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#1234894 - 09/12/16 06:46 PM
Norwegen als Anfänger
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: | 9 |
: | 3.9.2016 11.9.2016 |
: | 400 |
: | Denmark Norway
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Prolog:Ich bin ein Mensch, der nie allzuviel Geld hat. Vielleicht 150 Euro im Monat bleiben mir für Sachen, die ich mir leisten kann. Und ja, das heisst, dass ich für mein 400-Euro-Fahrrad 3 Monate sparen musste (und ich spare ausgesprochen schlecht). Das heisst aber auch, dass ich mein Fahrrad so liebe wie andere ihr 4000-Euro-Rad. Trotzdem wollte ich unbedingt nach Norwegen. Es war die pure Magie der Bilder, aus Filmen, Beiträgen, aber auch aus meiner eigenen Fahrt dort durch, mit dem Zug, 22 Jahre zuvor. Norwegen war für mich, erst Recht nach "Vikings" und "Lifjord", zu einer Art heiligen Land geworden, für das kein Opfer zu gross war. Einige Unterkünfte konnte ich bereits im Februar bezahlen. Camping schied für mich aus: Anschaffungspreis zu hoch, zusätzliches Gewicht, und der Horror, nach 150 Kilometern im strömenden Regen mein Zelt aufzubauen, nur Büchsenessen krampfhaft warmmachen, morgens im strömenden Regen ohne Frühstück Zelt wieder abbauen und hoffen, die nächsten 30 km mal an Kaffee zu kommen. Nennt mich Weichei, aber das sollte für mich Urlaub sein. Ich achtete lediglich darauf, dass keine Unterkunft über 60 Euro kostete. Das führte allerdings dazu, dass ich zwischen Kristiansand und Stavanger nichts fand und so die Strecke ab Marnadal mit dem Zug bewältigen musste. Zug und Unterkunft in Stavanger waren immer noch billiger als jede Unterkunft dazwischen. Diese Reise war für mich in mehrfacher Hinsicht neu. Nicht nur meine erste Auslandstour mit dem Fahrrad. Nicht nur meine erste Quasi-Bergtour. Es war meine erste mehrtägige Fahrradtour überhaupt. Und auch wenn es nur 2 volle Fahrradtaschen und ein Rucksack waren: ich hatte noch nie solche Lasten über eine Tagesdistanz mitgeschleppt. Aber irgendwann fängt jeder mal an... 3.9. Zugfahrt nach AalborgIch hab den frühstmöglichen Zug genommen. Im wesentlichen, weil ich das mit der Fahrradplatzreservierung völlig verpennt und mich erst 2 Tage vorher darum bemüht habe. Da krieg ich zwar auch für die dänischen Züge eine Reservierung, aber der 9-Uhr-IC nach Hamburg ist mit seinen - laut Schalter - gerade mal 5 Stellplätzen natürlich restlos ausverkauft. Der von Schwerin nach Hamburg allerdings nicht. Also hoch mit der ODEG um 4.21 Uhr nach Schwerin. Ich staune, wie vergleichsweise voll und laut es ist, trotz erster Klasse ist an Schlaf nicht zu denken, zu laut ist das Gequatsche. Der IC ist einer von der Sorte, die ich gerne fahre, gleich hinterm Fahrerabteil ist der Fahrradplatz - mit etwas mehr als 5 Plätzen, wie ich sehe. Ich glaub, bei richtiger Verteilung und anderem Abstellmanagement wäre hier platz für 30, und man könnte immer noch locker zur Tür. Aber ich sollte mal nicht meckern, der mit 200 km/h nonstop nach Hamburg rauschende IC hat wenigstens welche. Und im Gegensatz zum ICE lassen sich die Sitze hier wenigstens ein bisschen verstellen. Völlig enttäuscht bin ich vom RE nach Flensburg. Fünfteiliger Doppelstockzug, aber nur im ersten Wagen ein mickriger Abstellplatz für Fahrräder. Ich bin wohl ziemlich verwöhnt von den Berlin-Brandenburger RE's, wo fast jeder Wagen irgendwie einen Platz für Fahrräder hat und ganze untere Etagen für Fahrrräder frei gemacht wurden. Obendrein hat der Zug auch noch 5 Minuten Verspätung - ich aber nur 5 Minuten Umsteigezeit. Im einem Einholkrimi fährt der Zug die 5 Minuten aber wieder raus. Dänemark. Kaum steige ich in den IC der DSB, schon fang ich an, mich wohl zu fühlen, Stress verfliegt von mir. Vielleich sind es die gemütlichen Sitze. Vieleicht die drollige dänische Sprache, wo ich bei jeder angesagten Station immer rate, welche das jetzt wirklich ist. Als die Sprecherin Hedensted ankündigt, klingt das wie "Hilfe". Vieleicht ist es aber auch der Stil. Die Dänen haben ganz meinen Stil. Neonfarben vermeiden sie völlig, als ich mal einen mit hellmehroderwenigerneongelben T-Shirt sehe, ist selbst dieses in einem dezenterem Ton gehalten. Ansonsten überwiegt stilvolles Schwarz. Ich sehe ganze Grossfamilienansammlungen, wo jeder mindestens ein schwazes Teil trägt. Auch sonst sind die Dänen dezent, selbst Kindergeschrei klingt hier unaufdringlicher. Als ich in Aalborg ("Ohlbohr") ankomme, bin ich überrascht über die Radwege. Die sind endlich mal so gehalten, wie ich sie für sinnvoll halte: abgestuft zum Bürgersteig, so dass Fussgänger eher geneigt sind, diese auch freizuhalten. Auf meinen Weg zu meiner Unterkunft, den Nørresundby Idrætscenter, bekom ich es mit einer ordentlichen 10%-Steigung zu tun - und der Erkenntnis, dass ich eigentlich gar nicht fit bin dafür. Na, das kann ja was werden. Aber um 16 Uhr ist an Schlafen einfach noch nicht zu denken. Ich fühl mich schwächlich, aber nicht müde. Also radle ich noch ein bisschen durch die Stadt. Hier sind die Neubauten zur Abwechslung mal interessanter als die Altbauten. Fortsetzung folgt...
