder nur in den nächsten Steinbruch oder die Abfallgrube führt. Völlig unerwartet beginnt plötzlich wieder eine moderne, gut 5 Meter breite Strasse; es ist die Strasse, welche in der Höhe durch die Bergdörfer nach Peshkopi führt, aber ich will den alten Strassenverlauf dem Drin entlang erkunden und wähle die kaum 2,5 Meter breite Schotterspur, die hier abzweigt. Deren Verlauf ist so spektakulär, dass sich jeder Chrampf lohnt! Zunächst steilen Hängen entlang, dann in enge Seitentäler hinein, schliesslich in engen Kehren tief hinab in die enge Hauptschlucht, über Brücken, deren zum Teil fehlende Planken einfach mit 2 Längsspuren aus Brettern notdürftig [img]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540457150047859586[/img] überdeckt sind ( und auch schon wieder faulen), dann wieder auf den Resten einer alten zerdrückten Pflästerung steil hinauf in einen nächsten Abschnitt der Schlucht, und das über gut 30 Kilometer. Unterwegs total 2 Autos, einige Hirten, ein Reiter, viele Esel und Schafe, bei den abgelegenen 2 -3 Schulhäusern einige Schüler beim Spielen, und sonst nur wilde Natur und grossartige Aussichten in die Schlucht oder zu einsamen Siedlungen am Gegenhang, zu denen kaum ein fahrbarer Weg führen dürfte.... Jedenfalls ausgiebig Gründe, um immer wieder anzuhalten und Photos zu machen. Das Fahren auf dem Schotter und über die groben Steine erfordert aber immer volle Konzentration und viel Gefühl, denn vor allem auch in den Steigungen dreht bei zuviel Kraft das Hinterrad trotz grobem Profil und Gepäcklast durch. [img:left]
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Nach etwa 30 Kilometer wird das Tal etwas weiter, aber der Pfad keineswegs besser. Die aus dem Internet herunter geladenen russischen Militärkarten erweisen sich in diesem Abschnitt als sehr zuverlässig mit der präzisen Darstellung des Geländes mit Höhenkurven und einem Stras-senverlauf, der jede Kurve erkennen lässt. 77 km nach dem Start in Kukës treffe ich in Fushë-Muhurr erstmals wieder auf Asphalt und endlich die Brücke über den Drin. Bei hereinbrechender Dunkelheit komme ich schliesslich kurz nach 19 Uhr im wieder 350 Meter höher gelegenen Peshkopi an. Und wie überall hier in Albanien zu hilfreichen Leuten: der erste Passant, den ich anspreche, führt mich gleich persönlich zum gewählten Hotel. Und bei einem guten Essen kann ich diesen bisher härtesten Tag meiner ganzen bisherigen Veloreisen beschliessen: 90 km, davon über 70 auf Schotter und noch Schlimmerem, fast 1`600 Höhenmetern aufwärts und 1`250 abwärts und über 8 Stunden reine Fahrzeit. Aber die Eindrücke überschreiten eben auch alles Bisherige!
23. September (Do) Peshkopi - Ohrid
93.4 km / Fahrzeit: 5.5 Std / Tagesaufstiege: ca. 725 m
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https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540458061659462210[/img] Nach der gestrigen Hochleistung starte ich den heutigen Tag gemütlich mit einem Spaziergang durch Peshkopi. In der Fussgängerzone ist eine Stimmung wie an einem Sonntag-Nachmittag, Leute spazieren, plaudern, trinken Kaffee ... . Die hohe Arbeitslosigkeit scheint die Menschen nicht besonders zu belasten.
