ÜbersichtTeil 1 Tübingen-Zürich-Como-Bologna-Ancona-Igoumenitsa-Thessaloniki-Kavala
Teil 2 Limnos
Teil 3 Leswos
Teil 4 Samos
Teil 5 Paros-Naxos-Mykonos
Teil 6 Peloponnes-Italien-Schweiz-TübingenDer erste Teil führte mich von zuhause über die Schweiz (die ich, nachdem das Volksbegehren "Weg-mit-den-Alpen-freie-Sicht-aufs-Mittelmeer!" gescheitert ist, ja wenigstens basistunneln konnte
), Italien und Nordgriechenland bis ins Städtchen Kavala. Ein bißchen kann man hier schon den Eindruck kriegen, daß es sich um den letzten Posten der Zivilisation vor der Wüste Gobi handelt, wobei das für das noch weiter östlich gelegene Alexandroupolis erst recht gilt. Immerhin konnte hier im Krankenhaus 1986 meine Nichte (8) ihres Blinddarms beraubt werden und so ihrem weiteren Leben entgegensehen. Damals immerhin Strukturen, die sich wohltuend von einer afrikanischen Steppen-Krankenstation abhoben....
Nach so einigen mir nicht mehr in Erinnerung verbliebenen Höhenmetern erreichte ich Kavala gegen Abend. Die Badegäste an den Stadtstränden waren dabei, ihre sandigen Füße abzuspülen und sich von dem anstregenden Tag dahingehend zu erholen, daß zuhause die Beine vorm TV hochgelegt werden würden. An der zentralen Uferpromenade war noch nix los. Der abendliche Vollbetrieb geht erst ab 20:00 los, mein Ticketbüro am Hafen hatte aber immerhin geöffnet und der ungläubig lächelnde junge Mann druckte mir den ganzen Stapel Tickets aus, deren Buchung ich ihm vorlegte. Immerhin stand mir der Besuch von sechs Inseln bevor.
Es wurde ein langer Abend. Die "Nissos Rodos" ist ein großes Schiff, welches seinen Liniendienst von Piräus über ihrerseits ungefähr 10 Inseln bis eben hoch nach Kavala abfährt. Das Gegenstück zur zunehmenden Bettelei überall und den unübersehbaren neuen Mitbürgern aus Mittelost und Afrika ist, daß die wilde Entschlossenheit der Griechen, rund um Panagia, dem 15. August, ihren traditionellen Inselurlaub anzutreten, und sei es auch nur für Tage, ungebrochen ist.
Das Treiben, welches an- bzw ausbricht, wenn die Fähre anlegt und die Horden vom Schiff wollen, mühsam durch eine Leine gehindert, und wenn sich unter den Horden am Hafen Unruhe breit macht, weil das Warten belohnt zu werden droht, kann man schwer beschreiben. Es ist, wie wenn eine Art Pegel ansteigt. Folge davon ist, daß die Fahrpläne nicht eingehalten werden können. Die Fähre kommt zwar pünktlich um 22:00 an. Ich habe auf der Seite marinetraffic gesehen, wann das ungefähr eintreten wird. Allerdings sollte sie da nicht ankommen, sondern ablegen. Es sind grob geschätzt etwa 700 Menschen, 300 PKW und einige Sattelschlepper, die da mitwollen.
Die Überfahrt erlebe ich im Saloon, nicht wirklich einsam. Auf bzw in den Sesseln hängen die Leute, die allgegenwärtigen Fernseher plärren von der Deckenaufhängung runter und vermitteln den Charme der Filmindustire der 70er Jahre, einige Kinder spielen Verstecken, es ist ungefähr so mild beleuchtet wie in der Erstaufnahme der Poliklinik, das Personal fährt mit Staubsaugern zwischen dem Taschen und Beinen umher, im Nachbarraum streiten ein paar Männer bis kurz vor Ruhe durch Tod und alle Uhrzeiger sind blockiert. Aber auch das geht vorüber.
Ich habe, dem Luxuswahn verfallen, beim Hotel auf Limnos schon den Sonntag mitgebucht, denn ich hatte keine Lust, Montag morgens um zwei zu parkbanken. Nun wurde es halb fünf, in stockdunkler Nacht radle ich die 2 km von der Anlegestelle in den Hauptort Myrina. Die müde Rezeptionistin zeigt mir den Abstellplatz fürs Rad im Keller und weist mir gnädig mein Zimmer zu, wo ich dusche und dann überdreht auf dem Bell liege.
Am Mittag stolziere ich etwas unwirklich durch das Städtchen. Der Bootshafen entspricht allen für das Zielgebiet zu erwartenden Sehgewohnheiren:
Die Zeit bis zum Abend vergeht bei Cafébesuch nebst Forumssörfens dramatisch schneller als die Stunden auf der Fähre.