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Edited by Wal_aufm_Fahrrad (09/12/16 06:53 PM) |
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#1234898 - 09/12/16 07:01 PM
Re: Norwegen als Anfänger
[Re: Wal_aufm_Fahrrad]
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Bin gespannt. Nette Schreibe.
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#1234909 - 09/12/16 07:28 PM
Re: Norwegen als Anfänger
[Re: Wal_aufm_Fahrrad]
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4.9. Aalborg-Hirtshals, gefahrene Kilometer: 65 Stell dir vor, du fährst durch Brandenburg, und hörst ständig Möwen kreischen. So ungefähr fühlt sich die Landschaft nördlich von Aalborg an. OK, ein paar Unterschiede gibts schon. So sehen die Felder z.B. geradezu rasenmäherhaft genau geschnitten aus, es scheint, als sei der Mähdrescher mit Lasertechnik ausgestattet, um auch ja genau in Reihe zu schneiden. Übrhaupt ist alles gerasenmähert, was geht, selbst die Weide für die Kühe. Ob etwas ein Feld oder ein Golfplatz ist, ist hier nicht wirklich genau zu erkennen. Ansonsten bietet die Strecke keinerlei Aufregung. Es ist eine schnurgerade Strasse nahezu ohne Kurven, eine Route 66 a la Dänemark. Ich bin schon dankbar, dass es zur Abwechslung wenigstens ein paar leichte Steigungen gibt. Zu meinem Erstaunen ist in so einem kleinen Ort wie Bronderslev selbt heute am Sonntag der Supermarkt bis 21 Uhr offen. Die Landschaft ist grösstenteils windräderfrei. Als ich dann doch welche entdecke, staun ich nicht schlecht: irr ich mich, oder sind diese Rotorenblätter einfach zu gross ? Diese hier stehen jedenfalls still. Später treffe ich welche, die sich drehen - und gekürzt sind. In Hjørring mach ich Pause in einem Park, der ideal für Mountainbikes ist - und von jenen auch stark frequentiert wird. Fast jeder vorbeifahrende grüsst mich. Da ich massig Zeit hab, beschliesse ich, meinen Sattel zu wechseln. Ich liebe zwar meinen Brooks Flyer, und in Berlin ist er weiterhin für mich erste Wahl. Aber nach 45 Kilometern spüre ich ihn schon. Und ich vermisse etwas die souveräne Gemütlichkeit meines Selle Royal Drifters. Auch wenn ich kurz danach die Nachteile spüre: Mein Hintern wird schneller warm. In Hirtshals riecht es nach gebratenen Fisch, und da ich ohnehin noch 4 stunden bis zur Abfahrt habe, genehmige ich mir ordentlich Fish & Chips. Gegen 16 Uhr checke ich ein und reihe mich hinter ein paar Motorrädern ein. Am Ende werden es knapp 16 Motorräder, alle aus Norwegen, überwiegen Harleys. Mein Fahrrad droht wegen Übergewicht umzufallen. Ich will den Ständer etwas höher stellen, doch nach einer krampfhafen Überprüfungsaktion ist es Gewissheit: an meinem völlig verimbussten Fahrrad ist die Schraube für den Ständer die einzige Kreuzschraube weit und breit. Und mein Taschenmesser hab ich zuhause gelassen. Da ich jetzt nicht 2 Stunden lang mein Fahrrad halten will, bleibt mir nur, meinen schweren Rucksack an die Pedale zu hängen, als Gegengewicht. Diese Konstruktion hält erstaunlicherweise recht gut. Als die Fähre endlich kommt, fahren die Motorrad-Gang und ich im Konvoi als erstes aufs Deck. Wir sind auch beinahe die ersten, die wieder runter dürfen... Fjord Line. Zuerst hab ich das Gefühl, es sei eine Fehlentscheidung, denn es sieht wie eine geschlossene Fähre aus - und die Fenster sind mächtig verdreckt. doch dann entdecke ich die Tür, die aufs offene Deck führt, direkt nach hinten. Die vom Motor hochgeschlagenen Wellen zusammen mit dem Motorenlärm sind eine geradezu hypnotische Mischung. Mich wunderts, dass die Biker nicht hier stehen, denn das hier ist Biker-Jazz par excellence. Als uns eine Color-Line-Fähre kreuzt, tut die mir fast ein bisschen leid. sie wird nie die Coolness meiner Fjord Cat erreichen. Als wir gegen 20 Uhr die Küste erreichen und die ganzen kleinen Inseln vor Kristiansand im wolkenlosen Sonnenuntergang glänzen, weiss ich, dass das hier - die letzte Fjordline-Fähre dieses Jahr - genau die richtige Fähre war. Fortsetzung folgt...
