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#1305231 - 10/08/17 10:08 AM
China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
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: | 22.6.2017 15.7.2017 |
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: | China
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Meine diesjährige Tour in China sollte eine Art thematische Fortsetzung meiner Sichuan-Tour sein, sozusagen, um nun auch noch das tibetische Gebiet "Amdo" kennenzulernen (also die heutige Provinz Qinghai). Ausnahmsweise konnte ich in diesem Jahr bereits im Juni/Juli frei nehmen, so dass ich endlich auch einmal den blauen Mohn (Tibetmohn) finden wollte und überhaupt das tibetische Hochland einmal im Sommer erleben konnte. Start- und Ende der Qinghai-Tour war die Stadt Xining. Die Quelle des Gelben FlussesDer Bus aus Xining hält nach 8 Stunden Fahrt einfach am Straßenrand mitten in dem tibetischen Städtchen Maduo, 4270m Höhe. Die anderen Fahrgäste sind schon längst weitergegangen, als ich noch das Fahrrad herrichte. Als nächstes gilt es: Essen, Unterkunft finden, Einkaufen für die nächsten drei Tage. Schnell finde ich mich zurecht, esse erst eine Portion leckere Nudeln, kaufe dann in einem der vielen Kramläden ein paar Lebensmittel und packe dann in Ruhe meine Sachen im Zimmer einer Familienunterkunft. Interessanterweise habe ich keinerlei Probleme mit der Höhe, so dass ich am späteren Nachmittag noch das Kloster am Ortseingang besuche, sozusagen als Startpunkt meiner Radtour in der chinesischen Provinz Qinghai (tibetisch Amdo). Am nächsten Morgen geht es los, zunächst auf einer kleinen Asphaltstraße 30 km in Richtung Ngoring See, dann auf Piste weiter. Auf der Hochebene hier habe ich keine längeren Steigungen zu bewältigen, aber es gibt zahlreiche kleinere, oft auch steile Hügel. Mich umgibt typisch zentralaisatische Landschaft: grünes Gras, blauer Himmel, weiße Flöckchenwolken. Wanderfalken und Bussarde brüten auf ihren Horsten, vereinzelt sehe ich Gazellen und Wildesel. Jetzt im Sommer gibt es auch immer wieder hübsche bunte Blumen. Routiniert finde ich meinen Rhythmus. Wie üblich nimmt der Wind im Laufe des Tages zu, so dass ich am Nachmittag zunehmend gegen starke Böen ankämpfen muss. Ich beobachte auch einige Gewitterzellen über dem See, bleibe aber zunächst verschont. Ich komme so gut voran, dass ich an diesem Tag noch bis zum Aussichtspunkt mit der Rinderkopf-Stele radeln möchte, was einer Tagesetappe von 90 Kilometern entspräche. Als ich dann am späten Nachmittag das Kloster am Fuß des Hügels mit dem Monument erreiche und von dort die letzten 5 Kilometer in Serpentinen 350 Höhenmeter hinauf muss, stelle ich die meine Entscheidung kurzzeitig dann doch nochmal in Frage. Der Wind ist jetzt so stark, dass ich bergauf im Gegenwind nicht mehr fahren kann, und jetzt mühsam schieben muss. Dafür gibt es dann nach jeder zweiten Kehre einen kräftigen Windschub von hinten, der aber die anstrengenden Schiebepassagen nicht ausgleichen kann. Zwei Stunden brauche ich für diesen Anstieg, dann bin ich oben und genieße den Blick über das Qinghaiplateau. Irgendwo dort hinten im Sumpfland entspringt der Gelbe Fluss, der dann die beiden Seen Kyaring Tso und Ngoring Tso speist und dann m Zickzack-Kurs nach über 5000 Kilometern das Chinesische Meer erreicht. Hier auf 4610 m habe ich das Gefühl, direkt die Wolken greifen zu können. Fasziniert beobachte ich das Wettergeschehen: Gewitterzellen entstehen wie aus dem Nichts, lösen sich wieder auf, dann scheint die Sonne zwischen den Wolken hindurch, dann treibt ein heftiger Graupelschauer über mich hinweg und kurz darauf trifft die Abendsonne genau die Stelle wo ich sitze und wärm sehr angenehm. Ich beschließe, mein Zelt hier oben aufzubauen um am nächsten Morgen den Sonnenaufgang zu genießen. Da ich den ganzen Tag über keine Probleme mit der Höhe hatte, bin ich zuversichtlich, dass ich die Nacht auf 4600 m, also meine zweite Nacht überhaupt, gut überstehen werde. Die Nacht war kalt, das Zelt und das Gras sind morgens mit Raureif bedeckt. Die Sonne geht gerade über dem Kyaring See auf, der Himmel ist fast wolkenlos. Ich fühle mich gut, muss aber dringend meinen Wasservorrat auffüllen. Schnell bin ich die Serpentinen wieder hinuntergeradelt und begebe mich nun auf einen kleinen Rundkurs zwischen den beiden Seen, bevor es nach Maduo zurück geht. Am Kyaring Tso fülle ich meinen Wasservorrat auf. Ein Tibeter hatte mir gesagt, wer das Wasser vom Kyaring Tso trinkt, würde ein hübsches Gesicht bekommen und ein langes Leben haben. Wie auch immer, das Wasser ist klar und macht einen sauberen Eindruck. Ich habe es jedenfalls gut vertragen. Da ich gerne an einem der Seen zelten möchte, baue ich nachmittags das Zelt am Ufer des Ngoring Tso auf. Die Sonne wärmt zwar, aber der kalte Wind macht es dann doch recht unangenehm. Ich beobachte die Vögel: Rostgänse, Möven, Uferschwalben und meine Lieblingstiere, die Himalayastreifengänse. Leider sind die Streifengänse sehr scheu. (Fortsetzung folgt...)