Gegen Mittag geht es wieder echt albanisch weiter: immer wieder steil auf und ab, und der ver-drückte Belag ist schlimmer als jede Schotterstrasse. Zur Krönung gibt's vor Maqellare noch 2 Ki-lometer Baustelle auf dem rohen Schotterbett der zukünftigen Schnellstrasse. Die Abzweigung zur Grenze ist nicht signalisiert, dafür komme erstmals wieder auf eine Strasse, welche diese Bezeichnung auch wirklich verdient: guter Belag ohne Löcher, Randmarkierungen und sogar Mittelstreifen, dazu flach, und ab der Grenze zu Mazedonien fühle ich mich schon fast im Paradies (s. oben). Nach dem Stausee von Debar wird das Tal des aus dem Ohrid - See kommenden Schwarzen Drin immer enger, aber mit [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540458237148738834[/img] Ausnahme einer zweiten Staustufe steigt die Strasse kaum an, und so kann ich erstmals über längere Strecken in den grössten Gängen pedalen. Da lohnt es sich sogar, die Reifen wieder etwas härter zu pumpen. Schliesslich öffnet sich das enge dicht bewaldete Tal in die weite Ebene von Struga und zum Ohrid-See mit vielen Dörfern und zunehmend ausufernder Bautätigkeit. Nach der Schnellstrasse ab Struga mit sehr starkem Lastwagenverkehr kann ich erst nach dem Flugplatz endlich wieder auf die dem See entlang führende ruhige Landstrasse wechseln und erreiche kurz nach halb sechs das Zentrum von Ohrid.. Ein Kellner am Alten Marktplatz empfiehlt mir als Unterkunft das nahe gelegene „Sore Neim“ neben der alten Moschee. Für 610 Denar (ca. 16 Franken) habe ich hier an der historischen Durchgangsstrasse "Coce Delcev" (heute ebenfalls Fussgängerzone) ein sehr gutes Zimmer mit Dusche und kleinem Balkon, und das Velo kann ich ebenfalls geschützt im ersten Stock unten deponieren.
Mazedonien ist phantastisch, für mich aus 3 Gründen:
1. Zum ersten Mal seit Kukës hat es Strassen. die diesen Namen verdienen und sogar ebenso gut sind wie daheim
2. Es geht nicht ständig noch in irgendein Seitental hinein, bevor man in Luftlinie 200 Meter weiter ist.
3. Es hat zwar auch rechte Berge, aber die Strassen folgen dem Haupttal ab albanischer Grenze mit kaum merklicher Steigung.
24. September (Fr) Ohrid - Pogradec
41.0 km / Fahrzeit: 2.6 Std / Tagesaufstiege: ca. 400 m
Bei einem kräftigen Espresso lasse ich mir vom Kellner die Stadt Ohrid und damit auch die historische und kulturelle Bedeutung der Mazedonier erklären und starte danach ausgeruht [img:right]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540458440876190946[/img] zum Stadtrundgang: die mächtige Samuil-Festung, von welcher man den ganzen See und die Stadt mit ihrer Umgebung besichtigen kann, die sehr schön restaurierte Sveti Kliment i Pantelejmon Kirche sowie die daneben liegenden Ausgrabungen, das noch aus griechischer Zeit stammende Amphitheater und ganz besonders die auf der kleineren Anhöhe über dem Oberen Tor liegende Muttergotteskirche. Viele der traditionellen Häuser am Hang zum See sind sehr schön restauriert und prägen mit ihren blendend weissen Fassaden und den auskragenden oberen Stockwerken das Stadtbild. Dazwischen stehen aber auch einzelne Häuser schon kurz vor dem Zerfall; der fehlende Verputz macht die traditionelle Flechtbauweise sichtbar. In der Nähe des Hafens und der Parkanlagen herrscht Touristenrummel mit Souvenirshops und Restaurants. Nach sechs-stündigem Spaziergang habe ich so ziemlich alles gesehen mach ich dem See entlang auf den Weg nach Süden.. Dem See entlang, nur etwa 30 km, flach, .... (alles gemäss Karte) --, aber schon nach wenigen Kilometern kommt es mir schon wieder echt albanisch vor, obwohl die Grenze noch mindestens 20 Kilometer entfernt ist: steil hinauf in die dicht bewaldeten Bergflanken, dazu Strassen voller Flicke, und schliesslich auch länger als gemäss Karte. Trotz fortgeschrittener Zeit leistete ich mir aber trotzdem vor der Grenze noch den Abstecher nach Svati Naum, dem wohl berühmtesten Kloster von Mazedonien mit entsprechend vielen Touristen: Kurz nach halb sieben bin ich wieder in Albanien und fahre in der Dämmerung durch die lange Uferpromenade vor Pogradec. Mein Hotel "Stella" liegt unmittelbar am Weg, so dass das lange Suchen heute entfällt. Zimmer und Essen sind sehr gut. Nur der inzwischen völlig bedeckte Himmel und der kräftige Wind schmälern etwas die gute Laune und scheinen die Wetterprognosen zu bestätigen!