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#1234935 - 09/12/16 09:27 PM
Re: Norwegen als Anfänger
[Re: Wal_aufm_Fahrrad]
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5.9. Kristiansand - Stavanger, gefahrene Kilometer: 90Jemand meinte mal, Norwegen sei Himmel und Hölle auf einem Fleck. Nun, an diesem Morgen lerne ich zunächst einmal den Himmel kennen. Das Thon Hotel Kristiansand konnte ich im Januar bereits vorab bezahlen, und es verwöhnt mich regelrecht. Kaffee auf Zimmer umsonst, das vom Hotel zur Verfügung gestellte Duschgel riecht so gut (Scandic White), dass ich mich gleich zweimal damit dusche. Und ich frag die Rezeption sicherheitshalber nochmal, aber ja, doch, dieses holzvertäfelte, urgemütliche, kerzenlichtbeleuchtete Restaurant da drüben ist der Ort, wo ich frühstücken werde. Das Büffet ist gewaltig: 5 Sorten Brot, 5 sorten Brötchen, 3 Sorten Knäckebrot, 5 Sorten Käse, 5 Sorten Wurst, 5 Sorten Fisch, weiche, harte und gebratene Eier...es lässt keine Wünsche offen. Die Musik ärgert mich zunächst, weil es Mainstream-Pop ist, aber nach einer Weile fällt mir auf, dass ich (auf Arbeit zwangsbeschallter) keinen einzigen Titel davon kenne. Überhaupt ist der Gesang weit weniger penetrant aufmerksamkeitsheischend und original-englisch-rauskehrend. Als ein besonders ruhiger, geradezu bluesiger Titel gespielt wird, erkenne ich dann doch eine Stimme: Morten Harket, Sänger von a-ha. Ich bin mir inzwischen sicher, dass ich fast ausschliesslich norwegischen Mainstream-Pop gehört habe.Ausserhalb von Norwegen wird das einfach zu unaufdringlich sein, um Erfolg zu haben, aber hier, im Himmel, ist es genau richtig. Dafür lerne ich dann auch gleich danach die Hölle kennen. Und wie das so ist mit dem Teufel: er verführt einen erstmal. In meinem Falle mit einen erstklassigen Fahrrad-Highway, auf dem ich nur so herunterrausche und "YEEHAW" schreie.(Ja, das da ist keine Auto-Strasse, sondern ein Fahrrad-Highway!) Als ich an einen Abzweig komme, guck ich dann doch mal auf die Karte. Ich hab mich natürlich komplett verfahren. Ich könnte nach Süden weiter, aber dort ist Industriegebiet. Denselben Weg zurück ist gegen meine Prinzipien. Also beschliesse ich, eine kleine Runde zu fahren. Mich stört auch nicht, dass es erstmal richtig knackig bergauf geht. Ja, das ist Norwegen, sag ich mir. Ich tröste mich damit, dass es irgendwann auch wieder bergab geht. Tut es auch, und ohne mein Zutun erreiche ich 50 km/h. Ich muss bremsen, solche Geschwindigkeiten bin ich mit meinem Rad gar nicht gewohnt. an einem Abzweig folge ich wieder meinen Prinzipien. Auch wenn es diesmal noch stärker bergauf geht. Ich meine, VIEL stärker. Aber ich bin jung und.... Als ich an der Strasse namens Kasteien ankomme, bin ich fix und fertig. Klar meine Beine können noch, die können immer, aber meine Lunge weigert sich. Doch hier oben hab ich wirklich einen unglaublichen Blick auf die Küste. Meine Route führt mich auf dem Radweg neben der E 39. Es ist war recht laut, aber rechts von mir tut sich Norwegen in all seiner Pracht auf. In Søgne bieg ich in den Leireveien ein, in der Hoffnung, vom Verkehr ein bisschen weg zu kommen. Und tatsächlich wird der Verkehr immer geringer, je weiter ich von der E39 wegkomme. Doch ich hab mit etwas für mich Flachlandfahrer ungewohnten zu kämpfen: Anstiege. Auf und Ab. Sie sind alle nicht sehr heftig, aber die Masse und die Längen machen sich bemerkbar. Als ich in Ausvik Pause mache, spüre ich etwas ungewohntes in meinen Beinen: Angst. Vorm nächsten Anstieg. Der mir den Atem und die Kraft nimmt. Mich langsamer macht. Vielleicht zu langsam. Kopfsache, sag ich mir. Was bleibt mir auch anderes übrig ? Nach jedem Anstieg sag ich mir, ich werd heute noch hunderte solcher Anstiege haben. Doch es ist gegen meine Fahrradfahrerehre, abzusteigen, weil es zu steil ist oder ich nicht mehr kann. Schieben wäre ein Sakrileg. Doch ich kann mich erstaunlicherweise auch immer oben halten. Ich mach mir aber auch keine Illusionen: mit Zelt und Lowridern würde das anders aussehen. Die Aufstiege sind auch nicht das, was mich ausbremst. Es ist die Landschaft. Immer wieder muss ich anhalten und Fotos machen. Als ich auf die grosse Brücke beim Rosstadveien komme, wo es danach südlich nach Alo geht, halte ich sogar richtig lange. Und hab trotzdem das Gefühl, ich hetze nur so durch die Landschaft. Ich müsste hier eine Weile bleiben, mir ein Haus mit Boot mieten. Und dann diese Mini-Fjords abfahren. Dass diese viel kleiner sind als die grossen Fjords, macht auch ihren Reiz aus. Viele Inseln sehen aus wie japanische Gärten. Bis Tregde bleibt die Landschaft bilderbuchhaft atemberaubend, der Verkehr gering bis nichtexistent. Danach wird er heftiger, je näher ich Mandal komme. Ich erreiche Mandal 13.00 Uhr, 3 Stunden vor meiner mir selbst gesetzten Deadline. In Mandal herrschen bezüglich des Verkehrs englische