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#612322 - 04/17/10 08:07 PM Berlin-Wiesbaden
phoenix73
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Posts: 87
:6
:7.4.2010 12.4.2010
:704
:

Berlin - Wiesbaden

Dauer: 6 Tage
Zeitraum:
Entfernung: 704 Kilometer

Hallo,

tja, wie fange ich jetzt an!? Geplant war diese Tour zu zweit, aber meine Mitstreiterin ist leider krank geworden. Also entschloss ich mich alleine loszuradeln. In Deutschland bin ich mit dem Rad noch nicht viel unterwegs gewesen, ausgenommen mal das Training mit dem Rennrad und die täglichen Touren durch die Stadt. Aber das sind meist immer dieselben Strecken, was außerhalb auf mich zukommen würde, davon hatte ich keine Ahnung. Gleich vorneweg, es fuhr sich wesentlich angenehmer als befürchtet.
Über die Streckenplanung hatte ich mir im Vorfeld keine großartigen Gedanken gemacht, es war nur das Ziel klar, und dass es durch den Harz gehen sollte. Am Tag vor meiner Abreise besorgte ich mir einen ‚Strassenatlas Deutschland’, darin sind auch Campingplätze verzeichnet. Am Dienstag wartete noch eine schriftliche Prüfung auf mich, am Mittwoch sollte es dann losgehen. Im Vorfeld zerbrach ich mir den Kopf darüber, ob ich direkt in Berlin losfahre, oder erstmal mit der Bahn ein Stück raus …??? Ich warf eine Münze und das Problem war gelöst.

Mittwoch 7. April
Früh ging es erstmal mit der Bahn bis nach Teltow-Stadt. Ich fuhr so gegen 11 Uhr, in der Hoffnung, dass der Berufsverkehr sich dann schon langsam gelegt hatte.
Nachdem ich morgens das Haus verlassen hatte, wünschte mir eine Nachbarin noch alles Gute. Die nächste Unterhaltung wartete schon am S-Bahnhof Bornholmer Straße auf mich. Ein älterer Mann sprach mich an, und erkundigte sich nach meinem Fahrrad. Wir unterhielten uns eine Weile, und als ich ihn dann fragte, ob er aus Berlin komme, fing er an zu lachen. Lange Rede kurzer Sinn, er lebt mittlerweile in Mexico. Die Bahnfahrt war ziemlich entspannt, es war gottseidank nicht so voll. Normalerweise sind die S-Bahnen in die Richtung immer zum Brechen voll, vor allem wenn man am Gesundbrunnen einsteigt.
In Teltow angekommen schaute ich noch mal kurz auf die Karte, und los ging es. Zuerst fuhr ich Richtung Beelitz. Ich war erstaunt über die wirklich sehr guten Radwege direkt neben der Fahrbahn, und den ruhigen Verkehr abseits der Hauptstraßen. Anfangs fuhr ich Richtung Beelitz, dann über diverse kleine Nebenstraßen nach Wittenberg. Der erste Tag verlief anfangs ziemlich problemlos, bis ich irgendwann in Wittenberg angekommen war und dort eine Stunde umhergeirrt bin. Die Ausschilderung dort ist eine mittlere Katastrophe. Eine Lektion, die ich dort gelernt habe ist: „wenn du zügig vorankommen willst, vergiß die Radwege und vor allem deren Beschilderung!“. Irgendwann war es dann kurz vor 20 Uhr, es wurde langsam dunkel, da traf ich auf einen Radfahrer, der mir den Weg haargenau erklärte. Zehn Minuten später war ich auf dem Campingplatz ‚Brückenkopf’ in Wittenberg, direkt an der Elbe. Der Name klang für meinen Geschmack etwas martialisch, aber so schlecht war er gar nicht. Die Lage ist Fluch und Segen zugleich. Er liegt direkt an der Elbe (+), gleich daneben führt die Straße lang (-) und die Bahn fährt dort auch entlang (-). Mit anderen Worten, nachts war es ziemlich laut.

