Ergänzungen und Kommentare von Panta Rhei in grün.Auf Anfang August haben Panta Rhei und ich, einer kleinen Tradition folgend (siehe
hier), unsere Männer-Hochalpentour angesetzt: Der Theodulpass zwischen Zermatt und Cervinia ist wieder das Ziel unserer Tourenträume, doch der Wetterbericht verheisst mal wieder nichts Gutes: Gewitter im Alpenraum.
Weil damit auf solchen Hochalpentouren nicht zu spassen ist, beschliessen wir, die Tour auf eine Etage tiefer zu verschieben und einen Teil der
Panorama Bike Route unter die Räder zu nehmen (wenn auch mit diversen kleineren Abweichungen). Diese verheisst schöne Aussichten auf Berner- und Zentralschweizer Alpen und viele kleinere Pässe, immer unterhalb der Baumgrenze.
1. Halbtag: Thun-Beatenberg; ca. 30kmDie Tour beginnt in Thun gleich mit einem ruppigen Aufstieg in Richtung Heiligenschwendi. Die noch dürftige Tourenpraxis dieses Jahres macht sich bemerkbar, es ist drückend heiss und irgenwie bin ich froh, dass nicht wie beim Theodul 2'000 Höhenmeter auf dem Programm stehen...
Die ersten Höhenmeter sind immer die Härtesten ... aber die waren schliesslich Sinn der Übung ... Panta Rhei im Aufstieg. Am nördlichen Thunerseeufer eröffnen sich immer neue Panoramablicke. Hier die Voralpen mit dem prominenten Stockhorn
Mit den Höhenmetern hat es sich hier so auf sich. Obwohl der Beatenberg "bloss" 500m höher liegt als der Thunersee, verrichten wir bis dorthin gefühlt die dreifache Arbeit, weil die Strecke sich immer wieder rauf und runter in die Seitentäler windet.
Zwischenabfahrt vor Sigriswil
Thunersee mit Spiez und dem pyramidenförmigen Niesen im Hintergrund
Der Schlussaufstieg von Sigriswil nach Beatenberg folgt einer alten Militärstrasse, welche an Felswänden und durch Tunnels durch die Reduit Festungswerke aus der Zeit des 2. Weltkriegs führt.
Im Schlussaufstieg nach Beatenberg
Unbeleuchtete Tunnelstrecke
Blick zurück über Thunersee in Richtung Stockhorn.
... die "Dramatik" hat uns fast für den drohenden Regen entschädigt ... aber pitschnass bergauf wollten wir uns dann doch für die härteren Anstiege aufsparen ...Die Wolken ziehen sich nun immer mehr zusammen und es fallen schon vereinzelt Tropfen. Eigentlich hätten wir noch weiter Richtung Habkern fahren wollen, aber es lockt ein Zeltplatz in Beatenberg mit Dusche und trockenem Gemeinschaftsraum.
Wir schaffen es gerade noch, das Zelt im Trockenen aufzustellen und noch kurz die Aussicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau zu geniessen. Als der Wolkenbruch einsetzt, sitzen wir schon geduscht im Gemeinschaftsraum, kochen unsere Pasta al Pesto und parlieren mit einer holländischen Camperin.
2.Tag: Beatenberg-Grünenbergpass-Rotmoos-Scheidzaunbödeli ca.40kmAm nächsten Morgen gehen wir es gemütlich an. Der Regen hat zwar aufgehört, das Zelt ist aber noch klitschnass, als wir aus den Schlafsäcken kriechen. Also abwarten, Tee trinken, Zelt antrocknen lassen...
Zum Camping Wang, Beatenberg: ein charmanter kleiner Camping auf dem Bauernhof; die Scheune wurde ein einen Spielraum umfunktioniert, der Kuhstall in einen Aufenthalts- und Essraum, auch die Waschräume sind im ehemaligen Bauernhaus untergebracht. Eine kleine Küche kann genutzt werden. Neben den Zeltplätzen gibt es auch eine Ferienwohnung und eine Jurte zu mieten
Über kleine Landwirtschaftswege fahren wir um die 10 Uhr los Richtung Habkern. Die Strecke ist anspruchsvoller und anstrengender als erwartet, bietet aber immer wieder schöne Ausblicke durch Nebel-und Wolkenschwaden hindurch. Hier, abseits der Touristenpfade, ist die Bauernschweiz noch authentisch und ungeschliffen.