Verhältnisse. Auf Strassen, wo bei uns nur ein Auto langdürfte, zwängen sich hier 2 in unterschiedlichen Richtungen. Zwei Verkehrspolizisten, die den Stau auflösen sollen, verurachen nur noch mehr Stau. Die Pizzeria, wo ich eigentlich essen wollte, weil sie Wasserblick hat, muss ich sein lassen, weil sie direkt an der Strasse liegt. Und nicht weit davon ist eine recht laute Baustelle. In den schattigen Gassen dahinter ist eine recht gute (aber auch sündhaft teure) Pizzeria. Ich bestell mir nur die kleine vegetarische Pizza. Trotzdem 20 Euro umgerechnet.Ich esse langsam, da ich ja Zeit habe. Aber so langsam kann man alleine gar nicht essen, dass 3 Stunden verfliegen. Ich fahr noch ein bisschen herum, aber irgendwann wird mir Mandal zu hektisch. Ich will wieder Natur. Es gibt 2 Strassen nach Marnardal. Ich nehm die links vom Fluss, da sie kleiner ist, und hoffe auf weniger Verkehr. Die Strasse ist nagelneu, und der Verkehr im Grunde genausso stark wie auf der anderen Seite. Nur dass auf der anderen Seite die Autos schneller (und lauter) unterwegs sind. Das ganze bleibt so, bis zur Brücke bei Holum, ca. 10 km nördlich von Mandal. Es ist die Brücke, die den Verkehr verursacht. Nach der Brücke wird die Strasse schlechter und der Verkehr geringer. Irgendwann verschwindet der Asphalt ganz, der Weg ist jetzt plattgefahrener Kies. Aber immer noch Leitplanken. Hier kommt mir kein Auto mehr entgegen. So richtig ruhig ist es hier aber auch nicht. Es ist eine gespenstische Gegend von Norwegen, wo man den einzigen Rasenmäher eines 5-Häuser-Ortes im ganzen Tal hört. Irgendwann wird der Fluss zur Stromschnelle. Und auch die Leitplanken verschwinden. Ich mach erst mal Pause. Nicht weil ich muss, sondern weil ich einfach zu viel Zeit habe. Ich suche nach Alternativen und Umwegen, um die Zeit totzuschlagen, und entdecke die Fv22. Die müsste in 2 1/2 stunden zu schaffen sein. Die Qualität des Weges scheint auf eine ruhige Strasse hinzudeuten. Nach einer halben Stunde breche ich das ganze ab. Dass der Weg immer schlechter und die Anstiege immer heftiger werden würden, damit hatte ich gerechnet, auch damit, dass die Anstiege alles bisherige in den Schatten stelllen würden. Dass es knapp werden würde. Aber ich hatte um diese Zeit nicht mit derartigem Verkehr gerechnet. Immer, wenn ich denke, jetzt hab ich die Strasse für mich allein, kommt aus dem Nichts ein SUV geschossen, und einmal auch ein LKW. Und keiner davon ist geneigt, wegen mir mal seine Geschwindigkeit zu drosseln. Zu so später Stunde verdirbt das jeden Spass. Also fahr ich zum Laden gegenüber dem Bahnhof von Marnardal, genehmige mir das letzte Eis vor Ladenschluss, und beschliesse zu warten. Als ich den Berg vor mir sehe, halte ich den Abbruch mehr den je für das Beste. Ich hätte es bei solchen Höhen niemals in der Zeit geschafft. Aber was jetzt tun, 2 stunden lang? Wirklich ruhig ist es hier ja nicht. Ist das eine Motorrad-Gang? Nein, es ist nur ein Motorrad. Das Echo. Was macht hier so ein Krach, als ob ein Bergwerk in der Nähe wäre? Achso, ein ganz normaler Schaufelbagger. Das Echo ist wirklich beängstigend. Um 19.39 Uhr soll eigentlich der Zug kommen. Um 19.45 Uhr sagt die Bahnhofsstimme aus dem Nichts mit einer Lautstärker, dass es das ganze Tal hören muss, dass der Zug gerade jetzt von Kristiansand losgefahren ist. Diese Zugfahrt sollte für mich Zugbegeisterten eigentlich ein Highlight meiner Tour werden. Einmal mit den Krengetog. Es wird in mehrfacher Hinsicht ein Reinfall. Eine halbe Stunde zu spät. Kein Krengetog, obwohl er in den letzten 2 Stunden 2mal hier vorbeifuhr. In Snartemo bekom ich das Riesenschwert nicht zu Gesicht. Von Sira und Moi, zwei einstmals potentiellen (aber dann mir doch zu teuren) Übernachtungsorten seh ich nur die Lichter an der Küste. Das Fahradabteil ist ein Witz, 5 Haken zum Aufhängen beim Speisewagen. Aber das Schlimmste: ich hab NSB Comfort gebucht, mit Platzreservierung. Ich wollte meine Ruhe haben. Doch im Gegensatz zum Rest des Zuges ist das Comfort-Abteil voll - und eine alte Dame mit vorwurfsvollen "sie wollen doch jetzt nicht eine alte Dame von ihen Platz verjagen?"-Blick sitzt auf meinem Platz. Nichts, absolut nichts, weist darauf hin, dass mein Platz überhaupt reserviert ist. Als ich auch noch eine deutsche Handystimme vernehme, verziehe ich mich endgültig ins normale Abteil. Die Sitze sehen aus wie ICE-Sitze, mit einem Unterschied: hat man die Lehne einmal verstellt, muss man aufstehen, um sie wieder zurückstellen zu können. Wenigstens ein gutes kann ich über den Zug sagen: Er fällt schnell, sehr schnell. Von 0 auf 100 in 5 sekunden. Durchschnittsgeschwindigkeit 160 km/h. Als ich um 23 Uhr in Stavanger ankomme, herrscht dort ein Verkehr wie auf dem Kudamm um die gleiche Zeit. Norwegen hat nur 4 Millionen Einwohner? Eine Million müssen davon allein in Stavanger wohnen. Fortsetzung folgt....
