Statt einen alten Thread aus dem Jahr 2005 auszugraben, mache ich hier einen neuen auf. Ich habe vor unserer Radreise kaum Erfahrungen gefunden von Frauen, die schwanger eine Radreise machten. Artikel und Kommentare zu "schwanger radfahren" oder "schwanger auf Radtour" gibt es zu Hauf. Dass das alltägliche Radfahren oder eine eintägige Radtour kein Problem ist, das wusste ich schon, bewege ich mich doch täglich auf dem Rad zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Bahnhof und mache auch Tagestouren. Doch irgendwas Informatives zu einer richtigen Radreise habe ich nicht gefunden. Deshalb dieser Thread - vielleicht ist mein Erfahrungsbericht nützlich für die eine oder andere von euch in gleicher Situation.
Zur Ausgangslage:
Ich bin gesund und habe im August eine dreiwöchige Radreise in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern/Ostsee gemacht. Ich war damals Anfang des 4. Monats schwanger (13. SSW). Es liegt keine Risikoschwangerschaft vor. Die Ärztin und die Hebamme hatten nichts einzuwenden, ausser, dass ich auf den Körper hören und Pause machen oder aufhören soll, wenn es mir danach ist. Und wenn das Zelten mir zu anstrengend werde, solle ich mir ein Bett suchen. Ihre Grundaussage: Wer immer schon Rad fährt und solche Reisen gemacht hat, kann dies auch in der Schwangerschaft machen, einfach nicht hochleistungssportmässig. Der Puls sollte nicht über 120/130 steigen.
Wir hatten das normale Gepäck dabei: 2 Vorder- und 2 Hinterradtaschen plus Lenkertaschen. Zeltausrüstung. Ich habe versucht, gewichtsmässig etwas zu reduzieren. D.h. ich habe meine Fotoausrüstung daheim gelassen. Matthias übernahm Zelt, Kocher (macht er zwar auch sonst) und vor allem hat er unterwegs zu einem grossen Teil die Lebensmittel übernommen. Tomaten, Brot, Gurken, Früchte - wiegt alles ziemlich schwer.
Meine Erfahrungen (natürlich sehr subjektiv):
waren gut. Wir haben uns bewusst für Nordostdeutschland entschieden, weil es da relativ flach ist (unser Herz hätte eigentlich für Korsika geschlagen). Bei Hitze war mein Kreislauf schon ohne Sport ziemlich beschäftigt, weshalb es da deutlich langsamer ging. Kaum ging es bergauf, geriet ich ausser Atem, meine Beine wurde schwer, schieben war angesagt. Ansonsten lagen je nach Tagesform zwischen 25 und 45 km drin - immer so, dass ich am Abend nicht k.o. war und mich am nächsten Morgen wieder fit fühlte -, einmal waren es auch 50 km.
Am besten radelte es sich für mich bis zur ersten grösseren Essenspause. Nachher spürte ich oft die Verdauung etwas (Ziepen, kleinere Blähungen oder so). Wie man es mit Radhosen macht, wenn der Bauch grösser ist, weiss ich auch nicht. Ich stelle mir das unangenehm vor, weil's den Bauch einklemmt.
Was wir unterschätzt haben, sind die Strassen. Zwar gibt es sehr viele gute, brandneue, asphaltierte Radwege, vor allem in Brandenburg. Hin und wieder ein Holperabschnitt auf einer Forststrasse oder ein paar Wurzelberge im Asphalt waren auch kein Problem. Wo es aber anstrengend und evt. sogar heikel wird, sind kilometerlange nicht asphaltierte Forststrassen mit Waschbrettmuster, Schlaglöchern und Sandpartien. Es wird erstens mit der Zeit einfach unangenehm - obwohl ich noch gar keinen richtigen Bauch hatte (aber die Blase spürt frau einfach schneller). Und es ist auch anstrengend: man muss vorsichtig fahren, Löchern ausweichen, aus dem Sattel, wenn es zu sehr oder zu lange holpert, oder sogar schieben. Zweitens ist es wohl kaum besonders gut fürs Kind, wenn es 3 Stunden dauer-durchvibriert wird, wenn es auch nicht stark ist. Fruchtwasserschutz hin oder her. Bei mir hat es keine Wehen ausgelöst, aber müde hat es mich gemacht und manchmal einen etwas harten Bauch. Da war auch eine anschliessende Asphaltstrasse, die etwas wellig oder hubbelig war, dann ermüdend.