Flagge zeigen für's Radforum! (Zumindest ein paar Kühe haben mich angestarrt
)
Kurz vor Habkern müssen wir umkehren und einen Umweg nehmen, da die kleine Strasse wegen Windfalls gesperrt ist. So treffen wir erst am Mittag in Habkern ein und entschliessen, uns bei einem Fondue im Dorfrestaurant für die Weiterreise zu stärken.
Über den Grünenbergpass führt von Habkern aus eine steile Naturstrasse, welche im Anstieg mit dem Mountainbike gut fahrbar und an neuralgischen Stellen auch mal geteert ist. Wegen des einsetztenden Regens nehmen wir die einmalige Hochmoorlandschaft leider nur wenig wahr.
Hätte nie gedacht, dass so ein "1600er Pässchen" so anstrengend sein kann ... Bei einem Bunker, welcher wohl einem neuen Nutzen zugeführt wurde (Überwachunsgkamera deutet darauf hin), stellen wir uns unter und stärken uns für die Abfahrt.
Nach der Passhöhe wird die Strasse eine Spur ruppiger und wir bewältigen eine kurze Wegstrecke schiebend.
Als dieser Teil durch war, fing der "Genussteil" an ... Nach der Abfahrt folgt sofort wieder die Gegensteigung rauf zum Rotmoos, einem weiteren Hochmoor.
Bei einem Pic-Nic Platz halten wir kurz an und Panta Rhei beweist mir, dass er auf bestem Weg ist, ein echter Schweizer zu werden: Er benutzt artig die aufgestellte mobile Toilette.
Wenn schon, denn schon. Wir wären beinahe dort geblieben (nein, NICHT wg. dem WC ), denn es gab eine Feuerstelle, Bänke ... allerdings wars da im Wald zu tropfnass und ein ebenes Fleckchen fürs Zelt war auch nicht zu finden. Es will nun schon Abend werden, und wir machen uns auf die Suche nach einem geeigneten Platz für unser Zelt. Unweit eines Bauernhofes erspähen wir eine frisch abgegraste Krete mit wunderbarer Aussicht. Ich mach' mich auf, den Bauern um Erlaubnis zu fragen. Kein Problem, er ist schweigsam, aber freundlich, und so beziehen wir schon bald unser Zimmer mit Aussicht.
Panta Rheis Macpac Zelt fügt sich gut in die grüne Landschaft ein.
Bei einem feinen Gemüsereis und den obligaten Tassen Tee lassen wir den Tag ausklingen.
3.Tag: Scheidzaunbödeli-Schangnau-Kemmeribodenbad-Saalwidli-Sörenberg-Glaubenbielenpass-Mörlialp ca.40km Am Samstagmorgen lacht die Sonne in unser Zelt, ausserdem wartet zuerst mal eine Abfahrt auf uns, die Welt sieht gleich ein wenig freundlicher aus.
Wir befinden uns hier im obersten Teil des Emmentals, wo mächtige Bauernhöfe vom ehemaligen Reichtum der Bauern zeugen, welche Anfangs 19. Jahrhundert den Käse gleichen Namens in Massen zu produzieren und in die ganze Welt zu exportieren begannen.
Links der eigentliche Bauernhof, rechts das "Stöckli", wo die ältere Generation lebte, sobald der Hof an die neue Generation übergeben worden war. Dieses Stöckli ist ausnehmend gross.
Typisch fürs Emmental sind auch die gedeckten Holzbrücken, welche beinahe bei jeder Ortschaft über die Emme führen. Hier mit Velorouten-Wegweiser.
Kemmeribodenbad ganz zuoberst im Emmental war früher mal ein Ausflugsort für vergnügungsüchtige Stadtberner. In den Badebottichen wurde gekurt und den leiblichen Genüssen gefröhnt. Noch heute soll es hier die weltbesten Meringuen geben. In Anbetracht der uns noch bevorstehenden Wegstrecke verzichten wir darauf. Heute ist das renovierte alte Kurhaus ein schickes Seminarhotel.