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Edited by wal (10/08/17 10:46 AM) |
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#1305277 - 10/08/17 03:13 PM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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Zum heiligen Berg Amnye MachenNach einem weiteren Versorgungsstop in Maduo radle ich nun in Richtung des Amnye Machen Gebirges, wo ich den heiligen höchten Berggipfel sehen möchte. Der noch sehr kleine „Gelbe Fluss“ mäandriert träge über das Hochplateau. Er umfließt das Amnye Machen Gebirge fast vollständig mit einer großen Haarnadelschleife im Osten, ich werde also im Verlauf der Tour noch einmal auf den Gelben Fluss stoßen, nachdem ich das Amnye Machen Gebirge durchquert habe. Recht unspektakulär verläuft die Landstraße entlang der neu gebauten Autobahn nach Norden, bis ich dann nach 90 Kilometern in östlicher Richtung zum Anmye Machen abzweige. Unvermittelt hält ein Autofahrer und drückt mir wortlos eine Tüte mit gerösteten Bohnen in die Hand und ein nachgemachten Snickersriegel. Die gerösteten Bohnen schmeckten unerwartet lecker, während das Snickers-Imitat eher ungenießbar war. Auf einer sehr angenehmen Piste fahre ich nun gerade auf das Gebirge zu, in der Ferne sehe ich schon die Schneeberge leuchten. Doch etwas stört: Es ist die nagelneue Autobahn, die hier, direkt neben der Piste gebaut wurde. Was ich jetzt noch nicht weiß: Diese Autobahn wird mich auf der gesamten Strecke durch das Amnye Machen Gebirge begleiten, bevor ich sie dann bei Dawu nach Norden verlasse. Es ist eine neue gebaute Autobahnstrecke bis nach Chengdu (Sichuan). Noch ist die Autobahn nicht in Betrieb genommen, aber die Leitplanken, die Zäunung aus Militärstacheldraht, die Verkehrsschilder und die Asphaltdecke sind bereits fertig. Ich ignoriere die Autobahn zunächst und genieße die Fahrt auf die Schneeberge zu. Ich befinde mich immer noch auf einer Höhe von 4000 m. Immer wieder sehe ich Gazellen, und einmal schleicht ein Schakal über die Piste. Die Piste führt mich zunächst hinab zum Dorf Xiadawu auf ca 3700 m. Von dem dortigen Kloster geht es dann kontinuierlich hinauf zum großen Gletscher des Amnye Machen Gipfel. am Kloster in Xiadawu Irgendwann am frühen Nachmittag finde ich einen wunderschönen Zeltplatz und beschließe Schluss zu machen. Ich baue mein Zelt hier auf etwa 4200 m Höhe in eine bunte Wiese mit gelbem Scheinmohn (Meconopsis integrifolia), Edelweiß und anderen Blumen und mit Blick auf die zahlreichen Schneegipfel des Amnye Machen Gebirges. Den höchsten Gipfel kann man von hier aus jedoch nicht sehen. Den hier sehr häufig vorkommenden gelben Scheinmohn kenne ich ja schon von anderen Touren im chinesisch/tibetischen Hochgebirge (Kawakarpo), und ich bin gespannt, ob ich auch noch den nur im Juni/Juli blühenden blauen Scheinmohn finden werde… Gut ausgeruht begebe ich mich am nächsten Morgen an den Anstieg zum Gletscher. Die Qualität der Piste und die Pistenführung hat sehr unter der Autobahnbaustelle gelitten, die Oberfläche ist voll Schlaglöcher und groben Steinen und es geht oft in steilen Rampen mal rechts, mal links der Autobahn. Irgendwann aber führt die Piste dann aber steil am Hang bergauf um danach fast hangparallel als Panoramapiste mit gemäßigter Steigung zum Gletscher zu verlaufen. Die Autobahn verschwindet hier in einem Tunnel und ich werde sie erst wieder hinter dem Pass zu Gesicht bekommen. Gegen Mittag erreiche ich dann das kleine Kloster am Gletscher auf 4650 m. Alles ist voll mit Gebetsfähnchen, die auf der Endmoräne platziert sind und im Wind heftig flattern. Gebetsfähnchen auf der Endmoräne Das Gletscherpanorama ist wunderschön, aber leider bleibt der Hauptgipfel unter einer Wolke versteckt. Der Gletscher ist ein typischer Gletscher, wie ich auch an anderen Schneebergen des tibetischen Hochlandes schon gesehen habe (wie zb am Toze Kangri). Allerdings hat dieser Gletscher hier seltsame Muster aus geschmolzenem und sublimiertem Schnee, wie ich sie bis dahin noch nie so gesehen habe. Ich verbringe mehrere Stunden hier und staune über dieses einzigartige Panorama aus blauem Himmel, weißen Berggipfeln und dem Gletscher mit den so seltsamen Schneemustern. (Fortsetzung folgt...)
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Edited by wal (10/08/17 03:16 PM) |
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#1305288 - 10/08/17 04:20 PM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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Wieder mal eine Hammertour von Dir mit tollen Bildern! Ich bin schon gespannt auf die Fortsetzung!
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#1305317 - 10/08/17 05:55 PM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: dhomas]
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Wieder mal eine Hammertour von Dir mit tollen Bildern! Ich bin schon gespannt auf die Fortsetzung! Schließe mich dem vollumfänglich an.
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***************** Freundliche Grüße | |
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#1305330 - 10/08/17 07:54 PM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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Wie schon von Dir gewohnt, ein toller Reisebericht über eine beeindruckende Tour. Ich freue mich auf die Fortsetzung!