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25. September (Sa) Pogradec - Korçe
48.9 km / Fahrzeit: 3.3 Std / Tagesaufstiege: ca. 445 m
Heute Morgen ist es soweit: leichter Regen, kräftiger Wind ... es ist nicht zu ändern. Also das Mor-genessen noch im Trockenen ausgiebig geniessen, dann alles Regenzeug bereit halten und hinaus ins Wetter. Einen kurzen Abstecher zur Uferpromenade und in die grosszügige Fussgängerzone von Pogradec, und dann geht es zwischen tiefen Wasserlachen und spritzenden Autos im dichten Marktverkehr nach einigen Umwegen auf der Hauptstrasse aus der grossen in Kurven steil hinauf. Der böige Gegenwind bläst bei einem kurzen Zwischenhalt sogar mein Velo um. Der zweite Teil der Strecke führt über eine leicht gewellte Ebene, und der Wind lässt glücklicherweise etwas nach. Da ich für die folgenden Etappen später auch wieder Maliq passieren sollte, mache ich gleich heute schon einen Abstecher in dieses Kaff hinein und komme um halb zwei im heutigen Etappenziel Korcë an. Mein "Hotel" ist ein alter Han (Unterkunft für Mensch und Tier) aus der osmanischen Zeit, mitten im Basar und deshalb im Gewühl kaum zu finden. Die Zimmer, oder besser Kammern, sind im oberen Stock um einen fünfeckigen Innenhof mit Brunnen (auch Teil des Basar mit entsprechendem Betrieb und Lärm!), haben ein einfaches Bett, einen wackligen Tisch und eine quietschende Türe, die man mit etwas Geschick sogar schliessen kann. Immerhin habe ich am Ende des Hofes neben den allgemeinen Toiletten (Loch) ein separates Dusch-WC, und sogar heisses Wasser ist vorhanden. All das für 400 Leke (knapp 5 Franken). Man muss eben alles auch ausprobieren.... [img:left]
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Danach habe ich reichlich Zeit für einen ausgiebigen Stadtrundgang im Regen. Die Tourist- Info ist natürlich trotz angeschriebener Öffnungszeit geschlossen, und so orientiere ich mich mal an den überall aufgestellten Infotafeln über die zahlreichen Sehenswürdigkeiten.
die Mirahor - Moschee, das älteste Wahrzeichen der Stadt; die älteste Schule Albaniens (der gröss-te Stolz von Korcë); die mächtige orthodoxe Kathedrale, viele Statuen, wenige moderne Bauten, und überall Häuser, bei denen nur das Kabelgewirr vom nächsten Masten verrät, dass in diesen baufälligen Gemäuern auch tatsächlich noch jemand wohnt.
Am späten Nachmittag ist der Basar schon wie ausgestorben, aber jeden Morgen wird ab sechs Uhr früh schon überall die Ware wieder für den Verkauf ausgelegt. Am frühen Abend ist auch der als Flaniermeile angepriesene „Bulevardi Republika“ dunkel und trostlos, und gutes Essen nur in einer Pizzeria zu finden.
