Alljährlich steht er an…der Männertag bzw. Christi Himmelfahrt. Grund genug, sich statt mit Bollerwagen und Klingelstock mit Fahrradtaschen und Radlerhose zu bewaffnen und die freien Tage zu nutzen.
Irgendwo im Netz bin ich über eine Tourempfehlung an der Eger gestolpert und hatte dies seitdem auf der To Do-Liste. Tschechien ist eh immer eine Reise wert und für mich als Dresdner auch schnell zu erreichen. Die Eger entspringt bei Weißenstadt im Fichtelgebirge und schlängelt sich dann durch den Nordwesten Böhmens, bis sie bei Litomerice in die Elbe fließt.
Um den zu erwartenden Massen im Zugverkehr aus dem Weg zu gehen, starte ich bereits am Vortag nach der Arbeit gen Hof in Bayern. Dank Direktverbindung bin ich in zweieinhalb Stunden vor Ort, versorge mich noch mit Speis und Trank für den nächsten Tag und lasse den Abend mit dem Europa League-Finale im Fernsehen ausklingen.
30.5.2019Hof – Weißenstadt – Cheb (84km)
GPS:
https://www.komoot.de/tour/69547701Der Plan für heute ist, die Eger bei Weißenstadt zu erreichen. Die Quelle einige Höhenmeter weiter oben spare ich mir, sonderlich spektakuläres wird mich dort sicher eh nicht erwarten, des weiteren befürchte ich auf den letzten Metern eine Wegequalität, die das Herz jedes Downhillfahrers höher schlagen lässt, mein ungefedertes Trekkingrad (und meinen Hintern) wohl eher um Ächzen bringen würde.
Bei schönstem Sonnenschein und angenehmer Kühle starte ich meine Tour. Bis Weißenstadt sind es ca. 35km, die ich zeitweise auf dem Saale-Radweg zurücklege. Auf den Wegen ist es entgegen meiner Befürchtungen angenehm ruhig, Männergruppen begegnen mir den ganzen Tag vielleicht eine Handvoll. In Weißenstadt angekommen umkurve ich einmal den See, wo erwartungsgemäß viele Menschen den Tag genießen. Weiter geht es an den Ausläufern des Fichtelgebirges, immer wieder hoch und runter.
Ausgeschildert ist der Eger-Radweg in Deutschland leider recht schlecht, so dass ich mich bei mancher Steigung frage, ob die unbedingt nötig war. Auch sind die Wege manchmal sehr holprig, und oftmals kann ich meine Blicke gar nicht in der Umgebung schweifen lassen, weil ich dann riskiere, eins der großen Löcher auf vielen Wegen zu erwischen. Egal, es ist alles gut zu bewältigen, selbst die steile Straße in Hohenburg an der Eger ist nach 5 Minuten erledigt.
Am Nachmittag erreiche ich dann Tschechien und folge ab da bis zum Ende der Tour der Route 6. Ca. 10km hinter der Grenze Cheb, eine Stadt mit langer Geschichte (bei Interesse Wikipedia bemühen), unter anderem wurde hier im Dreißigjährigen Krieg Wallenstein ermordet. In den 2000er Jahren machte Cheb mit seinem Prostitutionsproblem Schlagzeilen.
Nicht der einzige
Blick auf Weißenstadt
31.5.19Cheb – Okounov (100km)
GPS:
https://www.komoot.de/tour/69816303Gut ausgeruht und mit einem üppigen Frühstück (diese süßen Teilchen, die es überall in Tschechien gibt, sind einfach zu verführerisch) starte ich die heutige Tour. Der Weg zieht sich entlang der Eger und großen Rapsfeldern dahin, die vielen Windungen des Flusses lassen dabei keine Langeweile aufkommen. Loket überrascht mich mit einer tollen Burg über der Stadt und herrlichen Festungsmauern. Bald wechsle ich von geteerten Wegen auf Naturuntergrund, links und rechts der Eger geht es durch wunderschöne ausgedehnte Waldstücke. Es sind sehr viele Kanu- und Bootfahrer unterwegs, aber auch Radler kommen mir so einige entgegen. Über eine tolle Hängebrücke geht es vorbei an schönen Felsformationen (Hans Heiling-Felsen) durch eine Art Klamm. Ich bin wirklich angetan. Bezüglich der Wegequalität bin ich sehr überrascht, bis Karlovy Vary sind diese in einem sehr guten Zustand. Ab dort wird es dann so, wie ich es von meinen bisherigen Touren durch unser Nachbarland kenne, viele Schlaglöcher, aber auch zum Großteil rücksichtsvolle Autofahrer, die lieber einen großen Bogen um mich machen, weil ich eben nicht ganz schnurgerade fahre, um nicht unsanft über den Lenker abzusteigen. Ausnahmen bestätigen leider die Regel, ich muss ein paar Kilometer Schnellstraße fahren und ein LKW donnert an mir vorbei, hätte ich den Arm ausgestreckt, wäre der wohl ab gewesen. Kurzes Fluchen meinerseits, dann muss ich mich wieder auf das Markenzeichen der böhmischen Wege konzentrieren…ständig geht es hoch und wieder runter. Am Ende sind das zwar nicht so wahnsinnig viele Höhenmeter, aber die kurzen knackigen Anstiege kosten doch Kraft. Belohnt werde ich aber zeitweise mit schönen Ausblicken. Am späten Nachmittag erreiche ich dann meine urige Pension, alles schon ziemlich in die Jahre gekommen, aber sauber und ordentlich. Bei Hranolky und Pivo stärke ich mich und verziehe mich dann ins Nachtgemach.