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Gruß, Arnulf
"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot) | |
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#1305383 - 10/09/17 09:44 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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... weiter geht's: Am den Hängen gibt es wunderschöne bunte Blumenwiesen, die Piste schlängelt sich von dem Gletscher aus sanft bergab. Immer wieder halte ich an und bewundere die Blumenrasen. Und ich erhasche einen wolkenfreien Blick auf den zweithöchsten Gipfel des Amnye Machen Gebirges, eine steile Spitze aus Schnee und Eis. Gegen Nachmittag am nächsten Tag wird das Wetter schlechter. Plötzlich sind die hohen Gipfel in den Wolken verschwunden. Es beginnt zu regnen. Da steht am Pistenrand ein leeres Zelt, wahrscheinlich von irgendwelchen Bauarbeiten. Schnell bin ich hineingeschlüpft. Das Zelt ist leer, bis auf ein großes Bett. Perfekt für einen Regentag. Von dem Zelt auf 4300 m führt die Piste nun hinab auf 3700 m. Nach dem Regen steigt nun Nebel aus dem Tal empor. Die Piste ist vom Regen matschig und lässt sich nur mühsam radeln. Gerade als es mich total nervt, finde ich eine Lücke im Zaun zur Autobahn und stehe dann auf der nagelneuen, glatten Asphaltbahn, nur die Fahrstreifenmarkierung fehlt. In gleichmäßigem Gefälle und mit sehr sanften Kurven über eine Länge von 20 Kilometern führt die neue Straße die 600 Höhenmeter hinab. Lange Hangbrücken überqueren die tiefen Täler, die schlammige Piste sehe ich unten. Auch wenn ich von der Existenz der Autobahn und insbesondere dem brutalen Stacheldraht, der sie umzäunt, nach wie vor nicht begeistert bin, so bewundere ich doch die Leistung, in dieser Landschaft über eine so lange Strecke eine so gleichmäßig einnivellierte Straße zu bauen. Mit riesigen Stelzen wird die Straßenneigung auch auf den Brücken eingehalten. Ich stehe am oberen Ende einer riesigen Rampe: Ich muss nur rollen lassen. Auf und AbDurch die rasche Abfahrt fühle ich mich im Dorf Xueshan wie in einer anderen Welt. Wacholderbäume säumen die Hänge, die Luft fühlt sich seltsam dick und schwer an. Von hier aus führt meine Route nun wieder auf einer Piste bergauf über einen weiteren 4000er-Pass des Ausläufers des Amnye Machen Gebirges. Ich folge in den nächsten Tagen immer wieder einem Fluss bergauf, dann kommt ein Pass, dann im nächsten Tal bergab. Dann wieder flussauf, ein Pass, wieder bergab, und so weiter. Dabei werden die Pässe immer niedriger und die Flüsse immer größer. Kloster im Dorf Xueshan Wacholderwälder wieder fast auf 4000m Auf den Pässen abgeworfene Papierschnipsel mit dem heiligen Windpferd (bringt Glück) Irgendwann an einem der nächsten Tage erreiche ich gegen Mittag die Stadt Dawu, eine recht große Stadt. Ich besuche das Kloster und verbringe den Rest des Tages damit, in verschiedenen Restaurants zu essen. Zwei Pässe und zwei Tage später erreiche ich dann wieder den Gelben Fluss, das Amnye Machen Gebirge liegt also jetzt hinter mir. Hier macht der Fluss seinem Namen schon alle Ehre: gelbbraun und träge fließt der nun schon recht breite Strom dahin. Für mich geht es nach der Brücke erstmal wieder bergauf. Der Gelbe Fluss Ab hier besteht die Landschaft aus rotem Lößboden, teilweise stark erodiert, aus dem riesige Sandsteinfelsen emporragen. Ich befinde ich mich mal wieder auf endlos erscheinenden Serpentinen bergauf. Es ist später Nachmittag und nieselt leicht. Schon von weitem erkenne ich den idealen Platz: Ausgehend von der nächsten Spitzkehre gibt es eine Wiese mit einzelnen Felsen die in eine von Sandsteinfelsen gesäumte Schlucht führt. Der kleine Bach scheint mir zwar nicht ganz so trinkbar, wie ich gehofft hatte (zu viele Viehspuren), aber mein Wasservorrat reicht aus, um ein Abendessen zu kochen. Es ist einer der schönsten Zeltplätze auf der gesamten Tour. Blick auf die Straße, auf der ich hergekommen bin, und wie es weitergeht Riesige Murmeltiere wohnen in den Löchern unter den Felsen, Pikas wohnen in den kleineren Löchern in der Wiese, Dohlen kreischen in den Höhlen der Sandsteinfelsen und es gibt noch zahlreiche andere Vögel, die beobachten kann.