26. September (So) Ausflug Voskopoje
( mit Bus )
Ich habe eben doch schon wieder Glück! Nach dem kräftigen Regen ist es gegen Morgen doch etwas stiller geworden, und beim Aufstehen ist der Luftdruck tatsächlich auch schon fast 20 Meter höher als am Vorabend. Also beschliesse ich, doch hier einen Tag zu verlängern und mit dem Bus einen Ausflug nach Voskopoje zu machen. Um 10 Uhr startet der Kleinbus und bringt mich in 40 Minuten für 100 Leke (ca. 1 Franken) in das etwa 20 km entfernte Voskopoje hinauf. Unterwegs bin ich froh über den Entschluss, für einmal men Velo ruhen zu lassen: es geht doch gut 400 Meter hinauf, und echt albanisch eben unregelmässig und teilweise sehr steil! [img:right]
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Voskopoje war im frühen 18. Jh. die neben Istanbul grösste Stadt im osmanischen Balkan und sowohl wirtschaftliches als auch kulturelles Zentrum. Ende des 18. Jh. wurde die Stadt aber mehrmals geplündert und die Leute zur Flucht gezwungen. Statt wie damals eine Stadt mit über 150'000 Menschen ist Voskopoje heute ein Haufen meist einfacher, verstreuter Häuser zwischen Wäldern und Weiden. Von der grossartigen Vergangenheit mit rund 30 Kirchen zeugen heute noch 7 Kirchen, ein ehemaliges Kloster und die teilweise erhalten gebliebenen gepflästerten Strassenstücke. Die riesigen Kirchen liegen versteckt zwischen Bäumen und sind meist nur über kaum erkennbare Pfade zu erreichen. Alle Kirchen sind geschlossen, in erster Linie wohl wegen ihrer Baufälligkeit. Immerhin gelingt es mir jeweils, irgendwo eine Mauer zu übersteigen, um so wenigstens die Reste alter Fresken an den Seitenwänden näher betrachte zu können. Das Innere ist aber mit einer Ausnahme überall dicht verriegelt. [img:left]
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In Korcë gibt es nach der Rückfahrt nicht mehr viel zu sehen, und so mache ich bei strahlendem Sonneschein nochmals ausgedehnte Spaziergänge durch Strassen und Parks, wo Gruppen von alten Männern Domino oder Karten spielen. In keinem anderen Land habe ich bisher einen so hohen Anteil an Mercedes gesehen wie in Albanien. Es sind vorwiegend Modelle aus den 90-er Jahren, die wohl bei uns kaum mehr die Kontrolle bestanden hätten, hier aber dank ihrer Robustheit auch auf den löchrigsten Strassen wohl noch viele Jahre fahren werden.
27. September (Mo) Korcë - Gramsh
87.1 km / Fahrzeit: 6.4 Std. / Tagesaufstiege: ca. 560 m
Der Montag beginnt zunächst noch gemütlich. Bis Maliq kenne ich die Strecke ja schon: gute Strasse, flach, kein Wind: so gar nicht albanisch! Ab Maliq geht es gemütlich [img:right]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540459640132211826[/img] weiter dem Flüsschen Devol entlang in ein sanftes Tal, Strasse mit Asphalt (zwar viele Flicke), sehr wenig Verkehr, ab und zu eine kleine Siedlung, eine Schafherde, ein verlassenes Bergwerk, flach bis leicht abwärts: ganz und gar nicht so, wie ich es erwartet hatte. Nach Zanisht mit seiner malerischen Hängebrücke (über die ich zum Glück aber nicht muss), beginnt das Abenteuer, zunächst zwar noch sanft und gut fahrbar. Nach einer letzten breiteren Stelle des Tales geht der Erdweg allmählich in einen Steinweg, bzw. teilweise ein altes, sehr grobes Steinbett über, und aus dem Tal wird eine enge Schlucht, durch die der Weg 20 - 100 Meter über dem Wasser führt: oft direkt senkrecht hoch über dem Bach, natürlich ohne irgendwelche Absperrungen, dafür mit engen Kurven um die zahlreichen Felsrippen herum, dazwischen in instabilen Bereichen immer wieder riesige Schuttkegel, über die eine provisorische (oder doch schon definitive?) Fahrspur führt. Echte "Aufsteller" sind denn auch die sporadisch auftauchenden Gedenksteine [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540459774192366578[/img] von "Verkehrsopfern". Da fühle ich mich auf meinem Aarios trotz Geholper wesentlich wohler. Zum Glück hat es hier schon über einen Tag nicht mehr geregnet, es ist ja so noch schlammig genug. Am Tag zuvor hätte es für mich wohl ganz einfach eine Zeltnacht gegeben, um diesen Abschnitt zu schaffen. Drei Mal bleibe ich auch jetzt noch ganz einfach stecken und muss das Velo zum nächsten festeren Abschnitt schieben. Und schliesslich zeigt sich, dass selbst Marathon-Plus-Reifen keine absolute Sicherheit geben können und ich fange ( nach bald 8‘000 pannenfreien Kilometern!) den 2. Plattfuss auf dem Aarios ein. [img]
