ÜbersichtTeil 1 Tübingen-Zürich-Como-Bologna-Ancona-Igoumenitsa-Thessaloniki-Kavala
Teil 2 Limnos
Teil 3 Leswos
Teil 4 Samos
Teil 5 Paros-Naxos-Mykonos
Teil 6 Peloponnes-Italien-Schweiz-TübingenSpätestens jetzt ist die Reise Rückreise. Den Weg von Piräus über die Insel Salamina habe ich oft beschrieben. Das Boot im Hafen fährt genau 1 Minute nach meinem Eintreffen ab - klasse. Der Hüpfer über die Insel ist schnell absolviert. Der Ort auf der anderen Seite, den es als Ort garnicht gibt, heißt Stenó - Enge. Der zu überwindende Wasserweg ist ungefähr 400 m breit, der Name paßt also. "Früher" fuhr die Fähre dann, wenn jemand das wollte. Das ist unmodern. Modern ist ein Fahrplan. Und auf dem steht, daß sie von hier immer um xx:30 fahren. Das klingt richtig professionell und organisiert und wichtig. Dumm nur, daß ich um xx:33 ankomme.
Nunja, ich mache die Betreiberin der Kantina (Imbißwagen) wenn nicht reich, so doch ein bißchen glücklich, indem ich dort Getränke und ein eingepacktes Stück Marmorkuchen erwerbe. Der Pappkaffee ist richtig lecker, ein streunender Hund mit mitleiderregendem Gesichtsausdruck (lernen die sowas in der Wildnis?) stellt sich vor mich hin. "Normal" bin ich auf Reise nicht gut auf diese Wesen zu sprechen, der hier aber, mich auch in keiner Weise beim Fahren beeinträchtigend, tut mir leid. Das letzte Drittel Marmorkuchen landet vor ihm auf der Straße. Er ist sehrsehrsehr vorsichtig, frißt das dann aber und schaut noch einen Tick interessierter in meine Richtung.
Ich kann ihm jetzt nicht erzählen, daß er, wenn er nur heintrabte, zuhause vom Frauchen einen fetten Hafen Fressen hingestellt kriegte, denn das wäre gelogen. Also gehe ich zur Frau am dem Tresen und erwerbe ein fertig eingepacktes, mit Schinken, Käse und Majo belegtes Baguette. Mich würde der Pamp etwas anwidern, Herr Canus vor mir hat derartige Probleme nicht. Stück für Stück werden wir der Sache Herr, auch herbeieilende Kollegen kriegen was ab. Ich köpfe noch eine fast leere 1,5er PET Flasche und stelle ihnen das zum Ausschlabbern hin, klappt ebenfalls. Was in den Köpfen der umstehenden Griechen vorgeht, weiß ich nicht.
So aber vergeht die Zeit und die Fähre ist wieder retour von ihrer langen Expedition, ich kann auf die Ladefläche rollen. Das Ding wird knallevoll, keine 10 Mofas hätten mehr Platz gehabt. Der Rest der Strecke bis zum Kanal von Korinth, dem Isthmus, bringt nix neues. Auch quer durch die Riesenraffinerieanlage rolle ich wieder unbehelligt, der Schwefelgeruch beschleunigt meine Entfaltungswilligkeit. Hingegen habe ich tatsächlich Rückenwind - Weihnachten. Wie oft wollte ich aus Korinth westwärts rausfahren und prallte nach den Häusern gegen eine Wand. Heute umgekehrt.
Die Kilometer 61 - 100 vergehen so ganz angenehm und ich lande wohlbehalten in Holzburg: Xylókastro, meinetwegen auch Waldburg. (Schrieb ich schon letztes Jahr hier). Letzte Sonnenanbeterin:
Ich habe noch Reste von Brot, Joghurt, frischen Orangensaft und dashier:
Reicht fürs genußvolles Diner auf dem Zimmer. Ich verbleibe hier einen Tag und wandle durch die Kleinstadt. Irgendwo finde ich abgelegen einen Friseursalon, hübsch vom alten Stil, nicht son moderner Schuppen mit undercut-Ikonen an der Wand und parfümierten Sesseln. Die Dame des Hauses berät gerade eine Kundin und freut sich, daß noch jemand kommt. Die Kundin hat eine Palette von Haarstränchen auf einem Bogen vor sich und probiert die passende Farbe. Mal das eine hingehalten, nein, auf keinen Fall, dann das zwei daneben, sieht ja schon völlig anders aus, nichtwahr. Oder: dasda! Nein,? also gut, nehmen wir - - dieses. Nummer der Farbe: aha. Die Chefin klappt das Riesenalbum zu und geht nach hinten.