Es zieht immer mal wieder kurz ordentlich an
Hans Heiling-Felsen
Loket
1.6.19Okounov – Roudnice nad Labem (110km)
GPS:
https://www.komoot.de/tour/70088123Heute steht die längste Etappe an, passend dazu zeigt das Thermometer 9.30 Uhr bereits 25 Grad an. Aber egal, heute habe ich richtig Lust auf Radfahren. Am Frühstückstisch checke ich noch mal die Route und wundere mich, dass mich Komoot auf den ersten Kilometern etliche Höhenmeter hinaufschickt. Ich schaue noch mal nach einer Alternative in Flussnähe und werde fündig. Die Wege erweisen sich teilweise dann als bessere Trampelpfade. Viele Tschechen sind mit ihren Rädern unterwegs und keiner scheint sich an den katastrophalen Untergrundverhältnissen zu stören. In Kadan sind die Radwege super, leider finden das auch ganz viele Samstagsausflügler, die zu Fuß unterwegs sind und mich zum Schritttempo zwingen. Danach wird es wieder ruhiger, dafür aber auch ruppiger. Hoch und runter geht es auf Schotter, zwischen Schlaglöchern hindurch und immer wieder Autos ausweichend, die hier wie selbstverständlich auf den Wirtschaftswegen (?) verkehren. An der Eger blüht der Raps, aber zum Genießen hab ich keinen Blick frei. Schade. Vorbei am Stausee Nechranice geht’s wieder auf geteerten Landstraßen, und immer leicht bergab, sehr angenehm. Die Städte Zatec und Louny durchquere ich schnell, die einsameren Gebiete interessieren mich mehr als Sightseeing. Da mein Quartier heute etwas abseits der Route in Roudnice nad Labem liegt, zweige ich vor der Straße nach Terezin ab und komme durch ein kleines Waldgebiet. Ein Schild „Pozor vcely“ lässt mich über die Bedeutung rätseln, als ich mich plötzlich mitten in einem Bienenschwarm befinde, die ihre Behausungen links des Radweges umschwirren. Wieder was dazugelernt. Stichfrei erreiche ich dann mein Quartier in Roudnice, wo sich wie in den meisten Städten wunderschöne Gebäude mit heruntergekommenen Häusern und verlassenen Läden abwechseln. Verkehr gibt es aber überall viel. Mit dem guten Pivo lässt sich dann auch das mäßig spannende Champions League-Finale ansehen.
Blick auf Kadan
Des öfteren die Qualität der Wege
2.6.19Roudnice nad Labem - Schöna (86km)
GPS:
https://www.komoot.de/tour/70362623Das lange Wochenende ist schon wieder so gut wie vorbei, Zeit in Richtung Heimat aufzubrechen. Über tschechische Landstraßen rolle ich bei völliger Windstille, aber schon vormittags brütender Hitze gen Litomerice. Terezin streife ich nur am Rande, da ich vor zwei Jahren schonmal einen Abstecher dort hin gemacht habe. In Litomerice ärgere ich mich wie jedes Mal, dass ich auf dem Radweg nie eine gute Position finde, das schöne Schloss der Stadt zu fotografieren. Am besten wäre natürlich die Brücke, aber die ist einfach immer zu stark befahren, um einfach mal anzuhalten. Auf den nächsten Kilometern ist die Wegqualität nicht besonders gut, und es gibt doch den ein oder anderen Höhenmeter zu überwinden. Es ist zum Sonntag erwartungsgemäß viel los, die Sonne brutzelt und so mancher Tscheche fröhnt der Oberkörper-Freikultur, nicht immer ein schöner Anblick. Ich passiere Usti nad Labem und Decin und schließlich auch die Grenze. Kurz danach sitze ich in der S-Bahn nach Dresden, in der ich meine frischen Eindrücke in den Laptop tippe.
Tschechien, immer eine Reise wert. Oft noch sehr urig und das Radhosenpolster sollte was abkönnen, aber die Landschaft, freundliche Menschen und Pivo entschädigen für alles.