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Nach etwa 20 km taucht an einer etwas breiteren Stelle der Schlucht erstmals wieder eine Siedlung auf: einige Häuser oder eher Hütten, eine Spelunke, kaputte Traktoren irgendwo im Gebüsch, ... ohne die 2 trostlosen Wohnblocks im Hintergrund fast eine Kulisse für irgendeinen Western! Und keine 100 Meter weiter schon wieder reine Wildnis. Nach weiteren 20 km weitet sich die Schlucht etwas, es gibt wieder erste Felder, und 50 km nach Zanisht tauchen wieder erste Asphaltabschnitte auf. Der Fluss bildet im Talgrund eine breite Schotterfläche aus dem reichlichen Geschiebe, das er bei jedem Hochwasser mitbringt. Und wie als Krönung holpere ich gegen 19 Uhr bei einbrechender Dunkelheit auch wieder über ein echt albanische Schlaglochpiste aus Schotter und Asphaltflecken in Gramsh ein. Wie überall in Albanien promeniert um diese Tageszeit nahezu die ganze Bevölkerung auf der Hauptstrasse. Wie schon andernorts können wohl einige Leute auch hier nur den Kopf [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540460255828959554[/img] schütteln über den spinnigen Aus-länder, der statt mit dem Auto auf 2 Rädern durch Albanien reist. Ein freundlicher Polizist zeigt mir gleich mein Hotel, und der Chef des Hotels trägt mir sogar das Velo zur Rezeption in den ersten Stock hinauf. Einmal mehr bin ich überzeugt, trotz schlechter Karte richtig geplant zu haben: in umgekehrter Richtung hätte ich diesen Abschnitt auch ohne vorherige Niederschläge kaum in einem Tag geschafft. [img]
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28. September (Di) Gramsh – Elbasan - Tirana
111.7 km / Fahrzeit: 6.7 Std / Tagesaufstiege: ca. 1‘070 m
Nach der gestrigen Etappe hat heute die Velowäsche erste Priorität, denn auf das Knacken und Knirschen in Kette und Zahnrädern kann ich gerne verzichten. [img:right]
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In der Karte ist ab Gramsh talabwärts en grosser Stausee eingetragen, weshalb die Strasse nicht dem Tal folgen kann, sondern seitlich über einige Hügel unbekannter Höhe führen soll. In Google Earth jedoch konnte ich keinen Stausee finden. Die Strasse führt aber wie bereits in den alten russischen Militärkarten eingetragen dem Fluss entlang, der sich hier in Windungen durch eine breite flache Schotterebene schlängelt. Ich bin jedenfalls froh, dass mir die gemäss Karte erwarteten Steigungen über die Hügel bis Elbasan erspart bleiben. Bei Cërrik mündet meine Route in die gut ausgebaute Hauptstrasse, welche von der Küste zum Ohrid - See führt. Vor Elbasan wird die Ebene durch die monumentalen Stahlwerke verunstaltet, welche seinerzeit mit chinesischer Hilfe erstellt worden waren und zum Teil seit bald 20 Jahren zu Ruinen werden, wo aber ein reduzierter Betrieb immer noch Russ und Rauch ausbreitet. Umso positiver die Überraschung in Elbasan: eine lebhafte, freundliche Stadt mit einem von noch weitgehend intakten Stadtmauern eingefassten Kern.
Um 15 Uhr nehme ich den letzten Pass in Angriff. Gut 700 Meter geht es in Serpentinen steil hinauf, und so brauche ich mein letztes Geld auch noch für Zwischenverpflegung aus Trauben und Feigen. Es sieht seit einiger Zeit wieder nach Regen aus, aber [img:left]
https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540460568291726098[/img] glücklicherweise beginnt der erst, als ich nach 2 Stunden den langgezogenen Übergang auf rund 800 m.ü.M. erreiche. Nieselregen und Nebel sorgen für kühle Temperaturen, so dass mir Regenhose und Regenjacke für die steile Abfahrt gleichzeitig als Kälte- und Windschutz dienen. Auf die Besichtigung der Festung in Petrele kann ich unter diesen Verhältnissen getrost verzichten. Im dichtesten Abendverkehr fahre ich kurz nach 19 Uhr in der Hauptstadt ein und finde wieder hilfsbereite Leute, die mir bei der Suche einer günstigen Unterkunft helfen. So finde ich statt einem teuren Hotelzimmer für nur 20 Euro eine kleine Wohnung fast im Zentrum. Kurz waschen, duschen, Nachtessen gehen, und dann ganz einfach nur noch schlafen!!