Das Zelten ging recht gut. Allerdings sollte man dran denken, dass man im Zelt viel rumkraxelt: Beim Umziehen, beim Rein- und Rausgehen, beim Frühstücken am Boden sitzend. Das alles beansprucht die Bauchmuskulatur und ist anstrengender als sonst. Und bekanntlich sollte man als Schwangere beim Aufstehen das über die Seite tun, nicht direkt aus der Rückenlage. Das macht man aber im Zelt nicht konsequent. Es gab Tage, da fühlte ich mich ziemlich schwerfällig (obwohl optisch ja gar nicht begründet). Was ich als eher lästig empfand, war dass ich nachts immer auf die Toilette musste und die immer ziemlich weit weg war. Manchmal gab es nur ein Häuschen auf dem ganzen grossen Platz.
Ein weiterer Punkt bei den Zeltplätzen waren die Sanitäranlagen. Da war ich gefühlsmässig heikler als auch schon. Es gab Plätze, da musste ich mich schon etwas überwinden, obwohl alles sauber aussah. Aus Hygienegründen (Scheideninfektionen) hatte ich etwas Desinfektionsflüssigkeit dabei (so eine simple für die Hände aus der Apotheke, die sie anlässlich der Pandemie verkauft hatten), die hat sich vor allem auf der Toilette als sehr nützlich erwiesen (Ring kurz abwischen). Sie war auch sonst nützlich, wenn unterwegs kein Wasser verfügbar war, um sich beim Picknick die Hände etwas sauber zu machen.
Aus den genanntetn Gründen haben wir auch einige Nächte in Privatzimmern oder Pensionen übernachtet, vor allem wenn es regnete.
Zur Hygiene im Intimbereich: Da sollte man achtgeben. Ich habe Baumwoll-Slipeinlagen verwendet. Die waren gar nicht so einfach zu finden, die meisten Binden/Einlagen enthalten Kunstfasern oder sogar eine Schutzfolie, was das Schwitzen fördert und Pilze begünstigen kann. Zudem hatte ich Multi-gyn Actigel dabei, das die Scheidenflora ins Gleichgewicht bringt. Das hatte mir die Frauenärztin empfohlen, als ich auf einer früheren Radreise einen Pilz aufgelesen hatte. Dieses Gel habe ich abends nach dem Duschen aufgetragen.
Essen: Da mussten wir es diesmal etwas anders angehen. Da ich nicht so viel aufs Mal essen konnte wie sonst, haben wir versucht, 5mal am Tag kleinere Mahlzeiten zu essen. Frühstück war nie ein Problem, Mittag- oder Nachmittagpause mit Picknick auch nicht. Aber sobald dann die Hauptmahlzeit kam, hatte ich nachher mit einem Völlegefühl und Blähungen zu kämpfen. Die Hauptmahlzeit am Abend war aber auch nicht ideal, weil ich nach zu viel Essen nicht so gut schlafen konnte. Das lag jedoch sicher auch an der Qualität des Essens: Wir haben nicht selber gekocht, und das Essen war in vielen Restaurants ziemlich fettig (fett-glänzende Bratkartoffeln ohne Ende, etwas anderes gab es kaum, der Fisch in viel Butter gebraten, usw.). Wir kochen daheim aber viel Gemüse und einfach nicht so einseitig und fettig (und auch nicht so Rieeesenmengen!).