Was die Kundin nicht sieht, ist, wie die Frisöse aus einer Pappschachtel drei Tuben rausnimmt, einfach von jeder einen Strang in eine Schüssel preßt, so glatt pi mal Daumen, das dann zusammenrührt und mit wichtiger Mine zurück zur Kundin geht und der das Strähne für Strähne auf den Kopf schmiert. Also ich kann sagen, appetitlich ist was anderes. Und es dauert. Als sie realisiert, daß ich unruhig werde, meint sie: noch 3 Minuten, ehrlich, ich solle die Zeit stoppen - gewinnendes Lächeln einer erfahrenen 60jährigen.....
Die Kundin sieht inzwischen aus wie in ein Faß mit Shimano-Universalfett gefallen (das grünglitzernde meine ich), wird sich selbet überlassen und ich werde barbiert, will sagen, nach detaillierter Absprache mit derm 12mm Vorsatz rasiert. Nach ebenfalls 12 Minuten bin ich fertig, zu meiner - wie heißt es so schön - vollsten Zufriedenheit. Kostet 10 €, ich gebe ihr ein ordentliches Trinkgelt. Ob die Kundin später noch Erinnerung hatte, welche Farbe sie rausgesucht hatte und ob die tatsächliche.....egal. Mir hats gefallen.
Am nächsten Tag rolle ich zunächst wieder die bekannte Küstenstraße entlang. Hier wurden nach mir (ich saß im letzten verkehrenden Zug) die Gleise der Bahn demontiert und das Neubauprojekt prognostiziert. Ich hatte trotz erkennbarer Bauvorhaben keine Hoffnung mehr gehabt, daß das außer Abholzung schönster Küstenbewaldung zu meine Leb- und Reisezeiten noch zu irgendeinem Ergebnis führen würde. Die parallel gebaute neue Autobahn war ja noch nicht einmal fertig zu kriegen und jahrelang mußte der Schwerverkehr auf einer Schotterstraße vor sich hin zuckeln.
Herr Zipras hatte das aber dieses Frühjahr eingeweiht und zu meinem großen Erstaunen durfte ich feststellen, daß auch die Bahnstrecke weitergebaut wird. In einem Dorf ist der Bahnhof nebst Straßenumgebung komplett fertig, die Gleise liegen, sogar die Mülleimer sind schon da. In Diakoptó wurde neben dem Zahnradbahnhof der alte Schmalspurbahnhof renaturiert und die neue Regelspurbahn verkehrt zweigleisig im teils offenen UG, nur die Gleise fehlen hier noch.
Auf dem Weg hierher hatte ich Rauch gerochen. Direkt nach dem Löwen
sehe ich, wie am Kiesstrand unter mir zwei Männer ein ordentliches Feuer entfacht haben, vielleicht zum Grillen. Ich finde das bei dieser extremen Trockenheit unmöglich. Immerhin hat es wieder spürbaren Wind, ein Funkenflug hier hoch und der Berg steht in Flammen. Ich fahre in Gedanken weiter. Wenn mir jetzt, wie das gelegentlich vorkommt, eine Polizeistreife entgegenkäme, würde ich......
Ich fahre keine 500 Meter und mir kommt eine Polizeistreife entgegen. Unglaublich. Ich strecke den Arm raus und sie halten. Es ist nur einer drin und ich erzähle ihm meine Beobachtung. Er ist einigermaßen elektrisiert, fragt noch zweimal nach und rast davon, nicht ohne sich zu bedanken. Was da daraus geworden ist - keine Ahnung. Die Griechen haben einen Tick: das Wasser mag noch so knapp sein, zweimal am Tag den Hof abzuspritzen ist unerläßlich. Und mit dem Zündeln scheint es zumindest bei manchen ähnlich zu sein.
Über Kalávryta habe ich ebenfalls letztes Jahr schon geschrieben, heuer sollte es von dort westwärts nach Patras gehen, trotz der auch hier oben auf 700 - 900 m Höhe herrschenden Dürre und der oft gelb-grauen Farbtöne eine schöne Strecke. Zuerst der Blick zurück, rechts der hohe Berg ist der Hélmos, da kann man und muß ich nochmal irgendwann hoch:
Der Erýmanthos streckt sich erhaben und majestätisch in den Himmel:
Unten leuchten riesigen Schlehen:
flattert eine Goldene Acht:
und offenbart mir, was aus dem Ministerium für Staatssicherheit geworden ist:
(Σ = S, H = I ). Raffiniert auch die Tarnung mit dem leicht angerosteten Devotionalienschrein, oder?