Donnerstag 8. April
Ziel des heutigen Tages war grob Harzgerode. Den ersten Schock bekam ich, als ich mich auf`s Rad setzte. Mein Arsch tat weh wie die Pest. Vielleicht war es doch keine gute Idee mit einem nagelneuen Brooks B17 zu starten? Die Schmerzen verflüchtigten sich in Windeseile, als ich kurz nach dem Aufbruch auf eine Gruppe Radfahrer stieß. Ich fuhr vom CP runter und sah auf der Brücke eine 20-30 köpfige Gruppe von Radfahrern, alle so Ü60+, einige hatten sogar Wimpel am Rad. Ich konnte mir ein fettes Grinsen nicht verkneifen und nahm die Verfolgung auf. Durch diese nette kleine Abwechslung verschwendete ich keinen Gedanken mehr an die Schmerzen. Nach ein paar Minuten hatte ich die Gruppe eingeholt, überholte sie aber nicht, sondern hielt mich dezent im Hintergrund. Irgendwann bemerkte mich der Hintermann und drehte sich um … eine fragte mich „wohin geht denn der Umzug?“ … Nach ein paar Kilometern bog die Gruppe brav links ab und fuhr den Radweg weiter, während ich mich für die Straße entschied. Gegen 12 Uhr machte ich dann eine Pause und zwar am Imbiss B 185. Dort bekam ich einen riesengroßen Teller Nudeln mit Gulasch + eine große Tasse Kaffee für 4,50 €. Die Leute dort waren total nett, und geschmeckt hat es auch noch phantastisch. Vollgefressen wie eine Beutelratte ging es dann weiter über Köthen, Bernburg und Aschersleben. Aschersleben war verkehrstechnisch völlig indiskutabel, die absolute Katastrophe. Die Etappe endete auf dem CP ‚Bremer Teich’ in Gernrode. Sechs Kilometer vor dem Ziel ging es nur noch bergauf, die erste größere Herausforderung für mich als Flachlandtiroler.

Freitag 9. April
Am nächsten Morgen ging es dann erstmal Richtung Südwesten, ich war mir nicht im Klaren darüber, wieviele Kilometer ich in diesem Gelände schaffen würde. Ich fuhr erstmal Richtung Harzgerode, machte dort eine kurze Pause auf einem großen Platz. Dort wurde mir erklärt, dass ich falsch gefahren bin, wenn ich nach Bad Lauterberg möchte, und dann sagte jemand: »da kommt er extra wegen unserem guten Kaffee hier her«. Die Leute waren auch dort total nett, und so machte ich mich auf den Weg, ohne mich über die zusätzlichen Kilometer zu ärgern.
Kurz vor Braunlage erspähte ich dann noch Reste von Schnee. Und ich verfuhr mich ein zweites Mal. Auf dem CP ‚Sankt Andreasberg’ wollte ich nicht übernachten, weil ich mal einen Klassenkameraden hatte, der so hieß, und das war ein ziemliches zensiert. Das war sicher kein rationales Argument, aber mir verschaffte es die nötige Motivation, um weiterzuradeln. Ich fuhr also stolz wie Oskar runter nach Braunlage, nur um festzustellen, dass ich oben links hätte abbiegen müssen. Diese Information bekam ich von einem Kurierfahrer osteuropäischer Herkunft. Also ging es wieder den Berg rauf … und dann ging es runter, Spitze 57 km/h. Meine Augen haben getränt wie die Pest.
Irgendwann war ich dann in Bad Lauterberg und fuhr an einem Schuhgeschäft vorbei … den Abend zuvor war das Duschen ohne Badelatschen leicht eklig, also entschloss ich mich, mir eine Paar zu kaufen. Die Dinger kosteten 6 €, so what. Wie nicht anders zu erwarten führte der Weg zum CP mal wieder bergauf. Der CP ‚Wiesenbeker Teich’ entpuppte sich dann allerdings als überaus luxuriös. Ich setzte mich dann abends noch in die Wirtschaft, bestellte mir ein Schnitzel + 2 Alster, anschließend habe ich geschlafen wie ein Murmeltier.

