Zusammen mit meinem 14-jährigen Sohn war ich fünf Tage in Belgien und Frankreich unterwegs. Die Route stand unter dem Thema „erster Weltkrieg“ und wir sind einem Teil der ehemaligen Front gefolgt. Vom Ruhrgebiet aus sind wir mit einem Fernbus nach Brüssel gefahren. Der Fahrradtransport war unkompliziert und preisgünstig. Von Brüssel Nord ging es gleich weiter mit einmal Umsteigen in Gent nach Ypern. Im ersten Zug gab es einen Fahrradbereich mit hochgeklappten Sitzen. Im zweiten Zug mussten wir die Räder in einem separaten Gepäckraum verstauen.
Ypern war im August 1914 von den Deutschen besetzt und völlig zerstört worden. Heute ist die Stadt sehr schön wieder aufgebaut. Gleich nach der Ankunft haben wir uns das „In Flanders Fields Museum“ angesehen, das einen sehr eindrucksvollen Überblick über den Krieg gibt. Auf dem Weg zum Campingplatz sind wir an der ersten Erinnerungsstätte für tausende getötete englische Soldaten vorbeigekommen.
Am Sonntag ging die eigentliche Tour los. Orientiert haben wir uns mit einem Fahrradnavi, das uns leidlich gute Strecken ausgesucht hat. Erstes Ziel nach gut 30 Kilometern war auf der französischen Seite ein Rundkurs, den ich im Netz gefunden hatte unter:
http://www.wegedererinnerung-nordfrankreich.com. Hier gibt es die Friedhöfe und Gedenkstätten all der Länder zu sehen, die sich auf Seiten der Alliierten am Krieg beteiligt haben. Besonders die indische Gedenkstätte war sehr beeindruckend.
Reine Fahrradstrecken ohne Autoverkehr gibt es in dieser Region nicht, aber meistens ging es über recht ruhige Landstraßen. Übernachtet haben wir im Ort Violaines, wo wir auf einem Campingplatz ganze 5,50 Euro für ein Zelt mit zwei Personen bezahlt haben. Die Suche nach einem Restaurant fürs Abendessen gestaltete sich etwas schwierig. Schließlich sind wir im Nachbarort La Baissée fündig geworden.
Am Montag ging es durch hügeliges Gelände weiter in den Artois. Auch hier gibt es einen Rundkurs auf der oben genannten Webseite. Start ist die französische nationale Gedenkstätte Notre Dame de Lorette, ein riesiger Soldatenfriedhof mit Denkmal und Kirche.
Daneben gibt es eine in den siebziger Jahren gebaute Gedenkstätte, eine sich in die Landschaft einfügende runde Mauer mit den Namen von 580.000 gefallenen Soldaten aus allen am Krieg beteiligten Ländern, aufgeführt in alphabetischer Reihenfolge. Die Anlage war denkwürdig und harmonisch in die Landschaft eingepasst.
Um den Hügel war im Krieg erbittert und mit tausenden von Toten auf beiden Seiten gekämpft worden. Wir mussten nach dem Anstieg erst einmal ins Tal in den Ort Givenchy und von dort auf die nächste Anhöhe mit dem kanadischen Ehrenmal. Hier ragen zwei Türme, die Frankreich und Kanada symbolisieren, 35 Meter hoch in den Himmel.
Am Fuß sitzt eine weinende Frau, die ihre gefallenen Söhne betrauert. Interessant ist, dass hier nicht militärische Siege gefeiert werden, sondern es ausschließlich um das Elend des Kriegs geht.
Dieser ist hier auch am Unmittelbarsten zu sehen. Seit Ende 1914 gab es kaum Veränderungen der Frontlinie. Die Kanadier hatten im April 2016 den Hügel unter großen Verlusten von den Deutschen erobert. Einige Schützengräben und Tunnel, wurden restauriert und zugänglich gemacht.