Pausenkirche:
....das dazugehörige Foto des Hauptverantwortlichen mit Bauch unterbleibt hier
Die Landschaft bleibt augenerfreuend:
Wieder ein Kurzepauseplätzchen:
Bis es dann im Weiler Kataráktis ein ordentliches Mittagessen gibt:
Auch wenn das leider nicht ganz stimmte, daß es ab jetzt nur noch bergab geht, wie der Wirt versicherte, hat man, diesen Ausblick vor Augen, gewonnen:
Nur der Gegensturm bremst die Vernichtung der letzten 500 Höhenmeter. Noch drei Eindrücke vom Aufdiefährevormittag:
Angeblich die größte griechisch orthodoxe Kirche:
Ein Neubau von vor 10 Jahren:
Gut einen halben Tag später bin ich bereits vor Korfu:
Und nach dem überaus betriebsamen Auffenthalt bei Igoumenitsa geht das Schiff in die Vollen und gibt Zunder:
Das Warten in der üblichen Kniefallhaltung vor Ancona:
Langeweilefoto:
Und ein Blick in letzter Abendsonne auf den Dom in Modena:
Woraus mich Google im Fußgängermodus geschickt auf einer pista ciclabile in die gewünschte Richtung durch ein Flußbiotop leitet:
Ein anderes Flüßchen:
ist später auch noch zu überqueren:
bevor ich in Iseo aufschlage:
Was folgt, ist ein ziemliches Planungs- bzw Buchungschaos. Ich warf die ursprüngliche Planung über den Haufen und legte eine zusätzliche Nacht in Iseo ein, hatte ich doch Zeit und es war so angenehm zu reisen gerade. Auf dem Schlaufon kann man so einiges erledigen und so hatte ich die drei reservierten Hotels gekonnt nach hinten verschoben. Was sich als ungeschickt erwies, denn danach schaute ich mir die Wettervorhersage an. In Norditalien wurde mir Dauerregen angezeigt und in der Südschweiz Gewitter und unwetterartige Regenfälle. Klasse.
Wollte ich vom letzten Sommertag noch etwas haben, mußte ich wieder umdisponieren. Zuerst ging es am Iseosee entlang, sehr schöne Strecke:
Dann folgte im nördlicheren Ostuferteil die berühmte pista ciclabile, spektakulär auf der ganz alten Landstraße im Felsen:
Ich hätte wirklich die Schilder am Beginn des Weges beachten sollen. Meine etwas zu siegessichere Einstellung, mit dem Rad komme ich überall durch, erwies sich als nicht zielführend. Nach 3/4 der Strecke das da:
Eine Baustelle, die genau von gestern bis morgen dauert (!), zwingt mich zum Umkehren. Mein Waterloo hat den passenden Namen Vello. Der Weg auf der Hauptstraße aber führt durch Tunnels und ist mir nicht gestattet. (Auf dem Hinweg am Comer See vor Lecco hatte ich mich noch großzügig über so ein Verbot hinweggesetzt und war trotzdem durchgefahren, bei allerdings kaum Verkehr.) Ich bin etwas beleidigt.
Der Bahnhof von Vello sagt mir: hier fährt die nächsten Stunden oder Tage genau nix. Ich rolle zurück runter an die Hauptstraße, habe das Händi und die Brille in der Hand, als mir ein Bus entgegenkommt: "
Edolo". Ich halte ihn an, auch wenn "hier keine Haltestelle ist", darf das Rad holen und einsteigen. Enfach so hinten rein, bin dann eh meist der einzige Fahrgast.
Es geht mit aberwitzigem Tempo durch die Ortschaften, nach gut zwei Stunden steige ich in Edolo aus. Noch scheint die Sonne und so kann ich den Aprica-Paß fahren bis Tirano. Wenn dann nur noch Regen und Zug gehen, dann ist das eben so.
In Aprica komme ich nach zweieinhalb Stunden an, die 500 HM waren erträglich. Es folgt eine gigantische Abfahrt, hier hoch - uiuiii. Tirano ist dann schnell erreicht und ich entdecke, daß es hier eine sehr schöne Altstadt gibt, verblüffend ähnlich zur Kollegin in Chiavenna übrigens. Der nächste Morgen bringt mir eine schöne Fahrt mit der Rhätischen nach Samedan. Durchs Puschlav, am Palügletschersee vorbei, am Lago Bianco, am Morteratschgletscher, wiewohl meist in Wolken:
Heute am Donnerstag "soll" es noch nicht ganz so schlimm werden, das Unwetter kommt erst von Westen heran. Und richtig genug kann ich von Preda den Albula runterfahren, großer Genuß:
Die Solisbrücke:
In Bonaduz darf ich schließlich aus dem wohltemperierten Hotelzimmer den Beginn des Starkregens beobachten, er sollte 16 Stunden bei hoher bis sehr hoher Intensität ununterbrochen anhalten:
Der letzte Tag. Das Rheintal:
Der Bodensee:
Und damit bin ich am Schluß des Reiseberichts. Viel Bekanntes, viel Neues, Einmaliges, Vergangen-Gegenwärtiges. Bin dankbar, das erlebt haben zu dürfen und dankbar, gesund wieder zuhause angekommen zu sein. Mit diesem schrägen Bild aus wärmeren Tagen verabschiedet sich dieser Bericht:
P.S.: Wenn der gute Carell noch lebte, könnte er sich mal eine Aktualisierung seines Liedes ausdenken.....