Ich baue aktuell ein Rad auf Basis eines (bislang unverbauten) Utopia-Rahmens aus den Neunzigern auf. Der Rahmen hat die damals üblichen schrägen/vorne offenen Ausfallenden, wie damals auch an Rennrädern allgemeiner Standard. Bei allen anderen Rädern, die ich mit diesen Ausfallern habe/hatte, waren die Stellschrauben M3x30 oder M3 x 40. Nun stelle ich fest, dass M3 nicht reinpasst, eine alte (aber vergammelte und viel zu kurze) M2,5-Schraube aus der Gerümpelkiste dagegen scheint zu passen. Gab es tatsächlich neben M3-Gewinden/Stellschrauben auch solche in M2,5? Oder könnte das möglicherweise auch ein Zollmaß (1/10 Zoll?) sein.

Hinweise darauf, dass diese Ausfallenden aus dem frühen Mittelalter und nicht mehr Stand der Technik sind und deshalb auch nicht mehr bei ihnen käuflich, habe ich schon von zwei örtlichen Händlern bekommen. Ist auch eher ein Retro/Vintage-Projekt, der dahingehend Geneigte wird meine Kritikimmunität diesbezüglich verstehen können? Viele Teile am Rad sind "Neunziger Jahre", aber neu. Wenns fertig ist, gibts hier auch eine bebilderte Vorstellung.

Bernd

Ich würde mal sagen, auch heute noch haben 99% aller auch höherwertiger Räder mit Nicht-Rohloff-Nabenschaltungen und somit ohne Schaltungsauge allein zwecks Möglichkeit, die Kettenspannung einzustellen, schräge, nach vorn offene Ausfallenden (und i.d.R. leider ohne diese Stellschrauben - die waren ja deswegen bei den Rennrädern, um bei allen Toleranzen der fertigen (liebevoll handgelöteten, filigran gemufften klassischen Rennrahmens) das mit Schnellspanner versehene HR beim Giro vom Serviceauto schnell raus, gewechselt und auf Anschlag "reingeworfen" wieder exakt justiert hatte ohne Gefummel. Schraubache ist ja gemächlich-simpel, da man erst die eine Seite festschraubt (die "gefühlt" vordere, und dann das Rad händisch fein ausrichtet und dann die andere Seite festschraubt. Mit Schnellspanner geht das nicht so schön Seite für Seite.

Ich glaube, fündig würdest Du für diese Schrauben (wenn es nicht Standard M2,5 notfalls vom Baumarkt ist) am ehesten in einem alteingesessenen, den klassischen Rennrädern affinen Laden, der noch mit den alten europäischen Marken (Sachs-Huret, Campagnolo) und den Italienern und Franzosen unter den Rennrädern großgeworden ist.

lG Matthias

PS.: "Damals"(TM) waren vertikale Ausfallenden durchaus noch generell eher exotisch. Ich kann mich dumpf erinnern, daß bei meinem (komplett unverbastelten) 1986er Bridgestone T700 der Händler auf die vertikalen Ausfallenden noch extra als Besonderheit hingewiesen hatte.

Die da

Der Laden ist in Berlin. Keine Ahnung, weshalb die Englisch als Sprache gewählt haben.

Ja, aber da steht leider nicht, ob M3 oder M2,5 oder irgendwas zölliges oder gar ein kirgisisches 3/17kleinzehen-Feingewinde.. wäre wichtig, wenn offensichtlich verschiedene Varianten bei den Ausfallenden existieren.

Alles zurück! Eine streng inspektiöse Inaugenscheinnahme durch einen metallkundigen Verwandten ersten Grades führte zu der Erkenntnis, dass bei der Erzeugung eines M3-Gewindes bestenfalls der erste von drei Vorschneidern zum Einsatz gelangte. Erstmal seit Anschaffung vor etwa 30 Jahren konnte ich heute die Gewindeschneidertrilogie für 3 Millimeter vollständig aus meinem entsprechenden Fachbehältnis lassen. Jetzt gehen auch M3-Schrauben.

Bernd

Mach es pragmatisch und Bohr es 2,5 mm auf und schneide ein M3er Gewinde rein. Dann passen die "üblichen" Stellschrauben.

Gruß

Jörg

Du schriebst ganz am Anfang "Unverbaut", das hatte ich zuerst als "unverbastelt" = komplettes Utopia-Rad im 1990er-Zustand gelesen. Du meinst aber "unverbaut" = nackerter Rahmen wie aus der Fabrik und nie je in einem Radl gewesen? Dann war wahrscheinlich in dem Rahmen noch nie jemals überhaupt eine Schraube. War das Gewinde nicht fertiggeschnitten oder, was dann auch nicht unwahrscheinlich wäre, zwar komplett geschnitten aber dann zuletzt mitlackiert? Ich schätze, da hast Du dann beim Aufbau noch mehr Gewinde, die Du mit den passenden Gewindebohrern liebevoll fertig- oder freimachen mußt. Lack in einem Gewinde ist ja an sich nicht das schlimmste - wenn man's vorerst nicht braucht, ist es so einigermaßen vor Korrosion geschützt.

So ist es wohl. Die genaue Historie des Rahmens ist kaum zu ergründen, er ist aber bislang definitiv unverbaut, obwohl die Seriennummer auf 1995 schließen lässt. Ich vermute fast, dass er aufgrund eines im Flaschenhaltergewinde abgebrochenen Gewindeschneiders den Produktionsprozess vorzeitig verlassen hat, da nach Lackierung und Goldlinierung auch keine Utopia-Label aufgebracht wurden. Vielleicht gabs beim Rahmenhersteller für Utopia (van Raam, Aalten, nur einen Katzensprung von hier) gelegentlich auch sowas wie ungelabelte B-Ware. Der Vorbesitzer hatte den nach seiner Aussage selbst mal von privat gekauft, ihn dann auch zehn Jahre im Keller liegen und dann (ohne Hinweis den feststeckenden Gewindeschneiderstummel) auf einer bekannten Kleinanzeigenseite angeboten, so kam er zu mir. Den Gewindeschneiderstummel habe ich übrigens auch erst nach dem Kauf bemerkt, aber dafür einen Teil des Preis erstattet bekommen. Und ich habe ihn, obwohl er nahezu nicht zu fassen war, zerstörungsfrei rausbekommen.

Bernd