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Edited by Wal_aufm_Fahrrad (09/12/16 09:39 PM) |
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#1234937 - 09/12/16 10:00 PM
Re: Norwegen als Anfänger
[Re: Wal_aufm_Fahrrad]
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Nett geschrieben! Zu "Camping": Auf den Plätzen gibt es auch Hütten, z.T. recht günstig. Lohnt sich aber vor allem für Kleingruppen.
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Gewerblich: Autor und Lastenrad-Spedition, -verkauf, -verleih | |
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#1235024 - 09/13/16 11:13 AM
Re: Norwegen als Anfänger
[Re: Wal_aufm_Fahrrad]
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6.9. Preikestolen, gefahrene Kilometer:55Das Wetter hat sich übernacht schlagartig geändert, von wolkenfreiem Himmel zu Regenwetter. Ich wache deshalb erst nach 8 uhr auf. Das Büffet hat nur noch 2 Sorten Brot. Die Beschallung ist die norwegische Ausgabe von Arno und die Morgencrew. Ich kenne jeden einzelnen Titel. Hatte ich schon gesagt, dass es draussen regnet? Schlimmer noch: es nieselt, und hört nicht auf. Heut ist der absolut schlechteste Tag, um zu machen, was ich vorhab. Meine Motivation ist am Boden. Sogar mein Horoskop sagt, ich soll mal eine Pause einlegen. Aber ich kann es nur heute machen. Wer weiss, wann ich hier noch mal hinkomme ? Heute will ich einen Werner-Schäfer-Gedächtniskurs zurücklegen. Zur Erklärung: Werner Schäfer (aka Werner1941, dessen Reisebericht ich verschlungen habe ) verdanke ich die Erkenntnis, dass es überhaupt einen Preikestolen gibt. Er hat damals einen Teil des Weges hoch sein Fahrrad getragen, bis man ihm von abriet. Er stellte sein Fahrad daraufhin ab, und lief so hoch, und fand, dass die Leute recht hatten. Ich wollte es ihm gleichtun. Aber von meinem Fahrrad wollte ich mich nicht trennen. Wenigstens die Fähre meint es gut mit mir. Sie hat sogar Fahrradständer. Und der erste Kaffee ist umsonst. Die Motivation, die mir der Kaffee noch geben konnte, nimmt mir der Weg nach Jørpeland. Aber selbst schuld. Norwegen und flache Strassen passt nun mal nicht zusammen. Ich mag heute Gepäck einsparen, aber meine fehlende Motivation wiegt mindestens genauso viel. Zudem hört kurz nach Jørpeland der Fahrradweg auf. Mein Gott, was für ein Verkehr hier herrscht ! Als ich an einem Rastplatz mit herrlicher Aussicht Pause mache, hat der Regen aufgehört, und auch sonst scheint es sich zu bessern. Ich mag eigentlich Regenwetter, wegen der Dramatik. Und hoffe auf das beste. Nach einem Tunnel - kurz genug, dass ich mich durchtraue - geht es kurz bergab, und dann erreiche ich ihn schon: den Preikestolveien. Schon komisch, ich freu mich richtig - obwohl ich weiss, dass es jetzt richtig bergauf geht: 300 Höhenmeter auf 5 Kilometer! Völlig überenthusiastisch beschliesse ich, bis oben nicht abzusteigen. Klappt natürlich nicht. Fehlende Kondition, vor allen in den Armen und Bauchmuskulatur. Fehlender Atem. Und dieser kindische Trotz, bloss keinen Gang tiefer zu schalten, ich schaff das ja schon. Als ich endlich doch in den 3ten Gang schalte, merk ich erst mal, wie einfach ich es hätte haben können. Aber nichts macht mich so fertig wie diese Stelle. Hallo? Ich fahre bergab, und muss treten wie verrückt? Was bremst mein Fahrrad aus? Ich halte an, drehe es um, lasse es probedrehen, doch es dreht sich normal und lange. Aus irgendeinen grund fahr ich kurz in entgegengesetzte Richtung, als sich die Lösung auftut: Mit meinem Fahrrad ist alles in Ordnung. Was wie eine Abwärtsstrecke aussieht, ist eine reine Aufwärtsstecke. Die Landschaft hat mich reingelegt! Kurz vor 14 Uhr erreiche ich die Fjellhutten. Ein letzter Kaffee samt Eis, den Apfelsaft pack ich mir ein für oben. Es fängt an zu regnen, und ich frag mich wieder ob ich das wirklich will. Doch ich werd mir diesen Satz heute noch öfters sagen: Jetzt bin ich schon mal hier, jetzt wär's blöd aufzuhören. Das bisschen Regen! Ist das alles, was du drauf hast, Norwegen? Bis hierher kam Werner Schäfer. Und genau hier spricht mich auch ein Sachse an. Das sei keine gute Idee, das da. "Da oben wirds garantiert heftiger!" Hilft aber alles nichts. Das da war war mein Traum. OK, ohne Regen natürlich. ...und der Sachse hatte recht. Es wird richtig heftig. Wanderweg würde ich das nicht mehr nennen. Eher Kraxelweg. Umso erstaunlicher für mich, was sich hier alles langbewegt. Ganze Tourie-Kolonnen. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Norweger (ich erkenne sie an ihren T-Shirts) und Deutsche (das hört man) ignorieren mich völlig. Japaner und Chinesen (ich halt das schon auseinander) lachen, fotografieren mich und geben mir Thumbups, Männer fragen ständig, ob ich mir das wirklich antun will. Ein Grieche sagt ständig "God bless you" und "You're the man". Engländer fragen mich dreimal, warum ich das tue. Einfache Antwort: weil du das mit einem Motorrad nicht machen kannst. Die Mädels gucken mich entgeistert an, aber ich versichere ihnen noch mal, das sei Grund genug. Als ich dachte, ich hätte das schlimmste hinter mir, zeigt mir Norwegen, dass es noch mehr drauf hat. Zum Beispiel: noch mehr Regen. Und Nebel. und Wind. Und noch steilere Anstiege. Und noch 2 Kilometer. Aber egal. Norwegen hat aber noch mehr drauf. Gerade als ich denke, jetzt müsste ich ja gleich da sein, teil sich der Weg. Ein grüner und ein Roter Weg. "Hill" und "Cliff". Und noch 1,1 Kilometer. Ich nehm "Cliff". Wenn schon bescheuert, dann gleich richtig. Meine grösste Sorge ist sowieso eher, ich könnte im Nebel den Weg verfehlen. Aber noch treibt sich hier genug herum. So ist der Weg nicht zu verfehlen. "Cliff" war eine bescheuerte Idee. Noch bescheuerter ist nur, dass ich nach herumfluchender Überquerung dieser Stelle sehe, dass der eigentliche Weg ganz woanders langgeht - und völlig frei von derartigem ist. Und der Weg nimmt kein Ende. Um 16.30 Uhr hab ich es geschafft: der Preikestolen ist zumindest als sehr steiler Abhang auszumachen. Es ist so neblig, dass ich Leute auf dem Plateau nur als Umrisse ausmache. So wie hier stell ich mir das Ende der Welt vor. Ich bitte jemanden aus einem ankommenden Trupp, mich zu fotografieren. Sie entpuppen sich als Deutsche. und fragen mich, warum ich das mache. Meine Antwort lässt ihn ratlos erscheinen. Weiss er nicht, wo er mich einordnen soll? Oder ist er enttäuscht, dass mein Achievement besser ist als seins ? Der Trupp, mit dem er unterwegs ist, hat nämlich auch eins geschafft: den Weg nach oben in einer Stunde. Ein anderer deutscher Trupp hatte wohl das Achievement "Wieviel kann ich auf den Preikestolen tragen?". Ihre Backpacks wogen sicherlich mehr als doppelt soviel wie mein Fahrrad. Ihren Gesichtern nach zu urteilen war es wirklich Arbeit. Ich hab nicht viel Zeit für Pause, an Hinsetzen ist im Regen sowieso nicht zu denken. Eine Packung Geflügel-Paprika-Wiener und ein Apfel, und der ganze Apfelsaft. Dann gehts auch schon wieder zurück. Ich hab Angst, es könnte zu dunkel werden. Und einige Stellen sind mir dafür einfach zu heftig. Um 16.48 Uhr mach ich mich auf den Rückweg. Der Weg ist jetzt praktisch leer, bis auf den deutschen Trupp, der mich überholt und mir nochmal "Alles Gute" wünscht. 18.30 Uhr bin ich wieder an der Fjellhutten. Fast eine Stunde gespart. Es macht viel aus, dass es abwärts geht und ich viel rollen kann. Und dass ich meinen Rucksack vom Fahrrad nehme und umhänge. So kann ich das Fahrrad ewig lange auf der Schulter tragen. Und als ich am Werner-Schäfer-Felsen anhalte, um zu pinkeln, frag ich mich wieder, ob Norwegen nicht mehr drauf hat. Hätt ich mal lieber nicht. Norwegen hat noch mehr drauf. Nach meinem verdrückten Calzone mit Huhn (die Verkäuferin in Stavanger bestand darauf, es warm zu machen) erwartet mich ein derartig steiler Aufstieg bis zu der Stelle, wo ich runterrrollen kann, dass ich schieben muss. Meine Kleidung wiegt nass soviel wie das Gepäck, dass ich da gelassen hab. Als ich endlich abwärts rollen kann, regnet es aus allem, was Norwegen hergeben kann. Ich weiss nicht, wie der norwegische Regengott heisst. Thor? Jedefalls ist er stinksauer, dass ausgerechnet ich, ein Deutscher, den Preikestolen als erster mit Fahrrad bestiegen habe. Glaub ich zumindest. Es nervt schon, eine der schönsten und legendärsten Abfahrten Norwegens nur mit höchstens 25km/h zu fahren. Die norwegischen Autofahrer fahren natürlich weitaus schneller. Schneller als sie eigentlich dürften. Als ich unten ankomme, gibt Norwegen auf. Kein Regen mehr, und der Weg zurück fährt sich nahezu von selbst. Und eine Norwegerin frag mich nach dem Weg nach "Tö". Immer geradeaus. Sind sie sicher? Ja, ich fahre gerade nach Tau. Ich denke, ich werd heut Nacht gut schlafen. Aber mein Körper heizt sich auf. Vor 2 Uhr komm ich nicht wirklich zum Schlafen. Ich muss die Balkontür auflassen.
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#1235043 - 09/13/16 11:47 AM
Re: Norwegen als Anfänger
[Re: Wal_aufm_Fahrrad]
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Fortsetzung folgt natürlich...
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#1235046 - 09/13/16 11:54 AM
Re: Norwegen als Anfänger
[Re: Wal_aufm_Fahrrad]
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Ich denke, ich werd heut Nacht gut schlafen. Aber mein Körper heizt sich auf. Vor 2 Uhr komm ich nicht wirklich zum Schlafen. Ich muss die Balkontür auflassen. Schöner Bericht. Ist es im September da oben immer noch so warm, gerade wo's den ganzen Tag geregnet hat?
