Teil 3 der Radreise Nordfrankreich-Loire-Freiburg
Von der Loire-Mündung ging es nun ostwärts überwiegend auf dem EV 6. Meine Planung sah u.a. vor, ein paar Schlösser zu besichtigen. Dazu musste ich den EV 6 ab und zu mal verlassen.
Es wurde heiß – jeden Tag über 30°. Dazu der fast ständige Gegenwind. Der Verbrauch meiner Apfelsaft-Wasser-Mische stieg von Tag zu Tag. Zum Glück kühlte es abends immer auf ca. 20 – 25° ab.
Ein guter Freund aus Freiburg hatte mir inzwischen mitgeteilt, dass er am Wochenende 6.7. - 7.7. doch daheim wäre und ich ihn besuchen könne. Das hieß für mich Strecke machen und einen Tag raus holen.
Die ersten Tage an der Loire waren ziemlich ereignislos. Ich spulte die Kilometer ab, hin und wieder mal ein Foto knipsen und schattige Pausenplätze suchen.
Tag 22 Paimbœuf – Saint-Florent-le-Vieil 103kmKunst am SeitenkanalAuf der Fähre nach Basse-Indre spielte anlässlich eines Stadtfestes eine Dudelsackkapelle
Graffito in NantesAnti-Terror-Lego-Klötze am EV6HochwassermarkierungenZu diesem Bild eine kleine Geschichte. Ich kam in eine Kleinstadt geradelt. Überall Absperrungen – die Posten in ihren Warnwesten schauten ausnahmslos auf ihre Handys und beachteten mich nicht weiter. Bis ein scharfer Trillerpfeifenpfiff eines Flics mich aufmerken ließ. Wild gestikulierend scheuchte er mich von der Straße. Zwei Minuten später kam dann das Feld entgegen meiner Fahrtrichtung angeschossen. Das hätte ein schönes Kuddelmudddel gegeben. In den Tiefen der Tasche fand sich abends noch eine Tafel Löffelschokolade. Tag 23 Saint-Florent-le-Vieil – Saumur 108 kmIch bin morgens früh los, um auf den ersten Kilometern noch ein bisschen „kühle Luft“ zu erwischen. Der CP in Saumur ist wirklich gut auf Radler eingestellt. Es gab eine Freiluftküche mit Kühlschränken, Koch- und Sitzgelegenheiten …
Mit einer englischen Familie kam ich ins Gespräch. Ihre beiden Töchter hätten zwar noch zwei (ereignislose) Wochen Schule gehabt, aber Radreise war ihnen wichtiger. Gute Einstellung.
Kalifornischer MohnEin Stückchen historische Straße auf den Weg zum ….
Château de Brissac – hab ich nur von außen betrachtet.
Saumur – die Pferdestadt FrankreichsTag 24 Saumur – Tours 88 kmAn diesem Tag stand nun die erste Besichtigung an. Die Gärten vom Château de Villandry.
Auf dem Weg dahin:
In den Fels geschlagen … … Erklärtafel dazuChâteau de MontsoreauSchöne schattige StreckeChâteau de Villandry – geometrische Gärten. Die Besonderheit: Die Beete zwischen den Formhecken waren mit Gemüse bepflanzt!Erklärtafel dazuBei glühender Hitze Ausbesserungsarbeuten.
Tag 25 Tours – Blois 99 kmVon Tours ging es früh los mit einem Abstecher zum Château de Chenonceau.
Château de Chenonceau Kurz hinterm Château schloss ich auf. (Windschatten!) Die Gruppe fuhr genau mein Tempo. Der Große im blauen Trikot war der Coach. Er erklärte, wie man sich in einer Gruppe verhält; schaute sich immer mal zu mir um. Er ließ sich dann kurz auf meine Höhe zurückfallen, schaute auf mein Rad und fragte: Wo ist der Motor? Meine Antwort war: Mit den Händen auf die jeweilige Wade geklopft: Das sind die Motoren! Nach ein paar Minuten musste ich aber leider links abbiegen. Schatten in Sicht!Der CP in der Nähe von Blois war allerdings so gut wie ohne Schatten.
Mehr gibt es von diesem Tag nicht berichten.
Tag 26 Blois – Cheverny 45 kmKurzstrecke! Besichtigungstag! Es erwarten mich Château de Chambord und Château de Cheverny.
Um Punkt 10:00 Uhr war ich am ersten Schloss. Noch hielten sich die Besuchermassen in Grenzen. Die Hitze allerdings nicht. 37° waren es nachmittags in Cheverny.
Château de Chambord Eine kleine Design-Ausstellung gab es dort auch. U.a. ein schöner Randonneur von Cyfac Bicycles (Edelstahl und Carbon)Highnoon auf gerader StreckeLecker – aber bei der Hitze leider viel zu butterigAls nächstes mein Schlosshauptziel: Château de Cheverny. Es ist seit den 1920er Jahren bis auf drei Tage (Besuch der Queen, eine herrschaftliche Hochzeit und ein Todesfall) ununterbrochen der Öffentlichkeit zugänglich. Jetzt – April 2020 wg. Coronapandemie b.a.w. geschlossen.