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#1305525 - 10/10/17 07:01 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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... weiter: Am nächsten Tag komme ich am Vormittag durch ein Dorf, in dem jeder Laden an den Türen auf riesigen Postern das entsprechende Sortiment abgebildet hat. Ich kaufe nochmal ein paar Lebensmittel. Allerdings habe ich ziemlich Schwierigkeiten mit der Verständigung, ich muss immer mehrmals nachfragen, bis ich das Chinesisch der hier lebenden Tibeter verstehe. Auch einfache Worte, wie die Zahlen sprechen sie für mich sehr ungewohnt aus. Weiter geht es hinab in ein Canyon aus steilen, roten Sandsteinfelsen, jetzt bin ich nur noch auf 3300 m. Auf den kleinen Grasflächen auf den Felserücken stehe Nomadenzelte mit ihren Tierenherden, Yaks und Schafe. Ich folge dem Fluss im Canyon nun wieder bergauf, bis auf 4000 m Höhe. Irgendwann erreiche ich das obere Ende des Sandsteinfelsencanyons, dann kommt wieder ein Abschnitt mit Wacholderwädern, dann wieder Grasland. Die Golog-Hochebebe, so um die 4000 m hoch gelegen. Seit ich den Gletscher vom Amnye Machen verlassen habe, beobachte ich sehr aufmerksam die Vegetation entlang der Straße und unternehme immer mal wieder Spaziergänge in die Landschaft von der Straße weg. Irgendwo muss er doch sein, der blaue Mohn… Aber bislang konnte ich ihn nicht finden. Grasland und NomadenIn der Ferne sehe ich zahlreiche Nomadenzelte. Entlang der Straße gibt es „Ladenzelte“, die üblichen Kramläden mit bunt verpackten getrocketen Lebensmitteln, und Getränken in bunten Flaschen. Auch Restaurant-Zelte gibt es, die typisch tibetische Gerichte anbieten: getrockneter Yakmilchkäse, vergorene Stutenmilch, Yakbuttertee, Yakfleisch, Tsampa. Hinter der Ladenzeile stehen zahlreihe Nomadenzelte und ein großes Festzelt. Hier findet gerade eine buddhistische Zeremonie statt mit Opferfeuer und anschließender Zeremonie im Festzelt. Neugierig schaue ich aus der Entfernung zu. Ein paar festlich gekleidete Männer kommen auf mich zu. Kritisch, ohne ein Wort zu sprechen begutachten sie mich und das Rad. Ich begutachte die Männer ebenfalls kritisch, halte ihren Blicken stand. Als die Männer das Gebetskettchen am Lenker und daneben die typische Steinschleuder der Nomaden sehen (beides hatte ich in Maduo bei einem netten Tibeter gekauft), kann ich in Ihren Blicken so etwas wie Respekt erkennen. Ich deute mit fragendem Blick auf die Kamera, die Männer signalisieren Zustimmung. Ich radle weiter und erreiche bis zum späten Nachmittag noch den Abzweig zu einer Piste, der ich in Richtung Zeku folgen möchte. Ich finde einen Zeltplatz im Grasland etwa 500 m von der Piste entfernt. In der Umgebung gibt es einige Nomadenzelte, aber jeweils mindestens einen Kilometer entfernt. Ich fühle mich hier ungestört, unternehme einen Spaziergang, um die verschiedenen Blumen zu sehen (Gelber Mohn, Edelweiss, etc, aber immer noch kein blauer Mohn) und beobachte vor dem Zelt sitzend, wie sich die Wolken verändern oder schaue den kleinen Pikas zu, die von einem Loch ihres Baus zum anderen flitzen. Die HundeNachts höre ich sie zum ersten Mal. Hundegebell in der Ferne, das sich aber wieder legt. Dann im Morgengrauen kommen sie wieder. Kläffend umrunden zwei Hunde das Zelt, kommen immer näher. Schließlich positioniert sich ein Hund genau vor dem Zelteingang und der andere genau hinter dem Zelt. Ich beschließe, zunächst abzuwarten und hoffe, dass die Hunde bald wieder abziehen. Die Sonne ist gerade erst aufgegangen, die Tautropfen im Gras glitzern in den ersten Sonnenstrahlen. Im Zelt greife ich nach meiner Wasserflasche, um etwas zu trinken. Dabei bewegt sich die Zelthülle und der hinter dem Zelt kläffende Hund greift mit einem kraftvollen Sprung das Zelt an. Ein Loch im Außenzelt ist die Folge. Sofort bin ich raus aus Schlafsack und Zelt, will die Hunde vertreiben. Keine Chance. Anbrüllen nützt nichts, Ignorieren auch nicht, Steine gibt es leider weit und breit keine... Das Werfen von getrockneten Yakfladen bringt kurzzeitige Abhilfe, aber die Hunde sind dann trotzdem ganz schnell wieder da. Die Hunde machen Scheinangriffe, einer von vorne, der andere von hinten. Bis auf einen halben Meter kommen sie kläffend auf mich zu, dann drehe sie kurz ab. Sie benehmen sich genau wie gut eingespielte Jagdhunde. Nur leider bin ich diesmal nicht der Jäger, sondern die Beute. Mir wird klar, dass ich die Hunde auf keinen Fall provozieren oder erschrecken darf. Ich versuche also eine dominante Körperhaltung einzunehmen und beginne in langsamen, kontrollierten Bewegungen meine Sachen einzupacken. Isomatte einrolle im Stehen, lass die Hunde bloß nicht das rote Futter des Schlafsacks sehen… Langsam entferne ich die Heringe, dann die Zeltstange. Und das alles ohne Frühstück… Als der Zeltstoff flach auf dem Boden liegt, geben die Hunde kurz Ruhe. Doch plötzlich geht es wieder los, einer kommt von vorne, der andere von hinten. Zelt einpacken, Rad aufrichten, Packtaschen ans Rad. Langsam bewege ich mich in Richtung Piste. Die Hunde begleiten mich zähnefletschend. Einer rechts, einer links. Dann muss ich eine unsichtbare Grenze überschritten haben, denn unvermittelt drehen die Hunde ab, als wenn nie etwas gewesen wäre. (Fortsetzung folgt...)
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#1307080 - 10/21/17 07:43 PM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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Liebe Waltraud, Deinen Hund auf dem Foto kennen wir...
Tibets Hunde sind leider wirklich nicht zu unterschätzen.
Bei einem früheren Aufenthalt verbiss sich einer- ohne auch nur eine Vorankündigung- während eines Morgenlaufs in meinem Oberschenkel. Ich denke er wollte mich töten! So sind sie leider die Tibetischen Hirtenhunde. Sie entscheiden einsam auf der Hochgebirgsalm wer Freund und wer Feind ist. Der Feind wird gnadenlos angegriffen. Selbst wenn es das eigene Leben kosten könnte. Mir half eine Wasserflasche aus Glas. Nach wenigen Schrecksekunden hatte ich Steine und somit die Oberhand.
Schön, dass Du diese interessante, aber wirklich gefährliche Situation, unbeschadet überstanden hast.