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29. September (Mi) Tirana
Stadtbesichtigung
Den letzten Tag nutze ich neben dem Organisieren der Heimreise (mein gebuchter Flug Tirana-Zürich wurde mittlerweile gestrichen) für Besichtigungen und Spaziergänge durch die Hauptstadt.
- das Wohnhaus des berühmtesten albanischen Malers Sali Shijaku: ein traditionelles osmanisches Haus mit grossem Innenhof und Garten in einem sonst absolut farblosen Quartier.
- der Bazar beim Bahnhof
- die farbigen Wohnblöcke im Zentrum. Der Bürgermeister von Tirana liess in den 90-er Jahren viele der bisher trostlosen Wohnblocks farbig bemalen. Langsam verblassen die Farben, aber das Beispiel scheint doch Schule gemacht zu haben, denn überall in der Stadt begegnet man auch neuen Bauten mit bunten Farben (und viel recht skurriler Architektur!!)
- der Skanderbeg - Platz mit dem Reiterdenkmal des albanischen Nationalhelden (momentan leider eine durch politische Querelen blockierte riesige Baustelle).
- die Ethem-Bey-Moschee und der Kirchturm, die beiden Wahrzeichen Tiranas.
- die von den Italienern in den 30-er Jahren erstellten Regierungsgebäude am Südrand des Skanderbeg - Platzes und der angrenzende achtspurige Zeremonialboulevard .
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https://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#5540460855760103810[/img] - das Nationalmuseum mit interessanter Führung zur sehr spannenden und für uns doch ganz unbekannten Geschichte
- der Blloku, das Quartier der komm. Prominenz mit der Villa von Enver Hoxha (jetzt das Ausgeh- und Beizenquartier Tiranas)
- die „Pyramide“, ein inzwischen zerbröckelnder massiver Betonbau in Form einer niederen Pyramide und eigentlich von Hoxha’s Tochter als Hoxha-Museum geplant
- und immer mal wieder einen feinen Kaffee und gutes Gebäck als Zwischenverpflegung .... [img:right]
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Den letzten Abend geniesse ich bei einem feinen Essen im Blloku - Quartier. Auf dem nächtlichen Spaziergang zurück in meine Wohnung leiste ich mir ein letztes Mal eine der feinen Glacen an einem Stand und freue mich auf Erholung und Wiedersehen zu Hause.
30. September (Do) Tirana - Schweiz
(Heimreise unter erschwerten Bedingungen.....)
Das Übel hatte sich ja bereits am späten Vorabend angekündigt: Die „feine“ Glacé war etwas gar flüssig, der Magen begann zu rebellieren, und nur mit Mühe konnte ich mich gegen Mitternacht noch zu meiner Wohnung schleppen. Darauf folgte die wohl schlimmste Nacht der letzten Jahre mit fast pausenlosen Magenkrämpfen. Anstelle eines guten Morgenkaffees und feinem Gebäck kann ich nur gerade einen Schwarztee zu mir nehmen. Glücklicherweise habe ich mich am Vortag statt für den öffentlichen Bus doch für das Taxi entschieden; den Weg mit Gepäck zur Busstation würde ich unmöglich schaffen, bei einer Weiterfahrt mit Velo würde ich wohl im ersten Kilometer vom Rad kippen! Eigentlich kennt man ja nach einigen Reisen alle die bekannten Vorsichtsmassnahmen, aber am letzten Abend wird man trotzdem allzu schnell leichtsinnig.