Dieses Schloß diente dem Comiczeichner Hergé als Vorbild für
Schloß Mühlenhof – dem Wohnsitz von Kapitän Haddock! Die Seitenflügel hat Hergé allerdings nicht übernommen.
Da ich in meiner Kindheit die Tim und Struppi Comics verschlungen habe, musste ich natürlich dahin. In einem Nebengebäude befand sich eine große Ausstellung mit Original Requisiten. Für Fans ein Muss!
Hier werkelte Prof. BienleinOriginal StaubwedelZeichnung und VorbildGekauft!Im Schloß gab es noch eine Legoausstellung:
U.a. Gemälde …… und JagdhundeZurück in der Hitze machte ich noch einen Besuch bei der Meute des Schlossherren:
Der Chef …… da ist es auch noch auszuhalten (Sprinkleranlage) … … und diese hier sind wohl die Rangniedrigsten.In der Nähe des Schlosses habe ich dann auf einem CP übernachtet.
Tag 27 Cheverny – Giens 106 kmMörderischer Tag. Zwischen 35 und 40°. Von Cheverny ging es unter Auslassung des Loirebogens um Orleans nach Giens. Schier endlose, schnurgerade langweilige Strecken durch Kiefernwälder (zum Glück ohne nennenswerte Steigungen) Meiner Kamera hatte ich aus Versehen den Modus „Nimm 640x480 Pixel auf“ verpasst.
Keine Pfütze – geschmolzener Asphalt Durstiger BaumNachmittags um drei – alles hält Siesta. Nur ich nichtCP mit Blick auf GienAbends um 21:45 Uhr mit Klimanlage: Klitschnasse Handtücher über Schultern und Oberschenkel.Tag 28 Giens – Saint-Thibault 67kmIn Gien stand morgens meine letzte Schlossbesichtigung an. Im Château de Gien sollte sich DAS Jagdmuseum Frankreichs befinden. Punkt 10:00 Uhr öffnete es. Ich hätte es mir sparen können. Meine großen Erwartungen wurden enttäuscht. Nach einer knappen Stunde war ich durch, schwang mich in die Pedale und die nächste Hitzeschlacht wurde durchgestanden. An diesem Tag war es mal überwiegend schwachwindig.
In Saint-Thibault steuerte ich erst mal den Supermarkt an, um mich mit Kaltgetränken und fürs Abendbrot zu versorgen. Im Supermarkt gab es nur lauwarme Getränke. Ich hatte aber Durst auf eiskaltes Bier! Der findige Reiseradler schnappt sich in dem Fall ein Sixpack, schlendert zur Tiefkühltruhe und versteckt das Sixpack unter einem großem Beutel Erbsen! Danach zum CP – alles aufbauen, kalt duschen, 90 Minuten später zurück zum Supermarkt und das eiskalte Bier geholt. Die Kassiererin zuckte etwas, als sie das Bier über‘n Scanner schob.
Highlight des Tages: Pont-Canal de Briare … … mit Blick auf die LoireDas Abendbrot an diesem TagTag 29 Saint-Thibault – Decize 95 kmWeiter auf dem EV 6 mit wenigen kleinen Fotos. Auf dem CP in Decize kam abends eine Gruppe Paddler an. Heimatlicher breiter Hamburger Slang erklang. Ein fröhliches Moin von mir – und schon waren wir am Klönen. Sie kannten zwei Hamburger Frauen aus diesem Forum, die ebenfalls in HH als Paddlerinnen unterwegs sind. Einen französischen Radler konnte ich noch mit ein paar Magnesiumtabletten versorgen. Er lag mit irren Waden- und Oberschenkelkrämpfen und schmerzverzerrten Gesicht vor seinem Zelt.
Verdammt großes InsektGut zu befahrende Strecke am Canal Latéral à la LoireSchattiges Plätzchen an einer SchleuseDie Paddler aus HamburgTag 30 Decize – Paray-le-Monial 93 km und Tag 31 Paray-le-Monial – Chagny 94 kmZwei Tage mit nur ganz wenigen Fotos und ohne Ereignisse. An Nachmittag nahm ich in Digoin Abschied von der Loire und folgte dem EV 6 am Canal du Centre. Die andauernde Hitze schlauchte enorm. Ebenso der wieder auffrischende (aber nicht erfrischende) Wind direkt aus Nordost. Pausen habe ich an Bistros gemacht – auch um mal was anderes zu trinken als meine lauwarme Apfelbrühe.