Dein Bericht erinnert uns natürlich an unsere Tour zum Amyne Machen in 2011. Damals allerdings noch ohne jede Teerstraße. Viele Orte meinen wir wiederzuerkennen. Eine tolle Landschaft! Eine tolle Reise Wir freuen uns auf die Fortsetzung. Isabel und Uwe
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#1307365 - 10/24/17 03:50 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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Vielen Dank für die viele Arbeit die du dir mit dem Bericht machst! Beeindruckende Landschaften und wunderschöne, stimmungsvolle Aufnahmen der Bergwelt. Konntest du die Kloster im Amnye Machen, wie zB im Dorf Xueshan auch besuchen? Leben dort überhaupt permanent Mönche? Vielen Dank Gruß Horst
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#1307375 - 10/24/17 05:57 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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Deine Berichte und Photos sind jedesmal einfach nur spitzenklasse.
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#1307383 - 10/24/17 06:36 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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... so, ich mach' jetzt mal weiter. Sorry für die lange Pause, war doch auf der Arbeit viel los... ZäuneDie Piste ist schön zu fahren und schlängelt sich über das Grasland. Leider nur sind die Weiden heutzutage eingezäunt, was mich nun irgendwie aussperrt. Gerne würde ich mich für eine Frühstückspause in die Blumenwiese setzen, aber es ist immer der Zaun dazwischen. An einigen Stellen kann man jedoch über den Zaun klettern und sich dann doch an den schönen Wiesen erfreuen. In regelmäßigen Abständen wohnen Nomadenfamilien in ihren weißen Sommerzelten und betreuen ihre Tiere. Häufig werde ich herangewunken, man möchte gerne ein Foto von mir machen. Ich nutze dann die Gelegenheit, um auch einige tibetische Gesichter zu fotografieren, aber irgendwann nervt das Ganze auch und ich ignoriere dann die Einladungen. Ich erreiche Zeku, esse eine Portion Nudeln und radle weiter. Die Zeltplatzsuche wird erschwert durch die eingezäunte Landschaft. Ich entdecke viele schöne Zeltplätze, möchte aber die Ausrüstung und das Rad nicht mühsam über den Zaun verfrachten. Also bleibt nur, auf eine Lücke im Zaun zu warten, die dann auch irgendwann kommt. Als ich dann nachts im Zelt liege und irgendwo in der Ferne wieder Hunde bellen, kommt die Erinnerung an die beiden Hunde am Zelt wieder hoch. Ich beruhige mich damit, dass ich solch eine unangenehme Begegnung mit Hunden bis dahin trotz mehreren Radreisen in Zentralasien und Tibet noch nie hatte, und dass es wohl eher unwahrscheinlich ist, noch einmal auf genau solche aggressive Hunde zu stoßen… Zur Sicherheit habe ich aber ab jetzt einen Vorrat an Wurfsteinen vor dem Zelt liegen. Es war dann aber eine sehr friedliche Nacht. AbfahrtHeute werde ich die letzten Kilometer auf der Hochebene radeln, dann geht es bergab, nach Norden, zurück nach Xining. Der letzte 100-Höhenmeter-Anstieg, dann eine Straße, die fast Hangparallel zum höchsten Punkt vor meiner Abfahrt führt. Ich bin auf die angenehme Straßenführung und den in der Ferne schon sichtbaren Fähnchenwald am Pass fixiert. Da sehe ich aus den Augenwinkeln: Etwas Blaues am Hang an der Straße. Sofort weiß ich: Das kann nur der Blaue Mohn sein. Und tatsächlich: Hier, auf etwa 3700 Metern Höhe wachsen in der feuchten Erde zwischen den Azaleen einzelne blau blühende Meconopsis-Pflanzen. Endlich. Sozusagen am letzten Tag, als ich gar nicht mehr damit gerechnet habe. Ich mache einen ausgedehnten Spaziergang, um mir diese hübschen Pflanzen genau anzusehen. So ist mein Wunsch doch noch in Erfüllung gegangen, einmal den blauen Mohn zu sehen. Als ich dann den Pass mit etwa 3700 Metern erreiche, bläst ein starker Wind vom Tal aufwärts. Nun erwartet mich eine 50 Kilometer lange Abfahrt, leider wie es scheint mit Gegenwind. In der Bude am Pass kaufe ich noch einmal ein Getränk. Ein Tibeter fragt, ob ich etwas essen möchte, ich lehne ab und verweise auf meine Packtaschen, wo genug zu essen drin ist. Aber er besteht darauf, dass ich etwas esse. Irgendwann wird mir das zu blöd und ich fahre los. Als ich schon auf den Serpentinen bergab rausche, kommt ein Auto neben mich und der Tibeter vom Pass reicht mir eine Plastiktüte mit diversen Vakuumverpackten Lebensmitteln rüber. Etwas für unterwegs, heisst es. Am Fuß der Serpentinen setze ich mich auf eine Wiese und begutachte, was ich da bekommen habe: 1x Hühnerfüße (Vakuumverpackt), 2x Hühnchenschlege (vakuumverpackt), 3x mit Gewürzkruste geröstete Erdnüsse, einige in Fruchtsaft verpackte Gelstückchen, Wasser, Sprite. Die Getränke sind super, kann ich gut brauchen, die in Fruchtsaft schwimmenden Gelstücke sind erstaunlich erfrischend, die Hähnchenschlegel schmecken wiedererwarten auch ganz ok, aber die Hühnerfüße und die gerösteten Nüsse verschenke ich kurzerhand weiter an ein Ehepaar, das in der Nähe Picknick macht. Es folgt dann eine sehr angenehme Abfahrt, zunächst wieder durch Wald, später Steppenartige Landschaft mit Dörfern und terrassierten Feldern, immer an einem reißenden Fluss entlang. Der heiße Talaufwärtswind dörrt mich aus, so dass ich mehrere Gelegenheiten für eine kleine Pause nutze. An einem Pappelhain am Fluss möchte ich kurz im Schatten rasten, da winkt mich schon wieder eine Vierergruppe heran. Da es dort Wassermelone gibt, geselle ich mich gerne dazu und überlebe eine Überraschung: Das Ehepaar, dem ich weiter oben am Pass meine ungeliebten Lebensmittel schenkte, hatte mich zwischenzeitlich mit dem Auto überholt und sitzt hier auch für eine kurze Rast im Schatten. Sofort bekomme ich ein großes Stück Wassermelone und die zweite noch nicht aufgeschnittene Wassermelone soll ich dann auch noch mitnehmen… Zwei Tanklastfahrer, die stolz auf ihre deutschen Mercedes-Laster sind und irgendwie abends/nachts noch bis Lanzhou fahren müssen, sind auch noch dabei, und so ist es eine lustige Runde um den heißen Wind am Nachmittag etwas abzuwarten. Das Ehepaar, dem ich die vakuumverpackten Hühnerfüße schenkte und die zwei Tanklastwagenfahrer. (später geht's weiter...)