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#1235050 - 09/13/16 11:58 AM
Re: Norwegen als Anfänger
[Re: dhomas]
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Ist es im September da oben immer noch so warm, gerade wo's den ganzen Tag geregnet hat? Was immer man als warm betrachtet. Bei Regen wars 15 Grad, bei Sonnenschein 22, bei lockerer Bewölkung 17. Als ich wieder in Berlin ankam, fühlte ich mich wie in den Tropen.
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Edited by Wal_aufm_Fahrrad (09/13/16 11:58 AM) |
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#1235054 - 09/13/16 12:07 PM
Re: Norwegen als Anfänger
[Re: Wal_aufm_Fahrrad]
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Schöner Bericht! Aber 20€ für eine kleine Pizza? So schön kanns dort gar nicht sein,sorry
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Gruss Markus Forza Victoria !
When nothing goes right -> go left! | |
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#1235071 - 09/13/16 01:29 PM
Re: Norwegen als Anfänger
[Re: Wal_aufm_Fahrrad]
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7.9. Stavanger-Jektevik, gefahrene Kilometer: 90Eigentlich sollte das heute ein stressfreier Tag werden. Zwar sind 100 km geplant, aber ohne Zeitdruck. Beim Frühstück, als ich mir die Unterkunfts-Bestätigung noch einmal angucke, seh ich dann allerdings das Kleingedruckte: Anreise zwischen 18 und 20 Uhr. Die 100 km sind von Haugesund aus gerechnet. Ich werd dort frühestens 12 Uhr sein. Weniger als 8 Stunden für 100 km. Für mich in dieser Landschaft nicht zu schaffen. Es trifft sich gut, dass ich sowieso den Bus nehmen muss. Zwischen Stavanger und Haugesund ist mit dem Fahrrad praktisch nichts zu machen. Die Route über Nedstrand (Fähre kommt erst um 18 Uhr dort an) scheidet für mich aus. Netterweise fährt der Bus durch die Tunnel nicht nur bis Haugesund, sondern weiter bis Bergen. Mit vielen Halts zwischendurch. Ich erkläre Sveio zu meinem Zielort. Von dort aus könnt ich alle schaffen, was ich mir vorgenommen hab. Zunächst muss ich aber erstmal den Kystbussen-Halt finden. Die Kystbussen-Seite, über Handy aufgerufen, verrät einen keinerlei genaue Haltestellenangaben. Kystbussen Stavanger, mit und mit ohne Komma eingegeben in Google Maps, lenkt einen zur Kystbussen-Zentrale in Bergen. Ich frag schliesslich die Tourist-Info am Fisketerminalen. Der Halt ist irgendwo am Bahnhof, muss genauer gucken. Als ich ankomme, 5 Minuten vor Abfahrt, sehe ich 2. Ich darf in den ersten, weil der mehr Platz hat. Der erste Halt des Kystbussen ist fast direkt vor meinem Hotel. Nichts, absolut gar nichts weist darauf hin, dass er hier halten würde. Norweger wissen das wohl einfach so. Wir fahren, mit einmal Fährunterbrechung, durch 3 kilometerlange Tunnel, und selbst wenn diese für Fahrradfaher freigegeben wären, würde ich sie mir nicht antun wollen. Der eine ist 5 km lang, und die Hälfte davon geht es megasteil bergab, und dann nur noch megasteil nach oben. Die anderen sind genauso, auch wenn der letzte davon einmal Kreisverkehr mit drin hat. 12.50 Uhr bin ich in Sveio. Absolut nichts, nicht mal ein Bus-Schild, weist darauf hin, dass hier was halten wird. Dennoch ist der Halt günstig. Ich muss nur geradeaus fahren, um zur Fähre zu kommen. Meine Hoffnung, es würde hier nur bergab gehen, war natürlich trügerisch: Hey, das hier ist Norwegen, es geht immer bergauf und bergab, immer. Einmal erwische ich eine geradezu perfekte Kuhle, die ich problemlos runterrasen könnte, um auf anderer Seite ohne weitere Kraftanstrengung hochzurollen. Das berühmet Ein-Auto-Phänomen zwingt mich in der Mitte dann aber doch zum Bremsen. Egal, bis zur Fähre sind es nicht einmal 30 Minuten. Sie wartet schon, um gleich nach mir loszufahren. Der Kaffee auf der Fähre ist semi-umsonst. man kann 10 kr in ein Schälchen werfen, muss es aber nicht. Ich tu's trotzdem. 13.50 Uhr bin ich auf der anderen Seite, bei Langevag. Die Vegetation auf der Insel Bømlo sieht so aus, als wäre man hier schon weiter nörldich. Das Bergauf zehrt zunächst mächtig an meinen Kräften, auch wenn es danach schön bergab geht. Irgendwann wird die recht dünne Strasse aber zweispurig. Nagelneu gemacht. Bis fast vor Lykling habe ich das Gefühl, auf einer komplett leeren, nagelneuen Autobahn zu fahren. Alle halbe Stunde mal ein Auto. Die Anstiege sind jetzt auch vergleichsweise kurz und moderat, ich kann sie alle im 5ten Gang fahren. Doch ich merke den Vortag, den Preikestolen, in meinen Knochen. Wenn ich gestern dachte, ich hätte keine Lust mehr, heute, nach der Busfahrt, hab ich sie noch weniger. Ich tröste mich damit, dass ich in Leirvik wieder den Bus nehmen werde. Aber bis zu meinem Tagesziel muss ich es noch so schaffen. Fahrradfahrer-Ehre. Nach