Das mit den "leiblichen Genuessen" hatte Markus dann bei unserer Znüni-Pause keine Ruhe gelassen. "Wo sind denn hier die Badebottiche?" meinte er - worauf ich vorschlug, er solle doch mal rechts diese Holztreppe hoch und einfach hinter diesen Holzzaun schauen ... ein aufgeschreckte weibliche Stimme und ein Plätschern zeigte, dass er da GAAANZ richtig lag Nach Kemmeribodenbad steigt der Weg steil an in Richtung Kantonsgrenze. Er wird auch immer schmäler und rauher. Mit unserem Gepäck kommen wir hier auch mal ans Limit und schieben ein kurzes Stück. Oben bei der Schneebergalp angelangt, bemerke ich mit Schrecken, dass ich meinen Trinkrucksack unten in Kemmeribodenbad vergessen habe.
So heisst es umkehren, 300 Höhenmeter "vernichten" und mühsam noch mal hochfahren. "Wer keinen Kopf hat, hat Beine", pflegte schon mein Vater zu sagen...
Panta Rhei streckt derweil seine Beine beim Hofladen aus und geniesst die Sonne.
Schön wars, nachdem ich den Grund für meinen verlängerten Aufenthalt kund getan hatte, bekam ich prompt einen Sitzplatz im Schatten nebst einer Auswahl der Lokalzeitungen zugewiesen. Aber trotzdem nutzte ich die Zeit, um allerhand Klamotten in der Sonne nachzutrocknen - und zum Faulenzen ... Die ganz junge Emme in einer Schlucht
Steiler Anstieg
Eindrückliche Wegstrecke und Wegweiserwirrwarr
Schön dekorierte Alphütte.
Das Wegkreuz deutet darauf hin, dass wir vom protestantischen Kanton Bern in den katholischen Kanton Luzern gewechselt haben.
Die Schneebergalp mit Hofladen
Bei meiner 2.Ankunft bei der Schneebergalp bin ich erschöpft und ausgehungert. Zum Glück hat Panta Rhei eine Birnenwecke erstanden, und ich kann damit meinen Zuckerspiegel wieder ins Lot bringen. Die hausgemachten Sirupe schmecken hervorragend.
Es folgt eine rauschende Abfahrt hinunter nach Sörenberg, bei welcher wir jeden verlorenen Höhenmeter bedauern im Wissen, dass wir diese im Anstieg zum Glaubenbielenpass alle wieder erstrampeln müssen.
Der Pass ist eine beliebte Motorradausflugstrecke, und der Samstagnachmittag ist deswegen gewiss nicht der ideale Zeitpunkt für eine Befahrung per Rad; dies wird uns aber erst im Nachhinein bewusst. So erdulden wir die Hundertschaft dröhnender Höllenmaschinen auf der engen Passstrase. Auf halbem Weg zur Passhöhe nehme ich mir eine Auszeit und gehe auf einer etwas abseits der Strasse gelegenen Alp frische Milch einkaufen, während Panta Rhei weiterstrampelt. So kommt es denn zu dem, was sonst kaum je einer für möglich gehalten hätte: Er erreicht vor mir die Passhöhe.
Ja-ne, habe richtig lang da oben gewartet - das waren doch nicht nur die 1000g Mich, oder? Im Aufstieg zum Glaubenbielen
Meine Ankunft auf der Passhöhe
Der Tag neigt sich nun dem Ende zu und wir beschliessen, noch auf der Abfahrt nach einem Platz zum Übernachten Ausschau zu halten. Auf der Mörlialp bei einem Piknikplatz neben einem kleinen Waldweiher werden wir fündig. Wir entfachen ein Feuer, grillen Auberginen und kochen unser Ratatouille mit Reis. Laut Wetterradar sollte es nicht zu Niederschlägen während der Nacht kommen, weshalb wir beschliessen, mal unter offenem Himmel zu schlafen.
Gute Gespräche am Lagerfeuer, der Rauch dringt in alle Ritzen und dann Einschlafen unter einem prächtigen Sternenhimmel! Ausblick oberhalb der Mörlialp in Richtung Sarnersee/Kanton Obwalden
Unser Abendessen auf dem offenen Feuer.
4.Tag: Mörlisalp-Sarnersee Nordufer-Sarnen-Alpnach-Hergiswil-Luzern, ca 45kmAm Morgen bin ich froh, dass ich meinen Liegeplatz in einem kleinen Waldstück ausgesucht habe: Die Wiese ist triefnass, und mittendrin Panta Rhei in seinem Schlafsack. Bei mir ist alles trocken geblieben
. So setzte ich schon man den Teekocher auf und warte darauf, dass er sich rührt. Die Abfahrt runter in Richtung Giswil ist rasant und spektakulär. Immer wieder eröffnen sich Panoramaausblicke über den Sarnersee bis hin zu Stanserhorn und Pilatus.