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#1307384 - 10/24/17 06:42 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: memy]
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Hallo Horst, das Kloster in Xiadawu (also am Fuß der Piste, die zum Amnye Machen führt) wurde gerade massiv renoviert, das ist was größeres und da leben auf jeden Fall zahlreiche Mönche. Am Gletscher selber sind tagsüber auf jeden Fall auch immer einige Mönche anwesend, schon alleine um den Laden mit Gebetsfähnchen, Getränken, etc zu betreiben. Es lebt dort aber glaube ich niemand. Das Kloster in Xueshan ist offensichtlich auch noch in Betrieb (ich sah einzelne Mönche), machte aber einen insgesamt eher runtergekommenen Eindruck. Inwieweit hier eine Verkleinerung/Schließung oder Ähnliches vonstatten geht/ging, hat sich mir leider nicht erschlossen.
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#1307386 - 10/24/17 06:59 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: uwee]
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Hi Uwe, ja, das mit den Hunden war schon sehr speziell. Zum Glück hatte ich bisher, trotz zahlreicher Radreisen in Länder mit Nomaden und auch in Tibet, noch nie vorher so ein Erlebnis. Es war echt blöd, dass wirklich nichts an Steinen da war.
so long, Waltraud
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#1307388 - 10/24/17 07:21 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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Posts: 13,167
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Hallo Waltraud,
Deine Berichte begeistern mich immer wieder. Sie führen mich in Gebiete, wo ich wohl nie eine Radreise unternehmen werde. Gut, dass Du die Begegnung mit den Hunden gut überstanden hast. Man fühlt sich doch recht ausgeliefert, wenn man nicht die Möglichkeit hat, einfach weiterzufahren. Ich habe schon eine schlaflose Nacht gehabt, als einmal in Albanien ein Hund bellend und knurrend um mein Zelt geschlichen ist, kurz nachdem ich mich zum Schlafen dorthin zurückgezogen habe. Zum Glück ist auch da nichts passiert, aber angenehm ist das nicht.
Ich hoffe, dass Du schon wieder ein neues spannendes Ziel in Planung hast und dass Du dann wieder im Forum darüber berichtest.
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Gruß, Arnulf
"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot) | |
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#1307429 - 10/24/17 12:26 PM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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aber die Hühnerfüße und die gerösteten Nüsse verschenke ich kurzerhand weiter an ein Ehepaar, das in der Nähe Picknick macht. HaHa (chinesisch geht net, daher Pinyin), dabei sind die Füßchen doch soo deliziös und mit ziehmlicher Sicherheit aus der Heimat. Der Track auf deiner Webseite ist nur grob deine Strecke auf Google nachgeroutet, oder? Bist du nach Karte gefahren oder nach Straßenbeschilderung?
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Edited by aighes (10/24/17 12:30 PM) |
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#1307457 - 10/24/17 04:44 PM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: aighes]
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Hi Henning, die Hühnerfüße hab' ich durchaus schon gegessen und finde sie jetzt auch nicht sooo sehr "schlimm". Nur aus der Vakuumpackung und bei dem doch eher bescheidenen Nährwert war mir dann nicht so danach...
Ja, Route auf der Webseite war mal ein grober Anhaltspunkt. Bin dann größtenteils nach Schildern gefahren, bei einigen Pisten dann mit OSM Offlinekarten um ggf unbeschilderte Abzweige nicht zu verpassen.