Samstag 10. April
Am Morgen erklärte mir der Chef dann noch eine Abkürzung durch den Wald, »zweimal rechts«, das war alles. Ich fuhr also los, hielt mich zweimal rechts und war genau da, wo ich sein wollte. Bartolfelde lag vor mir und es ging weiter Richtung Duderstadt. Dort erwartete mich ein Anstieg, der es in sich hatte. Ich kämpfte mich dort hoch, machte eine kurze Pause, und weiter ging es Richtung Heilbad Heiligenstadt, dann über die B 27 von Allendorf über Bebra bis nach Rotenburg an der Fulda. Der Harz lag hinter mir, zusätzlich hatte ich Rückenwind, was will man mehr.
In Rotenburg angekommen, ging die Suche nach dem CP los. Auf der Karte war einer verzeichnet, das Ding war nur nicht zu finden. Ein Mann erklärte mir dann den Weg, und ich machte mich auf den Weg. Dort angekommen stieß ich auf ein Trinkgelage. Ganz so schlimm war es nicht, aber ich hatte wirklich Glück. Der Platz wurde erst an dem Tag aufgemacht, an dem ich dort aufschlug. Ich baute meinen Krempel auf und fuhrt nochmal in die Stadt, um ein paar Fotos zu machen. Als ich dann abends wieder zurückfuhr, setzte ich mich zu der fröhlichen Runde, trank zwei Alster und fiel ins Wachkoma.

Sonntag 11. April
Am Morgen wurde ich mit Regen geweckt. Ich trank mit den Inhabern des CP noch einen Kaffee und machte mich dann auf die Socken. Es war Sonntag. Kurz nach Rotenburg erspähte ich dann ein großes Tchibo-Schild, was sich als Bäckerei entpuppte. Dort aß ich erstmal ein Stück Kuchen und nahm mir 4 Kornspitz für die Fahrt mit. Diese Dinger schmecken einfach phantastisch. Weiter ging es über Bebra nach Alsfeld, von dort über Homberg Ohm bis nach Lollar. In Lollar sollte eigentlich das Etappenziel beendet sein, aber ich entschied mich weiterzufahren. So landete ich dann in Gießen, wo ich verzweifelt nach einem CP suchte. Die Nacht verbrachte ich dann auf dem CP ‚Kleinlinden’. Der neue Pächter erzählte mir, dass der Campingplatz berühmt berüchtigt sei. Sein Vorgänger hat es mit der Ordnung wohl nicht so genaugenommen, und so übernachteten dort regelmäßig Engländer, die 1) die Leute dort beschissen haben 2) regelmäßig wilde Sau gespielt haben. Die Polizei war wohl Stammgast dort. Der neue Pächter war jedenfall absolut in Ordnung, auf Nachfrage, ob er denn irgendwas zu Essen im Angebot hätte, brachte er mir 2 Schnitzel + 3 Scheiben Brot.