Wirklich eine traumhafte Abfahrt... Noch vor Giswil nehmen wir ein kleines Strässchen in Richtung nördliches Seeufer. Es verengt sich bis zu einem Fusspfad und quert auf einem engen Steg einen reissendend Wildbach.
... war ja klar, dass diese ein "dickes Ende" haben musste In Oberwilen am Nordufer des Sarnersees kommen wir dem Ufer nahe und halten Ausschau nach einer Zugangsmöglichkeit. Inmitten von Terrassensiedlungen werden wir zufällig (Fotohalt sei dank) fündig. Der öffentliche Zugang ist nicht ausgeschildert und wäre wohl den Ortskundigen vorbehalten. Wir nutzen aber dankbar die schöne kleine Liegewiese und die gepflegte Toilette. Panta Rhei hätte eigentlich vorgehabt, nackig ein Bad zu nehmen, kommt sich hier aber doch zu beobachtet vor und zieht es vor, gleich wie ich die Unterhosen anzubehalten. Ich bin froh, denn wenig später begibt sich in der nebenliegenden Parzelle eine Grossmutter mit zwei kleinen Mädchen in den See.
Nach dieser kleinen Erfrischung fahren wir im kleinen Kantonshauptort von Obwalden, in Sarnen, ein. Beim Rathaus steht noch ein voll funktionsfähiger Pranger, und wir fragen uns, wann dieser wohl das letzte Mal in Gebrauch war.
Weiter gehts durch die Ebene Richtung Alpnach. Dabei führt die Radstrecke zuerst einem schönen Naturschutzgebiet entlang und dann quer über den Militärflugplatz.
Nach Alpnach folgen wir dem nördlichen Ufer des Alpnachersees. Hier zwängen sich Eisenbahn, Autobahn, Hauptstrasse und Veloweg der z.T steilen Seeflanke entlang und wir wähnen uns endgültig wieder in der Zivilisation.
Die Strecke nach Luzern rein bietet zwar immer wieder spezielle Ausblicke über Alpnacher- und Vierwaldstättersee, ist aber sicher kein Tour-Highlight. Irgendwie hätten wir die Tour woanders abschliessen sollen... Immerhin gönnen wir uns noch ein Eis und ca. eine Stunde Aufenthalt in der Touristenmetropole Luzern, bevor wir den Zug zurück nachhause besteigen.
Fazit
Sportlicher Aspekt: Die Tour ist mit Tourengepäck ganz schön anstrengend. zwar ist kein Pass über 1'700m hoch, aber die Vielzahl kleiner Steigungen ermüdet. Der Grünenbergpass und auch der Austieg von Kemmeribodenbad bis Saalwidli sind zudem auch fahrtechnisch nicht ganz problemlos. Allerdings sind gerade dies die Teile der Tour, welche uns wohl als die schönsten in Erinnerung bleiben werden.
Landschaftlich: Ganz einfach grandios, diese Voralpenstrecke! Überall bieten sich schöne Ausblicke auf die ganz grossen Alpengipfel. Auch im Kleinen gibt es viel zu entdecken: Wasserfälle, Hochmoore, Blumenwiesen, überwachsene Bunker aus der Zeit des 2. Weltkrieges.
Dir Markus, vielen Dank für die schöne Routenidee - wäre ich vermutlich nicht unbedingt selbst drauf gekommen ! Die Wegstrecken verlaufen grösstenteils abseits der Zivilisation, was in der dicht besiedelten Schweiz nicht ganz selbstverständlich ist.
Besonders gefallen hat mir das Wildcampen auf dem Scheidzaunbödeli.
Material: Hier würde es sich lohnen, wirklich nur minimal Gepäck mitzunehmen. Wir hätten wohl etwas leichter fahren können, ohne wirklich etwas zu vermissen: Die Faltschüssel hätte zuhause bleiben dürfen, beim Zelt und beim Kochmaterial wäre auch Einsparpotential vorhanden gewesen. Anders ausgedrückt: für minimalistische Bikepacker wäre dies wohl ein ideales Tummelfeld.