Dazu gibt es ein Informationszentrum. All das wird von kanadischen Studenten betrieben. Bemerkenswert war auch, dass die Besucher aus allen möglichen Ländern kamen. Nur wir waren die einzigen Deutschen. Das ist eigentlich erschreckend, wo diese Region so nah und so bedeutsam für unsere Geschichte ist. Am Abend ging es weiter nach Arras, eine Stadt mit wunderschönen Plätzen, wo wir draußen zu Abend gegessen haben.
Danach ging es noch 13 Kilometer weiter zum Campingplatz im kleinen Ort Boiry-Notre-Dame.
Am Dienstag ging es von der ehemaligen Frontlinie in östlicher Richtung nach Maubeuge. Das bedeutete erst einmal 90 Kilometer auf Landstraßen und durch meist so gut wie menschenleere Dörfer, so dass wir erst am späten Nachmittag ankamen. Auch in Maubeuge hatte es im September 1914 eine blutige Schlacht gegeben. Später hat der deutsche Generalstab hier sein Hauptquartier eingerichtet. Die Stadt wurde Ende des 18. Jahrhunderts als Festungsstadt eingerichtet. Sternförmig gehen die Anlagen um das Stadtzentrum herum.
In Maubeuge gab es am nächsten Morgen die nächste Rundtour, die wir morgens ohne Gepäck unternommen haben. Hier gibt es das Fort de Leveau zu sehen mit einem Museum, das allerdings am Mittwochvormittag geschlossen war. Trotzdem ist die Anlage aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts beeindruckend. Die Spuren des deutschen Angriffs sind noch überall sichtbar.
Kurz vor Mittag haben wir dann unsere Sachen gepackt, und gerade als wir die Räder beladen hatten, ging der erste Regenguss runter, den wir unter einem Vordach abgewartet haben. Meine ursprüngliche Planung sah vor, in zwei Etappen nach Verdun zu fahren. Das wären aber 200 Kilometer gewesen, und die Wetteraussichten versprachen nichts Gutes. So haben wir uns entschieden wieder nach Belgien zu fahren und der Sambre nach Charleroi zu folgen. Von kürzeren Regenschauern abgesehen sind wir auch halbwegs trocken am Nachmittag die ca. 60 Kilometer gefahren. Der Weg an der Sambre ist wunderschön. Der Fluss schlängelt sich durch Berge, und wir waren fast allein unterwegs.
Kurz vor dem Ziel haben wir uns noch die Ruine der Abbaye d’Auline angesehen, einer riesigen Klosteranlage, die in den napoleonischen Kriegen zerstört worden war. Auch hier waren wir die einzigen Besucher. Bei wolkenverhangenem Himmel war das eine tolle Atmosphäre.
Da es in Charleroi keinen Campingplatz in Stadtnähe gab, sind wir in ein Hotel gegangen.
Die Wetteraussichten versprachen nichts Gutes. Kaum waren wir am Donnerstagmorgen losgefahren, fing der Nieselregen an. Über einige Berge ging es aus der Stadt raus und dann wieder entlang der Sambre. Der Fluss ist hier aber schon breiter. Man fährt an etlichen Industrieanlagen vorbei, aber immer noch auf einem Fahrradweg. Nach 50 Kilometern durch den Regen waren wir mittags in Namur, wo die die Sambre in die Maas mündet. Bei schönem Wetter ist die Stadt bestimmt schön, aber wir waren froh, erst einmal trocken in einem Restaurant zu sitzen. Angesichts des Dauerregens haben wir uns entschieden die Fahrt abzubrechen, anstatt mit einer weiteren Übernachtung noch nach Aachen zu fahren. Die Rückfahrt ging mit dreimal Umsteigen glatt, so dass wir abends wieder zu Hause waren. Auch auf den letzten Kilometern vom Bahnhof sind wir noch einmal richtig nass geworden.
Es war ein bisschen schade, dass die Tour am Ende buchstäblich ins Wasser gefallen ist. Wir haben auf dieser Tour eine Menge gelernt und viel Stoff zum Nachdenken bekommen. Am Ende war es auch einfach eine schöne erholsame Radtour durch eine nicht spektakuläre, aber doch schöne Landschaft.