Montag 12. April
Zum Frühstück gab es Kaffee und 5 Stullen mit Schinken und Wurst vom Chef höchstpersönlich. Der letzte Tag sollte mir nochmal alles abverlangen. Was war nun die Lektion für diesen Tag? Fleisch zu essen ist genauso sinnvoll wie gar nichts zu essen. Im Laufe des vormittags bekam ich einen Hungerast und mir wurde kotzübel. In einem Anflug von Panik stopfte ich dann erstmal ein paar Weingummis in mich hinein, kurz danach machte ich dann Halt in einer Bäckerei. Dort gab es dann 4 Quarktaschen und eine Puddingbrezel + Kaffee. So richtig gut ging es mir danach immer noch nicht, aber davon ließ ich mich nicht abhalten. Es ging dann über Bad Camberg weiter Richtung Wiesbaden. Irgendwie ging es nur bergauf, es war der absolute Albtraum. Der Verkehr wurde auch immer dichter und lauter. Von Idstein nahm ich dann die 275 und wurde fast über den Haufen gefahren. Ein LKW stand auf der Straße, genau vor einem Zubringer … jedenfalls fuhr jemand auf die Straße über diesen Zubringer, genau in dem Moment, als ich auf Höhe des LKW`s war. Er hätte mich beinahe erwischt. Nach diesem tollen Erlebnis erprobte ich erstmal die Urschreitherapie von Janov in der Praxis und fluchte vor mich hin. Es ging weiter bergauf. Kurz vor Wiesbaden war ich dann auf 500 NN, es ging nur noch bergab, und ich ließ die Fuhre rollen … 67 km/h, rote Augen wie Lassie beim Motorradfahren ohne Brille, aber es war toll. Als ich dann das Ortseingangsschild von Wiesbaden passierte war ich ziemlich glücklich, was für ein geiles Gefühl.
In Wiesbaden habe ich dann noch ein paar Tage bei einer Freundin verbracht. Wir haben dort noch ein paar kleinere Touren am Rhein gemacht. Am Freitag ging es dann per Bahn wieder zurück nach Berlin. So war das.

Gruß, Gunnar


Foddos gibt es hier, sind erstmal nur ein paar, weil der monatliche Upload begrenzt ist ...
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#612382 - 04/17/10 11:36 PM Re: Berlin-Wiesbaden [Re: phoenix73]
Falk
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Der Bilderwechsel ist sehr zäh, sind die einzelnen Bilddateien vielleicht ein bisschen groß? Leider sind sie auch nicht beschriftet. Du könntest in Buxtehude an der Quarkmühle gewesen sein, kaum einer merkt den Unterschied.
Kannst Du ein paar Ortsangaben nachtragen?

Falk, SchwLAbt
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#612401 - 04/18/10 06:35 AM Re: Berlin-Wiesbaden [Re: Falk]
phoenix73
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Moin Falk,

die Bildgröße habe ich geändert, Beschriftung hole ich nach.

Bilder

Die Route ... von Berlin Richtung Beelitz - Wittenberg - Kemberg - Gräfenhainichen - Köthen - Bernburg - Aschersleben - Quedlinburg - Gernrode - Harzgerode - Braunlage - Bad Lauterberg - Duderstadt - Heilbad Heiligenstadt - Allendorf - Eschwege - Sontra - Bebra - Rotenburg an der Fulda - Bad Hersfeld - Alsfeld - Homberg Ohm - Gießen - Weilmünster - Bad Camberg - Idstein - Wiesbaden


Gruß, Gunnar

Edited by phoenix73 (04/18/10 06:41 AM)
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#612434 - 04/18/10 09:32 AM Re: Berlin-Wiesbaden [Re: phoenix73]
Falk
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Ja danke, schon besser, der Bilderwechsel klappt flüssig.

Falk
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#612461 - 04/18/10 10:58 AM Re: Berlin-Wiesbaden [Re: Falk]
Oldmarty
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Wenn so ab Bad Herzfeld mehr Richtung Vogelsberg gefahren wärst dann hättest du dir paar Höhenmeter sparen können.


Sag mal was für einen Hausrat hast denn da mitgenommen?
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#612500 - 04/18/10 04:19 PM Re: Berlin-Wiesbaden [Re: Oldmarty]
phoenix73
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In Antwort auf: Marxty
Sag mal was für einen Hausrat hast denn da mitgenommen?


Zelt, Isomatte, Schlafsack, Kocher, Spiritus, Kamera, Klamotten, Handy, Ladekabel ... was man so mitnimmt. schmunzel

Gruß, Gunnar
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