Ich laufe zurück zur Anlegestelle und besteige diesen Kirchenhügel zwecks Überwachung des bevorstehenden Sonnenabtauchens ins Meer;
Das läßt auch nicht lange auf sich warten:
Heute mal wirklich blutrot:
Findet sich so ohne weiteres in heimischen Gefilden nicht, so ein Anblick. Der Himmel ist verfärbt:
Hinter mir klettert der Mond, der das Sonnenlicht zurückstrahlt, über die Hügel:
Die Stadt unter ihrer Burganlage bemüht sich ihrerseits, nicht vollkommene Dunkelheit aufkommen zu lassen:
Vom anschließenden Abendessen sei nur dieses Detail hier erwähnt:
Den nächsten Tag widme ich der Besteigung der Burg. Von der Fahne wird glaubhaft berichtet, daß die Nazis im Krieg ein Problem damit hatten. Kaum hatten sie die Insel erstürmt, hissten sie natürlich die damals wohl rote deutsche Kriegsflagge. Am nächsten Morgen war die vollkommen zerfetzt. Eine neue. Wieder. Bis sie merkten, daß die Krähen das ungewohnte Teil über Nacht so bearbeiteten, daß nichts davon übrig blieb. Die griechische Fahne wird von der Fauna jedenfalls klaglos akzeptiert:
Diese Lerche (?) hüpfte vor mir her, in Erwartung, ob auch dieser Fremde den Weg nach oben schaffen würde. Man beachte die Biene, die im letzten Moment noch abdrehen kann, bevor sie an dieses Hindernis stößt:
Oben dann der erhoffte fantastische Rundblick.
Ein paar Details bietet auch der Abstieg auf anderem Wege:
Sowie unten etwas später die angemessenen Rahmenbedingungen für ein angemessenes Abendessen an solchen Orten:
Hier als Bestandteil der folgenden Ereignisse die Dolmadákia:
Zum Tagesausklang dann die partielle Mondfinsternis:
Der folgende Tag bringt eine Inselrundfahrt. Der Reiseführer warnt vollmundig vor den auf Limnos herrschenden starken Nordwinden, gestern wäre ich noch geneigt gewesen, das abzutun, heute muß ich das Phänomen neid-, aber nicht furchtlos anerkennen. Da ich einen Kreis fahre, wird das Wohlbefinden davon abhängen, auf welchem Segment desselben ich mich gerade befinde. Zuerst ein Blick ins überwiegend baumlose Inselinnere, die Oase dort hinten beansprucht Ausnahmestatus:
Windmühlen älterer Geburt werden allgemein gerne vertouristisiert, wo man sie antrifft, man empfindet da so nostalgische, begehbare Fremdlandpuppenstubengefühle:
Therapiebeispiel für die Behandlung von Mutlosigkeit:
Und von Beweglichkeit angesichts vorhandener Mangelwirtschaft:
Der Wind läßt gerade etwas nach. Eine regelrechte highnoon-Stimmung entsteht in flirrender Hitze:
Im Örtchen Dafni mache ich Bekanntschaft mit vier Menschen vor einem Kafenion sitzend. Unter einer weinlaubverstärkten Abschattung sitzen drei Männer und eine Frau, die tapfere Wirtin. Das Eintreffen eines Reiseradlers gehört nicht zu deren Alltagserlebnissen und so werde ich auf meinen Kaliméra-Gruß herzlich in ihre Mitte genommen und ausgefragt. Der eine erzählt dann weiter, was vor mir Thema war und fängt an zu singen. Den anderen ist das etwas peinlich, ich finde das beachtlich, denn er ist ernsthaft dabei, weiß noch viele Strophen und hat eine schöne Stimme.
Es folgt noch ein Anstieg auf 400 m Höhe,
bevor mich die Erdanziehung und der Wind zurück in die Stadt befördern:
Anschließend darf ich ein ähnliches Spielchen durchmachen wie auf der Fahrt hierher. Die Nissos Rodos kommt wieder vorbei und nimmt mich auf die nächste Insel mit: Lesbos. Die drei Stunden Verspätung von neulich hat sie treu beibehalten und mit sich geführt. In der aus europäischen Mitteln zusammengestellten Erstaufnahmebaracke für Bootsflüchtlinge am Hafen ist wegen der Schließung der Türkeiroute nix los und dort steht ein abgewracktes Sofa ohne Sitzpolster. Dem unangenehmen scharfen Wind entgehe ich, in dem ich dort Platz nehme und versuche, die Wartezeit zu überbrücken. Der bemitleidenswerte Schalterkollege muß seine Offenhaltezeit mit Gesprächen verkürzen, manchmal kommen auch Kunden (rechts hinter dem Gitter liege ich und höre nichts davon):
An Bord herrscht dann etwas mehr Ruhe als beim letztenmal:
Der Tag beginnt auf Deck:
Ende Teil 2.