so long, Waltraud
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#1307475 - 10/24/17 07:37 PM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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Hallo Waltraut, vielen Dank für Deinen wie gewohnt wunderschönen Bericht. Besonders gefallen haben mir die Bilder der zentralasiatischen Flora. Eine große Auswahl an Meconopsis kann man übrigens im Juli im botanischen Garten von Tromsö bewundern, der sich auf Pflanzen der alpinen und polaren Regionen spezialisiert hat, und mein Lieblings-BotGart ist. Meconopsis betonicifolia und wahrscheinlich auch grandis hatte ich auch mal im Garten. Bei uns im bergischen Klima gedeihen sie, wenn man sie vor zu viel Sonne, Wind und Schnecken schützt. Die von Dir fotografierten blauen Mohnpflanzen scheinen aber einer anderen Art anzugehören. Etwas zentralasiatische Steppenflora habe ich bei einer organisierten MTB-Tour durch die Mongolei im August bewundern können, u.a. große Mengen Edelweiß sowie Rittersporn. Die von Dir so schön fotografierten Iris waren leider schon abgeblüht. Gerne würde ich auch eine Radreise in Bhutan oder im tibetischen Kulturraum in China machen; das könnte aber meine körperliche Leistungsfähigkeit und meinen "Mut" (Hunde, fremde Schrift ...) übersteigen, es sei den evtl. mit Gepäcktransport und Guide. Karl
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#1307638 - 10/26/17 05:59 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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... Fortsetzung: Während der Rast im Pappelhain ändert sich das Wetter. Der talaufwärts gerichtete Wind hat deutlich zugenommen und Wolken zogen auf. Da ich den Pappelhain für ein Nachtlager nicht für geeignet halte, mache ich mich auf, um einen besseren Übernachtungsplatz zu finden, bevor es womöglich anfängt zu regnen. Es wird jetzt aber zunehmend schwierig, einen Zeltplatz zu finden, denn ein Dorf geht in das nächste über. Dazwischen Felder: Raps, Gerste, Weizen. An einem alten Stupa halte ich an, die Bemalung interessiert mich. Leider ist der Ort nicht gepflegt und zum Übernachten auch nicht so toll, weil überall Glasscherben rumliegen. Etwas später finde ich dann doch noch einen schönen Zeltplatz: auf einer alten Feldterrasse, von der Straße nicht einsehbar und mit Blick in ein kleines Canyon, in dem der Fluss, dem ich talabwärts folge, jetzt verläuft. Das Federgras zeugt von der steppenartigen Vegetation, die mich hier umgibt. Als das Zelt steht, fallen dann auch tatsächlich ein paar Regentropfen. Es ist mein letzter Zeltplatz, morgen werde ich nach Tongren reinfahren und dann den Bus zurück nach Xining nehmen. Kloster LongwuNur wenige Kilometer nach meinem Zeltplatz erreiche ich die Stadt Tongren/Rongwu. Hier steht das Kloster Longwu, das ich mir noch ansehen möchte. Es ist ein Kloster der Gelug-Schule, um 1300 gegründet und gehört damit den ältesten noch aktiven Klöstern in Amdo. Die größeren Klöster sind wie kleine Städte: Eine Mauer mit zahlreichen Tempeln umgeben den Gebäudekomplex aus Tempeln, Wohnhäusern und anderen Funktionsgebäuden. Die einzelnen Tempel sind oft zu ganz unterschiedlichen Zeiten gebaut und daher auch vom Baustil her sehr vielfältig. So früh morgens bin ich der einzige ausländische Gast. Mit dem Fahrrad fahre ich einmal um die Außenmauer des Klosters, dann stelle ich das Rad dann im Inneren irgendwo in einer Gasse ab und erkunde die verschiedenen Tempel zu Fuß. Es gibt Opfertempel, Gebetshallen, Tempel mit verschiedenen Buddhastatuen, etc... Die Mauern mit traditionellen tibetischen Mustern, oft auch geschnitzten Tierfiguren über dem Eingang die einen chinesischen Einfluss in der Architektur erkennen lassen. Ich verbringe mehrere Stunden in den verwinkelten Gassen des Klosters zwischen Mönchen und einheimischen Pilgern. Irgendwann gelange ich dann (von innerhalb) in die Nähe des Haupteingangs und hier holt mich die Realität wieder ein: „You! Ticket!“ schallt es von irgendwo her. Die Stimme ignorierend verdrücke ich mich wieder in einer Seitengasse, suche mein Fahrrad und verlasse das Kloster wieder durch den Seiteneingang, durch den ich kam. Anstatt dem offiziellen Ticketpreis zu bezahlen, mache ich dann später in einem Tempel eine Geldspende. Dies war dann der Abschied meiner Radtour. Am nächsten Morgen bringt mich der Bus von Rongwu wieder nach Xining. Fahrradmitnahme problemlos und kostenlos, wie bisher immer. AbschlussAnschließend verbringe ich noch drei Tage am Qinghai Hu (Kokonor), dem großen See im Westen Qinghais. Dort findet jährlich auch ein Profiradrennen rund um den See statt. Ich habe viel gelesen über den See und die Landschaft, aber für mich sind die drei Tage enttäuschend: Obwohl die Strecke rund um den See als idealer „Radelurlaub“ gilt und tausende chinesische Radfahrer dies machen (Fahrrad-Mietstationen gibt es zuhauf) ist mir zu viel Autoverkehr (mit häufig durchaus gefährlichen Fahrmanövern...), zu sehr überteuerte Preise bei Essen und Übernachtungen, zu viel eingezäuntes Gelände, Zufahrten zum Seeufer oft nur gegen Gebühr… Ich schaue mir das Vogelschutzgebiet ganz im Westen des Sees an (interessanterweise darf man in diesen Nationalpark mit seinem eigenen Fahrrad reinfahren – in China durchaus ungewöhnlich), nehme dann aber den Bus zurück nach Xining. Ankündigung für das Radrennen Rund um den Qinghai See (Mitte Juli) typische chinisische Tourenradler, meist total vermummt. Ich hatte nicht wirklich Spaß daran, teil dieser Massen zu sein. Eine Tagestour unternehme ich noch zum Kloster Kumbum. Auch darüber habe ich viel in altern Büchern gelesen. Kumbum fand ich dann – im Vergleich zu meinen Erlebnissen am Kloster Longwu – ebenfalls enttäuschend. Man zahlt Eintritt und darf nur auf einer vorgegebenen Route durch das Kloster laufen. Damit habe ich nicht wirklich ein Problem, aber es ist dann eben wie in einem Museumsbesuch, von spiritueller Stimmung bleibt da nicht viel. Wer letzteres sucht, darf einfahc nicht die großen Klöster besuchen. Was mich bei dem Besuch in Kumbum dann doch noch sehr beeindruckt hat waren die Butterfiguren. Ein ganzer Tempel ist mit gekühlten Vitrinen bestückt, in denen aus Butter geformte Landschaften, Alltagsszenen und Buddhafiguren bewundert werden konnten. Noch ein paar Gedanken zum Endeich war jetzt über 12 Jahre hinweg (teilweise mit mehrjährigen Unterbrechungen) immer wieder mit dem Fahrrad oder zu Fuß im tibetischen (und uighurischen) Kulturraum innerhalb Chinas in den Provinzen Xinijiang, Tibet, Yunnan, Sichuan und jetzt Qinghai unterwegs. Aus meiner Sicht hat sich vieles nicht zum Besseren gewandelt. Vor allem: mehr Zäune und mehr Verkehr machen es für einen Tourenradler immer schwieriger. Auch ist es ganz sicher nicht mein Ding, mich in die zunehmenden Massen chinesischer Touristen und den damit einhergehenden Regeln einzufügen, wie sie eben an bestimmten, durchaus sehenswerten Orten und Strecken auftauchen. Für den Moment habe ich die Dinge und Orte gesehen, die mich ganz besonders interessierten, und ich habe diese Gegenden so erlebt, wie ich es mir vorstelle: individuell mit möglichst wenig Aufwand und Infrastruktur. Und so möchte ich es in Erinnerung behalten. Es kann durchaus sein, dass ich jettz erstmal eine Pause mache mit dem (Rad)Reisen nach China.