Am modernen Flughafen anerbietet sich sofort ein Mann, mir das Fahrrad in Plastik einzuwickeln. Auf mein Verlangen sucht er dann aber doch zuerst mit einem Kollegen Karton zusammen, mit dem wir das Velo rundum abdecken und erst dann einwickeln. Dazu muss ich lediglich den Lenker abdrehen und die Pedalen entfernen. Neben 20 Euro erbettelt er mir dafür noch den Spanngummi (Migros, 3 Franken), der ihm von Beginn an ins Auge gesprungen ist, sowie 200 Leke (2 Fr.) für Zigaretten. Mir ist schon alles egal, wenn nur das Velo gut nach Milano kommt! Und so verbringe ich eben auch etwa einen Drittel des 100-minütigen Fluges in einem engen Flugzeug-WC. [img:left]
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In Milano-Malpensa kommt zum Glück auch trotz fehlender Vorbestellung gerade ein grosser Bus von Lugano her an, so dass ich auch ohne Voranmeldung das Velo verladen kann. Der Bus fährt bis zum Bahnhof Bellinzona, so dass ich ab hier für den Intercity nach Luzern-Basel einen Velo-platz reservieren kann. Zwar auf wackligen Beinen, aber beide doch unfallfrei und glücklich komme ich am späten Abend nach einem Monat wieder zu Hause an. Ein toller Monat, aber einmal reicht es auch mir .....
6. Oktober Geuensee Eine Bilanz
Nach 5 Tagen zu Hause und langsamer Erholung von der Magenvergiftung kann ich Bilanz zie-hen:
Es war zweifellos die anspruchsvollste aller meiner bisherigen Touren. 2013 km auf Straßen oder was man so unter diesem Begriff auch noch versteht, 127 Stunden im Sattel, etwas über 19 km Steigung, ..... Es war aber sicher auch die faszinierendste Tour: weitgehend unbekannte Gebiete, grossartige und oft wilde Natur, mit Ausnahme von bekannten Zentren wenige, gegen Schluss gar keine Touristen, freundliche und meistens sehr hilfsbereite Menschen, .......
Als Alleinreisender ist man mehr auf andere Menschen angewiesen, findet aber damit auch eher Zugang zu den Leuten.
Die Routenwahl kann ich im Nachhinein als absolut geglückt bezeichnen: vom Start in Serbien bis zu den letzten Etappen in Albanien eine stetige Steigerung und ein ständiges Angewöhnen an eine nächste Anforderungsstufe; ein Start gleich in Albanien auf diesen Strecken hätte wohl schnell zur Kapitulation geführt. Zudem waren viele Strecken in der gewählten Fahrtrichtung deutlich besser als umgekehrt, vor allem die beiden Bike - Etappen in Albanien (Gramsh - Korcë würde ich in dieser Richtung gleich völlig ausschliessen!).
Die Tour brachte mir Länder und Völker ins Bewusstsein, deren Entwicklung und vor allem jüngere Geschichte mich in nächster Zukunft weiter beschäftigen werden; hier will ich noch viel wissen und werde dazu noch viel lesen müssen und wollen.
Noch einige Ergänzungen zum ehemaligen Jugoslawien: Je länger ich durch diese neuen Republiken fuhr, umso mehr faszinierte mich deren jüngere Geschichte. Besonders interessant waren jeweils die Diskussionen mit Einheimischen zu diesem Thema, sei es bei einem Glas gutem Vranac (Rotwein) oder bei einem der vielen Grappas. Auffallend auch, wie Tito von fast allen Leuten sehr positiv bewertet wird, auch wenn er als Diktator eingestuft wird. In Serbien und im östlichen Teil Bosniens (Republika Srpska) sind die Leute im Gegensatz zu Serbien entlang der Donau (letzte Jahr) aber wie abgestumpft und gleichgültig, alles wirkt verlottert und hoffnungslos. Erst ab Sarajewo waren die Menschen viel offener, spontaner und auch interessierter. Hier wurde auf der Strasse wieder zurückgegrüsst oder im Vorbeifahren gehupt. Kroatien wiederum war wohl wegen der vielen Touristen um Dubrovnik schon wieder gleichgültiger.
Montenegro ist schlicht grossartig: Wer Natur, Wildnis, Berge, Einsamkeit und nette Leute gerne hat, kommt hier voll auf seine Rechnung. Und dank den mehrheitlich sehr guten Strassen mit weniger Anstrengungen als in Albanien
In Albanien gibt es noch sehr viel zu entdecken, bevor der Tourismus auch dort zuschlagen wird. Nach der langen Diktatur und Isolation ist die Entwicklung rasant. Ob die enormen Erwartungen an Amerika und die EU, die sich überall in aufgehängten Flaggen zeigt, darf aber mindestens bezweifelt werden. Unterdessen zerfallen die wertvollen Zeugen der Vergangenheit mehr und mehr ...