Zu den Sorgen: Ich fand es manchmal schwierig zu beurteilen, wann genug ist. Ich fahre auf Radreisen öfter auch mal am Limit oder radle eigentlich fast jeden Berg (weils immer noch angenehmer ist, als das schwere Rad zu schieben), bin oft am Abend richtig müde. Und wenn es dann Tage gab, an denen ich meine Schwangerschaft gar nicht spürte, dann machte ich mir schon Sorgen, ob es jetzt zu viel war. Obwohl ich doch nie so radelte, dass ich richtig ausser Atem war. Auch nach einem Tag auf holpriger Strasse war ich etwas besorgt und hatte Angst, dass das unserem Kind geschadet hatte. Obwohl ich nie Wehen hatte. Oder wenn ich morgens aufstand und das Gefühl hatte, man sieht aber auch gar kein Bäuchlein.
Das hatte bei mir sicher auch damit zu tun, dass ich letztes Jahr zwei stille Aborte hatte, die sich gerade dadurch bemerkbar machten, dass ich keine Schwangerschaftssymptome mehr hatte. Das prägt sicher. Andererseits sind solche Sorgen wohl normal, besonders wenn der Bauch noch nicht wirklich da ist und man das Kind noch nicht spürt.
Umso glücklicher war ich dann, als die Hebamme in der nächsten Kontrolle feststellte, dass es unserem Kind prächtig geht. Offenbar bin ich eine der Glücklichen, die einen gute Schwangerschaft erleben. Ich fühle mich meistens wohl und habe auch noch nicht gross Kilos zugelegt.
Insgesamt war es ein schöner Urlaub, und ich kann so etwas nur weiter empfehlen. Gegenüber Wanderferien hat man den Vorteil, dass man keinen schweren Rucksack am Körper tragen muss. In der Schwangerschaft sollte man bekanntlich nicht mehr als 5 kg tragen.
Doch man sollte sich bewusst sein, dass es anders ist als sonst. Auch der Partner sollte sich dessen bewusst sein, dass die Frau nicht gleich leistungsfähig ist wie sonst und man manchmal nicht so weit kommt, wie man vielleicht möchte. Ich hatte manchmal das Gefühl, wir kamen nicht so recht vom Fleck. Sonst fahren wir eigentlich jeden Tag weiter, bleiben nie länger an einem Ort. Diesmal blieben wir mal auch zwei Nächte am gleichen Ort und fuhren nicht so lang wie gewöhnlich. Ein-, zweimal legte ich einen Ruhetag ein, und Matthias machte eine Tagestour allein. Und dann meinte ich auch zwischendurch zu spüren, dass es Matthias in den Beinen juckte. Aber da bin ich selber schuld, wenn ich mir darüber Gedanken mache.
Deshalb war es vielleicht weniger das "Radreise-Gefühl" als sonst, wenn ihr wisst, was ich meine.
Ich habe das Gefühl, der Zeitpunkt war genau der richtige. Bei einem grösseren Bauch, oder nur schon jetzt, wo der Bauch zu wachsen beginnt, was auch immer mal mit Schmerzen und Ziehen verbunden ist, wäre es wohl anders. In den ersten drei Monaten hätte ich eine Radreise nicht gewagt. Dann werden die kindlichen Organe erst ausgebildet, und eine zu grosse Anstrengung könnte die Entwicklung beeinflussen. Es gibt auf Radreisen einfach Momente, wo man halt "durch muss". Mal muss man das Rad in einen Zug murksen (obwohl das fast immer Matthias gemacht hat, nur manchmal geht es nicht anderes oder es pressiert) oder noch grad etwas weiter radeln, weil es die Fähre, die den Weg verkürzen würde, gar nicht gibt. Und vor allem Überanstrengung und eine Erhöhung der Körpertemperatur sind in den ersten drei Monaten ziemlich heikel.
Bettina