Ende September 2020 bin ich eine 2-wöchige Rhein-Neckar Rundtour mit ElliptiGO und Campinggepäck gefahren. Von Bonn ging es
am Rhein entlang bis Freiburg, von dort mit der Bahn bis Villingen und dann den kompletten Neckartalradweg abwärts bis Ludwigshafen
und wieder zurück am Rhein.
Insgesamt bin ich ca. 1330km geradelt, übernachtet wurde bis auf eine Ausnahme im Zelt.
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Ende September 2020 war die Zeit für eine neue Radel-Tour gekommen: um 8 Uhr morgens startete ich bei schönstem Wetter mit dem
GO und Campinggepäck von der Steinbachtalsperre Richtung Rhein.
Ab Remagen ging es dann immer weiter dem Rheinradweg entlang bis Koblenz und von dort war es nicht mehr weit bis Rhens, meinem
1. Campingplatz, den ich nach ca. 100km am frühen Abend erreichte. Normalerweise ist mein Zelt auf Tour das einzige am Platz, hier
waren aber bereits außer mir 4 weitere Zelte aufgebaut, alles Radreisende: unglaublich. Bei meiner Ankunft fiel mir schon ein topp
restaurierter blauer Messerschmitt Kabinenroller (im Volksmund auch als „Schneewittchensarg“ bekannt) auf. Nach Einbruch der
Dunkelheit kam dann der stolze Besitzer, erklomm unter anerkennenden Zurufen der Camper sein Schmuckstück und fuhr mit dem KaRo
unter Höllenlärm in die Dunkelheit von dannen, öliger Zweitaktgeruch war noch eine ganze Weile zu riechen.
Nachts fuhren regelmäßig lange Güterzüge am Platz vorbei, die nahe Straße war eh zu hören, das Rheintal ist halt eng und Alle wollen
durch. Trotzdem wachte ich am nächsten Morgen gut erholt nach 10 Stunden Schlaf auf und war als erster der Radler schon wieder am
Rhein unterwegs. Durch mehrere Teilnamen an „Tal total“: autofreies Rheintal zwischen Koblenz und Bingen, kannte ich den Weg bis
dorthin ganz gut, dann begann Neuland für mich. In Mainz hatte ich mich dann erst mal in der Innenstadt verheddert und fragte einen
Passanten nach dem Weg. Von dem hessischen „Hochdeutsch“ verstand ich nur die Kernaussagen: es geht dort lang, und als
Geheimtipp wurde mir noch anvertraut, das die blauen Straßenschilder parallel zum Rhein und die roten vom/zum Rhein führen, so
kann man sich prima im Häusermeer orientieren: gut gemacht. Zurück am Rhein erreichte ich bald den Weisenauer Ruderverein, dort
durfte ich für eine Nacht mein Zelt aufbauen und es gab sogar einen Wasserhahn, danke nochmal Jungs!
Der folgende Tag wird wieder warm und sonnig, lange fahre ich am Rheindamm durch eine sehr ausgetrocknete Landschaft, dann sieht es
wieder etwas grüner aus. Später führt mich der Weg durch Weinplantagen und nach Worms.
Gegen Abend erreichte ich kurz vor Speyer die „Blaue Adria“: ein schlichter Campingplatz in schöner Lage an einem Altrheinarm. Dort
mache ich einen fatalen Fehler: ich frage an der Rezeption nach dem Wetter der kommenden Woche. Mit einem freundlichen Lächeln
erfuhr ich, das es die nächsten 7-8 Tage nur regnen soll und es wird kalt: ganz toll. Später habe ich dann nicht mehr nach
dem Wetter gefragt :-) . Am nächsten Morgen ist es weiter freundlich, später zeigen sich die ersten Wolken am Himmel. Hinter Speyer
fahre ich auf einem schmalen unasphaltierten Weg mit ca. 12km/h zwischen einer Gruppe älterer Radler. Nach einer Weile führt der
Radweg rechts einen kleinen Hang hinunter, darum halte ich an um das kurze Stück zu schieben. Der Radler hinter mir hat das
wohl übersehen und stürzt mitsamt seinem Pedelec in ein Gestrüpp, dort bleibt er erst mal regungslos liegen.Während 2 kräftige Männer
der Radgruppe dem schweren Mann wieder auf den Weg helfen, sammle ich den raus gesprungenen Akku und das im Gebüsch
liegende Rad ein. Offensichtlich ist dem Mann bis auf den Schreck nicht viel passiert und er überlegt, wie er den Akku wieder ans Rad
bekommt, während ich solange das Rad festhalte. Dann spricht mich einer der Männer aus der Gruppe an, was ich denn überhaupt für ein
seltsames Rad hätte und das ich jetzt mal den Weg frei machen solle, er hält mich scheinbar für den Verursacher des Sturzes.