Während 31 Tagen hatte ich an nur 6 Tagen einige Stunden Regen. Und 3 dieser Tage waren Ruhetage in einer Stadt, wo es mich überhaupt nicht störte. Der September hat sich einmal mehr als idealer Reisemonat für den Süden gezeigt.
Die Kartengrundlagen: ein leides Kapitel ! Ich wünsche mir immer noch, die Verfasser der Karten von freytag&berndt werden eines Tages ihre Strafe abbüssen und vielleicht auch lernen, dass man Distanzen nicht in einer schon generalisierten Karte misst! Die beste Strassenkarte von Albanien, die ich gesehen habe, hatten 2 polnische Radfahrer bei Kukës (Karte eines polnischen Verlages), aber in Details dann eben auch rudimentär. Am besten ist die russische Militärkarte, aber zum Stand von etwa 1960. GoogleMaps ist hier auch nur sehr generell, und so bleibt einem für eine wirkliche Abklärung nur eine detaillierte Prüfung der Satellitenfotos von GoogleEarth (mit Höhenangaben). Das Problem dabei ist nur, dass man oft Mühe hat, die Strassen überhaupt in den Photos zu finden! Zudem sind die dortigen Satellitenfotos teilweise auch schon über acht Jahre alt. Improvisation vor Ort und der Einbau von Zeit- und Kraftreserven bei der Planung sind deshalb unerlässlich!
Von meinem mitgeschleppten Gepäck (laut Flughafen Check-In Tirana: Saccoche mit 17 kg + ca. 2 Kilo Lenkertasche + täglich 1 - 2 kg Getränkeflaschen am Rad) brauchte ich wieder einmal einiges nicht: Zelt, Schlafsack, Mättli (zusammen ca. 3 kg) würde ich wohl nicht mehr mitnehmen; eine Unterkunft in irgendeiner Form findet sich in fast jedem Ort, wenn man keine Ansprüche stellt. Für etwas weniger "anmächelige" Betten habe ich sowieso immer den Seidenschlafsack dabei (und mehrmals verwendet!). Mit der allabendlichen Wäsche hätte sich auch der Sack mit Reservekleidern erübrigt (ca. 1 kg). Dass ich die warme Jacke auch in den Bergregionen nicht brauchte, war allein dem Wetterglück zu verdanken, und die als Notproviant mitgenommenen Knusperstengel und Energieriegel erleichterten immerhin das sorglose Befahren von unbewohnten Streckenabschnitten. Und schliesslich denkt man nach jeder Tour: das und das mache ich ein anderes Mal sicher besser, ... nur um bei einer nächsten Reise eben doch fast alles wieder einzupacken!
Es war ein Chrampf, aber es war einmalig, grossartig, und es gab in der ganzen Zeit keinen einzi-gen Tag (wohl mit Ausnahme des letzten Tages in Tirana!), an dem ich nicht mindestens einmal mir sagen musste: "Herrgott, geht's mir gut, dass ich all das erleben darf!". Ich bin restlos zufrieden und würde es sofort wieder machen, wenn auch nicht gerade heute oder morgen. Ich kann nur Jedem wünschen, auch so schöne Erlebnisse zu haben. Es muss ja nicht gerade in dieser Art sein¨!
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Dovidshenje ! Mirëpafshim ! Tschüss !
PS: Ironie des Schicksals (?):
Mein Aarios hat mich 2009 und 2010 rund 5‘000 km durch den ganzen (ach so gefährlichen!) Bal-kan getragen, ohne dass je einmal etwas gestohlen wurde. Aber nach 2 Wochen in der „sicheren“ Schweiz ist es auf dem Schulhausplatz Geuensee beim Veloständer spurlos verschwunden (und trotz intensiver Nachforschung nicht mehr aufgetaucht. Auch wenn es viele Strassen kennt, ist es vermutlich noch nicht sehr weit weg. Und so muss ich mich nun eben an ein neues Tourenrad gewöhnen ...
die vollständigen Bilder zur Reise auf:
http://picasaweb.google.com/pemanz/Balkan2010#