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Edited by wal (10/26/17 06:01 AM) |
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#1307992 - 10/28/17 11:21 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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Hallo Waltraud, vielen Dank für den interessanten Bericht. Tolle Bilder! Deine Berichte von den Touren in China hab ich mit Interesse gelesen. Meine Erfahrungen mit China begrenzen sich bisher nur auf kurze Dienstreisen in die Industrieregionen in Süd- und Ostchina, ganz anders eben. Und die westlichen Regionen reizen uns eigentlich sehr sie auch mal mit dem Rad zu erkunden. Bloß dass es eben doch streckenweise sehr voll sein könnte, das schreckt mich immer noch etwas ab. Wir brüten die Idee nochmal etwas aus, vielleicht wird es ja doch was... viele Grüße Britta und Bernd
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#1308018 - 10/28/17 03:22 PM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: Britta]
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Liebe Britta, lieber Bernd, wir haben ja bekanntlich die gleichen Vorlieben. Sehr voll war es bei unserer Tour, die auch in Xining begann, eigentlich nirgendwo. Osttibet wird Euch mit Sicherheit gefallen. Absolut phantastisch. Ganz wie es uns Waltraud mit ihren tollen Fotos zeigt. Osttibet (möglichst mit Weiterfahrt nach Myanmar) war bei uns eigentlich für diesen Herbst geplant. Leider fiel unser Hundesitter aus... Liebe Grüße von München nach Berlin Isabel und Uwe
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#1308075 - 10/28/17 09:58 PM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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Hallo, tolle Reise, tolle Gegend!
Wie zufrieden bist du denn mit dem Zelt (Hilleberg?). Gibt es Momente für welche du es nicht empfiehlst (Schnee, Sturm etc.)?
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#1308092 - 10/29/17 01:42 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: Laiseka]
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sieht mir eher wie ein Exped Vela 1 aus. Wenn man es mit einem Geodät gleicher Größe vergleicht finde ich die Innenraumhöhe schon ein Nachteil. Fällt nach vorne und hinten zu steil ab. Braucht zwingend 2 Heringe zum Stehen, 6 wenn das Zelt im Wind nicht flattern soll. Im Schnee hatte ich es noch nicht.
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Edited by aighes (10/29/17 01:49 AM) |
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#1308101 - 10/29/17 07:09 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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Ein wunderbarer Bericht über eine mehr als beeindruckende Radreise. Vielen Dank!
Hans
PS (edit): die Gletscheroberfläche ist tatsächlich sehr eigenartig. Die kleinen Rinnen quer zur Fließrichtung des Schmelzwassers lassen mich rätseln.
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Edited by Hansflo (10/29/17 07:14 AM) |
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#1308138 - 10/29/17 10:18 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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Hallo Waltraut, Danke für Deinen schönen,lebendigen Bericht durch eine sehr interessante Gegend. Zum Titelgeber: Der blaue Mohn ist sicherlich ein bescheider Held,der seinen Glanz erst dann entfaltet,wenn man ihn genauer betrachtet und passt somit ganz hervorragend zu Deiner Art zu reisen. Gruß Nat
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#1308308 - 10/30/17 07:19 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: Laiseka]
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Hi, ja, es ist so ein Exped-Zelt. Ich nutze es als leichtes 3-Jahreszeitenzelt und bin im Wesentlichen zufrieden damit. Für mich passt die Größe auch. Ist recht sturmstabil, wenn es richtig abgespannt ist. Zum Aufbauen braucht es mindestens 2 Heringe, also nicht freistehend. Gruß, Waltraud
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#1308309 - 10/30/17 07:21 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: natash]
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Hallo Nat, ich wollte unbedingt den blauen Mohn sehen, weil ich das Buch "The land of the blue poppies" von Francis Kingdon-Ward gelesen hatte. Und wenn man schon eine ganze Region nach diesen Pflanzen benennt, muss diese ja recht eindrucksvoll sein... Es gibt verschiedene Arten im ganzen Hengduan Shan und in der Himalays-Region. Für mich war es schon etwas besonderes. Gruß, Waltraud
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#1309114 - 11/04/17 08:26 AM
Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn
[Re: wal]
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Hey super, endlich sehe ich einen Bericht aus der Gegend. Ich war 2013 zu Fuss und per Autostopp beim Amyne Machen. Hatte nur in Google earth das Gebirge gesehen, und sonst nicht viel Information dazu gefunden. Ich bin in Xining mit dem Bus gestartet, und bei der Abzweigung zum Amyne ausgestiegen. Dann habe ich stellenweise Autos gestoppt, und jedes einzelne hat mich sofort mitgenommen.
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