Sprachlos setze ich meine Reise fort.
Bei Wörth überquere ich den Rhein, es geht jetzt rechtsrheinisch weiter.
Als ich im örtlichen Netto meinen üblichen Einkauf (Bananen, Äpfel, Brot, Käse, Kuchen, Milch etc.) tätige und Alles im Anhänger
verstaue, spricht mich ein ca. 4 Jahre altes Mädchen an, ob ich mal 3 Euro hätte. „Haste mal 'ne Mark?“ kenne ich ja von Früher,
deshalb frage ich sie, wofür sie denn 3 Euro bräuchte. Damit ist sie wohl überfordert und geht zurück zu ihrer älteren Schwester.
Die Inflation schreitet voran.
Kurz vor Lahr übernachte ich am Waldrand. Dann verlasse ich den Rheindamm und fahre direkt weiter Richtung Freiburg. Das GO macht beim
Treten seltsame Klopfgeräusche, hat es die Tretlager-Transplantation vor gerade mal 2 Wochen nicht gut überstanden? Bisher habe
ich mich nur nach den guten Rad-Wegweisern und meiner Straßenkarte orientiert, leider fehlen jetzt einige Schilder und ich muss
mehrmals den richtigen Weg suchen. Zu dem kühlen und nassen Wetter gesellt sich noch ein hartnäckiger Gegenwind, ich komme nur sehr
mühsam voran. Als ich nachmittags am Straßenrand mit meiner Karte in der Hand das weitere Vorgehen überlege, spricht mich Dominik an.
Er hat früher mit seinem Vater auch längere Radtouren unternommen und bietet mir an, in seinem neuen Rohbau zu übernachten, das ist
gleich um die Ecke. Jetzt habe ich ein ganzes Haus für mich: im Erdgeschoss kann ich meine Sachen trocknen, Oben gibt es eine warme
Dusche, Strom und Licht funktionieren nicht: kein Problem für mich. Den Abend verbringe ich in der Dorf-Pizzeria: das Essen ist
lecker und die Stimmung freundlich, der Tag ist gerettet! Am nächsten Morgen plaudere ich noch ein wenig mit meinem Gastgeber (er
wohnt mit Frau und 3 kleinen Kindern im Nachbarhaus), dann geht es schon kurz vor 8 Uhr weiter nach Freiburg.
Leider ist es weiter kalt und verregnet, deshalb fahre ich bald zum Bahnhof und warte auf die S-Bahn Richtung Villingen. An allen
Wagen ist außen ein großes gelbes Fahrrad-Symbol angebracht, ich steige vorne im Zug ein. Unterwegs betritt eine Schaffnerin mit
„Begleithund“ meinen Wagen und fragt, ob das mein Fahrrad sei. Als ich es bejahe sagt sie mir, das ich in diesem Wagen nicht
reisen dürfe, da sonst Rollstuhlfahrer keinen Platz hätten, ich müsse ganz nach vorne oder hinten. Ich verweise auf die gelben
Fahrrad-Symbole außen und innen am Wagen, außerdem würde der hintere Zugteil ja auf halber Strecke in Titisee abgekoppelt, auch
wäre außer mir nur noch 1 Rennradfahrer im Wagen. Sie: „Dann wissen Sie ja für das nächste mal Bescheid“, ich: „Warum sind dann die
großen gelben Fahrrad-Symbole am Wagen?“. Als ihr nichts mehr einfällt, sagt sie: „Ich werde das dann so weitergeben“ und geht
zum Rennradfahrer und die gleiche bizarre Diskussion wiederholt sich... .
Eine hübsche Schwarzwälderin hilft mir in Villingen beherzt mit dem Anhänger. Als ich ihr scherzhaft sage, das sie mit dem Teil
nicht abhauen soll, lächelt
sie mich freundlich hinter ihrer Maske an.