Lykling komme ich an einen Abzweig. Es geht bergab, nach Rubbestadneset. Und steil bergauf den Finnåsvegen nach Håvik. Die Entscheidung ist leicht. Ich nehm den Finnåsvegen. Das bisschen Verkehr stört mich nicht einmal. Ich weiss, dass die Strasse herrliche Ausblicke liefern wird. Nach dem Anstieg gehts auch schön nach unten, und am Wasser erwartet mich ein Campertraum: Rasen, Feuerstelle, Tisch-Bank-Kombi, Mülleimer. Das kleine Häuschen dort ist vielleicht sogar ein Klo. Ich hab nicht nachgeguckt. Aber hier mach ich erst mal Pause. Es geht danach moderat bergauf, um nach Havik abwärts zur reinsten Rennstrecke zu werden. Die Strasse ist gut genug, um nicht bremsen zu müssen. Dafür gehts danach zur 542 so steil hoch, dass ich passen muss. Ich steig ab und schiebe und fluche. Als ich die 542 erreiche, bin ich durchgeschwitzt wie noch nie zuvor, es tut regelrecht in den Augen weh. Die 542 führt abwärts zu meinem Tagesziel: die Brücken bei Spyssøya. Weil ich zu sehr schwitze und es nicht gerade warm ist, behalte ich meine Jacke an. Was verhindert, dass ich mit meinem Fahrrad über 45 km/h komme. Diese Abfahrt ist der Traum eines jeden Rennradlers, selbt ein ungeübter, ängstlicher Fahrer wird auf diesen breiten Wegen steil abwärts versuchen, Maximalgeschwindigkeit herauszuholen. Die Brücken verbrauchen dann wieder so viel Kraft bei mir, dass ich überlege, ob ich versuchen soll, von hier den Bus zu nehmen. Ich tröste mich damit, dass es bis Leirvik nur 6 km sind. Von dort will ich ganz sicher den Bus nehmen. Doch dann wird die Strecke plötzlich eben, und als ich nachgucke, wann der Bus fährt, fällt mir auf dass er nur 10 min bis Jektevik fahren wird. Wofür er aber 10 Euro verlangt! Ich gucke noch einmal in Google Maps nach: es sind nur 15 km von Leirvik bis zu meinem Ziel. Das ist selbst unter widrigsten Umständen in 2 Stunden zu schaffen. Und ich hab noch 2 1/2. Ist auch besser so. Ich hab eigentlich mit einer Angstfahrt durch einen der Tunnel gerechnet, die in Google Maps das Berechnen der Fahrradroute diese Küste entlang verhindern. Unnötig. Bevor es den Tunnel gab, gab es eine Strasse den Felsen entlang. Sie ist jetzt für Autos gesperrt, aber ich darf mit meinem Fahrrad da lang. Die aussichtsverhindernden Bäume verschwinden, ein traumhaftes Panorama tut sich mir auf, und als Sahnehäubchen fährt noch ein Kreuzfahrtsschiff durch den Fjord. Der zweite Tunnel hat sogar eine Fahradspur. Nur mit einem hab ich nicht gerechnet: Das Langenuen Camping ist im Grunde eher ein RyanCamping. Warum er das Cafe zugemacht habe, frag ich den Betreiber, der sich als Deutscher entpuppt, der das hier seit 11 Jahren betreibt. Es sei zuviel Aufwand gewesen. Hätte sich nicht gerechnet. Und zuviele hätten sich über die Preise beschwert. Er verstände das gar nicht. Wer sich hierher, nach Norwegen, verirrt, hat Geld. 50 Euro für so eine Hütte mögen nach viel klingen, aber nicht in Norwegen. Nur Bergen hat bessere Preise, wegen Überkapazität. Bedingt durch die Ölkrise. Ich hätte vorher einkaufen können. Ein Anruf, und sie hätten den Schlüssel in den Briefkasten gepackt. Ich hab Glück, dass der Besitzer noch 2 Dosen Spaghetti mit Tomatensosse hat. Sie sind mein Abendbrot. Fortsetzung folgt...
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Edited by Wal_aufm_Fahrrad (09/13/16 01:32 PM) |
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#1235076 - 09/13/16 01:39 PM
Re: Norwegen als Anfänger
[Re: cyclerps]
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Aber 20€ für eine kleine Pizza? So schön kanns dort gar nicht sein,sorry Die Pizza war weitaus grösser als das Bild sie scheinen lässt. Aber diese Pizzeria war auch wirklich sauteuer. Aber mit über 10 Euro musst du da oben selbst bei der billigsten Pizzeria rechnen. Das sind dann allerdings auch richtig gute.
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Edited by Wal_aufm_Fahrrad (09/13/16 01:40 PM) |
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#1235304 - 09/14/16 12:25 PM
Re: Norwegen als Anfänger
[Re: Wal_aufm_Fahrrad]
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Respekt! Mit dem Rad auf den Preikestolen. Das kam mir vor dem Aufstieg nicht in den Sinn und nach dem Abstieg erst recht nicht. Für die Kletterpassagen benötigt man schon zwei Hände. Wir hatten die Räder am Busparkplatz abgetellt.
Wir trafen allerdings damals auch kurz vor Einbruch der Dunkelheit und bereits auf dem Rückweg auf eine Familie. Der Vater hatte ein Säugling auf der Schulter und sie waren auf dem Weg nach oben. Da dachte ich auch, dass das nicht unbedingt sein muss, zumal wir unsere Fahrräder erreicht hatten als es schon sehr finster war.
Gruß, Daniel
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