Auch ein Möglichkeit der Abkühlung. Sie folgten synchron der BeregnungsanlageLetzter Blick auf die LoireAm Canal du Centre fährt es sich wunderbar.An etlichen Stellen wurde der EV 6 ausgebaut / bzw. repariert.Schleusenwärterhäuschen
Sie sollte auch bald startenImmer wieder zu sehen – schicke alte Boote am UferTag 32 Chagny – Dole 118km und Tag 33 Dole – Baume-le-Dames 95kmZwei weitere heftige Tage gegen den Wind. In meinen Notizen steht: „Nur kämpfen/trinken!/essen/fahren/fluchen. Abends groggi nach 120km. Trotzdem ein toller Tag.“ Kurz hinter Chagny erreichte ich den Flußlauf der Saône. Ich folgte weiter dem EV6. Einer der schönsten Streckenabschnitt fast immer am Doubs bzw. Rhein-Rhone-Kanal. In Dole hat es einen annehmbaren CP mit einer guten Bar – Kaltgetränke! Allerdings saß am Nebentisch ein deutsches Paar mit Hund.
Er laufend zu seinem Hund: Sitz! Platz! Nein! Aus! Leg dich wieder hin! Sie: Nu lass doch mal den Hund in Ruh. Er: Der muss auch mal gehorche, wenn er kein Leckerli bekommt. Und weiter ging es mit Sitz-Platz-Aus. Als ich dann ziemlich genervt eine giftige Bemerkung fallen ließ, schwieg er endlich. Später wurde mir klar: ständiger Gegenwind macht schlechte Laune.
In Baume-le-Dames hatte ich mal wieder einen fast schattenlosen CP. Mit einem Radlerpaar aus Berlin tauschte ich Erfahrungen aus. Sie wollten bis zum Atlantik fahren und dann irgendwie mit der Bahn zurück kommen.
Zusammenfluss von Saône und DoubsAm Horizont wartet SchattenDas Reh erschrak sich fürchterlich und flüchtete in die Sâone. Aus den Zeiten vor WaschmaschinenNoch mehr WohnbooteZiemlich verwittert und vergessen? Nein! Das soll so. Betrachtet man die Ente etwas genauer, so sieht man: Verdeck und andere Anbauteile in sehr guten Zustand, Innenausstattung ohne Schimmel … der sogenannte ratlook.AbkühlungBesançon werde ich mir ein anderes Mal anschauenHübscher ChristenhutSchon fast ganz zusammen gebrochen; ein altes FabrikgebäudeEin paar hundert Meter weiter: die passenden Werkswohnungen (meine Vermutung)Auf wunderschöner Strecke allein zur SiestazeitTag 34 Baume-le-Dames – Mulhouse 119kmEin paar Kilometer hinter Baume-le-Dames kommt mir auf dem Radweg ein Radler entgegen. Schon von weiten winkt er und ruft mir auf deutsch zu: „Da ist gesperrt! Da kommt man nicht durch!“ Wir klönen ein bisschen und beschließen zusammen weiter bis Mulhouse zu fahren. Bruno war mit einem Pedelec, Zweitakku und Anhänger unterwegs. An diesem Tag machte die 6.000km voll. Er war von seiner Heimatstadt Fulda mit Pilgerpass bis nach Santiago de Compostela gefahren und befand sich auf dem Rückweg. Und was soll ich sagen: plötzlich setzte Rückenwind ein. Bruno war meine Windfee! Wir schwätzen den ganzen Tag und erreichten ziemlich früh den CP in Mulhouse. Nachdem die Zelte standen und der Einkauf erledigt war, trafen wir uns am Eingang des CP an einem foodtruck. Es gab Flammkuchen; dazu gut gekühlter Weißwein.
Das einzige Foto an diesem Tag! BrunoTag 35 Mulhouse – Simonswald 91 kmBruno war aller bestens ausgerüstet. Er hatte sogar eine große Pfanne dabei. Am Abend zuvor hatte er ein paar Eier gekauft und versorgte uns beide mit Rühreier und Speck zum Frühstück. Zusammen fuhren wir weiter Richtung Deutschland. Ein paar Kilometer hinter Mulhouse trennten sich unsere Wege. Bruno wollte noch nach Basel: „wenn man schon mal hier, kann man sich das ja auch mal anschauen!“
Mein Weg führte über Banzenheim, Neuenburg am Rhein, Freiburg zu meinem Freunden Peter und Barbara. Am nächsten Tag machten der Peter und ich noch eine Wanderung um die Zweribach-Wasserfälle mit Einkehr in einem typischen Schwarzwald Gasthof (Plattenhof). Am Montag dann mit dem Rad nach Freiburg (seit Wochen der erste Regentag) und mit der Bahn problemlos nach Hause.
Fast handzahme Nutria in MulhouseLinks F – rechts DErstes Schild in DeutschlandLandungsübung eines JungstorchesKurz vorm Ziel – der Kandel.Fazit: Eine tolle Radreise mit vielen neuen Eindrücken und Begegnungen. Keine Panne bis auf das durchgescheuerte Kabel. Mit 78kg losgefahren und mit 73kg angekommen. Dreiviertel der Reise mit Gegenwind – na und? Es gibt wahrlich schlimmeres - es ist jetzt Frühjahr 2020 und ich weiß noch nicht, wann ich wieder eine größere Radreise machen kann.