Ihr Lächeln begleitete mich für den Rest des Tages.
Dank GPS-Track finde ich schnell den Anfang des Neckartalradweges, erst gibt es einen Anstieg hoch zur „Europäischen
Wasserscheide“ (trennt die Zuläufe von Rhein und Donau), dann geht es fast nur noch abwärts mit Rückenwind, da stört auch das
nasse und kalte Wetter fast nicht mehr. Nach dem oft langweiligen Rheindamm bin ich in den wunderschön grünen Neckarradweg sofort
verliebt, wie toll muss es hier erst bei sonnigem Wetter sein! Abends baue ich mein Zelt auf einer ruhigen Wiese bei Oberndorf auf.
Der nächste Tag führt mich über Rottenburg zum schönen Tübingen, nach Tagen kommt jetzt zaghaft wieder die Sonne raus, das
erfreut Körper und Geist.
Auf einer Streuobstwiese baue ich im letzten Büchsenlicht mein Zelt oberhalb vom Neckar auf. Am nächsten Morgen beim Frühstück
bestimme ich die Temperatur anhand des „Nutella-Thermometers“: sehr zähflüssig d.h. ca. 4-7° Celsius (schaben, schneiden, kratzen:
0-3° C ; es fließt: 8-11°C). Der Neckar dampft und verzaubert die Landschaft, es wird ein wunderbarer sonniger Tag. Durch die grüne
Landschaft schlängeln sich einzelne Frachtschiffe, dabei ist die eine oder andere Schleuse zu überwinden.
Auf längeren Teilstücken ist der Neckar aber auch leider kanalisiert worden und zu einem reinen Industriekanal degeneriert.
In Stuttgart treffe ich an einer Baustelle einen Radreisenden aus Köln, er will in mehreren Etappen bis nach Italien fahren,
dabei hat er nur eine große Packtasche=Hotelradler. Am nächsten Morgen pflücke ich bei der Abfahrt noch ein paar leckere reife
Äpfel von den auf einer großen Wiese stehenden Bäumen (kein Mensch erntet das Obst hier), leider ist das Wetter trüb und es nieselt.
In einem großen Weinanbaugebiet ist die Ernte im vollen Gange. Abends führt mich der Radweg 20km über eine holprige Piste durch
den Wald bis ich endlich in der Dämmerung kurz vor 20 Uhr den Campingplatz in Eberbach erreiche.
Am nächsten Morgen kommt Bobby, ein Thailänder, der bei der englischen Armee in Paderborn stationiert ist und in Eberbach einen
sozialen Arbeitseinsatz hat, ans Zelt und fragt, ob es mir denn in der Nacht nicht kalt gewesen wäre. Dabei hat er einen Beutel
mit 5 Flaschen (2x Wasser, 2x Cola und 1x Fanta) und sagt, das ich die Getränke wohl gut gebrauchen könne. Wir plaudern ein
wenig über seinen Arbeitseinsatz und meine Tour und ich packe weiter meine Siebensachen zusammen. Nach ein paar Minuten ist er
wieder da, schaut auf den unausgepackten Beutel am Boden und hat jetzt 2 Zehner-Packs Batterien, eine Stirnlampe und einen
Pappteller mit 4 üppig belegten Brötchen dabei, das könne ich ja sicher gut gebrauchen. Allmählich werden mir die überbrachten
Gaben etwas viel, daher bedanke ich mich erneut, lehne die Stirnlampe ab und Bobby geht wieder zurück zu seiner Truppe. Obwohl
ich normalerweise kein „Zuckerwasser“ trinke, verstaue ich die Getränke im Anhänger und finde unten im Beutel eine Unterhose. Da
wollte mir der Soldat Bobby wohl das asiatische „Wir zeigen uns unsere Unterhosen im Zelt - Spiel“ beibringen, das wollte ich aber
überhaupt nicht kennenlernen, hänge den Beutel samt delikatem Inhalt an einen Holzpfosten und setzte meine Reise fort.
Abermals waren 20km holprige Waldpiste zu absolvieren, dann ging es weiter am Neckar auf schnellem Asphalt.
Bald schon kam das leider sehr touristische Heidelberg in Sicht. Mittlerweile war das Wetter warm und sonnig geworden und ich
begrüßte bei Mannheim erneut den Rhein und war jetzt wieder linksrheinisch unterwegs. Bei einem Fotostopp an einer Kürbisfarm sprach
mich ein älterer Herr, der sich zusammen mit seinem Enkel das vielfältige Kürbis -Angebot anschaute, auf mein seltsames Gefährt und
meine Tour an. Ich erzählte ein wenig von meinen Abenteuern der vergangenen Tage und sprach zu dem Jungen: das kannst Du auch,
wenn du etwas älter bist befestigst Du einfach 2-3 Packtaschen an deinem Fahrrad und dann geht’s los.
Seine Augen strahlen: die Saat ist gesät.
Auf meiner Straßenkarte hatte ich in Worms ein Campingplatz-Symbol entdeckt, das war mein Ziel bis zum Abend. Leider gab es aber
keinen Campingplatz mehr und es wurde mittlerweile immer dunkler. Am Rhein angekommen baute ich mein Zelt dann kurzerhand in
einer Ecke eines Wohnmobilparkplatzes auf: es gab keine Beschwerden und ich verbrachte eine ruhige Nacht.
Noch vor Sonnenaufgang war ich wieder unterwegs: der Rhein dampfte und erzeugt so eine magische Stimmung: wunderschön.
Nach weniger als einer halben Stunde war der Zauber verflogen und es wurde jetzt trübe und regnerisch. Als in Mainz meine
Essensvorräte zu Ende gingen und meine Energie nachzulassen drohte, erreichte ich die genau passende Oase: „Zum Schorsch“,
direkt am Rhein. Der Chef selber servierte mir eine riesige hausgemachte Currywurst mit leckeren Fritten: hier geht wohl keiner
hungrig nach Hause. So gestärkt war es nicht mehr weit bis Bingen, wo ich bei „Bauer Schorsch“ (ein Verwandter vom Imbiss-
Schorsch?) auf dem Camping unterkam. Die Beherbergungs-Preise waren etwas gehoben, dafür wurden aber auch runde Keramik-Designer-
Waschschüsseln und bereits ab 6 Uhr morgens Gute-Laune-Musik im Waschhaus geboten.
[img]https://up.picr.de/47965635vg.jpg[/img][img]https://up.picr.de/47965636lv.jpg[/img]Bei sehr dunstigem Wetter folgte ich weiter dem Rheinradweg und ab Bacharach zeigte sich zeitweise sogar die Sonne. Unterwegs
hatte ich die 70000km mit dem GO erreicht: der Tanz geht weiter! Mein heutiger Plan war, den Campingplatz hinter Leutesdorf zu
erreichen, den ich schon von früheren
Unternehmungen kannte. Dafür fuhr ich dann in Weißenthurm über den Rhein. Inzwischen
war es schon wieder dunkel geworden und nach einiger Sucherei kam ich dann schließlich gegen 20 Uhr nach 106km am Camping an:
geschafft!
[img]https://up.picr.de/47965637aj.jpg[/img][img]https://up.picr.de/47965638yu.jpg[/img][img]https://up.picr.de/47965639ff.png[/img][img]https://up.picr.de/47965640vi.jpg[/img][img]https://up.picr.de/47965641ji.png[/img][img]https://up.picr.de/47965642lv.png[/img]Am nächsten Morgen schaue ich mir kurz die Altstadt von Linz an (bei der Partnerstadt Pornic werden Erinnerungen an meine
Frankreich-Tour im Mai 2018 wach), dann nehme ich die Fähre über den Rhein und weiter geht es Richtung Bonn. Obwohl ich ja
tendenziell abwärts fahre, steigt die Höhenangabe auf meinem Tacho immer weiter an: ein kräftiges Tief ist im Anmarsch. Nach
einem Stopp beim Döner-Mann wurde der Regen immer kräftiger und schließlich erreichte ich am frühen Nachmittag mein Ziel nahe der
Steinbachtalsperre, ein Tag früher als geplant: passt!
[img]https://up.picr.de/47965643qk.png[/img][img]https://up.picr.de/47965644ea.png[/img]=========================================================================================================
Kleines Fazit: auch ohne lange Anfahrt kann man direkt von zu Hause aus eine tolle Radtour erleben, und: ist das Wetter manchmal noch
so garstig, irgendwann klart es wieder auf und die Freude darüber verdoppelt sich.
Freundliche Grüße von Helmut!